Autor Thema: Gedanken  (Gelesen 75940 mal)

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Offline Isdrasil

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Re: Gedanken
« Antwort #60 am: 29.09.2007 20:15 Uhr »
Sehr schön, Floh  :icon_thumb: Hörst du Cure?  :icon_wink:

Offline Isdrasil

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Re: Gedanken
« Antwort #61 am: 29.09.2007 20:16 Uhr »
TIMELESS

Berlin, 24.06.2023

Die Projektion an der weißen Wand liefert ein gestochen scharfes Bild eines Quarks, eines dieser Teile, die ich nie verstanden hatte und von denen die Physikprofessoren nun schon seit Jahrzehnten in höchsten Tönen schwärmten. Es bleibt relativ ruhig an seiner Stelle, zittert nur ein klein wenig – doch dies sei nach den Worten des leitenden Wissenschaftlers lediglich das Resultat `minimalster Schwankungen des Tableaus` und kein Zeichen einer `aus Energie hervorgebrachten Eigenbewegung des Teilchens`. Die Dämpfungen seien einfach nicht in der Lage, nanoskopisch kleine Wellen auszugleichen.
„Dies ist gleichzeitig das fatale der Nanologie“, erläutert Dr. Higgins, „man ist in der Lage, die kleinsten Teile anzuschauen, doch noch nicht soweit, sich im Nanokosmos störungsfrei zu bewegen“.
Ich verstehe nicht viel. Ich starre lediglich auf das Teilchen, das schwach zuckend vor uns auf der Wand zu sehen ist.
Der Professor schaltet die Projektion ab.
„Ja, es ist wahr. Diese Teilchen befinden sich in einem absoluten Ruhezustand. Lange Zeit nahm man an, sie trügen Ladungen in sich – doch es sind absolut ausgeglichene, raumlose Materiepunkte. Es scheint fast so, als würden die energetischen Gesetze nicht für sie gelten und“, er macht eine demonstrative Pause, „als würden die Gesetze der Dimension in diesen Bereichen keine Rolle mehr spielen.“
Stille. Der Professor blickt mich an. Scheinbar wartet er auf eine besondere Reaktion. Eine Art Aha! Aber ich habe keinen blassen Schimmer.
„Keine Dimension und keine Bewegung. Das heißt?“
Der Professor schaut mich weiterhin an. Er scheint zu begreifen, dass es keinen Sinn macht, mich mit physikalischem Kauderwelsch zu überschütten. Ich würde es einfach nicht verstehen.
„Ok. Ich erkläre es Ihnen etwas vereinfacht. Es bedeutet“, und wieder diese demonstrative Pause, „ das für diese Teile die Gesetze der Zeit nicht gelten. Es bedeutet, dass dieses Teil, welches ich Ihnen mithilfe der Projektion zeigte, exakt so und genau an derselben Stelle bereits seit Urzeiten an diesem Punkt liegt. Oder besser gesagt, es liegt erst seit einem Moment dort, während sich das ganze Geschehen wie wir es kennen um dieses Teilchen herum geschieht. Es ist ein absolut ursprünglicher Moment, während um diese zeitlosen Punkte die Dimensionen wie ein Mantel liegen und erst die Welt erschaffen, in der wir leben.“
Ich verstehe immer weniger. Und der Professor scheint nicht aufhören zu wollen.
„Wenn man es genau nehmen will, besteht das Universum aus einem regelmäßigem Strickmuster von Quarks, und Dinge wie Zeit, Raum, Materie, Energie und Bewegung entstehen zwischen Ihnen. Sehr geehrter Herr Keane“ – demonstrative Pause und das erneute Anschalten des Projektors, „hier sehen sie die Zukunft, die Gegenwart und die Vergangenheit in einem Punkt vereint. Hier sehen sie ein Teilchen, welches schon Bestandteil eines Sauriers war, welches jetzt hier durch uns sichtbar gemacht wurde, und welches in einigen Jahrmilliarden den Untergang der Welt und der menschlichen Rasse erleben wird, bis es im wahrscheinlichen Antiknall zusammen mit dem gesamten Universum erneut in einen riesigen Klumpen Materie verdichtet wird – um durch den Druck wieder zu explodieren und erneut ein Strickmuster, eine Matrix zu formen.“
Thriumphierend blickt er auf mich herab. Aha. Alles klar. Und was will er mir damit sagen?

Nur, dass sie mich richtig verstehen: Ich bin kein Physiker. Kein Wissenschaftler. Keiner dieser Illusionäre, die Dinge erklären, die man nie beweisen kann – und deshalb eigentlich immun gegen Kritik sind. Das All ist nicht durch einen Urknall entstanden? Na, dann beweisen sie mir erstmal das Gegenteil! Nein, ich komme aus einem anderen Metier. Ich bin Detective. Und ich habe mich auf ungelöste Verbrechen spezialisiert. Der Professor? Ein alter Kollege. Er hat mir schon oft durch revolutionäre Techniken zur Lösung des ein oder anderen Falles geholfen.
Im Prinzip sind wir gar nicht so verschieden: Wir möchten erklären. Wir möchten Lösungen finden. Und wenn wir die eine Lösung haben, dann suchen wir uns eben die nächste Frage...

„Sie fragen sich gewiss, was das alles soll? Passen sie auf!“
Der Professor schiebt einen Stuhl in die Mitte des Raumes, auf eine Stelle, die er vorher penibelst mit einigen x-en und Punkten markiert hat. Dann packt er mich ein wenig unsanft an den Schultern und setzt mich auf den Stuhl.
„Was soll das?“, frage ich ungeduldig.
„Warten sie ab“. Er blickt mir in die Augen und fängt an, meinen Kopf mit beiden Händen zu umfassen. Er bewegt mich hin und her, auf und ab, vor und zurück. Mal schnell, mal langsam. Allmählich komme ich mir etwas albern vor. Nicht, dass sie mich falsch verstehen. Ich respektiere ihn und seine Arbeit. Aber dies geht vielleicht etwas zu weit. Trotzdem lasse ich die Prozedur über mich ergehen. Ich beginne mich zu langweilen und merke, wie mein Magen zu knurren beginnt. `Blaubeerkuchen` denke ich, `ein schöner, saftiger Blaubeerkuchen`.
So lasse ich mich noch ein wenig hin- und herschieben, bis der Professor endlich aufhört.
„Was sollte das denn jetzt?“
Er grinst mich kurz an und geht hinaus.
`Freak. Ein echter Freak. Fehlt nur noch das graue, lodernde Haar`.
Er kommt wieder in den Raum, seine Hände hinter seinem Rücken versteckt. Stellt sich vor mich hin, grinst, und zaubert ein Tablett vor, welches er versteckt gehalten hatte. Auf dem Tablett – Blaubeerkuchen!

Nach einigen Stunden habe ich die Grundlagen verstanden: Der Prof hat einen Weg gefunden, um die Muster von Gedanken auf die Matrix der Quarks zu legen. Kommt das Bewusstsein eines Menschen in den Aktionsradius dieser Gedanken, so fasst sein Gehirn den Gedanken auf und versteht ihn als seinen Eigenen. Dadurch könne man nicht nur Informationen in unfassbarer Menge konservieren, nein, man könne sie sogar durch die Zeit schicken – oder besser: Die Zeit lege sich um den Gedanken herum und festigt ihn so in der Zukunft und in der Vergangenheit. Natürlich gebe es auch etliche Risiken – sowohl physikalischer als auch ethischer und gesellschaftlicher Art. Aber er möchte ein kleines Experiment wagen – mit meinem Einverständnis und meinem Wissen in einer speziellen Angelegenheit. Er berichtet mir von einer Idee, von einer kleinen Möglichkeit. Als er mir ein Foto zeigt, muss ich nur noch grinsen. Er kennt mich eben – und er kennt meinen sehnlichsten Wunsch.

Nach drei Tagen ist es soweit. Daten sind gesammelt. Informationen verwertet. Zur Sicherheit fertigt der Professor ein Skript an, indem er den jetzigen Wissenstand festhält.
„Wer weiss“, sagt er, „vielleicht klappt unser Experiment, wir merken es aber nicht – weil wir keine Erinnerung daran haben können.“
Die Reise geht los. Der Flug dauert etwa 2 Stunden…

London, 30.09.1888

PC James Harvey läuft gegen 1:38 Uhr durch die Church Passage, um noch einmal einen Blick auf den Mitre Square zu werfen. Er muss an sein Zuhause denken, an sein Bett. Er hasst Nachtschichten, wäre viel lieber bei seiner Frau. Als er am Eingang zum Square angekommen ist, hat er einen Gedanken: „Schau in den dunklen Ecken nach. Dort lauert das Monster.“…


Stordfield

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Re: Gedanken
« Antwort #62 am: 29.09.2007 21:41 Uhr »
Hallo Isdrasil !

Da ich mich ja schon einmal als Fan Deiner postings geoutet habe , laufe ich jetzt sicher Gefahr , als absoluter Speichellecker gebranntmarkt zu werden . Und weißt Du was ? Es ist mir völlig egal !
Deine Geschichte ist der Hammer !

Gruß Stordfield

Offline Isdrasil

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Re: Gedanken
« Antwort #63 am: 29.09.2007 21:42 Uhr »
Kurz und bündig:  Dankeschön....freut mich :icon_razz: :icon_redface:

Floh82

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Re: Gedanken
« Antwort #64 am: 30.09.2007 00:33 Uhr »
Sehr schön, Floh  :icon_thumb: Hörst du Cure?  :icon_wink:

Ähm....ich bin Cure nicht abgeneigt....sollte mich mein Text an einen Song erinnern?

Offline Isdrasil

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Re: Gedanken
« Antwort #65 am: 30.09.2007 09:26 Uhr »
...naja....Robert Smith? Sänger von Cure?  :icon_wink: War wohl mehr eine unbewusste Namensgebung  :icon_wink:

Floh82

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Re: Gedanken
« Antwort #66 am: 30.09.2007 13:14 Uhr »
Achso....*g* ne die Namensgebung war unbewußt.

Offline Isdrasil

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Re: Gedanken
« Antwort #67 am: 17.10.2007 14:39 Uhr »
EIN SCHRECKLICHER ANBLICK

Ein Mann zerrt am Arm einer Frau, die angewidert ihr Gesicht abwendet.
„Komm schon, ist doch nicht schlimm, ich habe es mir auch schon angesehen“.
Allmählich gibt die Frau nach. Mit blankem Entsetzen hält sie sich die Hand vor den Mund und starrt auf den abscheulichen Anblick, der sich ihr bietet. Lange wird sie es hier nicht aushalten. Sie wird ihren Begleiter bald bitten, mit ihr weiterzugehen. Und nachts beim Einschlafen wird sie noch oft an dieses Erlebnis denken müssen.

Auch ein Priester läuft des Weges. Als er die Szenerie erblickt, bleibt er bestürzt stehen. Fassungslos gesellt er sich zu der starrenden Frau und ihrem Begleiter. Als er wieder die Fassung errungen hat, beginnt er zu beten. Er macht Kreuzzeichen und bittet um Erlösung von dem Bösen, dass in dieser Welt herrscht. Des Abends dann wird er vor seiner Gemeinde über den Teufel und seine Ausgeburten predigen, in seinen Gedanken immer den Anblick vor Augen, der sich ihm zuvor bot.

Zur gleichen Zeit sind einige Kinder am selben Ort. Es ist für sie eine Mutprobe, hier zu sein. Ein besonders Aufmüpfiger unter ihnen klopft an die Scheibe und zieht Grimassen. Er zeigt auf etwas und lacht laut auf, streckt die Zunge heraus und spielt den Furchtlosen. Die Mädchen werden ihn dafür bewundern. Und manchmal wird er noch damit prahlen, und den Anderen das Erlebnis ausschmückend erzählen.

Hinter der Scheibe – sitzt ein Mann auf einem Stuhl.
Seine Hände liegen gefaltet in seinem Schoss.
Sein Blick geradeaus durch die Scheibe, an einen fernen Punkt geheftet.
Womöglich versucht er in diesem Moment, die Welt um ihn herum zu vergessen.
Und erträgt still und friedlich die Abscheulichkeiten dieser Welt…

Für Joseph – er kann es nicht wissen, aber er hat mir schon oft geholfen.

« Letzte Änderung: 17.10.2007 15:28 Uhr von Isdrasil »

Offline Chris Jd

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Re: Gedanken
« Antwort #68 am: 17.10.2007 18:09 Uhr »
Schön!
 :icon_thumb:

Offline Pathfinder

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Re: Gedanken
« Antwort #69 am: 17.10.2007 18:40 Uhr »

der arme j. c. merrick

du hast die situation beeindruckend erfasst  :icon_thumb:

in dir schlummern ja richtige talente  :icon_wink:
UND ER WAR ES DOCH !!!!!!!!

Offline thomas schachner

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Re: Gedanken
« Antwort #70 am: 17.10.2007 19:42 Uhr »
 :icon_cry:
<~> any propaganda is good propaganda, as long as they spell your name right <~>

Floh82

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Re: Gedanken
« Antwort #71 am: 09.12.2007 23:29 Uhr »
Kanonische Fünf

Bitter ist der Tod,
kalt wie die Nacht.
Nebel verschleiert,
diese unheilige Macht.

Still ist die Angst,
Trauer ihr Lohn.
Der Mond allein,
kennt ihren Sohn.

Sein Ziel ist die Welt,
sein Blut ist der Schmerz.
Sein Messer geschärft,
für den Stich in ihr Herz.

Schnell ist die Zeit,
vergangenes ruht.
Ein schwarzes Herz,
war einmal voll Glut.

Ein trauriger Herbst,
sein Ende war nah.
Eine Frage noch bleibt:
Und zwar wer er war.

Offline Pathfinder

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Re: Gedanken
« Antwort #72 am: 10.12.2007 08:43 Uhr »
 :icon_thumb:

unsere dichter und denker leben noch
UND ER WAR ES DOCH !!!!!!!!

Floh82

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Traurige Weihnacht
« Antwort #73 am: 10.12.2007 22:13 Uhr »
Im Nachgang direkt eine neue Geschichte. Diesmal aus einem anderen Blickwinkel.


Jonathan verließ das Finanz- und Wirtschaftsministerium auf der Princes Street und machte sich auf den Weg zur U-Bahn Station St. James Park. Wie jeden Tag verließ er das Ministerium am Nachmittag und machte sich von dort sofort auf nach Hause. Manchmal besuchte er eine Badeanstalt in Covent Garden. Seine Wohnung hatte er auf der Cecil Street einer Seitenstraße vom Strand. Doch schon bald, hoffte er, würde er sich eine bessere Wohnung in besserer Wohnlage leisten können. Vielleicht Piccadilly oder Mayfair. Er arbeitete wie ein Wilder und wollte seinem Vorgesetzten durch Fleiß und Ehrgeiz auffallen.

An jenem Tag im Dezember 1887 war es sehr kalt. Der Winter stand vor der Tür und es begann bereits leicht zu frösteln. Auf dem Weg zu seiner Wohnung dachte er über die Gespräche nach die er heute mit zwei Kollegen geführt hatte. Sie waren ebenso wie er noch jung und Single, aber sie hatten im Gegensatz zu ihm bereits mehrfach die Nacht irgendwo im EastEnd verbracht...bei irgendeiner Hure.
Er war neugierig und wollte es ebenfalls einfach mal ausprobieren. Sein Vater, der eine Apotheke auf der High Street in der Nähe der Peddington Street besaß, hätte ihn bestimmt bestraft, wenn er das herausbekommen würde. Aber er wohnte bereits seit ein paar Jahren allein und seine Eltern besuchte er nur an manchen Wochenenden. Er hatte ein gutes Verhältniss zu ihnen, wußte er doch dass nur ihr Fleiß ihm ein Studium und damit die Möglichkeit in der Verwaltung zu arbeiten ermöglicht haben.

An jenem Abend ging er wieder zurück zur U-Bahn Station Charing Cross an der Villiers Street. In unauffälliger Kleidung, Anzug und Krawatte waren für eine Fahrt nach Spitalfield oder Whitecheapel nicht geeignet, fuhr er mit der District Line bis zur Station St. Mary. Von dort aus ging er ziellos durch die Elendsviertel Londons.
Irgendwo in der Finch Street wurde er fündig. Eine junge Prostituierte mit roten Haaren fiel ihm auf und schien auf einen willigen Freier zu warten. Es war sehr kalt und so überlegte er nicht lang und sprach sie an. Er war unsicher wie man eine Prostituierte ansprache aber sie wußte gleich warum er da war und so verhandelten sie nur über den Preis und gingen dann an einen ruhigen Ort.

Er hatte Geschmack an den Huren gefunden. Er kam so oft er konnte...meist zweimal im Monat, manchmal häufiger. Ein paar Mal hatte er seine erste Hure wieder getroffen. Aber nicht immer. Bis zu einem Tag im Frühling 1888. Er traf sie diesmal weiter von St. Mary's entfernt, doch er erkannte sie sofort. Sie verhandelten schon gar nicht mehr über den Preis, sondern waren sich gleich einige. Sie hatte etwas vertrautes, das gefiel ihm.
An diesem Abend passierte etwas ungewöhnliches. Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, sprachen sie noch. Er erzählte ihr dass er eigentlich aus dem Westen komme und dort einen festen und gut bezahlten Job hätte. Sie war beeindruckt und wirkte etwas traurig. An jenem Abend wurde sein Herz weich und sie stürmte es in Windeseile. Vielleicht hatte sie es nicht gemerkt, aber er konnte die nächsten Tage nur an sie denken. Er wußte sogar ihren Namen, er wußte dass sie in einer kleinen Absteige wohnte mit einem Mann zusammen den sie aber nicht liebte.
Er mußte sie wiedersehen.

Seit diesem Tag sah er sie häufiger. Er fragte andere Huren offen nach ihr und wo sie sein könnte und irgendwann hatten sie einen festen Punkt an dem sie sich jede zweite Woche trafen. Er war eine Art Stammfreier, aber sie wußte dass es nicht immer so sein konnte. Irgendwann könnte er das nicht mehr tun....und sie wollte es nicht weiter tun, obwohl ihr fast nichts anderes übrig blieb.
Ihm kam oft der Gedanke sie einfach mitzunehmen...sie könnte noch ein oder zwei Jahre im EastEnd wohnen, dann hätte er eine bessere Position, besseres Gehalt und könnte sich mehr leisten. Dann könnten sie heiraten und Kinder bekommen. Er träumte von ihrer gemeinsamen Zukunft....sie dachte jeden Tag ans Überleben.

Er war einige Zeit nicht da gewesen. Es gab viel zu tun im Ministerium und er konnte abends nicht noch ins EastEnd reisen. Das letzte Mal war er im Juli da gewesen, nun war es bereits Ende August.
Am nächsten Morgen nahm er sich vor demnächst wieder hin zu fahren, doch als er die Zeitung aufschlug wußte er dass er sofort hin mußte.
Es hatte einen Mord gegeben....einen schrecklichen Mord. Im EastEnd waren Verbrechen nichts auffälliges, aber so ein bestialischer Mord? Er hatte etwas Sorge und fuhr am selben Abend noch ins EastEnd.
Jonathan traf sie....er erzählte ihr von seinen Sorgen und sie beruhigte ihn. Er müsse sich keine Gedanken machen und jede Frau lebt hier in gewisser Gefahr. Er war etwas verwirrt. Wußte sie von seinen Gefühlen? Hatte sie es bemerkt? Er war sich nicht sicher.

In den nächsten Wochen wurde der Horror immer schlimmer. Es geschahen mehr Morde und sie wurden immer brutaler. Er mußte sie aus diesem Elendsloch herausholen. Irgendwie. Er wußte nicht mehr wie oft er mit ihr geschlafen hatte....er wußte nicht wieviel er ihr dafür zahlte...er wußte nur dass er sie liebte und dass er sie heiraten wollte.

Anfang November sollte er sie das letzte Mal sehen. Es war ein gemütlicher Abend. Sie hatten miteinander geschlafen und er hatte ihr einen Anhänger geschenkt. Er hatte ihr gesagt dass er versuchen werde sie herauszuholen aus dem Elend. Er hatte nicht von Heirat gesprochen....aber davon ihr zu helfen und für sie da zu sein. Als er ging lächelte sie und das machte ihn glücklich. Er sagte ihr dass er Mitte November wieder kommen würde, eher würde er es nicht schaffen.

Am 9. November hörte er bereits von einem weiteren Mord im EastEnd. In Spitalfields soll eine Frau bestialisch ermordet worden sein. Er dachte nicht daran dass sie das Opfer sein könnte. Erst am nächsten Tag las er in der Zeitung wer die Tote war...Mary Jane. Seine Mary Jane.

Es war ein bitterkalter Dezembertag als er am Grab stand und den Stein vorsichtig berührte. Der Stein war kalt und der Schnee an seinen Händen schmolz sofort dahin. Er schluchzte und die Kälte des Winters zog in sein Herz ein. Er betete und streichelte dabei ganz sanft den Stein. Mary Jane Kelly....ganz leise sprach er ihren Namen.
Er versprach immer wieder zu kommen...und ihr Blumen aufs Grab zu legen. Wieder legte er eine Hand auf den kalten Stein. Er schloß die Augen und ließ die Schneeflocken auf seine Hand schneien. Es war kalt...doch die Kälte in seinem Herzen war schlimmer. Er weinte...Mary Jane war tot.

Offline Pathfinder

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Re: Gedanken
« Antwort #74 am: 12.12.2007 09:53 Uhr »

floh, sag mal hast du eigentlich urlaub ?  :icon_lol:

nein, wieder einmal ein gute kurzgeschichte, mein kompliment  :icon_thumb:
UND ER WAR ES DOCH !!!!!!!!