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Fachliche Themen => Allgemeine Diskussion => Thema gestartet von: Isdrasil am 14.03.2007 19:46 Uhr

Titel: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 14.03.2007 19:46 Uhr
Eine völlig themenfreie Plattform für Gedanken, Texte oder sonstigem Krimskrams rund um Jack the Ripper...
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 14.03.2007 19:46 Uhr
Die schmerzhafte Schönheit des Lebens

Rosen. Rote Rosen. Es waren ihre liebsten Blumen.
„Sie erinnern mich“, sagte Sie an diesem regnerischen Tag zu mir, „sie erinnern mich an diese schmerzhafte Schönheit des Lebens.“, und dann sah Sie mich an, mit ihren unglaublich schönen braunen Augen.
Ich strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und blickte Sie lange an. Der Glanz unbändiger Lebensfreude lag in ihren Augen, und jene, die Sie noch nicht lange kannten, sahen in ihr eine glückliche Frau. Doch ich wusste von ihrem inneren Kampf und der Zweifel, die an ihrer Seele nagten und Sie manchen Tages in den Wahnsinn trieben, seit Sie von diesem schrecklichen Geheimnis erfahren hatte.
Ich nahm Sie in die Arme. Sog den Duft ihrer Haut ein und drückte Sie ganz fest an mich.
„Es tut mir leid. Es tut mir so leid.“.
Mehr konnte ich nicht sagen. Ich hatte schon so oft alles gesagt, und manchmal war ein Schweigen heilsamer als tausend Worte. Wir verweilten so, eine kurze Ewigkeit.
Als wir uns aus der Umarmung lösten, wischte Sie sich die Tränen von der Wange und sah die Rose an, die ich ihr geschenkt hatte.
„Meine Urgroßmutter hatte ihn mir einst beschrieben. Er muss ein loyaler Mann gewesen sein. Ein Mann, der die raue Schroffheit der Klippen mit dem sanften Rauschen des Windes in seinem Wesen vereint. Er konnte jede Frau haben. Manchmal stelle ich ihn mir vor wie eine süße Versuchung, von der man lassen sollte. Wie diese Rose eben. Wie die schmerzhafte Schönheit des Lebens…“.

Dies ist nun alles lange her. Noch immer bringe ich ihr Rosen und lege Sie sachte auf den Stein, bis Sie verwelken oder vom irischen Wetter auf den schmutzigen Boden getragen werden und im Schlamm vergehen. Ich habe ihre Worte nie vergessen.
Am Tag ihres Todes am Sterbebett, als Sie zitternd meine Hand hielt und wir beide von einem seltsamen Mix aus Weinkrämpfen und nachdenklicher Seligkeit erfasst wurden, bat Sie mich, alles zu verbrennen. Die Fotos. Die Briefe. Erinnerungen. Andenken.
Ich habe es getan. Ich schmiss es alles in das Feuer unseres Ofens, blickte in die lodernden Flammen und heulte Rotz und Wasser, bis der Morgen graute…
Nun stehe ich hier, an ihrem Grab – blicke in den Himmel, in die Ferne, auf ihren gemeißelten Namen und auf die See, die Wellen peitschend an der Küste zerschellen lässt.
Manchmal lange ich noch einmal nach der Rose, die ich auf den Stein gelegt habe, und blicke sie nachdenklich an. Und dann muss ich an diese schmerzhafte Schönheit des Lebens denken, und an die Vergänglichkeit – und daran, dass mit mir der letzte Geheimnisträger vergehen wird. Genau so, wie Sie es wollte. Und ich hoffe, Sie wird dadurch Ruhe finden. Meine Liebste. Meine ewige Liebe. Wenn niemand mehr weiss, wer wirklich Jack the Ripper war…


Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Mort am 15.03.2007 15:44 Uhr
Schön. Hast Du das selbst verfasst?
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 15.03.2007 16:17 Uhr
Ja. Ich schreib gerne mal, und wollte mal eine kleine "Kurzgeschichte" zum Thema loswerden. Gehört zwar nicht direkt hierher irgendwie, und erfüllt auch keinen Zweck, aber ich hoffe, dass diese Plattform gerne mal besucht wird und positiv aufgefasst wird. Natürlich möchte ich auch, dass der "Boss" diese kleine Gedankeninsel willkommen heißt und solche Themen nicht als störend empfindet.... :icon_wink:

Ich hoffe doch, es folgen noch andere Texte von Euch - ich will auch was zu lesen haben  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: thomas schachner am 15.03.2007 18:26 Uhr
klasse!!!
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 16.03.2007 09:15 Uhr

Ich hoffe doch, es folgen noch andere Texte von Euch - ich will auch was zu lesen haben  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil


nö, mach du mal, bin beeindruckt, auch von mir ein kompliment.

.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Alexander-JJ am 18.03.2007 16:15 Uhr
... Ich hoffe doch, es folgen noch andere Texte von Euch - ich will auch was zu lesen haben ...


Na gut. Du hast es so gewollt.

Hier kommt mein Beitrag:




DER LETZTE TAG DES RIPPERS


Karel betrat die heruntergekommene Herberge. Dielen knirschten unter seinem Gewicht als er sich dem niedrigen Schreibtisch näherte. Dahinter saß ein alter, zerlumpter Mann. Der alte Mann sah Karel an und schob ihm mit zittrigen Händen wort- und grußlos das zerschlissene Gästebuch hin.
Die Herberge war genauso heruntergekommen wie das ganze Kaff. Karel hatte in seinem Leben schon so manchen Slum gesehen, aber dieses gottverlassene Kaff war die Krönung. Hier gab es keine Polizeistation, keine Feuerwehr und der Postman kam nur, wenn er keine schlechte Laune hatte.
“Ich bin Daniel Brown, Mister.”, stellte sich der alte Mann doch noch vor.
In seinem Mund kamen verfaulte Zähne zum Vorschein. Speichel tropfte ihm von den Lippen auf das verdreckte Gästebuch.
“Ich bin Michael Ostrog.”, sagte Karel und bemühte sich einen entsprechenden Akzent hervorzubringen. Mit großen, deutlichen Buchstaben schrieb er den falschen Namen in das Gästebuch. Wenn Frederick George Abberline kam um nach ihm zu suchen, würde er erfahren dass er hier übernachtet hatte. Es war eine Art Abschiedsgeschenk an den tüchtigen Kommissar.
“Wenn sie den Bürgermeister suchen, der ist weg”, sagte Daniel.
“Der Bürgermeister?”, fragte Karel nach.
“Ja, der ist mit der Stadtkasse abgehauen. Nach London um das bisschen Geld zu versaufen und verhuren. Zwei der Huren waren auch hier gewesen. Eigentlich ganz schnuckelige Dinger. Ich hab mich mit ihnen ganz gut verstanden. Aber Carsten, der Bürgermeister, ging nach London und kam nie wieder. Das war kurz nachdem die Polizeistation dicht gemacht hatte und die Websters nach Liverpool gezogen waren. Kurz darauf ist meine verdammte Alte … äh … meine Frau gestorben.”
Der alte Mann sah Karel in die Augen. Karel lächelte.
“Ja … ähem … ach, Mister, ich dachte sie sind vom Finanzamt. Sie sehen so … so aus. Wie ein Beamter halt. Sie sind doch ein Beamter, oder nicht?”
“Oh ja, ein Beamter, ein russischer Beamter eben.”, sagte Karel schnell.
Der alte Mann dachte angestrengt nach und nickte dann. Ein Russe arbeitete wohl doch nicht für das britische Finanzamt.
“Tut mir leid, Mister.”, meinte er. “Schließen sie die Tür? Wir bekommen heute noch Regen.”

Karel schoss die schäbige Eingangstür und stieg in den ersten Stock hinauf. Die uralte Treppe ächzte unter seinem Gewicht. Einen Moment lang wunderte er sich das sie noch nicht zusammengebrochen war. Der alte Mann hatte sich inzwischen in seine gute Stube zurückgezogen.
Das einzige Gästezimmer war sogar noch dreckiger als der Rest des Hauses. Es stank erbärmlich nach Eiter, Urin und Blut. Diese Gerüche kamen Karel bekannt vor. In London und anderswo hatte er sie schon gerochen. Schreckliche Dinge waren dort geschehen. Karel erinnerte sich nicht gerne daran. Ihn suchten auch so schon genug Alpträume heim.

Dieses ganze Kaff, das sich Dorf nannte, war ein einziger, toter Slum. Die meisten Bewohner waren weggezogen, nach London oder Liverpool, um dort zu leben und zu sterben. Zurückgeblieben waren nur ein paar Alte und Kranke. Karel wusste dass dieses Dorf in den nächsten zehn Jahren zu einem Geisterort werden würde. Und genau deshalb war er ja hier. Niemand würde in diesem Kaff einen Serienmörder vom Kaliber eines Jack the Ripper vermuten, niemand außer Abberline. Aber Karel war sich sicher das Abberline auch diesmal zu spät kommen würde.

# # #

Karel wartete.
Ein junger Mann kam um nach dem Alten zu sehen. Er ging in die gute Stube des Hauses und redete auf den Alten ein. Karel musste sich anstrengen um dem Wortwechsel zu folgen. Im Grunde war es ihm ja egal was die beiden Leute zu bereden hatten, aber andererseits vertrieb die Lauscherei seine Langeweile.
Der alte Mann schien erregt zu sein.
“ … hast … kannst nicht … geht nicht … will … nicht, nein, nicht, auf keinen Fall … .”
Mehr konnte Karel nicht verstehen. Der junge Mann nuschelte, bemühte sich leise zu sprechen.
“Nein, Samuel, ich gebe dir kein Geld … nein … Hund … Idiot … geh … .”
Der junge Mann, Samuel, verließ wütend das Haus. Er ging ein paar Minuten vor dem Haus auf und ab, während er vor sich hin schimpfte. Offensichtlich war der alte Mann sein Onkel und schuldete ihm Geld. Der alte Mann schien das genau andersrum zu sehen. Samuel zog schließlich ab.

# # #

Der Gestank im Zimmer wurde unerträglich.
Karel öffnete das Fenster. Ein kalter Windhauch ließ ihn frösteln. Er hörte Schritte. Eine alte Frau, in Lumpen gehüllt, näherte sich dem Haus. Sie sah zum geöffneten Fenster hoch und winkte.
“Heh … Dan … ich bin’s, Liz … heh … geht’s dir gut?”
Karel winkte zurück. Die Frau konnte sein Gesicht unmöglich sehen. Außerdem war sie wahrscheinlich halbblind und fast taub.
“Ja … ja … ich geh ja schon, alter Miesepeter.”, murmelte sie und schlurfte davon.
Neben der alten Schmiede hielt sie an. Samuel trat hinaus und wechselte ein paar Worte mit ihr. Dann hinkte sie weiter bis sie aus Karels Blickfeld verschwand. Samuel zog sich in die alte Scheune zurück.
Das Kaff wirkte völlig ausgestorben. Leer und öde lag die einzige Straße da. Karel seufzte und döste weiter. Die Kälte störte ihn schon nicht mehr.

# # #

Stunden vergingen.
Aus einem nebeligen Morgen wurde ein verregneter Tag.
Die Hauptstraße des Ortes verwandelte sich in eine Schlammpiste. Karel zog den Mantel enger um seinen Körper. Dann stand er auf um sich aufzuwärmen. Verkrampfte Muskeln konnte ein Scharfschütze nun einmal nicht gebrauchen.
Der alte Mann, Daniel Brown, ging zu dem etwas abseits gelegenen Stall hinüber. Er wollte wohl sein Pferd füttern. Der Stall lag genau neben der alten Schmiede. Beide Gebäude waren verfallen, eigentlich schon einsturzgefährdet. Kurz konnte Karel Stimmen aus dem schäbigen Bretterschuppen neben dem Stall hören. Dann folgte ein Peitschenknallen, ein Krachen und dann herrschte Stille.
Karel wartete aber Daniel Brown kam nicht zurück.

# # #

Karel packte schließlich das Spencer-65 aus. Es war ein altes us-amerikanisches Gewehr, ein Karabiner. Er hatte das alte Gewehr mit einem verlängerten, abnehmbaren Lauf und einem abnehmbaren Kolben ausgestattet.
Dieses Spezialgewehr passte in jeden Reisekoffer.
Langsam und methodisch schraubte Karel seine Waffe zusammen. Die schweren Patronen überprüfte er genauestens, bevor er das Gewehr damit lud. Sorgfältig überprüfte Karel die Waffe noch einmal.
Jetzt war er bereit.
Er stopfte eine alte, stinkende Decke in die Fensterecke und legte den Lauf des Gewehrs vorsichtig darauf. Karel zog den Kolben der Waffe an seine Schulter. Über Kimme und Korn visierte er den alten Schuppen an.
Der Schusswinkel war perfekt.
So würde es gehen.
Jetzt musste er nur noch auf sein Opfer warten.

# # #

Es war fast Abend als sich eine schwarze Kutsche dem verlassenen Kaff näherte. Die Kutsche wies keine Abzeichen auf, kein Wappen und auch kein sonstiges Kennzeichen. Ein junger Mann, in einen dicken aber alten Mantel gehüllt, stieg aus. Er trug einen hohen Hut und einen langen, roten Schal. Im dichten Regen blieb er stehen. Der Kutscher warf ihm ein schwarzes Bündel zu und fuhr dann weiter. Er blickte nicht zum offenen Fenster hoch.
Vielleicht wollte er auch nicht wissen was dort oben auf der Lauer lag.
Karel visierte den jungen Mann an.
Der junge Mann blieb eine ganze Weile im Regen stehen. Sein Mantel und sein Hut schützten ihn vor den gröbsten Auswirkungen des Unwetters. Nervös fummelte er an dem Bündel herum.
Dann flog das Tor des Stalls auf und Samuel kam mit einem alten Karren herausgefahren. Das Pferd war eher ein abgemagerter alter Klepper als ein Kutschpferd. Der Karren hatte wohl auch schon bessere Zeiten erlebt. Langsam fuhr Samuel das Klappergestell neben die verfallene Schmiede.
“Da bist du ja.”, sagte der junge Mann im Mantel zu ihm. “Woher hast du denn diesen Dreckskarren?”
“Geklaut … der Besitzer braucht ihn nicht mehr?”, antwortete Samuel.
“Du … du hast Dan … Onkel Dan ...?”
“Je-ah.”, sagte Samuel gedehnt. “Es war Notwehr. Der alte Sack wollte mich mit seiner Peitsche erschlagen.”
“Das war Mord! Du hast Onkel Dan umgebracht, du Schwein!”, ereiferte sich der junge Mann im Mantel.
“Na gerade du hast es nötig dich aufzuregen!”, schrie Samuel laut.
Beide Männer sahen sich um. Sie lauschten in den prasselnden Regen hinein. Doch da war niemand und das offene Fenster nahmen sie gar nicht wahr. In diesem heruntergekommenen Kaff gab es dutzende offene oder kaputte Fenster. Das Pferd trottete ein kleines Stück weiter. Samuel hatte Mühe es zum Stehen zu bringen. Dann drehte er sich um und half dem jungen Mann im Mantel aufzusteigen.
“Das hat Onkel Dan nicht verdient.”, meinte der junge Mann.
“Er hat Mutter totgeschlagen! Er hat uns geschlagen! Er war ein Drecksschwein!”
“Die beiden Nutten waren schuld … .” , warf der junge Mann zaghaft ein.
“Pah!”, rief Samuel laut. “Den beiden Nutten hast du es ja gegeben. Aber wieso hast du die vier anderen Huren umgebracht?”
“Sei doch still! Sie wollten es so. Sie sagten es wäre für König und Vaterland. Und Stride habe ich nicht getötet. Das waren diese Zuhälter, diese fiesen Typen … .”
Samuel packte den jungen Mann und schüttelte ihn.
“Du bist doch krank, du perverser Narr!”
Der klapprige Karren schaukelte hin und her. Für einen Moment sah es so aus als wollte er umkippen. Die beiden jungen Männer kamen dadurch zur Besinnung. Der junge Mann im Mantel setzte sich friedlich auf die Ladefläche des Karrens.
“Lass uns nicht mehr schreiten.” sagte er. “Was geschehen ist, ist eben geschehen. Hast du das Geld für die Überfahrt dabei?”
“Ja, sicher. “ , brachte Samuel mürrisch hervor. “Wir werden über Liverpool nach Belfast und dann nach New York reisen. Wir haben mehr als genug Geld. Deine Freunde haben deine … ah … Arbeit sehr gut bezahlt … .”

Der Schuss peitschte laut über die leere Straße. Wie von einer unsichtbaren Faust gepackt wurde der junge Mann im Mantel von dem Karren geschleudert. Er blieb im Matsch der inzwischen völlig aufgeweichten Straße mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken liegen.

Samuel reagierte schnell. Karel erkannte wie erschreckend jung er war. Ein halbes Kind noch.
Er sprang vom Karren und rannte los.
Er rannte so schnell er konnte auf das offene Feld, weg von dem Haus und dem schrecklichen Scharfschützen.
Er hatte entsetzliche Angst.
Samuel warf seine Mütze weg um noch schneller rennen zu können.

Der zweiten Schuss hallte ohrenbetäubend laut über den heruntergekommenen Ort. Samuel wurde nach vorn geschleudert und blieb mit dem Gesicht nach unten im Schlamm liegen.

# # #

Karel wartete.
Er hatte Zeit.
Samuels Beine zuckten ein paar Minuten lang. Dann lag er still da.
Der zweite Mann, der junge Mann im Mantel, rührte sich überhaupt nicht.
Karel wartete noch zwanzig Minuten.
Dann ging er nach unten.

Der zweite Mann lag noch immer mit ausgebreiteten Armen da. Der Regen hatte sein Gesicht vom Dreck und Schmutz gesäubert. Es sah fast so aus als schliefe er, sogar die weit offenen Augen hatten etwas friedliches, etwas freundliches an sich. Karel konnte kaum glauben dass dies hier Jack the Ripper sein sollte. Ein Monster in Menschengestalt, ein Schlächter wie ihn die Welt nur sehr selten sah.
Aber Karel wusste zweifelsfrei dass dies der Mörder war.
Bald würden Abberline und viele andere Polizisten eintreffen.
Wie schon so oft würden sie zu spät kommen.
Karel, alias Michael Ostrog, hatte den Spuk bereits beendet. Die Anweisungen vom russischen Geheimdienstkommando waren eindeutig gewesen; Jack the Ripper finden und eliminieren. Genau diesen Auftrag hatte er gewissenhaft erfüllt. Die restlichen Verwicklungen, die Intrigen und Verschwörungen bis hinauf in das englische Königshaus, gingen ihn nichts an.

Und doch dachte Karel zurück an sein erstes Treffen mit Abberline und weiter an den Beginn seiner Mission. Ein Teil von ihm fand es bedauerlich das er nie diese Geschichte erzählen konnte. Aber der andere Teil seines Selbst, der professionelle Agent und Killer, war in Gedanken bereits bei seiner Abreise nach Russland.

Sorgfältig verstaute Karel sein Gewehr in seinem Koffer und ritt langsam aus dem Kaff. Die alte Frau, Liz, winkte ihm lange nach. Sie wusste selbst nicht so recht warum sie dies tat. Vielleicht war sie einfach glücklich dass sie die ganze Sache überlebt hatte.


* Ende *




 :)

Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 18.03.2007 18:29 Uhr
Genial, gefällt mir...Hut ab!  :icon_thumb: :icon_thumb: :icon_thumb:

...An dir ist aber auch ein Schriftsteller verloren gegangen - oder bist du am Ende sogar einer?  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Alexander-JJ am 18.03.2007 19:05 Uhr
Nein, ich bin natürlich kein Schriftsteller. Ich wollte und will auch keiner werden. Das Ganze ist nur ein Hobby von mir.

  :icon_aetsch:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 19.03.2007 22:35 Uhr
das inspiriert mich jetzt auch zu einer Geschichte...



Montague war traurig....und erzürnt. Nachdem sein Vater bereits verstorben war, wurde seine Mutter wahnsinnig. Ihre Depressionen wurden immer schlimmer und so entschlossen die Geschwister sie in ein Heim einzuweisen. Es war ein trauriger Tag für ihn, selbst das Cricket-Spielen brachte ihm keine wirkliche Freude.
An diesem Abend ging er noch in ein Lokal und trank ein paar Gläser Alkohol, bevor er nach Hause torkelte und ins Bett ging. Mitten in der Nacht wachte er auf. Er war schweiß gebadet, Alpträume hatten ihn heimgesucht und er zitterte am ganzen Leib. Er entschloss sich einen Tee aufzugießen und stand auf. Als er in seinem Sessel saß und den Tee trank, fiel sein Blick auf die Kommode neben seinem Bett. Dort in einer Schublade, lagen Andenken an seinen Vater. Eine alte Fotografie, eine Taschenuhr und ein altes Skalpell seines Vaters. Geistesgegenwärtig öffnete er die Schublade und nahm das Foto, die Uhr und dann das Skalpell aus dem Fach.
Er betrachtete das Foto, blickte kurz auf die Uhr und nahm dann das Messer in die Hand. "Wie scharf es ist? Wie es sich wohl anfühlt, wenn dieses Skalpell in Fleisch dringt? Was Vater wohl dabei fühlte?" Montague betrachtete das Messer noch eine Weile, drehte es im Flackern der Kerze hin und her und legte es dann zurück.
Er ging wieder zu Bett und schlief gleich ein.

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Er freute sich bereits diebisch über das Dinner an diesem Abend. Er hatte seine Kollegin bereits einmal eingeladen, nur hatte sie damals leider kurzfristig etwas anderes vorgehabt. Doch diesmal würde es klappen, daran glaubte er fest.
Und so kam es auch.
Sie kam zum Essen, und das Date verlief ganz wunderbar. Nach dem Essen gingen sie zu ihm und unterhielten sich. Irgendwann zeigte er ihr auch die Erbstücke seines Vaters...die Uhr, das Foto und auch das Skalpell. Er schaute ihr in die Augen, sagte ihr das er sie mag und sie lächelte. Dann legte er das Skalpell auf ihren Arm, strich vorsichtig bis hoch zu ihrer Schulter und zum Hals...sie war verwundert und erschrack als er mehr laut dachte: "Wie sich wohl anfühlt so ein Messer in Fleisch zu stechen". Er legte das Messer nun auf seinen Arm und strich darüber und pickste es ganz leicht in seinen Arm.
Sie wirkte verstört...schaute ihn erschrocken an, stand dann auf und flüchtete aus der Wohnung. Er lief ihr hinterher....aber sie wirkte so verstört, das er von ihr abließ.

Am nächsten Morgen entschuldigte er sich bei ihr. Sie nahm an...doch sagte sie dass sie nie wieder mit ihm ausgehen würde. Sie versprach ihm aber zu schweigen.

In der kommenden Nacht bekam er Alpträume....er weinte und verfluchte das Messer und schließlich die Frauen, die ihn immer wieder nur für einen guten Freund oder Kollegen hielten, nie für einen Mann fürs Leben.

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Da waren sie wieder....die Alpträume. Diesmal waren sie so schlimm gewesen, das er nicht mehr einschlafen konnte. Er trat auf die Straße und beschloss durch die Straßen Londons zu laufen.
Dieser kleine Spaziergang beruhigte ihn ein wenig....aber die Bilder kamen jetzt öfter. Und sie wurden schärfer...das beunruhigte ihn. Er hatte geglaubt endlich vergessen zu können, aber diese Bilder waren in sein Hirn gebrannt.

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Je häufiger er seinen Cousin im East End besuchte, umso besser gefiel es ihm dort. Die unzählige Masse der Menschen, die Anonymität. Hier wollte er nie leben, hier sah er das er etwas besseres war. Aber er sah auch das ganze Elend dieser Stadt...dieser Welt....dieses Lebens. Huren und Kriminelle, Freier und Alkoholiker. Der Abschaum der Zivilisation.
Manchmal erinnerte es ihn an seinen geliebten Vater, der an manchem Abend noch in das nächstgelegene Lokal ging und etwas trank. Er war für ein paar Stunden weg....immer dann wenn Mutter noch Besuch hatte. Männlichen Besuch. Wenn Vater nach Hause kam war der Besuch bereits weg und Vater war müde vom Bier das er getrunken hatte.
Sein Vater war auch in dieser Situation stets ein liebender Vater gewesen und ein Mann mit Stil und Klasse. Er war nie betrunken, sondern nur müde....er hatte nie diese eine Grenze überschritten. Die Grenze die diese Alkoholiker hier bereits überschritten hatten.

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Es war wieder eine dieser Nächte. Die Alpträume waren sehr schlimm heute Nacht. Er fuhr ins East End. Er musste dorthin, um sich besser zu fühlen. Um den Abschaum zu sehen. Diese Huren....schmutzige Frauen, die einer so billigen, so ekelerregenden, so verderblichen Arbeit nachgingen und Freiern, die nur der Lust wegen eine Frau für eine Nacht suchen. Und diese Trinker....schmutzige Gestalten, die stanken und lallten.

An diesem Abend ging er lange durch die Straßen Whitecheapels. Irgendwann...später erinnerte er sich kaum an die genaue Zeit, folgte er, bewußt oder unbewußt (selbst das war ihm danach nicht ganz klar) einer Frau. Je länger er ihr folgte, umso klammer und feuchter wurde die Hand in seiner Manteltasche, die den Dolch umschloß, den er zur Sicherheit immer bei sich führte.

Er folgte der Frau....bis in den Eingang eines Hauses, sie erschrack als er urplötzlich hinter ihr stand und die Tür aufhielt. Er lächelte sie an, dann ging alles sehr schnell.
Er nahm das Messer und rammte es mehrfach in ihren Körper. Er entsann sich später nicht mehr, wie oft er das tat und wie lange er dafür brauchte. Er wußte nur dass sie am Boden lag, blutüberströmt, als er ungesehen aus dem Haus verschwand und eiligen Schrittes seine Heimreise antrat.

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Er kam nach Hause. Halb lachend, halb erschrocken hockte er auf seinem Bett....in seiner Hand das Skalpell, das er nun statt des Dolches benutzte.
"Diesmal waren es 2" sagte er leise und sah das Skalpell ehrfürchtig an. Die Bilder verfolgten ihn immer noch, doch nun war er an der Reihe zu bestrafen. Er würde die Strafe aussprechen, die sein Vater eigentlich aussprechen hätte müssen. Er tat es mit dem Skalpell seines Vaters....so wie es sein Vater hätte tun müssen. Sie bestrafen. Den Dreck aus ihr heraustrennen. Ihr die Kehle durchtrennen, damit sie nicht weiter lügen kann. Er war Richter....für seinen geliebten Vater.

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Einige Wochen nach seinem letzten Mord, dem bisherigen Höhepunkt seiner "Bestrafung", wurde es unruhig für ihn. Er hatte seine Kollegin wieder angesprochen, das er Messerspiele immer noch bevorzuge. Es war ein Scherz...er wollte die Stimmung auflockern....doch das ging in die Hose. Diesmal erzählte die Kollegin es weiter, es sprach sich schnell herum das Montague ein kranker Mann war, der mit Messern spiele und krankhafte Phantasien ausleben möchte. Er wurde von der Schule ausgeschlossen und verlor einige Tage später alle Posten im Cricket Club...eine Katastrophe für ihn.
Hoffentlich würde niemand ihm auf die Schliche kommen.....dass er der Mörder von London ist, ein heimtückischer Serienkiller der landein, landaus gesucht wird.

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Er hatte Angst und war traurig, verstört. Die Bilder kamen immer wieder, sie wurden schlimmer, klarer und nun hörte er sogar die Stimmen und das Stöhnen.
Er hatte es nicht mehr geschafft ins East End zu fahren, die Alpträume waren zu schlimm um noch klaren Kopfes nach Whitecheapel zu kommen. Er wurde verrückt....wie seine Mutter.
Diesmal fasste er einen folgenschweren Entschluss. Er wollte nicht mit diesen Bildern leben. Er wollte nicht mit dem Wissen leben, dass seine eigene Mutter seinen geliebten Vater so hintergangen hat.
Abends, wenn er länger von der Arbeit wegblieb, noch in einem Lokal war...dann nahm sie sich die Männer aus der Gegend, manchmal völlig fremde. Sie nahm sie mit nach Hause, und dort hatten sie Sex. Als er ein Kind war, ahnte er nicht was seine Mutter tat. Sie genoss jeden dieser Männer. Sie stöhnten und juchtzen vor Lust....seine Schwestern weinten manchmal. Aus Scham, aus Angst.
Er war angeekelt und gleichzeitig fasziniert....er hatte sie einige Male beobachtet....doch was ihn am meisten verstörte, war wenn sein Vater kam. Sie küsste ihn, umarmte ihn....schmutzig und benutzt wie sie war. Es war ein widerlicher Anblick.
Diese Bilder sind nie gegangen..... nachts suchten sie ihn heim....immer und immer wieder.

Vater tat nie etwas, er wußte nie etwas....hätte er es gewußt, er war sich sicher dann hätte Vater seine Mutter bestraft....gerechtfertigterweise.

An diesem Abend weinte er. Er schrieb einen Brief, indem er erklärte er würde verrückt wie seine Mutter werden. Wahnsinnig....wie sie es jetzt war. Eine wahnsinnige Hure.

Er fuhr nach London und sprang in die Themse. Die Steine in seinem Mantel zogen ihn nach unten. Er ertrank....und mit ihm die Bilder in seinem Kopf.
Montague John Druitt war gestorben. Und mit ihm Jack the Ripper.


Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 20.03.2007 08:46 Uhr
Nun, hier ist mein Erstlingswerk  :icon_verwirrt:


Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihre Lippen, kaum wahrnehmbar, aber doch so
intensiv, daß es ein Zufreidenheit zum Ausdruck brachte, welche sie seit längerer
Zeit nicht mehr verspürt hatte.

Die Kühle der Nacht umhüllte sie noch, als sie ein weiteres Stück Holz in die
schwach lodernden Flammen legte. "Es wird gleich wärmer" sagte sie, als sie sich
vor dem Kamin erhob und ihren Gast lächelnd ansah. Gleichsam spürte sie den
Blick des Gastes auf sich und gleichzeitig spürte sie einen leichten, aber nichts
desto weniger kalten Luftzug, welcher durch das gebrochene Fenster neben der Tür
den Weg zu ihr gefunden hatte. Ein Frösteln überzog ihren Körper.

Der Gast, schick gekleidet, ansehlich, anders wie die meisten Gäste, die den
Weg in ihrer bescheidenen Unterkunft gefunden hatten, blickte auf sie und erwiederte
nur ein leichtes Nicken mit dem Kopf. Obwohl der Blick ihres Gastes irgendwie
kühl auf sie wirkte, dachte sie nur an die Pennys, die sie bekommen würde.
Was solls dachte sie, hab hier schon schrägere Typen gehabt, welche nicht
so viel für ihre Dienste entlohnt hatten, als wie sie es mit diesen Gast vereinbart hatte.

Alles in allem war es für sie ein erfolgreicherTag gewesen. Sie war durch ein
Mahl mit Kartoffeln und fisch gesättigt und hatte zu guter letzt noch einen Kunden,
welcher für das Auskommen der nöchsten Tage sorgen würde.
In diesem Moment fielen ihr die Mietrückstände ein, die sich für ihre einfache
doch behagliche Unterkunft angesammelt hatten. Sie blickte sich um, der Raum
war in diesem wärmenden Halblicht gewandet, welches nur der Schein eines
Feuers und einer Kerze zustande bringen konnte. Es hatte erwärmende
Wirkung, wenn nur dieses verdammte Loch im Fenster nicht wäre.

"Möchtest du den Mantel nicht ablegen" fragte sie keck, als sie den spartanisch
eingerichteten Raum hinüber zum Bett durchquerte. Vielleicht dachte sie,
vielleicht würden noch ein paar Pennys mehr abfallen, wenn sie sich besonders
Mühe mit dem Gast geben würde. Der Gast legte seinen Mantel ab, während
sie sich ihr Oberkleid entledigte. Wenn dieses verfluchte Loch im Fenster nicht
wäre, wieder überkam ihr ein Kälteschauder, eine Gänsehaut überflutete langsam
aber intensiv ihren Körper.

In ihrem Unterkleid bekleidet ging sie zum Tisch hinüber, um die Kerze aus zu-
blasen. "Was haste denn da in dem Päckchen" gragte sie den Gast, welcher
seinen Mantel über die Stuhllehne abgelegt hatte. "Das ist etwas für dich" ant-
wortete der Gast mit einem kühlen aber nicht unsympathischen Lächeln.
"Für mich" kam es ihr verwirrt über ihre Lippen. "Ja" hörte sie den Gast sagen,
während dieser das Päckchen ausrollte. Ihr Herz schlug vor freudiger Erwartung
schneller, sie konnte ihr Glück, welcher der heutige Abend ihr bescheren sollte
nicht fassen. Sie nahm sich vor, den Gast besonders zu verwöhnen.

Etwas blitze im Schein der Kerze, welche sie eigentlich Löschen wollte.
Zuerst dachte sie eine Silberkette bevor sie erkannte was dies für ein Gegenstand
war. Sofort wurde ihr bewußt, wer ihr Gast ist, "Oh Mörder" hörte sie sich noch
sagen, dann wurde es kälter und eine dunkelheit überkam sie.

Die Kerze brannte weiter, ihre Flamme flackerte im Luftzug, welcher sich
immer noch seinen Weg durch den Raum bahnte.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 20.03.2007 13:23 Uhr
Hey, das wird ja immer besser  :icon_mrgreen:

Ein großes Lob an Euch beide, wirklich klasse.  :icon_thumb:

Freut mich auch, dass dieses Thema doch so viel Anklang findet – hätte ich nicht gedacht.  :icon_mrgreen:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Alexander-JJ am 20.03.2007 15:18 Uhr
Ja, wirklich toll. Ganz großes Lob an die neuen Storyschreiber.

 :icon_thumb: :icon_thumb: :icon_thumb:



Und an die alten auch (vor allem an mich selbst) ...

  :icon_mrgreen:


 
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 20.03.2007 16:38 Uhr

danke für die blumen und ich bitte die schreibfehler :icon_redface:  zu entschuldigen, wollte den text editieren, geht aber nicht mehr  :icon_rolleyes:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 28.03.2007 18:54 Uhr
Für Merrick

„Could I create myself anew,
I would not fail in pleasing you..“

Joseph las sich die Zeilen immer und immer wieder durch. Wie oft schon hatte er sich gewünscht, den Ansprüchen Anderer gerecht zu werden und nur einmal in ihrer Mitte zu stehen. Doch Joseph stand am Rande der Gesellschaft – womöglich sogar noch ein Stückchen weiter davon entfernt.
Er stand auf und ging an sein Bett. Behutsam legte er das Kissen zurecht. Noch einmal musste er an die Menschen denken, die ihn damals durch die verdreckte Glasscheibe betrachtet hatten und angewidert ihre Gesichter verzogen. Wie traurig es doch ist, dass Menschen die Welt nur mit den Augen sehen…

Es gab nicht viele, die Joseph wohlwollend gegenüber standen. Doktor Treves war einer dieser wenigen Menschen, zu denen Joseph eine Art Freundschaft aufgebaut hatte. War Treves` Interesse an Merrick zu Beginn nur wissenschaftlicher Natur, so hatte dieser doch mit jedem neuen Tag den Menschen hinter der Maske kennengelernt und schätzte inzwischen Merrick`s hintergründige und unschuldige Sichtweise auf das Leben. Oftmals besuchte ihn Treves in seinen Räumen im Londoner Hospital, um mit ihm über die Existenz oder einem neuen philosophischen Werk zu diskutieren – es gab ihm den nötigen Abstand zu den Grausamkeiten, die hier ein Arzt alltäglich zu Gesicht bekam.
Auch der neue Assistenzarzt aus den USA, Dr. Timothy Goldstein, hatte einen Platz in Merrick`s Leben erhalten. Er war im Spätsommer 1888 von Chicago nach London gezogen – und war von Anfang an ein sehr offener und freundlicher Mann gewesen.
Merrick konnte sich noch genau an eine Situation erinnern, als ihm wie so oft einmal der Lebensmut abhanden kam und er gedankenverloren durch die Scheibe auf die Wolken stierte, die dunkel ihren Weg über das aufgerüttelte London suchten. Herr Goldstein klopfte an die Tür, und trat hinein zu Merrick. Als Goldstein Merricks Kummer sah, setzte er sich neben ihn auf die Bettkante und stierte mit ihm hinaus. Nach einigen endlosen, schönen Sekunden sagte er in leisem Ton:
„Joseph – du bist nicht das Monster. Du kannst mir glauben, ich bin ein freier Mann, sehe nicht schlecht aus und bin zudem noch ein Arzt und sollte von jedem begehrt werden. Doch auch ich fühle mich manchmal verloren und von den Frauen verwehrt. Nein, Joseph, dort draussen gibt es noch andere Monster, die viel grausamer sind als du es dir vorstellen kannst.“
Dr. Goldstein hatte die Angewohnheit, Merrick`s Gedanken wie ein offenes Buch zu lesen.
„Weißt du, Joseph, wenn man nur könnte, wenn man wirklich könnte, dann müsste man all diese Monster aus dieser Welt verbannen und ihnen einen neuen Platz in der Hölle zuweisen.“ Goldstein hielt kurz inne und seufzte leicht. „Doch leider kann man nicht alle Monster aus dieser Welt verjagen…“.
Merrick blieb still. Er mochte es, anderen Menschen zuzuhören. Es geschah viel zu oft, dass nur er reden musste und sich rechtfertigte und verteidigte – es war einfach schön, wenn ihm Menschen etwas erzählen wollten. Ihm, Merrick. Das war einfach zu schön…
Goldstein nahm den kleinen Bilderrahmen in die Hand, in dem Merrick`s Gemälde einer jungen, rothaarigen Frau eingerahmt war. Sorgsam hatte Joseph das Portrait einer Fantasiefrau gemalt, einer wunderschönen Prinzessin. Oftmals schaute er das Bild an und versuchte zu weinen. Der Doktor sah das Bild lange an. Dann blickte er zu Merrick - und wieder aus dem Fenster hinaus. Als langsam dicke Tropfen englischen Regens auf die Stufen der Treppe vor dem Fenster schlugen, sagte er leise:
„Du wünschst dir bestimmt auch manchmal, deine Monster verjagen zu können…“.
Goldstein stand auf und ging hinaus.
Joseph schaute noch lange auf das Bild und aus dem Fenster hinaus…

--------

Der 10. November 1888 bescherte Merrick einen Schicksalsschlag, den er so schnell nicht vergessen sollte. Herr Goldstein, einer seiner wenigen Freunde, war wieder in die USA abgereist, um seine Studienergebnisse an der Universität in Chicago zu präsentieren. Lange suchte er sich Trost bei Dr. Treves und sprach mit ihm bis in die Nacht hinein. Die Nachricht eines neuen, grausamen Mordes an einer jungen Irin namens Mary Kelly nahm er nur am Rande war. Die ganze Zeit hatten ihn die Morde sehr interessiert und Merrick empfand für den gefürchteten Jack the Ripper nichts als blanken Hass. Nun liess es ihn außerordentlich kalt – und dies, obwohl dieser Mord nicht mehr mit der Tat eines Menschen vergleichbar war und von den Medien als „Werk des Teufels“ bezeichnet wurde. Der Mörder hatte einige Hinweise hinterlassen – es schien, als habe Kelly ihn gekannt, und an der Wand hinter dem Bett der Ermordeten fand man zwei Buchstaben mit Blut geschrieben: „FM“.
Merrick aber saß nur in seinem Raum und dachte an seinen Freund Goldstein - die Sehnsucht nach ihm und den langen und tiefsinnigen Gesprächen sollte ihn noch lange Zeit verfolgen.

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Nachdem Merrick wieder aus seinen Gedanken zurückgekehrt war, strich er die Bettdecke so gut es ging gerade. Ein kleiner Zipfel des Bettlakens hing auf den Boden hinab. Joseph versuchte, das Laken wieder zurück auf das Bett zu ziehen, und in dem Moment, als er zur Seite gehen wollte, geschah es:
Joseph trat mit dem einen Fuss auf den Zipfel, verhackte sich mit dem Anderen derart an dem Bettlaken, dass er das Gleichgewicht verlor und fiel kopfüber auf das Bett.
Das Gewicht seines deformierten Körpers zwang ihn sofort auf die Matraze. Hilflos zappelte er mit den Beinen und den Armen umher. Sein schwerer Kopf drückte immer stärker auf seine Luftröhre. Merrick versuchte, um Hilfe zu schreien, etwas nach der Türe zu schmeißen, doch weder wurde er erhört noch fand sich etwas geeignetes zu werfen. Die Luft wurde ihm knapp. Langsam aber sicher schwanden ihm die Sinne.

Und gerade, als Merrick begriff, dass sein Ende gekommen war, musste er noch einmal an Goldstein denken – und urplötzlich erfasste ihn eine grausame Gewissheit, die er lange verdrängt hatte: Goldsteins lachendes Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf, mit einem abscheulich wahnsinnigen Blick, und er hörte eine verzerrte Stimme aus den Tiefen seiner Erinnerung sagen: „dort draussen gibt es noch andere Monster - wenn man wirklich könnte, dann müsste man all diese Monster aus dieser Welt verbannen und ihnen einen neuen Platz in der Hölle zuweisen.“ Und in diesem kurzen Moment sah er eine Vision von Mary Kelly`s verstümmelter Leiche, und Goldstein, der mit blutigen Händen über sie gebeugt zwei Buchstaben an die Wand schrieb: „FM“.
Für Merrick.
Joseph war tot.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 28.03.2007 22:10 Uhr

man könnte fast meinen, so war es, schön  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 08.04.2007 17:00 Uhr
"So soll es sein!"

Die Runde wurde aufgelöst und jeder wußte was er zu tun hatte. Die Zeit war nun gekommen....die Zeit Irland von den englischen Banditen zu befreien.
Die "Shamrock Society", auch "Zirkel des Kleeblatts" genannt, wartete bereits seit Jahren auf diesen Tag. Viele Männer hatten die Schriften von Druiden versucht zu entziffern, sie zu verstehen, jetzt schien es geschafft zu sein.

Patrick hatte die ehrvolle Aufgabe die Taten auszuführen. Die Taten die in dem heiligen Buch des Vates Chucullin, einem Druiden der die Funktion eines Sehers hatte und somit die Zukunft hervorsagen konnte, aufgezeichnet waren. Um Irland von den Engländern zu befreien, musste etwas gewaltiges, etwas abscheuliches geschehen. Aber es musste sein....die Freiheit Èires war wichtiger als das Leben so vieler.

Als Patrick ein Junge war, kam er das erste Mal in Kontakt mit dem Geheimbund, seine Mutter war Mitglied des Bundes und wollte mit aller Macht das ihr einziger Sohn ihr folgen würde.
Patrick liebte Irland, das Heimatland seiner Mutter, den Geburtsort seiner selbst. Er haßte mit seinem ganzen Herz die Besatzer der britischen Insel. Ganz Irland sollte frei sein, vereint als stolze Nation und dafür mußte ein großes Opfer her.

Es war die Nacht zum 7. August 1888 als die Befreiung Irlands beginnen sollte. Und gleichzeitig die Zerstörung einer Millionenstadt....London. Das Ziel des Angriffs....das Herz Englands!

Die rundliche Frau beobachtete er seit wenigen Minuten. Das 1. Opfer musste perfekt ausgewählt sein....denn der Ort der Opferung musste das Zentrum sein. Die Pupille des tödlichen Auges.
Er durfte keinen Fehler machen, seine Befehle waren klar: Eine Frau mittleren Alters auf brutale Art und Weise umbringen, das Opferritual beim 1. Opfer war nicht so wichtig. Die gewaltige Kraft der anderen Opferungen würde sich im Zentrum vereinen, daher würde der 1. Mord wahrscheinlich etwas unblutiger ablaufen. Er war aufgeregt als er der Frau in das Gebäude folgte...seine Hände zitterten, obwohl er das alles bereits tausend Mal in Gedanken durchgegangen ist.
Sie war nur ein Opfer....ein Opfer für die Befreiung Irlands....es ist eine Ehre für so etwas hohes, so etwas wichtiges zu sterben.

"Für Irland" dachte er, als er das Messer das erste Mal in Tabram's Körper stach. Er stach mehrere Male auf sie ein, bis seine Kräfte langsam begannen zu schwinden. Ein Schauer packte ihn, ein Teil seiner selbst ekelte sich vor dem was er gerade getan hatte...oder besser vor dem was er vor sich sah. Eine Leiche in einer riesigen Blutlache...er atmete tief ein und aus, schaute sich um und hob vorsichtig den Unterrock seines Opfers hoch. Dann stach er in den Unterleib seines Opfers...mit geschlossenen Augen führte er der Leiche Verletzungen in der Schamgegend zu und lief dann davon.
Seine Arbeit war getan, er würde dem Großmeister davon berichten.

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"Die nächsten Opferungen müssen brutaler sein!", sagte der Großmeister in barschem Ton. Er war unzufrieden, weil der Mord seiner Meinung nicht brutal genug abgelaufen war. "Sei beim nächsten Mal brutaler, nehme sie aus, zerfleische sie....es sind Opfer für das große Ziel! Irland soll frei sein! Und du hast es in der Hand Bruder Patrick!". Ihm war mulmig zu Mute, aber er wußte das seine Aufgabe wichtig war....wichtiger als jeglicher Ekel, jegliche Angst. Wenn die Herbeirufung funktionieren sollte, dann musste jegliche Grenze überschritten werden. Das Monster England war nur durch ein anderes Monster zu bändigen.

So sollte es also sein. Das nächste Opfer müsste brutaler behandelt werden. Und wie es nach jedem Treffen mit dem Großmeister und dem kleinen Kreis der "Auserwählten" war, wurde danach das geheime Gebet der Loge in keltischer Sprache gesprochen. Die fünf Männer verabschiedeten sich und gingen ihrer Wege.

Vier Tage später, am 30.08.1888 beobachtete Patrick sein zweites Opfer. Und diesmal sollte es ein Ritual werden, wie es sich der Großmeister wünschte. Diesmal wütete Patrick brutaler....die Frau tat ihm diesmal nicht mehr leid. Sie war für Irland gestorben und er wußte das war viel wert.
Als er fertig war, rief er noch einem Kanalarbeiter zu dass in der Nähe eine Leiche läge und verschwand in der Dunkelheit. Er wollte sicher gehen dass die Leiche möglichst schnell gefunden wird und London bei Tagesanbruch im Schockzustand aufwacht. Je brutaler der Mord war, je geschockter England war....umso mehr Energie hätte das Ritual freigesetzt. Umso größer wäre die Zerstörungskraft!

#############################

Nach der dritten Opferung war der Großmeister bereits etwas entspannter. Doch er bemängelte die Abstände zwischen den Ritualen. Nun war Patrick unter Zeitdruck...er mußte innerhalb kürzester Zeit die letzten drei Opfer bringen.

In der Nacht zum 30.09.1888 wurde er fündig. In dieser Nacht mordete er wie im Rausch. Zwei Opfer, zwei brutale Rituale...dies bedeutete eine enorme Kraft die er dadurch freisetzte. Das Auge des Todes war fast komplett. Er benötigte noch ein Opfer. Ein einziges. Und dieses musste der Höhepunkt sein.

Der Großmeister hatte zu einem letzten Treffen gebeten. Er lobte die anderen für die Erledigung ihrer Aufgaben. Sie hatten die Presse mit Material gefüttert. Hatten Briefe gefälscht und Angst und Schrecken unter der Londoner Bevölkerung verbreitet. Das war ihre Aufgabe. Je mehr Angst, desto mehr Energie. Immer wieder wurde dies in den letzten Jahren vom Großmeister gesagt: "Wenn der Tag gekommen ist, müssen Angst und Horror groß genug sein, um die Energie für den tödlichen Blick freisetzen zu können."

Nun war es Patrick der die letzte Opferung durchführen musste und danach zum Zirkel stoßen würde und der Herbeirufung beiwohnen würde.
Ein letztes Mal wandte sich der Großmeister an Patrick: "Patrick mein Sohn du hast Irland gute Dienste geleistet. Nun musst du ein letztes Mal deine gesamte Kraft auf eine Opferung konzentrieren. Dies muss deine blutigste Tat werden. Dieses Ritual muss alle anderen übertreffen. Es muss der Höhepunkt sein! Und dann wird die Zerstörung über London und über England hineinbrechen!"

Patrick verstand und nickte. Er war stolz und glücklich. Er war derjenige der all diese Opfer gebracht hat: Für Irland! Für seine Heimat! Für die Herbeirufung. Für die Zerstörung der englischen Besatzer!

######################################


Es war die Nacht vor dem Tag des Festes. Die "Lord Mayor Show" war für alle Londoner ein Fest. Sie alle freuten sich und wußten doch nicht dass dieser Tag ein Tag des Elends sein würde.

Er hatte sich sein Opfer bereits ausgesucht. Sie war etwas hübscher als die anderen, auch etwas jünger....aber das war egal. Wichtig war dass es eine Frau war....als Zeichen für die Geburt. Und er musste sie so opfern, dass aus diesen Frauen nur noch etwas schreckliches geborden werden kann: Der Tod, der Horror, die Zerstörung!

Patrick sprach sein Opfer an, diese Huren waren manchmal einfach zu leicht zu verführen. Man lockte mit Geld und schon waren sie willig und in seiner Gewalt.
Als mit seinem Opfer die Straße hinunterschritt, kamen sie an einem Mann vorbei der ihm direkt ins Gesicht schaute. Er war leicht erschrocken, blickte aber nur stur zurück und dachte nicht weiter darüber nach. Hatte der Mann seine Krawatte bemerkt? Seine Anstecknadel? Das Zeichen der Loge? Das Hufeisen war nicht so auffällig wie ein Kleeblatt, doch war es ebenfalls ein Glücksbringer und konnte direkt mit dem Kleeblatt in Verbindung gebracht werden. Hufeisenklee....klein und unscheinbar, doch bei genauem Hinsehen sind es viele Stängel, viele Triebe die dieser Klee hat....so wie die Loge: Unscheinbar und doch verzweigt in ganz Irland. Das Hufeisen war bereits seit Jahrzehnten so gewählt und es war immer Zeichen des Bundes.

Er verwarf den Gedanken und konzentrierte sich auf sein Opfer.
Wenige Stunden später war die Tat vollendet. Er hatte sich in einen Rausch gemordet....das Ritual war blutiger, brutaler, außergewöhnlicher als er es sich je erträumt hat. Die Kraft die diese Opferung freigesetzt haben muss, musste so groß sein, das es ausreichen würde ganz England zu zertrümmern. Da war er sich sicher. Schnell machte er sich auf....zurück zu seinen Brüdern im Geiste.

#####################

Sie standen in einem Wald um ein kleines Feuer. Sie sangen keltische Gebete und Beschwörungsformeln. Sie warfen Organe und Blut in das Feuer und bildeten schließlich einen Kreis und faßten sich an die Hände. Der Großmeister war zufrieden gewesen und sprach nun die Beschwörungsformel, die sie alle nachsprachen und dabei ständig die Hände zum Himmel erhoben.

"Balor erhöre uns. Dein tödlicher Blick soll Irland befreien."
Neben dem Feuer war eine Karte mit einem Stock in den Waldboden gemalt worden. Sie hatte die Form eines riesigen Auges. Und an den Seiten und den Spitzen oben und unten waren Steine, genau wie dort wo die Pupille sein müsste. Die Steine symbolisierten die Opfer, das 1. Opfer war das Zentrum, die Pupille. Dort würde sich die Kraft der Opferungen bündeln und losbrechen. Das böse Auge würde Irland befreien, dessen waren sich alle sicher. Denn so stand es doch in den Prophezeiungen Cuchullins.

Als die Formeln gesprochen waren, machten sich die Anwesenden auf den Weg in ihre Heimat. So schnell wie möglich nach Irland um die Zerstörung Englands zu überleben. Alle waren froh...alle waren glücklich.

############################

Es waren nun drei Wochen vergangen und nichts war passiert. England war quicklebendig und auch London stand noch. Der Großmeister hatte immer wieder die Prophezeiungen studiert, immer wieder nach Fehlern gesucht. Doch er fand keine.
Schließlich hieß es Patrick wäre nicht gründlich genug gewesen, hätte brutaler sein müssen. Und auch er selbst zweifelte an sich. Hatte er alles richtig gemacht? Waren die ersten Morde nicht brutal genug gewesen?

Seine Mutter wäre nicht stolz auf ihn gewesen....sie hätte sich geschämt.

Irland war nicht frei.....und Balor war nicht gekommen und es zu befreien.

Patrick war unglücklich und er sollte nie wieder glücklich werden. Der Geheimbund zerfiel langsam aber sicher. Niemand erwähnte je die Tage in England, niemand erwähnte was dort passiert war. Keiner wußte was die fünf Iren und der Großmeister dort getan hatten. Und niemand würde es je erfahren. Spätestens als der Großmeister starb, war das auch den anderen klar.

Und so endete auch irgendwann das Leben Patricks. Unglücklich und voller Schuldgefühle starb er einsam. So einsam wie seine Opfer in jenen Nächten. So einsam wie die Opfer Jack the Ripper's.

########Ende################


P.S. Einige Namen sind durchaus existent. Man darf gerne mal nach "Balor" oder Cuchullin bzw. Cu Chulainn suchen ;) (Tipp: Keltische Götter und Sagengestalten auf Wikipedia ;) )
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Alexander-JJ am 09.04.2007 12:52 Uhr
Nicht schlecht, wirklich nicht schlecht.

  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Meow am 09.04.2007 16:46 Uhr
Ich glaube ich muss dann auch mal meinen Senf dazu geben... Es ist nichts besonderes aber immerhin habe ich schon 30 Seiten zusammen. Es ist eher frei erzählt und entschuldigt bitte Rechtschreibfehler, ich hab es nur flüchtig abgetippt.
Aber ich poste einfach mal nur den Anfang, wobei ich mir sicher bin, das ich mit manchen Werken nicht mithalten kann  :icon_thumb:

'Es war dunkel draussen. Nebel stand in den Gassen, kniehoch. Wabbernde Schwaden, neblich weiß. Laternen erhellten schwach schwarze Häuserwände und tauchte die dreckigen Fenster in milchiges Licht. Es war kalt, doch an den Straßen standen Frauen, überdeckt von Masken gespielter Heiterkeit. Aufreizend gekleidet posierten sie, lehnten sich an die verschmierten Laternenpfosten. Der Nebel verhüllte ihre Röcke, umschwebte sie wie Federn. Die porzellanweißen Gesichter wirkten fahl. Offene Locken umrahmen ihre Köpfe, das Mieder eng geschnürt.
Sie redeten miteinander, plauderten über Kunden, Freier. Kaufleute, Reisende, Bürger. Viele von ihnen verrieten ihnen Geheimnisse ihres Lebens in der Hoffung diesen Frauen nie wieder zu begegnen.
Die meisten bezahlten sie für ihre Dienste, der wenige Rest dafür, das sie ihnen zuhörten. Eine von ihnen überquerte die Straße. Die Haare zerzaust wie nach keiner Keilerei kam sie angetrunken aus einer Bar. Es war Freitag und sie arbeitete an jenem tag länger als sonst, die Kundschaft war zu gut. Ein Angebot was man nicht ablehnen kann. Ihr name war Mary Ann, unter ihren Kolleginnen hieß sie lediglich Polly. Sie ging zu einer der Frauen und fragte sie nach ihrem Befinden:,, Wie geht es dir, Annie?" ,, Ganz gut, und dir?"
In dem Gewerbe brauchte man Freunde, man scharrte sie wie Gänse um sich, ohne es auch nur einmal ernst zu meinen.
Doch schon drehte Mary Ann sich zur Straße. Eine Kutsche fuhr über den Boden Whitechapels. Mary Ann drehte sich schnell zur Straße und lehnte sich an eine Laterne. Wie gewünscht hielt sie vor ihr. Mary Anns Künste hatten nicht an Wirkung verloren, trotz schnell geschwundener Schönheit und Jugend, von beidem besaß sie nichts mehr, doch sie verstand sich auf das Handwerk. Sie verhandelte kurzund verschwand dann in der Kutsche.

Sie war auf den Weg zurück. In ihren Manteltaschen lag sicher verborgen ihr Lohn. Der Nebel wurde dichter, das Laternenlicht fahler. Mary Ann fröstelte. Langsam lief sie in eine schmale Gasse, in der Hoffnug endlich wieder jemanden zu begegnen. Sie blieb kurz stehen und schaute sich verzweifelt um. Mary Ann stand dort und fluchte:,, Verdammt, ich weiß doch den Weg. Soll der Teufel mich holen, ich bin mir sicher...", sie stockte. In ihrem Nacken spürte sie heißen Atem, hörte ihn. Sie roch ihn, wie sein Atem ihre Wange streifte, betörend wie Zimt. Kalte Finger legten sich auf ihre Arme. Mary Ann schloss die Augen. Sollte der Teufel sie holen...'
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 10.04.2007 12:19 Uhr
Kompliment an euch Beide  :icon_thumb:

Es schreiben doch mehr Leute wie anfangs gedacht... :icon_mrgreen:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 10.04.2007 19:23 Uhr

 :icon_thumb: wenn ihr so weiter macht, kann thomas bald ein neues buch mit jtr geschichten rausbringen.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: thomas schachner am 10.04.2007 20:09 Uhr
...ich dachte eher an eine neue rubrik auf der website selbst, wenn sich die verfasser damit einverstanden erklären .-))
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 10.04.2007 20:35 Uhr
@Pathfinder

Komisch. Genau den gleichen Gedanken hatte ich heute auch  :icon_mrgreen:

@Thomas

Was sollte dagegen sprechen? Ich persönlich würde mich darüber freuen  :icon_razz:
Was sagen die Anderen?

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 10.04.2007 22:16 Uhr
Absolut nichts dagegen!
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: thomas schachner am 10.04.2007 23:29 Uhr
...dann müssen wir uns nur auf einen navigationspunkt einigen.
vorschläge?
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 11.04.2007 09:35 Uhr
- User-Stories

- Phantastereien

- User schreiben "ihre" Geschichte

....mehr fällt mir gerade nicht ein.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: keule am 11.04.2007 12:21 Uhr
Eine kleine,alte Geschichte, die zwar nichts mit JTR zu tun hat ,hier aber trotzdem verewigt werden möchte.

Eines Tages machte ich mich auf den Weg zum Glück. Ich hatte nämlich erfahren, dass das Glück in ein kleines,altes Haus, in dem eine kleine alte Frau wohnte, eingezogen war. Unterwegs traf ich einen Freund und wir kamen ins Gespräch. Für einen Moment dachte ich, dass ich ihn gar nicht kenne, und dabei fiel mir wieder ein, das ich auf dem Weg zum Glück war, ich verabschiedete mich von ihm und ging schnell weiter. Vor dem kleinen,alten Haus angekommen, blieb ich noch eine Weile davor stehen, um diesen letzten Augenblick auszukosten, und klopfte schliesslich an die Tür. Es öffnete die kleine ,alte Frau und ich fragte sie ,ob denn hier das Glück wohne. Sie schwieg und gab mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich eintreten könne. Sie schloss hiner mir die Tür und eh ich mich versah, nahm sie eine Schaufel und erschlug mich.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Meow am 11.04.2007 12:28 Uhr
Aye, irgendwie sowas wäre ziemlich sehr toll (was für ein Satz....). Mit diesen Rubriken ist natürlich auch oke, aber vielleicht kann man die Bezeichnungen noch ein wenig ändern, weil irgendwie klingt 'Phantastereien' nicht sehr toll, wobei der Vorschlag natürlich sehr gut ist (z.B.: Freie Erzählungen, etc.) Und dann gibts natürlich noch die 'User-stories' die sich an das Konzept und an die Tathergänge natürlich orientieren.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 11.04.2007 21:05 Uhr

ich hab auch nichts dagegen, aber bitte bitte meine schreibfehler berichtigen  :icon_wink:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Meow am 11.04.2007 23:09 Uhr
Ich finde die Idee genial und würde mich echt darüber freuen.

Das wird wenigstens ein Ansporn sein, meine Geschichte abzutippen. Ich komm mir sowieso schon seltsam vor, da ich diese Geschichte (32 Seiten) dauernd bei mir trage oO
Titel: Fragmente
Beitrag von: JD am 13.04.2007 19:11 Uhr
FRAGMENTE


1. Eine schicksalhafte Begegnung

Es war vor ungefähr vier Jahren als mein Ehemann zum ersten Mal Jack the Ripper begegnete. "Ehemann" - was für ein zynischer Scherz. Ich hatte gerade getrunken und die kleine Schlampe filetiert, die es gewagt hatte, mich respektlos zu behandeln. Ich trug das, was ich bei diesen Gelegenheiten vorzugsweise trage: Nichts. Nichts außer dem Messer und dem Blut. Man kriegt die Blutflecken immer so schwer aus den Kleidern heraus. Ihm muss sich ein spektakulärer Anblick geboten haben. Umso mehr überraschte mich seine Reaktion. Er schrie nicht und versuchte auch nicht davonzulaufen - was ihm natürlich nichts genutzt hätte. Stattdessen fiel er auf die Knie, breitete die Arme aus, nannte mich "Herrin" und bat mich, mir dienen zu dürfen. Ich war verblüfft. Die männliche Psyche ist mir bis zum heutigen Tag ein Rätsel - wenngleich eines, das ich nicht zu ergründen wünsche. So zuckte ich lediglich mit den Schultern und entgegnete: "Warum nicht?". Ich schwöre, er lächelte. Seine Worte überschlugen sich als er mir seine Ergebenheit bekundete und all die Dinge aufzählte, in denen er sich mir als nützlich erweisen wollte. "Ja, ja.", unterbrach ich ihn mit sanfter Ungeduld, "Du weißt aber hoffentlich, dass du für diese Gnade ein Opfer bringen musst, oder?". Er versicherte für jedes Opfer bereit zu sein. "Nun gut.", sagte ich, "Es ist wohl das Beste, wenn wir es gleich hier und jetzt hinter uns bringen.". Als ich auf ihn zuging, das Messer auf der Höhe seiner Augen, legte sich der Schrecken der vermeintlichen Erkenntnis auf sein Gesicht. Ich musste unwilkürlich lachen. "Nein, nein. Blind wärst du mir nicht von Nutzen.", versicherte ich ihm. "Es ist eine andere Art von Opfer, das du bringen musst." Und ich muss zugeben: Er ertrug es wie ein Mann - sozusagen. Er winselte nicht und stieß auch nicht jenen hohen Schrei aus, der sonst bei einer Kastration typisch ist. Nach einer kurzen Ohnmacht war alles überstanden und nur wenige Tage später heirateten wir - natürlich nicht kirchlich. Seitdem assistiert er mir bei meinen Operationen, entsorgt den dabei entstehenden Abfall und ist - ganz allgemein gesprochen - der fürsorglichste Ehemann, den sich eine Frau nur wünschen kann. Natürlich wird dieses Arrangement eines Tages ein Ende finden. Dann nämlich, wenn mich der Drang überkommt und gerade kein anderes Objekt zur Hand ist. Wir beide wissen das. So war es immer in all den Jahren. Aber bis zu diesem Tag führen wir beide eine ungetrübt glückliche und harmonische Ehe - Und welche Ehe kann das schon von sich behaupten?   

2. Mary Jane

Es ist Herbst geworden. Wieder einmal. Und wieder einmal muss ich an sie denken, die eine, die mir teurer war als all die anderen: Mary Jane. Nie werde ich die Tage und Nächte mit ihr in jenem schäbigen Zimmer vergessen, wo ich dem, was die Menschen Liebe nennen, näher war als jemals davor oder danach in all den Jahren. Liebe - was für ein großes Wort. War es Liebe, was ich seinerzeit für Ferencz empfand? Nein, gewiss nicht. Die Hochzeit war arrangiert, die Hochzeitsnacht eine Katastrophe. Hinterher schwor ich, ihn zu töten, sollte er es je wagen, mich noch einmal anzufassen. Und trotz meiner erst 15 Jahre begriff er, dass dies keine leere Drohung war. Seitdem hat mich keines Mannes Hand mehr berührt. Ferencz aber lehrte mich andere Dinge: Die Freuden des Schmerzes. So wurde er mein Mentor, für den ich wenn schon nicht Liebe, dann doch zumindest so etwas wie Respekt empfand. Dennoch weinte ich keine einzige Träne an seinem Grab. Anna lehrte mich die dunklen Künste und ich schenkte ihr meinen jungen Körper dafür. Ein Arrangement zum beiderseitigen Vorteil - mehr nicht. Mit Dorottya, Ilona und Katalin genoss ich die Freuden der Lust, aber es war letztlich kaum mehr als eine Art Komplizenschaft, die uns verband. Als man mir berichtete, dass man ihnen die Finger ausgerissen und sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt hatte, konnte ich nur müde lächeln. Wir hatten weit schlimmere Dinge getan. Und dann begann jene andere Phase meiner Existenz. Ich glaubte bereits, die Fähigkeit, tiefe Gefühle empfinden zu können, für immer verloren zu haben - abgesehen natürlich von den Momenten, in denen der Drang Besitz von mir ergriff. Doch dann traf ich sie, gleichsam wie eine menschliche Rose im Dunghaufen des Londoner Eastends. Da die Zeit meiner eigenen Schönheit nichts mehr anhaben kann, stellte ihre Verführung kein Problem dar - wenn man überhaupt von einer solchen sprechen kann. Auch ihr selbsternannter "Beschützer" nicht. Er wurde zwar etwas lauter, als Mary Jane ihm erklärte, dass das Zimmer für drei zu klein sei und er deshalb zu gehen habe, aber nachdem ich ihn mit einer Hand an der Kehle gepackt, ihn hochgehoben und ihm in die Augen gesehen hatte, trollte er sich ohne große Umstände. Was folgte waren Tage und Nächte unbeschwerten Glücks, wie ich es nie empfunden hatte - bis zu jener schicksalhaften Nacht. Es war über einen Monat her, dass ich zuletzt getrunken hatte. Und die alte Schabracke, die ich am Mitre Square gerissen hatte, hatte mehr billigen Gin als But in ihren Adern gehabt, so dass ich einen großen Teil davon wieder erbrach. So traf es mich vollkommen unvorbereitet als der Drang mich mit ungewohnter Heftigkeit überfiel. Als der rote Nebel sich lichtete und ich sah, was ich meiner geliebten Mary Jane angetan hatte, weinte ich bittere Tränen. Ich bin was ich bin und ich habe meine Entscheidung, das zu werden, was ich bin, nie bereut - mit Ausnahme dieses einen Mals. Dieses eine Mal verfluchte ich den Drang aus tiefster Seele.  Später sagte man, ich hätte sie erwürgt. So ein Blödsinn. Glaubten diese Idioten denn, ich würde aus einer Leiche trinken? Nein, was ich Mary Jane antat war schrecklich und unverzeihlich. Und jedes Jahr wenn der Herbst beginnt weine ich nun um das, was ich in jener verfluchten Nacht verlor. Bald sind es 120 Jahre, die mich von meiner Geliebten trennen. Und ich habe beschlossen, Mary Jane und meiner Liebe zu ihr ein Denkmal zu setzten. An ihrem 120. Todestag werde ich ihren und meinen Namen rot in die Straßen der Themsestadt schreiben. London wird einen zweiten "Herbst des Schreckens" erleben, auf dass man sich meiner, ihrer und unserer Liebe auf ewig erinnern möge. Bald schon ist es soweit. Bald...

(Fortsetzung folgt... irgendewann... vielleicht...)
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 13.04.2007 21:21 Uhr
 :icon_thumb:

Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Phil am 29.04.2007 23:03 Uhr
Der Versuch sich in Jack The Ripper hineinzuversetzen...ich hoffe, es gefällt euch  :icon_wink:

"Donnerstag, der 30. August 1888

Ich sehe aus dem Fenster meiner Wohnung. Gleich würde es soweit sein. Die Sonne versinkt blutrot im Westen, jenseits der Häuserdächer und verschwommen im Rauch der Fabriken.
Die Kirchturmuhr schlägt sechs Uhr. Bald würde es soweit sein.
Mein Hand zittert vor Aufregung, ich balle sie zur Faust. "Bloß nicht nervös werden, Junge."
Ich drehe mich um. Auf einem kleinen Tischchen steht die Tasche aus schwarzem Leder. Sie ist noch geöffnet, die Instrumente sind ordentlich in ihr verstaut, alles was ich brauche ist dort drin.
Es war nicht gerade billig, all diese Utensilien zu bekommen, aber was tut man nicht alles um seine Triebe zu befriedigen?
Ich lasse mich in einen Sessel fallen.
Meine Gedanken schweifen zurück. Schweifen zurück zu Ada Wilson, der Frau, die ich heute als Testobjekt beschreibe. Mein Gott, war ich anfängerisch und nervös damals.
Die Frage nach Geld, einfach um etwas zu sagen, einfach um nicht vor Aufregung durchzudrehen. Der Stich in den Hals war zu reflexartig, viel zu ungenau, viel zu unpräzise. Ich war sehr ungeübt damals und viel zu nervös. Und dann schrie sie auch noch. Ich musste schleunigst verschwinden, ich hörte schon die Nachbarn kommen.
Und dann überlebt sie auch noch!
Das lief ganz und gar nicht so, wie ich es geplant hatte. Ich war zu aufgeregt, zu dilletantisch.
Wenigstens ist niemand auf meine Spur gekommen.
Vielleicht dachten einige, das es der gleiche Täter gewesen ist wie bei den beiden, auf die eingestochen wurde...eine überlebte...wie hießen die noch? Achja, Millwood und Tabram.
Wer weiß, vielleicht werden sie in einigen Jahrzehnten auch zu meinen Opfern gezählt.
Ich muss grinsen.
Während ich so nachdenke, vergeht die Zeit.
Als es halb eins schlägt, stehe ich auf.
Ich werfe einen Mantel über, in seiner Innentasche steckt ein Messer, und ziehe einen Hut auf. Ich will nicht gleich von jedem erkannt werden, wenn ich jemanden umbringe. Wenn es gut läuft, möchte ich vielleicht noch mehr aufschlitzen.
Ich bin am überlegen, ob ich Handschuhe überziehen soll. Ich muss grinsen. Wozu? Nachweisen wird mir sowieso keiner was können. Und falls doch? Ich lache. Sollen sie doch!
So wichtig ist mir das Leben auch nicht, als das ich übervorsichtig sein will. Dann will ich doch lieber noch ein bisschen Lust empfinden und dann geschnappt werden.
Und wer weiß, vielleicht gehe ich sogar in die Geschichte ein. Das wäre ein amüsanter Gedanke.
Noch amüsanter wäre es allerdings wenn unsere verehrte Polizei mich nicht erwischen würde. Das wäre äußerst lustig. Tagsüber laufe ich ihnen über den Weg und sie suchen mich und gehen doch an mir vorbei, weil sie mich gar nicht beachten.
Ich verschließe meine Tasche sorgfältig und nehme sie. Dann lösche ich das Licht in der Wohnung und trete aus der Tür.
Ich verschließe sie sorgsam hinter mir, eine alte Angwohnheit. Seit ich eine Wohnung habe, verschließe ich sie sorgfältig. Als ich damals als Kind mit meinen Geschwistern und meiner Mutter auf der Straße gelebt habe, hatten wir keine Wohnung zum abschließen. Vielleicht tue ich es deshalb so gründlich. Ich weiß, dass man sie mir nicht klauen kann, aber das Unterbewusstsein spielt dabei eine zu große Rolle.
Ich gehe die Treppe hinunter zum Erdgeschoss.
Keiner ist im Treppenhaus und unten im Hausflur ist ebenfalls niemand. Ich bin etwas erleichtert, es muss mich ja nicht unbedingt jemand aus dem Haus bei meinem Verlassen des Hauses sehen.
Ich trete auf die Straße.
Obwohl es Ende August ist, ist es relativ kalt in den Straßen.
Londons typischer Nebel drückt auf die Gassen und Straßen und die wenigen Straßenlaternen spenden wenig Licht.
Gute Vorraussetzungen für mein heutiges Vorhaben.
Ich merke plötzlich, dass ich wieder extrem ruhig bin und kein bisschen nervös. Ich bin leicht irritiert darüber, aber gleichzeitig erfreut und es bestärkt mich.
Frischen Mutes mache ich mich auf den Weg in das Herz des East-Ends, nach Whitechapel.
Mittlerweile schlägt die Turmuhr eins.
Gut, dass ich morgen nicht arbeiten muss. Ansonsten müsste ich meine Triebe auf das Wochenende verschieben.
Eine Hure geht an mir vorbei, mit einem Freier. Ich muss daran denken, dass sie mein mögliches Opfer hätte sein können.
Die beiden bemerken mich nicht, der Mann scheint ziemlich betrunken.
Vielleicht wird er ja Tatverdächtiger, denke ich und schaue ihn mir kurz an. Jeder in dieser Nacht könnte ein Verdächtiger sein und jede Hure könnte mein Opfer werden.
Dieser Gedanke lässt mich schmunzeln und er verleiht mir irgendwie Macht.
An einer Straßenecke bleibe ich stehen.
Ich bin unentschlossen. Eine Hure geht vorbei, sie schaut mich herausfordernd an. Anscheinend braucht sie Geld.
Für einen Moment bin ich versucht, mit ihr mitzugehen, aber eine Art Angst sitzt in meiner Brust und meine Füße tun keinen Schritt. Ich kann nicht und bleibe stehen.
Leute gehen vorbei und die Zeit vergeht und noch immer stehe ich hier, unfähig etwas zu tun.
Eine Hure kommt zu mir.
"Na, Süßer. Wie wär's mit uns zweien? Ich mach dir auch einen guten Preis."
Sie kommt mir ganz nahe, ihr Gesicht ist knapp vor meinem und ich kann sie riechen.
Das ist meine Chance! Ich öffne den Mund...und nichts kommt raus.
Ich versuche es wieder, doch es klappt nicht.
"Na, was ist?", fragt sie.
"Lass mich", fauche ich sie an und schubse sie leicht weg.
"Ach, verpiss dich doch", ruft sie und geht die Straße runter.
Das lässt mich plötzlich aus meiner Erstarrung fahren.
Hey, ich bin hier der Meister! Ich darf mich doch nicht von Huren niedermachen lassen! Ich bin hier, um Huren niederzumachen!
Mit neuem Mut gehe ich los. Die Angst in meiner Brust ist vollkommen verschwunden und ich bin vollkommen ruhig. Ich gehe gerade meinen Weg und habe mein Ziel direkt vor Augen.
Nichts und niemand wird mich aufhalten können.
Die nächste Hure wird mein Opfer...und sie wird nicht mein letztes sein.
Die Kirchturmuhr läutet drei.
Ich gehe durch die Straßen, die Menschen gehen an mir vorbei und beachten mich nicht.
Ich bleibe kurz an einem Platz stehen und schaue mich um.
Ich fixiere die verschiedenen Leute und suche mir ein passendes Opfer.
Da!
Eine betrunkene Frau mit Haube und niedergeschlagenem Gesichtsausdruck torkelt von der Osborn Street auf mich zu, allerdings ohne von mir Notiz zu nehmen.
Ich gehe auf sie zu und bleibe vor ihr stehen.
Sie strauchelt kurz und schaut mich dann verwundert an.
"Wie wär's mit uns, meine Liebe?", frage ich lächelnd. Ich lasse meinen Geldbeutel klingen. "Du kannst doch sicher ein wenig Geld gebrauchen, oder?"
Sie schaut mich mit großen Augen an. "Aber natürlich, Mister...ich..."
"Weißt du nicht ein nettes Plätzchen für uns zwei?", frage ich wieder.
"Natürlich...natürlich, Mister." Sie grinst und ich sehe einige Zahnlücken. "Folgen Sie mir."
Sie dreht sich um und marschiert los, ich bin direkt hinter ihr.
Das ist sie nun, denke ich. Mein erstes Opfer.
Die Erregung in mir steigt an.
Wir passieren Buck's Row. Sie ist leer, ein Polizist verlässt gerade das andere Ende der Straße und bemerkt uns nicht.
"Ist es noch weit?", frage ich.
"Nein, Mister, wir sind gleich da."
Ich tippe ihr auf die Schulter und sie dreht sich um.
"Du wirst gleich ganz woanders sein", grinse ich und schlage ihr mit meiner linken Faust (ein Glück wenn man beidhändig ist) ins Gesicht. Sie taumelt und fällt nach hinten auf den Boden.
Ich gehe zu ihr, knie mich neben ihr hin und drücke mit der linken Hand ihren Kopf auf den Boden. Dann ziehe ich mein Messer und schwinge es gekonnt in Richtung Hals.
Die Kehle wird gänzlich durchgeschnitten. Blut spritzt auf meinen Mantel und ich lache.
Die Frau zuckt noch einige Male und das Blut aus ihrer Kehle läuft auf den Bürgersteig.
Ich schaue mich um. Niemand auf der Straße.
Ich stelle meine Tasche neben ihr ab. Ich öffne sie und ziehe ein längeres Messer als das eben benutzte hinaus.
Ich fange an zu metzeln und meine Erregung ist an ihrem Höhepunkt.
Ich schneide Zacken in die linke Seite ihres Bauches und kreuz und quer an ihrem Unterleib herum.
Die Macht die ich habe ist unglaublich und ich zerfleische planlos diese arme Frau, die ich gerade ins Jenseits befördert habe.
Ich lache, während ich "arbeite". Die Lust ist unbeschreiblich. Etwas vergleichbares habe ich nie erlebt.
Die Schnitte und Stiche, die ich mache, sind willkürlich und das Blut spritzt und ich lache.
Nach einigen Minuten sinnlosen Einstechens bin ich zum Orgasmus gekommen* und ich lasse erschöpft mein Messer sinken.
Das Blut hat inzwischen eine Lache auf dem Bürgersteig hinterlassen. Ich werfe das Messer in die Tasche und verschließe sie.
Langsam stehe ich auf und betrachte mein eben vollbrachtes Werk.
Obwohl ich nun müde bin, bin ich zufrieden und fühle mich mächtig.
Plötzlich höre ich Schritte.
Schnell packe ich meine Tasche und hechte die Straße hinunter, in die Richtung aus der ich gekommen bin.
Ein Arbeiter kommt um die andere Straßenecke und bleibt irritiert stehen.
Er guckt sich um und nähert sich vorsichtig der toten Frau.
Er beugt sich über sie und sieht sie an.
Ein anderer Arbeiter kommt um die gleiche Straßenecke und bleibt mißtrauisch dort stehen.
Der erste Arbeiter ruft ihn heran, ich kann nicht verstehen, was er sagt, meine Ohren sind irgendwie taub und ich bemerke innerlich, dass ich in relativ hoher Gefahr schwebe, aber trotzdem bin ich unfähig, wegzugehen.
Als die beiden sich in Bewegung setzen und in meine Richtung kommen, gehe ich schnell weg und in eine Seitengasse.
Die beiden gehen an mir vorbei. Ich gehe zurück zur Buck's Row. Sie ist wieder leer und ich kehre zurück zur Leiche. Sie liegt noch so da wie eben und ich kann es immer noch nicht fassen, wie glücklich ich mich fühle.
Dann bin ich mir plötzlich der Gefahr bewusst und mache mich schleunigst aus dem Staub.
Ich bewege mich schnell vom Tatort weg.
Niemand begegnet mir und das ist auch gut so, denn ich bin ein ernsthafter Verdächtiger. Zum Glück ist es dunkel und man sieht das Blut auf meinem dunklen Mantel nicht.
Doch da sehe ich einen Nachtwächter, halb schlafend, genau auf meinem Wege stehen. Es gibt keine Möglichkeit ihn irgendwie zu umgehen.
Ich ziehe den Hut tief ins Gesicht und als ich an ihm vorbeikomme, sage ich halb aus Schadenfreude, dass er nicht weiß, was ich getan habe und halb aus Risikolust: "Hey, schauen Sie mal, alter Nachtwächter, ich glaube, jemand wurde weiter runter die Straße ermordet."
Er schaut etwas irritiert und begibt sich in die Richtung, aus der ich gekommen bin.
Mit einem Grinsen auf dem Gesicht gehe ich weiter.
Ohne Zwischenfälle und Begegnungen komme ich zu hause an.
Ich eile leise das Treppenhaus und bin froh, dass immer noch niemand wach ist.
Schnell schließe ich meine Tür auf, husche hinein und verschließe sie von innen.
Wie im Taumel stelle ich die Tasche ab und lasse mich auf mein Bett fallen.
Ich lasse die letzte Nacht Revue passieren, lache und denke, dass dies garantiert nicht der letzte Mord war, den ich begangen habe..."


*tut mir leid für die drastischen Beschreibungen, denkt bitte nicht das ich krank bin oder ähnliches, ich versuche nur die Taten aus der Sicht Jack the Rippers zu sehen.

Also bitte, denkt nichts falsches, das oben ist nur eine fiktive Geschichte und spiegel keinerlei persönliche Empfindungen meinerseits wieder, ok?  :icon_smile:

In diesem Sinne,

Gute Nacht  :icon_wink:

PS: Ich hoffe, es ist euch nicht zuviel  :icon_aetsch:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: JD am 30.04.2007 10:01 Uhr
Geiles Ding, Phil!  :icon_thumb:

denkt bitte nicht das ich krank bin oder ähnliches,

Ähnliche Befürchtungen hatte ich nach der Veröffentlichung meiner "Fragmente" auch. Ich denke aber, unser Publikum ist hart gesotten und kann durchaus zwischen Fiktion und Realität unterscheiden.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 30.04.2007 12:26 Uhr
Heute möchte ich eine interessante Theorie in einer Geschichte verpacken, die mir persönlich eigentlich gar nicht schlecht gefällt. In dieser Geschichte ist unter anderem der momentan viel diskutierte Todeszeitpunkt von M.J.K eingewoben. Es handelt sich in dieser Geschichte mal wieder um eine zwar bekannte Theorie, aber halt mit Motiven und Personen geschmückt....eine Mischung aus historischen Tatsachen bzw. existierenden Verdächtigungen und viel Phantasie. Einer meiner Lieblingsstoffe für Bücher die ich gerne lese.
Viel Spaß ;)


Die Kinder schrien, sie schrien so laut dass es ihr missfiel und sie mit großer Freude auf den baldigen Dienstschluss wartete. Es war ein Knochenjob und dass hatte ihr die Oberschwester in den ersten Jahren auch immer wieder gesagt. Manche Frauen kamen aus dem Dreck und gebaren durch ihre Hände ein Kind....das sie dann wieder zurückgeben musste....zurück in die Armut, zurück in den Dreck.
Mary Pearcey selbst lebte schon lange Zeit im EastEnd, konnte sich eine bessere Bleibe nicht leisten und die Bezahlung einer Hebamme war auch nicht die beste. Aber sie konnte sich zumindest ein Zimmer leisten, Kleidung und Nahrung. Sie konnte lesen und sogar ein wenig schreiben.

Sie hatte ihren Vater bereits früh verloren, er wurde gehängt...verurteilt als Mörder! Sie wuchs mit ihren Schwestern bei der Mutter auf....bereits früh wollte sie Hebamme werden. Sie mochte diese kleinen Kinder, Neugeborene....unschuldig und so zarte Wesen. Und sie empfand es als schlimm, wenn der Abschaum der Stadt, die Nutten, die Armen und die Trinkerinnen, Kinder bekamen. Zarte Wesen in Händen von Abschaum....dem Untergang geweiht.

Es war ein Dienstag, ein Tag nach dem Bank Holiday, als sie von einer Bluttat im EastEnd in den Zeitungen las. Eine Frau wurde in einem Gebäude mit mehreren Messerstichen getötet. Es war eine dieser schmutzigen Huren....sie musste lächeln und dachte dass es kein Verlust sei, wenn solche Frauen aus dem Leben schieden. Sie waren schmutzig, eine Schande für London und sie verführten Männer....Männer die ihre Frauen betrügen oder sich nicht binden wollen. Manchmal hasste Mary diese Frauen wirklich sehr....Abschaum. Das war es auch was sie an diesem Tag mehrfach vor sich hinfluchte: "Abschaum....Abschaum".

Einige Wochen später war es als sei ihr die Lösung dieses Problems in den Schoß gefallen. Sie hatte wieder einige Entbindungen gehabt, in denen sie die Säuglinge in die Arme ihrer gräßlichen Mütter legen musste. Wieder war da der Hass und die Wut in ihr. Doch diesmal war es zuviel....sie musste etwas unternehmen. Sie musste diese Frauen zur Rechenschaft ziehen.
Und so schmiedete sie ihren Plan. Nach einer ihrer Nachtschichten im Londer Krankenhaus ging sie nach Hause. Ihr Weg führte sie mitten durchs EastEnd. Und dort würde sie die Frauen sehen....Huren und Trinkerinnen. Abschaum. Sie umklammerte mehrfach das Messer in der Tasche, dass sie benutzte um die Nabelschnur eines Kindes zu durchtrennen.
Schließlich konnte sie das Verlangen nicht mehr kontrollieren....sie musste bestrafen! Und so suchte sie sich ein Opfer und fand es eher zufällig in der Nähe des Krankenhauses. Sie schlitzte dem Opfer die Kehle auf und stach ihr in den Unterleib, bis die Innereien teilweise frei lagen. Dann verschwand sie in der Dunkelheit.

Es war eine Genugtuung. Noch Tage später war sie gut gelaunt und der Mord hatte ihr Verlangen zumindest für kurze Zeit gestillt. Der Mord hatte für Unruhe in der Bevölkerung gesorgt und irgendwie belustigte sie das.

Wieder einige Tage später waren es schon zwei Opfer. Diesmal war es am frühen Morgen geschehen und sie war Gefahr gelaufen entdeckt zu werden. Aber eine Hebamme mit blutbefleckter Kleidung? Das war für niemanden in London überraschend oder irgendwie komisch. Niemand hatte sie gesehen, oder besser: Niemand hatte sie wirklich wahr genommen. Eine Hebamme mit Blut an der Kleidung....gerade kommt sie von einem Hausbesuch, Hausgeburten waren schließlich keine Seltenheit, und ist auf dem Weg nach Hause. So falsch war das auch gar nicht....nur das sie zwischendurch noch einen Mord begangen hatte. Diesmal war sie etwas mutiger gewesen, nicht nur wegen der Uhrzeit, sie hatte auch schlimmere Dinge am Leichnam vorgenommen, als beim ersten Mord. Es war ein gräßlicher Anblick gewesen, wie die Hure dort lag...aber Mary war glücklich.

Einen Höhepunkt ihrer "Arbeit" hatte sie an einem Sonntag. Dort ermordete sie gleich zwei dieser Monster. Als sie auf der Flucht nach Hause war, nachdem sie bereits einen Mord begangen hatte, traf sie auf ihr zweites Opfer in jener Nacht. Weil sie noch so wütend war und so aufgebracht musste auch diese Frau sterben. Es war eine schwere Woche gewesen, viele Geburten, viel Arbeit....und viele Frauen waren Abschaum gewesen. Sie brauchte zwei Morde um sich zu beruhigen.

London stand Kopf und sie genoss es mit jedem Atemzug. Nicht nur das Presse und Polizei im Dunkeln tappten, nein die ganze Bevölkerung war ängstlich, fast hysterisch und jeder suchte "den schwarzen Mann". Das war das geniale....das unglaubliche....sie glaubte es war der einzige Grund warum sie noch nicht gefasst worden war: Sie war eine Frau! Und ganz London suchte einen Mann! Jack the Ripper.....

Der letzte Mord war ein Glücksfall. Ein geniales Gottesgeschenk. Sie hatte durch Zufall eine dieser Huren kennengelernt. Eine junge Frau die sich Mary Jane Kelly nannte oder auch einfach "Ginger". In jener Nacht hatte Ginger ihr erlaubt sie zu besuchen, weil sie über Schmerzen im Unterleib klagte und Angst hatte schwanger zu sein. Mary Pearcey bot ihr an ihr zu helfen und sie zu untersuchen....als Hebamme hatte sie das nötige Wissen um eine Schwangerschaft oder sonstige Krankheiten zu erkennen...so sagte sie Ginger es. In jener Nacht waren beide allein....und Ginger war sich sicher dass sie es lange sein würden, als sie sich auszog und völlig nackt vor Mary Pearcey stand, der fleißigen, freundlichen Hebamme. Niemand hatte Pearcey gesehen....niemand hatte sie wahrgenommen. Es war eine blutige Nacht...eine schrecklich-schaurige Nacht. Es war der absolute Höhepunkt ihrer "Arbeit". Als sie nach draußen ging, nahmen sie ganz sicher einige Personen wahr. Sie sahen sie, sprachen mit ihr....aber niemand hielt es für nötig sie nach dem Blut auf der Kleidung zu fragen, obwohl es taghell war. Sie war eine Hebamme, kam von einer Hausgeburt....von irgendwo. Niemand fragte nach ihrem Namen, wo sie herkam oder hinging.

Am 24.10.1890 tötete sie ein letztes Mal. Ihr Geliebter hatte sie verlassen für eine andere Frau....mit der er ein Kind hatte. Sie freundte sich mit der Frau an und bekam so auch die Nähe zu dem Kind. Diese beiden tötete sie an jenem Tag....ähnlich wie sie es vor einigen Jahren mit den Huren aus Whitecheapel getan hatte. Doch diesmal schnappte man sie.
Nur zwei Monate später hing man sie. Für den Mord an einer Frau und ihrem Kinde. Und ohne es zu wissen schlossen sie damit auch ein anderes Kapitel englischer Kriminalgeschichte. Mary Pearcey nahm ein dunkles Geheimniss mit ins Grab.....das Geheimniss der Morde des Terrorherbstes. Das Geheimniss des wahren Rippers....Jill the Ripper!





P.S. Die besagten Theorien, die hier Eingang fanden sind natürlich: "Mary Pearcey" und "Mad Midwife" - insgesamt also die Jill the Ripper Theorie, wenn man so sagen kann. Mich fasziniert die Theorie dass es eine Frau gewesen sein könnte.....aber dies gilt es woanders zu diskutieren. Ich hoffe die Geschichte gefällt ;)


Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 30.04.2007 12:32 Uhr

@ phil und floh

wilkommen im club der toten dichter. starke beiträge  ich bin stolz auf euch, bitte demnächst mehr  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Alexander-JJ am 30.04.2007 13:21 Uhr
Ja, das entwickelt sich ganz gut hier. Wirklich gute Geschichten dabei. Bitte mehr davon.

 :)
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 30.04.2007 14:58 Uhr
Weiss gar nicht mehr, was ich sagen soll...also, wenn wir die Geschichten nicht mal forumsintern in einem Buch veröffentlichen (man kann ja noch warten), dann werde ich mir garantiert selbst mal ein Exemplar davon erstellen. Tolle Sache, das  :icon_thumb:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 30.04.2007 15:33 Uhr

hier meine version, in kurzform, wäre sonst zu lange geworden.


die wahrheit

die strassenlaternen hüllten die kühlen nacht in eine gewisse wärme, die im
november londons nicht gegeben war. zwei männer gingen durch die strasse eines
feinen londoner viertels.  "sind sie sich auch gewiss sicher, ich meine die dinge,
die sie mir erzählt haben",  "natürlich sir oder glauben sie etwa ich hätte mich
aus spass an persönlich sie gewandt weil ihre kollegen mir nicht glauben schenken wolten".
"na gut, wir werden ja sehen was uns erwartet".

sie klingelte an der wuchtigen türe eines ansehlichen stadthauses, welches schon
von weiten einen erhabenen eindruck machte.
als der butler die tür öffnete, erkannte er einen der nächtlichen besucher sofort
und er brachte nur ein erstauntes "sir, was verschafft uns die ehre zu solcher
fortgeschrittenen stunde ?" . "ich bitte um vereihung, doch es ist dringend, melden sie uns
bitte den herrschaften", "sehr wohl sir, wenn sie bitte eintreten möchten und im foyer warten
möchten, ich werde die herrschaften über ihre ankunft informieren", der butler machte eine
leichte verbeugung nachdem er die türe verschlossen hatte und entfernte sich.

"sehen sie, genau wie ich es ihnen beschrieben habe sir". "nun ja, es ist noch lange kein
beweis, es kommt häufig vor, das im foyer ein stuhl steht und das bunte glasfenster kann
man auch von aussen sehen" - "und was ist mit der bulldoge ?" unterbrach der begleiter
und deutete auf einen hund, der an der treppe friedlich schlief. "nun ja, wir werden sehen"
ertönte die gleiche antwort wie vor ein paar minuten auf den weg zu dem haus und er wendete
seinen begleiter den rücken zu, als wolle er sich abschirmen um seine gedanken zu ordnen.

"die herrschaften lassen bitten" störte der butler die für kurze zeit eingetretene ruhe und
wies mit der hand in richtung eines zimmers während er erneut den kopf leicht beugte.
"danke, komen sie" forderte er seinen begleiter mit einen kopfnicken auf.

"my lady, meine herren, entschuldigen sie bitte die späte störung, aber ich komme
in einer sehr wichtigen angelegenheit so dass ich sie zu so später stunde noch
aufsuchen muss". "aber bitte, auch zu so später stunde sind uns besucher willkommen,
erst recht, wenn es sich um eine, wie sie sagten wichtigen angelegenheit kommen.
meine frau und mein schwiegersohn kennen sie ja sir" entgegnete der hausherr mit
ruhiger und freundlicher stimme. "und sie kennen sicherlich meinen begleiter ?", "er ist
uns durchaus bekannt und nicht nur bei unserer majestät ein gern gesehener gast".

"also sir, ich weiss nicht wie ich anfangen soll, es geht sich um eine delikate an-
gelegenheit sir, es geht sich um die mysteriösen morde, die in den letzten monaten
in whitechapel stattgefunden haben". "oh ja, diese ereignisse sind uns sehr wohl
bekannt, aber möchten sie nicht platz nehmen ?" fagte der hausherr mit einer einladen-
den handbewegung". "danke sir, aber ich möchte es kurz machen und ihre kostbare
zeit nicht länger als nötig in anspruch nehmen". "oh, sie machen keine umstände und
ausserdem habe ich früher oder später mit ihren besuch gerechnet. was kann ich für
sie tun ?" . "nun ja, um ehrlich zu sein sir - ich möchte offen sprechen" "aber bitte sehr"
unterbrach der hausher "sprechen sie nur offen, ich habe innerhalb meiner famlie keine
geheimnisse, nicht wahr meine teure ?" richtete der hausherr an seine gattin und nahm
lächelnd ihre hand in die seine. "nun gut sir, ich möchte sie fragen, ob sie des nachts
öffters ausgegangen sind sir. ich meine nicht nur einen kurzen spazierang, sondern für
eine längere abwesenheit von ihrer wohnung, wenn sie verstehen was ich meine. mein
begleiter hier sir, ist mit einen schlimmen verdacht zu mir gekommen, welchen ich nicht
nur nachgehe um gewissheit zu haben, sondern auch um evtl. schaden von ihnen sir und
ihrer familie abzuhalten, bevor weitere dinge sich ereignen, die ich nicht mehr abwenden
kann" formulierte der besucher mit belegter stimme.

"ich verstehe was sie meinen und ich danke ihnen für ihre loyalität. nun, auf ihre
frage zurück zu kommen, es besteht durchaus die möglichkeit, dass ich mich in
der einen der anderen nacht von hier abgängig war. verzeihen sie einen armen alten und
kranken mann, wenn er gewisse erinnerungslücken hat. auch wenn ich mich nicht richtig
erinnern kann, dann ist die möglichkeit durchaus gegeben." - "vater ...." - "unterbreche
micht nicht" fuhr der hausherr seinen schwiegersohn an. dann fuhr er mit seiner erklärung
weiter fort

"wissen sie wie das ist, wenn man seine leben lang für eine sache gelebt hat ?
eine sache, die der menscheit helfen sollte und ihr nicht schaden zu fügen. man lebt und
liebt in dieser sache der man sich verschworen hat. und dann - ja und dann sucht einen
das schicksal heim und alles ist auf einmal ganz anders. mein kann seiner berufung nicht
mehr nachgehen, man ist überflüssig nutzlos man fühlt sich wie abschaum, abschaum
wie die armen geschöpfe, die unten in whitechapel zum beispiel dahin vegetieren und
für die menschheit keinen wert haben, ja keinen wert, einfach wertlos, wen stört es auf
dieser welt, wenn sie nicht mehr da sind ? wird die krone, england oder gar die welt deswegen
untergehen, wenn dieser unmoralischer abschaum von der erde vertilgt ist. nein, sie werden
nicht untergehen und ich helfe dabei, die welt moralischer, tugenghafter und sauberer
zu machen. ich werde ...."

"vater es reicht" der schwiegersohn legte seine hand auf die schulter des hausherrn,
welche überrascht verstummte. er blickte seine frau an dessen hand er noch in der
seinen hielt und sah ihre tränen. dann fiel sein verwirrter blick auf seine besucher und
sagte mit leiser und gebrochener stimme "ich bin müde"

im foyer erklärte der schwiegersohn den besuchern "ich habe es geahnt, besser noch
gewusst, doch ich konnte die geschichte nicht an die öffentlichkeit bringen. der ruf der
ganzen familie wäre ruiniert gewesen und hätte sich auch negativ auf die krone ausgewirkt.
sir, ich danke ihnen für ihre loyalität und ich verspreche ihnen, dass jack the ripper nicht
mehr morden wird, ich werde meinen schwiegervater in die nervenheilanstalt einweisen.
dort geht keine gefahr mehr von ihm aus, nochmals danke sir".

als die besucher den weg zurück ging war etwas nebel aufgezogen. sie gingen
eine ganze weile in unerträglichen schweigen. "sir das können sie doch nicht machen,
sie können doch einen mörder einfach so davon kommen lassen. wo bleibt die ge-
rechtigkeit, das geht doch nicht ....." er wurde von seinen begleiter an der schulter
zurückgehalten und unsanft herumgerissen. sein begleiter kam mit seinen gesicht nah
an seines heran und blickte kühl und sprach mit kalter und schneidender stimme zu
ihm "was bringt es, einen wahnsinningen zu verhaften, welchen zweck soll es
erfüllen ? dieser mann ist ein wahnsinniger mörder ja, doch es macht weder die opfer
lebendig noch ist irgendjemanden damit gedient, wenn er der justiz zugeführt wird. im
gegenteil, die angehörigen und sogar die krone können von dieser geschichte schaden
erhalten, ist es das wert ? was meinen sie was auf den strassen los sein wird, wenn die
öffentlichkeit erfahren würde, dass der leibarzt der queen jack the ripper ist, können
sie sich das in ihrem gehirn überhaupt vorstellen. der ripper ist gefasst und hinter schloss
und riegel und wird kein unheil mehr anrichten." er wendete sich ab und ging zügig davon.
"dann gehe ich an die presse und erzähle die wahrheit" rief er seinen begleiter hinter her.
dieser blieb kurz stehen, dreht sich um und schaute ihm lange an.

"wer wird ihnen schon glauben lees ? so, ein hellseher sind sie, dann werden
sie bestimmt sehen, dass ihnen keiner glauben wird". er drehte sich um und
ging weiter.


Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Camillo am 30.04.2007 17:46 Uhr


wahnsinn-
bin total begeistert :SM009:


Camillo :icon_biggrin:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: JD am 01.05.2007 19:46 Uhr
Inspiriert von den tollen neuen Geschichten hat meine Protagonistin mir ein weiteres Fragment ihres langen und bewegten "Lebens" diktiert. Viel Spaß dabei!


FRAGMENTE (2. Teil)

3. Neue Ufer

Die Überfahrt über den Atlantik war ein einziger 17 Tage währender Alptraum. Keine Waffe kann mich verletzen. Selbst die Zeit ist keine Gegnerin mehr für mich. Aber diese unendlich erscheinende Menge von banalem Salzwasser hätte mich umgebracht, wäre der verdammte Kahn abgesoffen. So lernte ich nach fast 300 Jahren erstmalig wieder das Gefühl der Todesangst kennen. Aber ich wurde entschädigt. Der Anblick, der sich mir bei meiner Ankunft in New York bot, war einfach berauschend. Hunderte von Menschen wuselten geschäftig an den Kais hin und her, schleppten Dinge von hier nach dort, winkten erwartungsvoll unserem Schiff zu, rannten scheinbar planlos durch die Gegend oder standen einfach nur herum. Eifrige kleine Kanninchen, die nicht ahnten, dass sich das Raubtier näherte. Ahnungslos, aber so voll herrlicher Lebenskraft. Ich wußte sofort, dass ich dieses neue Land lieben würde. Es war so unglaublich vital. Es lebte und atmete. Ich sog den Geruch all der Hoffnungen, Ängste und Träume der unzähligen Menschen tief in meine Lungen ein - und wurde beinahe vom Drang übermannt. Mit aller Gewalt kämpfte ich ihn nieder; wohl wissend, dass mir dies nicht ein weiteres Mal gelingen würde. Obwohl ich mir kurz vor der Abfahrt aus London noch eine kleine Gelegenheitshure genehmigt hatte, war die Zeit der erzwungenen Abstinez - auf dem Schiff hätte es keine Fluchtmöglichkeit für mich gegeben - zu lang geworden.
Es war wieder an der Zeit zu trinken - und zwar noch in dieser Nacht.

Nach einem Streifzug durch das Hafenviertel fand ich mein Zielobjekt in einer unattraktiven alten Hure. Das sind immer die einfachsten Opfer und in dieser Nacht brauchte ich einfach nur Blut, keine Herausforderung. Ich sah sie, als sie gerade vor einer billigen Absteige einen Kunden verabschiedete; einen kleinen schnauzbärtigen Gecken, der mir vage bekannt vorkam. Nachdem er sich weit genug entfernt hatte trat ich auf sie zu. Sie nannte mich "Schätzchen" und erkundigte sich, was denn so eine "feine Dame" in die verruchteste Ecke des Hafenviertels verschlagen hätte. Meine Entgegnung, dass ich gern ihre Dienste in Ansprch nehmen würde, quittierte sie mit einem prustenden Lachen und der Frage, ob ich sie "verscheißern" wolle. Statt einer Antwort gab ich ihr eine dieser neuen Münzen. Offenbar war es viel zu viel, denn sie bekam Stielaugen und versicherte mir, dass ich dafür "alles" bekommen könne. Sie hätte sogar noch ein Zimmer für uns bereit. Ihr Griff um meine Taille verursachte mir Ekelgefühle. Dennoch ließ ich mich bereitwilig von ihr in das heruntergekommene "Hotel" hinein führen. Der Portier war mit einer Flasche Fusel im Arm eingedöst. Gut so. Unnötige Zeugen verursachen immer Schwierigkeiten. Während wir eng umschlungen - allein schon damit sie nicht zusammenbrach, betrunken wie sie war - die Treppen hochstiegen, zitierte sie ein paar Zeilen, die sich nach Shakespeare anhörten. Ich war maßlos erstaunt. Dieses verkommene menschliche Wrack musste wohl schon bessere Zeiten gesehen habe. Egal - bald würde auch dies nicht mehr wichtig für sie sein.

Kaum hatten wir die Zimmertür hinter uns geschlossen, fiel ich auch schon über sie her und überließ dem Drang die Kontrolle. Ich richtete eine fürchterliche Sauerei an. Mein schönes neues Kleid war über und über mit Blut befleckt, ihre Kleidung bestand nur noch aus Fetzen. So musste ich im Unterkleid die Flucht antreten. Damit nicht genug, hörte ich Schritte und Stimmen von der Treppe, so dass mir als letzte Fluchtmöglichkeit nur noch das Dach blieb. Nachdem ich ein paar Straßen übersprungen hatte hielt ich für einen Moment inne und blickte auf die neue Stadt. Trotz der späten Stunde waren immer noch zahlreiche Fenster erleuchtet und Menschen in den Straßen unterwegs. Es schien, als würde diese Stadt niemals schlafen. Was für eine überwältigende Vitalität! Ähnlich empfand ich damals, als ich zum ersten Mal nach London kam; damals als aus Erzsébet Elizabeth wurde. Aber während dort die Reichen gelangweilt und die Armen verzweifelt waren, herrschten hier Hoffnung und Zielstrebigkeit vor. Ich hatte meine neuen Jagdgründe gut gewählt. Und in jener Nacht, auf dem Dach eines namenlosen Hauses im Hafenviertel, breitete ich die Arme aus - mein blutbesudeltes Kleid in der einen, das Messer in der anderen Hand - und brachte der Stadt meinen Liebesschwur dar. Ich würde ihr ewig treu bleiben, sie umarmen, sie liebkosen, meine Fingernägel in ihren Rücken krallen und von ihr trinken und trinken und trinken. Bis das der Tod uns scheiden würde.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 01.05.2007 21:09 Uhr
Eine schaurig-schöne Liebeserklärung an New York...Ol' Blue Eyes (Frank Sinatra) läßt grüßen und hätte es nicht schöner ausdrücken können ;)
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 02.05.2007 19:49 Uhr

hoffentlich gibt es noch ne fortsetzung JD, prima
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 03.05.2007 15:57 Uhr
Ich weiss zwar selbst nicht, was ich davon halten soll, aber ich setz das Ding trotzdem mal rein:

"FALLING DOWN"

Wenn ich abends auf der Brücke sitze, betrachte ich oft die bedrohlich wirkenden Schatten der Gebäude, die sich vor dem blutroten Hintergrund eines untergehenden Tages behaupten. Ich verfolge den Rauch aus den Schlöten und seinen Weg in die Freiheit. Male in meinen Gedanken Dämonen in die Luft und lasse sie entfleuchen in diese Welt. Vielleicht gibt es sie wirklich. Aus Feuer geboren, um den Himmel zu verdunkeln. Und vielleicht betrachte ich sie gerade in diesem Moment, und sehe, wie sie als Rauch getarnt ihre Stätte verlassen und sich auf die kleine Welt der Menschen legen. Wie sie sich aus den Aschen der Öfen und Schmelztiegel erheben, angetrieben vom rhythmischen Schlagwerk der Maschinen die Rohre emporsteigen und mit bedrohlichem Zischen aus den dünnen Durchlässen entweichen, um der Menschheit das Fürchten zu lehren. Das ist wohl unsere Sünde. Wir haben unsere eigene Hölle geboren.

Ich kann mich noch genau erinnern, als sie von mir Besitz ergriffen. Das monotone Schlagen auf den glühenden Stahl hatte mir beinahe die Sinne geraubt. Vom Schwindel gepackt überlegte ich, meine Arbeit neben mir liegen zu lassen. Ein wenig Ruhe in dieser hektischen Welt. Doch ich schlug weiter. Ich schlug immer weiter auf das verdammte Stück ein.
Bamm! Bamm! Bamm!
Die Funken sprangen mir auf die blanke Haut und versengten die Haare. Ein stechender Geruch stieg mir in die Nase und vermischte sich mit den schwarzen Teilchen, die mir in der Lunge stachen. Die Welt verschwamm um mich herum.
Bamm! Bamm!
Dann noch einmal, schwächer: Bamm.
Langsam entwich der Hammer meinem starken Griff und fiel krachend auf den Erdenboden.

Ich kann mich an nicht mehr viel erinnern. Heißer Dampf und Rauch, ein Kollege, der mich schüttelt und mir mit seinen dreckigen Pfoten immer wieder auf die Wange schlägt. Ich höre mich rufen „Verdammt, du Arschloch, verpiss dich doch!“ und packe ihn am Hals, drücke ein wenig zu, um ihn zu quälen. Meine andere Hand zuckt kurz zum Messer. Wer weiß, weshalb ich es mitgenommen habe? Aber dieser Hänfling ist es nicht wert. Kann noch nicht einmal seine Furcht verbergen. Wirklich ein jämmerliches Geschöpf. Er passt nun mal hierher. Nicht wie ich. Ich gehöre hier nicht her. In diesen Pfuhl des Teufels, das Schlammloch London.
So langsam reicht es. Ihr könnt mich alle mal, höre ich mich lachen – oder habe ich dies nur gedacht? Egal – nur weg von hier, auf die Straße, in die Hölle, zu den verdammten Dämonen und ihrem lustigen Tagwerk.

Vorne läuft eine Schlampe. Eine von denen, die Menschen im Sekundentakt auf die Welt schleudern. Eine von denen, die für den ganzen Dreck hier verantwortlich sind, weil sie für ein paar lumpige Pennys die Beine breit machen und den Dämonen neue Nahrung geben. „Na, Süße, machst du auch für mich die Beine breit?“. Ich winke mit einem Geldstück in der Hand. Sie lächelt mich an mit ihren krummen Zähnen. Meine Güte, was für ein abscheuliches Geschöpf. Ich lasse das Geldstück fallen. Beobachte, wie sie sich bückt, um es aufzuheben. Ihr Gesicht streift meinen Schritt, wahrscheinlich will sie mich damit anmachen. Wie widerlich! Ich trete ihr in die Fresse, dass sie nach hinten fällt. Schneller wie der Blitz sitze ich auf ihr und zücke mein Messer. Es dauert nicht lange, da gurgelt sie nur vor sich hin - ich wüte weiter. Verdammte Welt, verdammter Stahl, verdammte Stadt. Ich steche ihr den Dämon aus. Ihr solltet mir dankbar sein. In meinem Kopf die Bilder des Stahls. Bamm! Bamm! Und in ihrem Fleisch der glänzende, blutrote Stahl der Klinge. Haha! Ich habe wohl eine neue Arbeitsstelle gefunden!
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 03.05.2007 16:09 Uhr
Sehr schön!  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Phil am 03.05.2007 16:27 Uhr

Nicht schlecht  :icon_thumb:
Find ich echt gut  :icon_biggrin:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 03.05.2007 19:17 Uhr

@ isdrasil

so wurde die erste ich AG erfunden, klasse  :icon_biggrin:

Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 07.06.2007 13:11 Uhr
Ich möchte dann doch mal lieber warnen, dass diese Geschichte ziemlich....naja hart ist. Ich schätze zwar wenn man sich mit dem Thema JtR befaßt ist man das gewohnt....aber ich sags lieber mal.


Die Blutlinie - Die Geburt



Es war einer dieser normalen Frühlingstage in Schweden. Die Luft war kühl und nass vom letzten Regen. Es war bewölkt und der nächste Schauer kündigte sich bereits an. Es war noch lange dunkel dieser Tage....der Sommerbeginn wurde sehnlichst erwartet, dann wenn die Tage länger werden und die Nächte extrem kurz. Dies waren die eher unbekümmerten Tage, man konnte viel draussen sein, auf der See, in den Wäldern oder einfach vor dem Haus sitzen und selbst gesammelte Beeren verzehren.

Manchmal war er froh nicht direkt in Helsingborg zu leben, sondern nur in der Nähe. Dort zu arbeiten war bereits genug. Seine Arbeit auf See war anstrengend, Fische fangen, sie ausnehmen und dann an die Händler weiterverkaufen. Seine Familie war immer der Fischerei angetan, schon während der Blüte der Hanse die auch Helsingborg als hansischer Handelshof erreichte. Er war noch äußerst jung, doch er musste bereits seine Familie ernähren, denn sein Vater war bereits früh gestorben. Es war mehr ein Schicksalsschlag, als ein Unfall. Sein Vater war ein Trinker, wie jeder Seemann....aber er war nie gewalttätig oder ausfallend gewesen. Er kam nachts betrunken nach Hause und schlief ein. Manchmal auf dem Dielenboden, manchmal sogar auf der Wiese vor dem Haus. Es kam nicht oft vor, aber auch nicht selten. Seine Mutter konnte es nicht ertragen, sie wollte auch gar keinen Seemann als Mann haben....sie war doch zu höherem geboren. Sie war eine arrogante Frau, eine unbarmherzige Frau....aber sie versuchte fair zu sein, was ihr meistens nicht gelang. Sie bevorzugte seine beiden Schwestern, die hübsch waren und die zu Damen erzogen wurden. Seine Mutter wollte einen erfolgreichen Mann heiraten, einen Arzt...aber er wählte eine andere. Er konnte den Mann gut verstehen....denn diese Frau war selbstverliebt. Doch sein Vater war von ihrem Aussehen geblendet, von ihrer Schönheit....als er das bemerkte wurde er wahrscheinlich zum Trinker....und zu einem wahren Arbeitstier. Er war kaum zu Hause....was sollte er auch dort. Seinen Sohn nahm er früh mit zum Hafen nach Helsingborg. Er brachte ihm das Fischen bei, das Ausnehmen, alles was er brauchte um selbst ein Seemann zu werden. Er tat es gerne, weil er gerne mit seinem Vater zusammen war....lieber als mit seiner Mutter.

Der Unfall...oder eher das Unglück geschah als sein Vater wieder einmal betrunken von der Arbeit kam. Seine Mutter war noch wach und schrie ihren Mann an....der sich wehrte und wie in einem Reflex zu seinem Messer griff, das er zum Ausnehmen der Fische benutzte. Doch seine Frau war schneller....sie drehte ihm das Messer in der Hand um, die beiden kämpften und seine Frau hatte das bessere Ende für sich. Sie schlug ihm die eigene Faust gegen die Brust....das Messer drang tief in seine Brust und er kippte nach hinten auf die Stufen zum Haus. Er hatte eine Platzwunde am Kopf, aber schlimmer war das viele Blut das aus seiner Brust quoll.
Sie rief einen Arzt...doch der konnte nichts mehr tun. Sein Vater, ihr Mann....sein Vater...war tot. Die Polizei ging von einem Unfall aus, von einem bedauerlichen Unglück durch Trunkenheit und Notwehr der Ehefrau. Doch er wußte es besser....diese Schlampe, seine Mutter, hatte seinen Vater getötet. Es war der Tag an dem er sich schwor diese Frau und ihre Familie zu brechen.

An diesem Tag schien alles perfekt. Die Tage waren noch sehr kurz und die Nächte lang. Er war zu Hause weil seine Mutter ihn gebeten hatte auf das Haus aufzupassen. Sie wolle sich mit einem Mann aus Helsingborg treffen, den sie dort bei einem Einkauf kennengelernt hatte. Er war Kaufmann, hatte ein Geschäft für Pelze und Leder....ein wohlhabender Mann. Sie sagte ihrem Sohn vielleicht bekäme er einen neuen Vater und lächelte dabei....kein gutherziges Lächeln....ein bösartiges, herablassendes. In Wirklichkeit war es ihr egal, ob ihr Sohn den Mann akzeptierte oder nicht....wie immer ging es nur um sie und vielleicht ihre Töchter, die ebenso Wohlstand verdient hätten. Sie war mit den Töchtern aufgebrochen und sollte zwei Tage wegbleiben....zwei Tage in denen er alles vorbereitete. Ein paar Taue vom Schiff, ein paar gut geschliffene Messer und er wußte wann die nächste Ladung ging...in ein anderes Land. Er hatte angeheuert und war Teil einer 6 köpfigen Mannschaft die bald nach England aufbrechen sollte.

Als die drei Frauen wieder nach Hause kamen, wartete er schon. Er wartete bis jede der drei in ihren Zimmern waren, dann schlug er zu. Die erste war seine jüngere Schwester....er kam in das Zimmer mit dem Vorwand sie über den Mann ausfragen zu wollen....er stach ihr in einer abgehackten und leicht verunsichert wirkenden Handbewegung in den Hals, dann in die Brust und den Bauch. Sie war tot noch bevor sie schreien konnte, doch er war ängstlich und rannte zu dem Zimmer seiner älteren Schwester. Er klopfte, murmelte etwas von einer dringenden Angelegenheit und ging hinein...die Schwester schaute ihn emotionslos an, erblickte dann das Messer und erstarrte. Dann fiel sie bereits tot um, diesmal war die Bewegung fließender gewesen....und schneller. Es war ein einziger Schnitt....er durchtrennte ihr in einem Zug die Kehle. Er war überrascht wie einfach das ging und war etwas ruhiger geworden. Er steckte das Messer hinter den Rücken als er in das Zimmer seiner Mutter trat. Sie sah ihn an und fluchte: "Was machst du hier? Du hast nicht geklopft! Du bist ja schlimmer als dein Vater." Es war ihr Todesurteil...obwohl das eigentlich schon vorher gesprochen war...nur hatte sie es damit unterzeichnet, sie selbst. Er rammte ihr das Messer in den Bauch, dann in den Rücken und in die Seite....sie lag blutend am Boden, atmete schwer und er flüsterte ihr zu: "Du wirst sterben. Aber langsamer als deine Töchter und noch langsamer als Vater. Du wirst sterben weil du Abschaum bist. Du wirst sterben und danach werde ich überlegen was ich mit den Leichen von euch dreien mache. Ihr seit Abschaum....stirbt du Haufen Dreck!" Mit erschrockenen Augen, Augen die nur Menschen haben die wissen das ihre letzte Stunde in diesem Augenblick geschlagen hat, starrte sie auf das Messer das in einem hohen Bogen auf sie niedersauste und schließlich in ihrem Unterleib verschwand. Er riß ihr den Bauch auf und sie konnte nicht weinen....sie konnte nur zittern und wimmern vor Schmerzen. Aber sie war zu arrogant um zu weinen....er genoß es, mit jedem Schnitt genoß er es. Jeder Stich war eine Erlösung, ein seelischer Orgasmus.

Einige Stunden später war er fertig. Er hatte sie getötet und danach geschändet. Seine Mutter hatte er ausgenommen wie einen Fisch. Er versuchte dabei vorzugehen wie ein Arzt.....wie ein Mann den seine Mutter vergöttert hatte. Ein wohlhabender Arzt, der aber klug genug war diese Vogelscheuche nicht zu heiraten. Ein schlauer Mann. Seine Schnitte wurden immer sauberer, obwohl er wußte das er noch lange kein Arzt war, er mußte noch viel lernen. Er entnahm Organe, jedenfalls versuchte er es und es gelang ihm zumindest teilweise. Bei seiner älteren Schwester ging es schon besser....aber es war nicht perfekt, noch lange nicht. Bei seiner jüngeren Schwester erschrak er ein wenig, als er seine Errektion bemerkte. Seine jüngere Schwester war wirklich attraktiv....sogar als Tote. Er schändete sie....er kam mehrfach in ihr, auf ihr, dann wieder in ihr. Dann nahm er auch sie aus.

Nachdem er die Leichen irgendwo im Wald vergraben hatte, wußte er das er nicht mehr derselbe war. Irgendwo in diesem Haus, irgendwann hatte es klick gemacht und sein Gehirn hat einen Schalter umgelegt. Einen Schalter den er nicht mehr umlegen konnte....er wußte es nur noch nicht.

Er floh...
Sein Schiff sollte einige Tage später ablegen. Er war noch einige Tage zu Hause, dann machte er sich auf zum Hafen. Er wollte nie wieder kommen....irgendwann würden sie die Leichen finden, vielleicht. Und vielleicht würden sie nach ihm suchen. Man würde ihn überall suchen, aber bestimmt nicht am anderen Ende der Welt.

Der Kapitän war froh als alle Männer an Bord waren und die Waren gut verstaut waren. Als das Schiff ablegte rief er seinen Männer zu: "Nächste Station London!" Er wußte nicht das einer seiner Männer damit vorerst in Freiheit war....und er wußte nicht was dies bedeutet.

------------------------------------------- 1 Jahr später----------------------------------------------

Er war jetzt ein knappes Jahr in London. Er hatte am Hafen Arbeit als Seemann bekommen. Er nahm Fische aus, fing auch selbst und die Waren verkaufte er an Händler, die auf dem Markt die Fische anpriesen. Er war nicht reich, hatte kein kleines Holzhaus wie in Schweden, aber er war glücklich. Bis die Geister der Vergangenheit ihn einholten. Er schlief nachts nicht immer gut, er träumte von den Morden, aber es waren nie Alpträume, ganz im Gegenteil....er wachte auf und war glücklich. Ihm war aufgefallen das es ihn nicht wirklich stimulierte, er bekam keine Errektion mehr, wenn er an den nackten Körper seiner Opfer dachte. Doch es gefiel ihm daran zu denken. Und es gefiel ihm weil sie es verdient hatten, alle drei.

Er konnte nicht mit Frauen zusammen sein und wenn war es nur für sehr kurze Zeit. Es war ihm zuwieder und nur langsam konnte er wieder Frauen an sich heran lassen. Meist waren es Nutten, nein eigentlich waren es immer Nutten. Eigentlich waren alle Frauen Nutten...so dachte er jedenfalls.

Immer öfter wenn er einen Fisch ausnahm dachte er daran, dass es ähnlich sei wie damals als er die Leichen ausnahm. Er dachte daran dass der Fisch vor ihm eine Frau wäre....seine Frau....sein Opfer. Es gefiel ihm, es war ein Gefühl von Macht und von gestilltem Rachedurst.

---------------------------August 1888---------------------------

Der Durst, dieser ungestillte Durst....er verschlang ihn fast. Er mußte etwas tun und dieses Etwas war nicht irgendetwas, sondern genau DAS! Er mußte wieder morden.....wieder zerstückeln und ausnehmen. Aber er wußte das er ein wenig aus der "Übung" war. Doch das sollte ihn doch nicht aufhalten. So hielt er des öfteren in der Nacht Ausschau. Ausschau nach einem Opfer.

Er fand eins. Mary Ann war ihr Name und er entschloss dass dies sein erstes Opfer in London sein wird. Vielleicht....nein wahrscheinlich nicht sein Letztes.

Sie starb wie seine Schwestern....er schnitt ihr die Kehle durch und stach ihr ein paar Mal in den Unterleib, bis ihre Innereien herausquillten. Dann ging er. Für den ersten Mord in England, war das ganz ok.

------------------London, Herbst 1888 - Autumn of Terror-----------------

Es sollte sein Herbst werden, sein Jahr. Es folgten noch weitere Morde, sogar ein Doppelmord in einer Nacht. Er war auf dem Höhepunkt seiner Ekstase in dieser großen Stadt. Und die Polizei konnte ihn nicht finden. Man gab ihm sogar den Namen "Jack"..."Jack the Ripper". Er fand das lustig. Jack der Schlitzer. Das gefiel ihm...der Aufschlitzer. Der Mann der Frauen aufschlitzte. Nutten....alles Nutten. Unbrauchbarer Dreck in dieser Welt. Frauen...Dreck....Nutten....noch größerer Dreck.

Seine letzte Tat in London sollte ein Höhepunkt werden, den er nicht mehr toppen konnte. Das wußte er nachdem er fertig war. Die kleine Mary Jane war das farbenfrohste Gemälde seiner Arbeit. Ein Bild in Scharlachrot. Eine Plastik in blutendem Rot. Ein Gemälde für die Ewigkeit.

Nach diesem Mord wußte er, dass er nicht bleiben konnte. Er musste weg. London wurde ihm zu ungemütlich. Er floh....wieder einmal. Und wieder war es ein Schiff das ihn wegbrachte. Zu neuen Ufern....über den großen Teich. Nach Amerika. Doch er floh nicht allein.

Kurz vor seinem letzten Mord lernte er eine Frau kennen, nicht schön, nicht klug....aber sie war freundlich. Nett....und irgendwie....gottgläubig. Ihr Vertrauen zu erhaschen war einfach....es zu mißbrauchen noch einfacher. Und doch war sie nicht böse, wenn er sie schlug, sie nahm es als ihren Fehler hin. Sie war ein Glückfall und er wußte das er sie heiraten würde. Das er bis an sein Lebensende mit dieser Frau zusammen sein wollte. Denn sie wußte das sie Dreck war....und somit war sie eine tapfere Frau. Eine Frau die diese reine Wahrheit erkannt hat. Frauen sind Dreck.

Sie flohen nach Amerika. Er erzählte ihr er möchte ein neues Leben mit ihr beginnen. Sie war glücklich. In Amerika heirateten sie. Er blieb Fischer, aber verkaufte den Fisch selbst. Irgendwann konnte er sich ein kleines Haus leisten, in dem er mit seiner Angetrauten lebte. Und mit der er starb.

Die beiden bekamen nur einen Sohn. Einen Sohn um den er sich kümmerte wie sein Vater sich um ihn gekümmert hatte. Er besorgte ihn, lehrte ihn alles....alles über das Schlitzen. Alles über Frauen und Nutten und darüber das sie alle gleich sind. Darüber das er die Gabe besaß sie zu bestrafen ohne erwischt zu werden. Darüber wie man eine Frau ausnimmt, wie man die Organe aus ihnen nimmt und wie man sie tötet.

Als er starb und kurze Zeit später seine Frau, begrub der Sohn die beiden. Auf den Gräbern stand nicht der Familienname seines Vaters. Sein Vater hatte sich umbenannt in Amerika. Er gab sich einen englisch klingerenden Namen. Auf dem Grabstein stand nicht "Hier ruht Sven Hilstât". Sondern "Ruhe in Frieden - Sven Hillstaedt".

Jason Hillstaedt, sein Sohn, wußte was er zu tun hatte. Er mußte das Erbe seines Vaters weitergeben. Und er wußte das er es konnte. Denn die Blutlinie war in ihm....er war so mächtig wie sein Vater und jeder nach ihm wäre es auch. Er würde niemals sterben - Jack the Ripper war wirklich unsterblich.


--------------------------Ende-----------------------


So, das war eine weitere Geschichte von mir. Sie könnte glatt eine Einleitung von dem Buch "Blutlinie" von Cory McFaden sein. Jeder ders gelesen hat, wird beim Namen Hillstaed wissen was ich meine ;)
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: nicjack01301 am 08.06.2007 12:07 Uhr
Super Super Super!!!!! einfach nur genial, einfach klasse!  :icon_thumb: :icon_thumb: :icon_thumb: Prima!!! Standing Ovation! LG Nicky  :icon_aetsch:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: thomas schachner am 08.06.2007 14:05 Uhr
 :icon_thumb: :icon_thumb: :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 01.09.2007 14:28 Uhr
Band of Brothers (jap der Titel ist geklaut ;) )

Raymond hatte seinen Bruder Simon schon sehr lange nicht gesehen. Als sie nach der Schule in die Armee eintraten trennten sich ihre Wege. Der eine war in Indien, der andere in Afrika stationiert. Sie schrieben sich immer seltener Briefe und Raymond befürchtete schon Simon nie wieder zu sehen.

Simon, der sich in Indien nie sehr wohl fühlte träumte davon irgendwann wieder in England zu sein und mit seinem Freund eine Tour durch die Stadt zu machen und in diversen Kneipen Billard und Darts zu spielen und über ihre Erfahrungen im Ausland bei einem Pint Bier zu sprechen. Raymond hatte ihn immer Bruder genannt und so hatte auch er sich irgendwann angewöhnt Raymond so zu nennen, obwohl sie in der Kindheit nur Nachbarn waren und tagein tagaus miteinander gespielt hatten. Auf dem Rugbyplatz hatte Raymond immer auf ihn aufgepasst und nur wenige Gegner konnten die "furchtbaren zwei" bezwingen, sie verstanden sich blind. Simon hatte das nie besonders gestört, er war froh einen so guten Gefährten zu haben. In der Schule saßen sie nebeneinander und ihre Pausenbrote teilten sich beide brüderlich. Als Simon seine erste Freundin hatte war Raymond eifersüchtig geworden und Simon half ihm dann selbst eine Freundin zu finden, auch wenn diese Beziehung nur sehr kurz hielt.
Sie waren wie Seelenverwandte.

Einige Jahre waren die beiden schon getrennt. Raymond hatte in Afrika unangenehme Dinge gesehen, Wilde die in kleinen Holzhütten wohnten und Götter anbeteten und ihnen Opfer brachten. Halbnackt zeigten sich die Schwarzen und Raymond ekelte sich immer davor. Wie kann man so unzivilisert sein? Als Soldat der Krone hatte man es in Afrika nicht immer leicht. Einige seiner Kameraden waren bereits gestorben, an schwerem Fieber, tödlichen Krankheiten oder durch die Hand eines Eingeborenen. Die letzten Briefe die er von Simon bekam, sagten ihm das auch in Indien ähnliches geschah, nur dass die Wilden dort anders waren. Nicht schwarz, nicht halbnackt...aber trotzdem merkwürdig und unchristlich.

1887 wurde Raymond nach England zurück geschickt. Er kam nach Bristol und wurde Ende des Jahres mit seiner Einheit nach London versetzt. Nach einigen Monaten in London bekam Raymond über die militärische Post einen Brief von Simon. Er freute sich sehr und war überrascht dass Simon ihm schrieb dass er bald nach London geschickt würde. Welch ein Zufall! Er freute sich riesig und schrieb ihm gleich zurück in welcher Unterkunft er war und auf welchem Zimmer. Im ersten Quartal des Jahres 1888 kam Simon nach London und bekam ein Zimmer in derselben Unterkunft. Nach Absprache mit den jeweiligen Vorgesetzen durften die beiden sich sogar ein Zimmer teilen. Jeden Tag verbrachten die beiden und sprachen über ihre Erlebnisse in Afrika und Indien.

Raymond hing Simon an den Lippen, jedes Wort verschlang er wie ein Stück Brot. Er war so froh seinen Bruder wieder zu haben. Den einzigen richtigen Freund in seinem Leben. Seine heimliche große Liebe.
Nach einigen Wochen wurde Simon unruhig, er wirkte angespannt und nicht ausgelastet. An diesem Abend sagte er zu Raymond dass er alleine ausginge. Raymond folgte ihm. Er sah ihn in Kneipen, sah wie er viel trank und viel lachte. Er sprach fremde Frauen an, spielte mit anderen Männern Darts. Spät in der Nacht ging er langsam heim. Raymond war wütend, aufgebracht, eifersüchtig....in einem dreckigen Hauseingang wollte er sich übergeben, weil ihm schlecht war. Doch er konnte nicht. Das machte ihn rasend. Plötzlich stand hinter ihm eine Frau und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Kann ich dir helfen Soldat?" fragte sie aufreizend lächelnd. Er war verblüfft, doch dann wurde ihm bewußt dass er in voller Uniform, mit einem Bayonette vor ihr stand. Er sah sie wütend an und sie grinste ihn an und leckte sich über die Lippen.
Mit voller Wucht schlug er ihr die Faust ins Gesicht, dann in den Bauch und trat sie zu Boden. Dann stach er mit dem Bayonette mehrere Male auf sie ein. Er hörte gar nicht mehr auf....bis ihm klar wurde was er tat. Er wischte die schmutzige Klinge an der Kleidung der Frau ab und verschwand im Dunkeln.

Ein paar Wochen später war Simon wieder alleine unterwegs und wieder folgte Raymond ihm. Diesmal war er immer allein in den Kneipen, trank sein Bier und rauchte seine Zigaretten. Auf irgendeiner verkommenden Straße im dreckigsten Teil der Stadt sprach er eine Hure an und verschwand mit ihr irgendwo um Dinge zu tun, die Raymond sich nicht einmal vorstellen wollte. Er war diesmal in Zivil und hatte sich das Gesicht der Frau gemerkt. Am nächsten Abend würde er wiederkommen und die Frau bestrafen. Für den Frevel den sie an seinem Freund begangen hat. Er würde ihr den Schmutz aus dem Körper schneiden.

Es war eine Woche später, als er zum zweiten Mal bestrafte und zum dritten Mal eine Frau tötete. Wieder war es eine dieser Dreckstücke die seinen Simon benutzt haben um ihren Körper zu befriedigen und an Geld zu kommen. Und wieder schnitt er ihr den Schmutz aus dem Körper.

Nach diesem Mord hatte er geglaubt das Simon nie wieder solch eine Frau besuchen würde und er wieder mehr Zeit für ihn hatte. Tatsächlich war Simon wieder häufiger mit Raymond zusammen, sie gingen trinken und spielten Darts und manchmal gingen sie spät abends noch an der Themse spazieren. Es waren so glückliche Tage für Raymond. So vergingen wieder ein paar Wochen bis Raymond von der Realität eingeholt wurde. Es war wieder soweit, Simon wollte allein sein und seine Runden machen. Wieder hatte er getrunken und hatte sich von einer Frau verführen lassen. Raymond war rasend vor Eifersucht und Wut. Wieder ging er voller Hass und Abscheu durch die nächtlichen Straßen Londons und wieder bestrafte er diese Hure für ihre Untaten. Auf seinem Weg nach Hause war er immer noch wütend und aufgebracht. Beinahe wäre er erwischt worden, doch er hatte keine Angst....Simon musste bei ihm bleiben für immer! Nach einigen Schritten in einer dunklen Gasse sah er eine dieser Prostituierten. Langsam kam er ihr näher, grinste sie teuflich an und stach zu. Das Messer das er nun immer benutzte war ihm  mittlerweile so bekannt, das er sehr geschickt damit umgehen konnte. Er wunderte sich zwar darüber, aber er dachte nicht länger darüber nach. Sein einziger Gedanke war Bestrafung.

Am nächsten Tag überlegte er was zu tun wäre. Simon hatte immer wieder Rückfälle. Er ging zu Huren...warum? Er hatte doch Raymond! An diesem Abend als sie gerade schlafen gegangen waren, stand Raymond vorsichtig auf und legte sich zu Simon ins Bett. Er rückte ganz nah an ihn heran, so dass er sein Haar riechen konnte, seinen Körper spüren konnte und hörte wie Simon ganz langsam atmete. Sanft legte er einen Arm um ihn und drückte sich ganz eng an seinen Rücken, als Simon plötzlich aufwachte und erschrack. Er drehte sich um und starrte Raymond an: "Was machst du da? Was fällt dir ein? Raus aus meinem Bett!" Er schimpfte und fluchte und Raymond stand schnell auf. Er war verwirrt und verängstigt. Simon war geschockt, nicht nur darüber dass Raymond bei ihm gelegen hatte und ihn umarmt hatte. Noch mehr schockte ihn die deutlich sichtbare Erregung die Raymond hatte. Am nächsten Tag zog Simon aus dem Raum und schlief in den nächsten Nächten allein in einem Raum.

Wenige Tage nach diesem Ereigniss wurden beide von ihrem Kommandanten informiert, dass sie bald wieder ins Ausland mussten. Raymond musste wieder nach Afrika und Simon nach Indien. Raymond hatte in den nächsten Tagen keine ruhigen Nächte. Er weinte, fluchte, hatte Alpträume und fragte sich immer wieder warum Simon ihn angeschrien hatte, warum er ihn verlassen hat. Am letzten Abend in London ging er wieder durch die dreckigen Straßen der Stadt. In der Nacht hatte er eine junge Hure gesehen, er folgte ihr. Als er sicher war das keiner ihn gesehen hat und die Hure allein in ihrem Zimmer war, ging er zu ihr. In jener Nacht bestrafte er mit jeder Faser seines Körpers. Er bestrafte die Frau für alles, was Simon ihm angetan hatte, was die Frauen Simon angetan hatten...strafte dafür dass die Frauen ihm Simon, seinen Freund Simon gestohlen hatten und das er jetzt weg war. Es war eine blutige Nacht, ein dunkler Schatten auf seiner Seele.

Am nächsten Tag began seine Reise nach Afrika und er wußte dass er Simon nie wieder sehen würde.

Simon heiratete Jahre später in England und wurde Vater von vier Kindern. Er lebte im Norden Englands, weit weg von London, an dass er ungute Erinnerungen hatte. Raymond hatte er nicht vergessen, aber war froh ihn nie wieder gesehen zu haben. Er wußte nicht das Raymond 2 Jahre nach dem blutigen Herbst 1888 in Afrika an der Malaria gestorben war. Der Schlächter Londons starb allein, in ewiger Sehnsucht nach einer unerfüllten Liebe. Seine Kameraden in Afrika sagten nach dem Begräbnis Raymond hatte ein gebrochenes Herz voll nicht erwiederter Liebe. Sie wußten nicht das es das gebrochene Herz eines Serienmörders war....das gebrochene Herz Jack the Ripper's.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 01.09.2007 14:41 Uhr

unsere literaten kehren langsam wieder zurück.

floh, das war wieder einmal  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: nicjack01301 am 01.09.2007 19:34 Uhr
Fragen
Ist es die Faszination?
Ist es reine Gier nach der Bluttat?
Ist es die Flucht in eine andere Zeit? Eine Zeit in der Menschen anders handelten, anders lebten, die Welt anders erlebten?

Will man denn die Wahrheit überhaupt wissen? Geht denn dadurch nicht der ganze Mythos, der sich um diese Legende rankt, verloren? Beraubt uns die Wahrheit nicht des Tuns, das Leben längst Vergangener bis auf jede Sekunde und das kleinste Verhältnis zu analysieren und es abzuabwägen? Ist es nicht anmaßend, ein Leben zu durchforsten, dessen Seele niemals Ruhe findet, da eine Lösung durch die Zeit in weite Ferne rückt?

Ist es nicht eher die Flucht eines jeden von uns aus dem Alltag, die Möglichkeit in eine anonyme Haut zu schlüpfen? Die Möglichkeit, Gedanken um ein Thema kreisen zu lassen, das vom eigenen Selbst nicht nur Jahre, sondern auch um Weiten entfernt ist?

Was würden die Mütter der aus dem Leben gerissenen Töchter sagen, wenn sie wüssten, welch traurige Berühmtheit ihre aus dem eigenen Schoß entsprungenen Lieben eines Tages erlangen? Was sehen die unruhigen Seelen der kanonischen Fünf, wenn sie, ob vom Himmel oder von der Hölle, von dem anderen Ort, auf uns herabblicken?

Welche Traurigkeit sie verspüren müssen, nur bekannt als ein Opfer, als eine Hure durch einen Messerschnitt von der Welt getilgt! Und keiner fragt nach ihrem Befinden, ihren Träumen, Wünschen, Gefühlen.
Denn heute bleibt nur eine Frage: Wer war es, der sie aus dem Leben riss?

LG Nicky  :icon_aetsch:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 01.09.2007 20:36 Uhr

sehr schön  :icon_thumb:

um deine letzte frage zu beantworten, es war jack the ripper  :icon_mrgreen: :icon_aetsch:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: nicjack01301 am 02.09.2007 08:41 Uhr

sehr schön  :icon_thumb:

um deine letzte frage zu beantworten, es war jack the ripper  :icon_mrgreen: :icon_aetsch:

Hey, so sicher ist das nicht- es gibt genug Diskussionen beim Doppelmord ;) LG Nicky  :icon_aetsch:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 28.09.2007 19:48 Uhr
Ok, wieder mal was von mir...die gekürzte Fassung, direkt in`s Geschehen rein:

INTERVIEW WITH A LUNATIC

Wenn man es genau nimmt, wurde ich schon in meiner Kindheit geboren“.
`Verdammt`, denke ich mir, `es ist wirklich zu spät. Er fühlt nicht mehr den Menschen in sich. Das Tier hat ihn vollständig vereinnahmt, durch und durch zerfressen`.
So habe ich es schon bei vielen dieser Sorte gesehen. Irgendwann nimmt das Böse von ihnen Besitz, kommt der Moment, in dem sie die Grenze überschreiten und sich danach wie neu geboren fühlen. Das Leben davor wird nur noch als kleine Einführung zu ihrer wahren Bestimmung gesehen.
Für einen kleinen Moment versuche ich mir den Jungen vorzustellen, der er einst war. Ein lachendes Kind mit glänzenden Augen, so wie es bei jedem Kind in einem gewissen Alter zu sehen ist, und sei es noch so arm und vom Leben verlassen. Es gibt Augenblicke, in denen jede Kinderseele aufblüht und für einen kurzen Moment die Tristesse um sich herum vergessen kann. Dies sind die Momente, in denen das pure Leben in ihren Augen zu sehen ist.
Ich frage mich, wann das Glänzen in seinen Augen erlosch. Wie sehr seine Seele getreten werden musste, um zu einer Bestie zu werden...
Wann wurden Sie geboren? Wie ist es dazu gekommen?“, frage ich ihn mit journalistischer Routine.
Er hält für einen kurzen Moment inne und starrt an die Wand.
Langsam, langsam, mein Lieber“, spricht er leise und beugt sich zu mir über den Tisch, „wir wollen uns doch nicht die ganze Spannung verderben, oder?“. Grinsend lehnt er sich zurück und kaut an seinem Cachou.
Machtspielchen. Alle sind sie auf eine gewisse Art Spieler. Und mir gegenüber sitzt ein ganz Großer.
Gut“, sage ich, „dann gehen wir wieder zum Abend des 07. August. Wie lief es weiter?“.
Wie es weiterlief? Sie können Fragen stellen. Ich wollte nach Hause, war gefrustet, hatte einfach keinen Erfolg gehabt. Es ist nicht einfach, ein Räuber zu sein. Die Menschen werden vorsichtiger in unseren Zeiten. Haben alle Angst um ihr geschätztes Geld. Kein Wunder, dass ich irgendwann immer mehr auf meinen kleinen Jack zurückkam.“
Er lacht laut auf und verschluckt sich dabei beinahe.
Da sieht man es wieder. Diese verdammte Stadt ist selbst schuld, dass sie mich hat. Haha!
Eine kleine Pause, in der er zu sinnieren scheint und schmunzelnd vor sich hin lutscht.
Na, dann, neugierig, was? Also, ich ging nach Hause, hatte einen verdammt schlechten Tag. Da seh ich im Treppenhaus diese Schlampe liegen. Ich dachte mir, na, wenigstens etwas. Es ist nicht viel zu holen bei diesem Abschaum, aber es ist ein leichter Job. Meist genügte das Blitzen meines Freundes, und sie gaben mir alles, was sie besassen. Hier schien es noch leichter, schlief sie doch. Ich schleiche mich also ran und taste mich an ihre Tasche vor. Nichts. Die nächste Tasche. Treffer! In der Tasche klimperte es vielversprechend. Ich denke mir gerade noch, tja, du Schlampe, umsonst deine dreckigen Beine gespreizt, da wacht dieses Miststück auf! Entsetzt und starr vor Schreck blickt sie mich an. Ich musste natürlich reagieren, presse ihr meine Hand auf den Mund und ziehe mit der anderen Hand mein Messer. Wenn die geschrien hätte, wäre ich dran gewesen! Und da war es, in diesem Moment. Ich hatte diesen Moment schon einmal, dieses Kribbeln. Eine ungeheure Spannung, wenn das Messer in einen fremden Körper fährt. Eine wahnsinnige Energie, eine unheimliche Macht. Ich wurde mit jedem mal mehr zu Gott. Und dann steche ich auf diesen Körper ein und lasse das Messer immer wieder in ihren fetten Bauch fahren, steche in die Kehle und auf den ganzen Körper ein.“.
Er stockt und blickt mich mit irrem Blick an. Es ist schwer, in diesem Augenblick die Fassung zu bewahren, doch meine langjährige Erfahrung lässt mich nicht im Stich. Routiniert lasse ich mir nichts anmerken und fahre mit meinem Interview fort.
Sie stachen auf sie ein und gaben ihr also keine Möglichkeit, zu schreien?“
Nein, sie schrie nicht. Ich denke, sie wurde nach einigen Stichen ohnmächtig. Ich stehe nicht drauf, wenn sie schreien.“
Er wird auf einmal leise, und auf einmal höre ich einen Satz, der unglaublich klingt und mich beinahe dazu bringt, auf dieses Scheusal loszugehen. Einen Satz, den ich nie vergessen werde, und über dessen Sinn und Wahrheitsgehalt ich noch heute oft nachdenken muss. Einen Satz, bei dem ich beinahe glaubte, das Kind in seinen Augen erblickt zu haben.
Wissen sie, eigentlich wollte ich nicht, dass sie leiden.“
Er sieht mich an und erkennt meine Verwunderung.
Ich habe sie gehasst, ja, ich wollte sie auslöschen, zerstückeln, die Welt von dieser Plage befreien, diese Pest von der Strasse fegen. Aber ich stehe nicht auf Schmerz. Ich bin ein schneller Killer. Zu schnell.“
Und wieder grinst er selbstgefällig. Er ist eben ein Arschloch.
Nach einer kleinen Pause fährt er von selbst mit dem Interview fort:
Sie wollen wissen, wie es weitergeht? Nun, ich nahm das Geld, damit hatte es ja angefangen, und wenn diese Schlampe nun schonmal daliegt, warum sollte man sich nicht bedienen? Ich nahm es also und stand auf, liess sie liegen und ging nach Hause. Doch das Geld war auf einmal nebensächlich. Ich spürte auf einmal diese vollendete Energie in mir. Als hätte es immer in meiner Brust gelauert und nur darauf gewartet, auszubrechen. Plötzlich war ich ich. Keiner von den Deppen mehr, die sich von Tag zu Tag schlagen. Da war ich und stand vor dem Spiegel, blickte mich an und erkannte, wozu ich hier war. Die Sache, die schon seit ich denken kann in mir war, ergab plötzlich einen Sinn. Wenn ich zurückdenke, dann machte auch meine Kindheit plötzlich Sinn. Schließlich lief sie doch darauf hinaus. Schließlich wurde ich so gewollt.“
`Ja, vielleicht wurdest du von manchen Menschen so gewollt`, denke ich mir.
In Tabrams Brust wurde ein Stich von einer anderen Waffe gefunden. Wie erklären sie sich das?“
Jack lehnt sich vor und blickt mir streng in die Augen. Er scheint mich analysieren zu wollen, und fällt kurz darauf lachend in die Lehne zurück.
Haha, sie gefallen mir! Ihre Fragen werden doch tatsächlich von Minute zu Minute besser! Das war natürlich ich.“
Und weshalb?
Nun ist Jack nicht mehr zu halten. Sein Lachen hallt durch den gesamten Raum.
Mann, sie machen mir Späße. Ich fand euch Presseheinis schon immer amüsant. Dieses Miststück hatte mich gesehen! Erstens: Ich musste doch auf Nummer sicher gehen – wie sie ja bereits in Erfahrung gebracht haben, hat sie mich sogar gekannt, diese Schlampe. Wenn sie tatsächlich nur ohnmächtig gewesen war, musste ich das Spiel beenden. Mein eines Messer war anscheinend nicht für diesen Job geeignet, also holte ich mir ein schärferes, festeres, und ging noch einmal zurück. Ich habe noch einmal an ihrem Mund gehört, nur so, an ihrem stinkenden Mund, und hörte ihr schwaches Atmen. Also habe ich ihr das Ding in das Herz gerammt. Und zweitens:“, und hier fing er an, wie der Teufel persönlich über beide Wangen zu grinsen, „zweitens war dies mein neuer Job. Ich war nicht mehr hier, um halbe Dinge zu machen. Von nun an würde ich nur noch den Tod bringen. Haha!
Meine nächste Frage schiesst mir augenblicklich aus dem Mund:
Aber wieso den Tod so bringen? Wieso schlitzten sie ihre späteren Opfer auf?“
Ganz einfach: Ich merkte, dass dieser Mord alles andere als perfekt war. Die Umstände hatten nicht gepasst, ich hatte zuwenig Kontrolle, es war einfach ein Anfängerwerk. Der nächste Mord sollte professionell sein. Er sollte mir das geben, was ich wollte, denn die Ernüchterung kam schneller als erwartet. Ich wollte mehr, und ich wollte es richtig. Also fing ich an, mich vorzubereiten. Ich musste die nächste Tat planen. Eine spontane Tat hätte mir nicht das gebracht, was ich brauchte. Also fing ich an, mein nächstes Opfer zu suchen. Ich war ein paar mal der Freier dieser bekloppten Schlampe, bevor ich meinen nächsten Job in Angriff nahm. Kein Geld mehr. Das brauchte ich nicht mehr. Sie glauben gar nicht, wie unbedeutend plötzlich die materielle Welt werden kann, wenn man das gefunden hat, was die Seele schon immer verlangte…und nun sperrt man mich zu diesen Deppen hier!“

Langsam habe ich genug. Genug von diesem kranken Gerede, genug von diesem selbstverliebten Narzisten, von diesem ekelerregenden Egoisten. Ich würde das Interview am nächsten Tag fortführen – nur eine Frage brennt mir noch auf der Zunge, und dies schon von Beginn an, seit ich zu diesem kranken Kerl in die Zelle geleitet wurde und all die anderen Gefangenen gesehen hatte. Er hat mir gerade die Überleitung einfach gemacht.
Durch die Gitterstäbe sieht man auf den Gang, und hinter dem Gang liegen noch mehrere Verliese und Zellen. Ich deute mit einer Kopfbewegung auf die anderen Insassen.
Was unterscheidet sie von diesen Leuten? Weshalb gehören sie ihrer Meinung nach nicht hierher?“
Was mich von denen unterscheidet? Sehen sie sie doch an! Hier sind die Deppen. Nichtsnutze. Abschaum. Geisteskranke, Irre, Wahnsinnige. Man kann es auch auf einen einzigen Nenner bringen: Diese Typen haben nichts geleistet. Absolut gar nichts. Sie waren immer Looser und werden es auch immer sein. Ich hingegen – nach meiner Pfeife hat eine ganze Stadt getanzt. Ich war in aller Munde. Ich habe die gesamte Polizei zum Narren gehalten, das gesamte Empire. Die Menschen reden in Europa über mich, sie reden in Amerika über mich, sie haben Angst vor mir. Alle haben sie Angst. Und wer hat schon vor diesen Deppen hier Angst?“.
Er zeigt auf einen Insassen, der sich gerade die Stirn an der Steinwand blutig schlägt.
Nein, nein, das hier ist ein völlig anderer Schlag. Es ist eine Schande für mich, hier zu sein. Es ist eine Unverschämtheit und zeugt nur davon, wie sehr man meine Macht fürchtet. Dabei sollte man mir wesentlich mehr Respekt entgegenbringen.“.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Phil am 28.09.2007 23:06 Uhr

Sehr schön, ich würde gerne weiterlesen  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 29.09.2007 09:50 Uhr
 :icon_thumb:

ohne worte
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Mort am 29.09.2007 11:38 Uhr
Klasse :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 29.09.2007 15:21 Uhr
Der Mann ohne Identität.

Niemand interessierte sich für ihn. Wenn eine Personifizierung von einer Durschnittspersönlichkeit gebraucht werden müsste, wäre er wahrscheinlich der beste Kandidat gewesen. Als Kind gehörte er zu den Jungen, die zwar nicht die Beliebtesten aber auch nicht die Unbeliebtsten waren. Beim Fußball spielen war er nie der Kapitän, der Torwart oder der Dirigent im Mittelfeld...meistens spielte er solide als Außenverteidiger. In der Schule war er nicht schlecht...nicht gut, aber auch nicht schlecht. Seine Familie war nicht reich, aber auch nicht arm. Sein Vater war Tierpräparator und hatte ein eigenes kleines Geschäft im Osten Londons. Bob, wie ihn die meisten nannten, war einfach ein normaler durschnittlicher Junge. Es gab nichts besonders an ihm. Er sah nicht besonders gut oder schlecht aus, er war nicht sehr groß oder sehr klein, nicht überaus stark oder schwach. Er war einfach da. Die Nachbarn grüßten ihn, weil sie es schon immer getan hatten und wenn irgendwer neu in der Nachbarschaft war, würde er ihn kaum registrieren...."das ist Robert, Sohn von Familie Smith aus Hausnr. 14", "Ah, hallo Robert". "Alle nennen ihn Bob". "Ah hallo Bob." Morgen wüßten sie zwar noch das er Bob ist, aber die Hausnr. hatten sie vergessen und irgendwann wahrscheinlich auch zu welcher Familie er gehört.

Als Bob 16 Jahre alt war, wollte er von zu Hause raus. Er wollte auf eigenen Beinen stehen. Er hatte stets das beklemmende Gefühl ein Niemand zu sein. Nicht ein niemand im Sinne von wertlos....sondern einfach einer wie alle, irgendjemand von irgendwo. In einer Stadt wie London waren viele Niemands unterwegs. Gesichtslose Menschen oder besser: Namenslose Gesichter. Aber erst einmal musste er irgendwie Geld verdienen....sein Vater hatte ihm das Handwerk eines Präparators beigebracht, aber er müsste noch viel lernen. So wollte er weiter bei seinem Vater arbeiten, aber in seinen eigenen vier Wänden wohnen. Für wenig Geld....denn viel würde sein Vater ihm nicht zahlen.

Nach langen harten Auseinandersetzungen mit seinem Vater, musste der sich schließlich beugen. Robert durfte ausziehen, aber musste dafür auch an den Wochenenden zur Verfügung stehen. Und so suchte Bob sich eine Wohnung....irgendwo im East End fand er eine mehr oder weniger gemütliche Wohnung für die er äußerst wenig zahlen musste. Jeden Morgen ging er zu seinem Vater und lernte mit Eifer und Fleiß das Handwerk eines Präparators. Er war gut in dem was er tat....das wußte er, aber niemand lobte ihn. Sein Vater natürlich....aber das Lob der Eltern war Bob nicht viel wert. Was sollten die Eltern auch anderes tun? Ihn für seinen Fleiß bestrafen?

In den nächsten Jahren lernte er weiter fleißig und hatte sich mit dem Gedanken fast abgefunden irgendwann den Laden seines Vaters mit all seinen Kunden zu übernehmen und weiterzuführen. Er wäre der Sohn von Tierpräparator Smith, der den Laden nun übernehmen wird und die vielen Kunden aus den wohlhabenderen Familien des westlichen Londons nun betreuen würde. Sein Vater hatte viele Kunden....meistens Herrschaften aus dem Bürgertum, die an den Wochenenden auf Jagd gingen. Manchmal hatte sein Vater auch Aufträge vom Naturwissenschaftlichen Institut oder vom Londoner Zoo.

Bob wohnte weiter im East End und genoß sein kleines bisschen Freiheit. Eines Abends ging er mal wieder durch die Straßen des Elendsviertels, hatte sich ein paar Bier gegönnt und war auf dem Weg nach Hause. Am frühen Abend war er bei einer Prostituierten gewesen, in den letzten Jahren hatte er sich an wechselnde Bettpartner gewöhnt....die für ihre Dienste auch noch Geld verlangten. Er verspürte keine große Müdigkeit und hatte am nächsten Tag frei. Das konnte doch noch nicht das Ende des schönen Abends sein?! Er ging ziellos durch die Straßen des EastEnds.....bis er irgendwann irgendwo irgendeine Hure sah. Er folgte ihr heimlich, er wußte nicht einmal warum? Vielleicht wäre es lustig eine dieser Prostituierten mal zu erschrecken?! Er folgte ihr also....irgendwo in der Nähe des Krankenhauses lauerte er ihr schließlich auf. Er erschrack sie....und bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte stach er mit seinem Skalpell das er für die Präparation von Tierkörpern nutzte und immer bei sich führte  auf sie ein. Immer und immer wieder. Irgendwann hörte er auf....erst war er erschrocken und eilte schnell in die dunkle Nacht hinaus. Nach einigen Minuten lächelte er....etwas besonderes war passiert. Er hatte etwas getan...etwas so grausames, etwas so....mächtiges. Er hatte Macht verspürt....Macht über Leben und Tod. Er hatte entschieden....er hatte entschieden zu töten.

Die nächsten Tage war er etwas unsicher. Manchmal zitterte er bei der Arbeit und sein Vater musste ihn zurechtweisen, aber mit der Zeit begann er sich wieder zu kontrollieren. War es Angst die ihn zittern ließ? Oder Erregung? Entzug? Er musste es nochmal tun.....diesmal überlegter, er musste planender vorgehen. Schließlich war es keine zufällige Auswahl....nein! Er musste entscheiden....er war ein Richter, ein Henker...er war....mächtig. Diesmal beobachtete er die Prostituierten ganz genau....er wollte wieder eine Hure töten. Nicht weil es besonders schlechte Menschen waren....nein....es waren die leichtesten Opfer. Dort konnte er diese Macht spüren....nicht bei Männern, die vermutlich stärker waren als er oder sogar bewaffnet. Oder wohlhabende Frauen? Die wären zu gefährliche Opfer....wenn er einen Fehler machen würde, wäre er tot....die Edlen, die Reichen und Mächtigen würden ihn zerfleischen. Er kannte solche Leute aus dem Laden seines Vaters. Sie würden ihn selbst präparieren wollen. Nein es musste ein wertloseres Leben sein....er wollte dieses Machtgefühl ganz für sich allein und niemand sollte sich dafür interessieren.

Nach dem 2. Mord war es fast aus mit der Macht die er für sich allein hat. Denn die Presse hatte Wind von den Morden bekommen und die Polizei war ratlos. Doch nach einigen Tagen in denen er nicht wußte ob er weiter machen würde, hatte er entschieden: Er würde sein Spiel fortführen und noch mehr Macht zeigen. Er wollte endlich....jemand sein!

In jener Nacht mordete er zum 3. und 4. Mal und nahm seine Opfer sogar aus. Er hatte Briefe geschrieben an die Presse, hatte zeigen wollen wie mächtig er ist. Und tatsächlich...sie hatten seine Macht erkannt. Sie gaben ihm einen Namen, er fand den Namen lustig, er klang gefährlich und er klang mächtig und er war berühmt. Er sammelte alle Presseartikel, er sammelte sogar einige der Organe seiner Opfer und legte sie in Formaldehyd um sie zu konservieren. Das Formaldehyd hatte er von seinem Vater und die Behälter ebenfalls...wer würde schon den Sohn eines Tierpräparators verdächtigen. Wer würde jemanden verdächtigen den man nicht einmal mit Namen kennt. Von dem man nur weiß das es Bob aus der Hausnr. 14 ist? Niemand hatte ihn gesehen...oder vielleicht doch? Aber niemand konnte sich an ihn erinnern. So wie es nie jemand tat. Wenn man heute seine Freunde aus Kindertagen fragen würde wer am häufigsten beim Fußballspielen der Torwart war....dann würden sie sagen das war Ryan Gordon und der Mittelstürmer war Phillip George Ducks und ihr bester Mittelfeldspieler war Dave Lukas. Aber der rechte Außenverteidiger? Nun....vielleicht war es der kleine blonde....Tim oder so? Oder war es doch der Junge aus Hausnr. 14? Rob oder so? Tim Snyder war linker Verteidiger gewesen....und mit 20 an einer schweren Lungenentzündung gestorben...aber das würde keiner mehr wissen. Und auch das Bob Smith der Sohn des Tierpräparators in Hausnr. 14 war....niemand würde das noch wissen. Und so würde auch niemand wissen das Bob im EastEnd wohnte und täglich zur Arbeit zu seinem Vater dem Tierpräparator ging. Und in seiner linken Jackentasche befand sich ein Messer mit einer scharfen Klinge....wie es ein Präparator benutzt. Niemand würde das wissen.....oder je gewußt haben. Er war nur irgendein Nachbar, der irgendwann von irgendwo kam und ins EastEnd gezogen war oder war er immer schon da gewesen? Falls jemand fragte was er beruflich macht....würde man raten. Er arbeitet am Hafen....oder war er doch Handwerker? Er war ein Mann ohne Gesicht....oder besser ein Gesicht ohne Namen, ohne Alter, ohne Beruf.

Sein 5. Opfer war der Höhepunkt seiner Taten. Es war ihm gelungen in einem Gebäude seine Macht auszuüben. Diesmal nahm er das Herz mit. Es war sein persönlicher Höhepunkt der Machtdarstellung. Und diesmal ging er kurz vor Morgendämmerung nach Hause. Bestimmt hat ihn der ein oder andere gesehen....aber wirklich beachtet? Er war ein Niemand. Er hatte keine besonderen Erkennungsmerkmale. Seine dunklen Haare waren normal geschnitten, er hatte keine krumme Nase oder eine Hasenscharte. Er hatte keine Warzen im Gesicht oder lange Narben. Seine Konturen waren wie der Morgennebel Londons....milchig, verschwommen, undurchsichtig. Er war ein Schatten....ein mächtiger unerkennbarer Schatten.

Einige Tage nach seinem letzten Mord kam ein alter Kunde seines Vaters in den Laden. Er war vor langen Jahren in ein Dorf im Süden Englands gezogen und er hatte eine Frage. Wollte Mr. Smith nicht im Süden einen Laden eröffnen? Dort gab es ein Museum und viele gut betuchte Bürger, die ihre Jagdbeute präparieren wollen. Das kleine Dorf sollte wachsen und es fehlte ein Präparator. Bob hätte nie gedacht das ein so großer Tag jemals kommen würde....sein Vater stellte ihm Mr. Ruby vor....Mr. Ruby war nett und er war beeindruckt vom Können des Tierpräparatorsohnes Robert Smith.

Einige Wochen später war Bob nicht mehr in London. Er wohnte fortan irgendwo im Süden Englands und leitete einen Präparatorladen. Er arbeitet für das kleine Museum und für die vielen wohlhabenden Bürger des Dorfes das bald zum Städtchen wurde. Später gab es auch Arbeit für ihn in der Medizin, er musste für den Leichenbeschauer arbeiten und für einige Mediziner. Bob Smith war berühmt....nicht so wie die Königin oder der Adel in London. Aber sein Name war in dem kleinen Städtchen bekannt. Irgendwo im Süden Englands war Bob Smith irgendwie berühmt geworden und irgendwie ein kleines bisschen mächtig.

Niemand wusste von der kleinen Ledermappe in seinem Schubladenfach in seinem Schreibtisch. Dort lagen viele Zeitungsausschnitte. Manche waren herausgerissen worden, manche fein säuberlich herausgeschnitten aus Tageszeitungen und Zeitschriften. Niemand, auch seine spätere Frau und seine Kinder wußten nichts von seinem größten Geheimnis. Der Tierpräparator Bob Smith war irgendwann....irgendwo....irgendwie....zum Mörder geworden. Jack the Ripper war irgendwie, irgendwann einfach irgendwer.....ein Niemand. Wie Bob Smith. Jack the Ripper war Bob Smith. Ein Niemand. Einer wie alle, einer wie jeder....ein Mann ohne Identität. Und doch.....mächtig.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 29.09.2007 20:15 Uhr
Sehr schön, Floh  :icon_thumb: Hörst du Cure?  :icon_wink:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 29.09.2007 20:16 Uhr
TIMELESS

Berlin, 24.06.2023

Die Projektion an der weißen Wand liefert ein gestochen scharfes Bild eines Quarks, eines dieser Teile, die ich nie verstanden hatte und von denen die Physikprofessoren nun schon seit Jahrzehnten in höchsten Tönen schwärmten. Es bleibt relativ ruhig an seiner Stelle, zittert nur ein klein wenig – doch dies sei nach den Worten des leitenden Wissenschaftlers lediglich das Resultat `minimalster Schwankungen des Tableaus` und kein Zeichen einer `aus Energie hervorgebrachten Eigenbewegung des Teilchens`. Die Dämpfungen seien einfach nicht in der Lage, nanoskopisch kleine Wellen auszugleichen.
„Dies ist gleichzeitig das fatale der Nanologie“, erläutert Dr. Higgins, „man ist in der Lage, die kleinsten Teile anzuschauen, doch noch nicht soweit, sich im Nanokosmos störungsfrei zu bewegen“.
Ich verstehe nicht viel. Ich starre lediglich auf das Teilchen, das schwach zuckend vor uns auf der Wand zu sehen ist.
Der Professor schaltet die Projektion ab.
„Ja, es ist wahr. Diese Teilchen befinden sich in einem absoluten Ruhezustand. Lange Zeit nahm man an, sie trügen Ladungen in sich – doch es sind absolut ausgeglichene, raumlose Materiepunkte. Es scheint fast so, als würden die energetischen Gesetze nicht für sie gelten und“, er macht eine demonstrative Pause, „als würden die Gesetze der Dimension in diesen Bereichen keine Rolle mehr spielen.“
Stille. Der Professor blickt mich an. Scheinbar wartet er auf eine besondere Reaktion. Eine Art Aha! Aber ich habe keinen blassen Schimmer.
„Keine Dimension und keine Bewegung. Das heißt?“
Der Professor schaut mich weiterhin an. Er scheint zu begreifen, dass es keinen Sinn macht, mich mit physikalischem Kauderwelsch zu überschütten. Ich würde es einfach nicht verstehen.
„Ok. Ich erkläre es Ihnen etwas vereinfacht. Es bedeutet“, und wieder diese demonstrative Pause, „ das für diese Teile die Gesetze der Zeit nicht gelten. Es bedeutet, dass dieses Teil, welches ich Ihnen mithilfe der Projektion zeigte, exakt so und genau an derselben Stelle bereits seit Urzeiten an diesem Punkt liegt. Oder besser gesagt, es liegt erst seit einem Moment dort, während sich das ganze Geschehen wie wir es kennen um dieses Teilchen herum geschieht. Es ist ein absolut ursprünglicher Moment, während um diese zeitlosen Punkte die Dimensionen wie ein Mantel liegen und erst die Welt erschaffen, in der wir leben.“
Ich verstehe immer weniger. Und der Professor scheint nicht aufhören zu wollen.
„Wenn man es genau nehmen will, besteht das Universum aus einem regelmäßigem Strickmuster von Quarks, und Dinge wie Zeit, Raum, Materie, Energie und Bewegung entstehen zwischen Ihnen. Sehr geehrter Herr Keane“ – demonstrative Pause und das erneute Anschalten des Projektors, „hier sehen sie die Zukunft, die Gegenwart und die Vergangenheit in einem Punkt vereint. Hier sehen sie ein Teilchen, welches schon Bestandteil eines Sauriers war, welches jetzt hier durch uns sichtbar gemacht wurde, und welches in einigen Jahrmilliarden den Untergang der Welt und der menschlichen Rasse erleben wird, bis es im wahrscheinlichen Antiknall zusammen mit dem gesamten Universum erneut in einen riesigen Klumpen Materie verdichtet wird – um durch den Druck wieder zu explodieren und erneut ein Strickmuster, eine Matrix zu formen.“
Thriumphierend blickt er auf mich herab. Aha. Alles klar. Und was will er mir damit sagen?

Nur, dass sie mich richtig verstehen: Ich bin kein Physiker. Kein Wissenschaftler. Keiner dieser Illusionäre, die Dinge erklären, die man nie beweisen kann – und deshalb eigentlich immun gegen Kritik sind. Das All ist nicht durch einen Urknall entstanden? Na, dann beweisen sie mir erstmal das Gegenteil! Nein, ich komme aus einem anderen Metier. Ich bin Detective. Und ich habe mich auf ungelöste Verbrechen spezialisiert. Der Professor? Ein alter Kollege. Er hat mir schon oft durch revolutionäre Techniken zur Lösung des ein oder anderen Falles geholfen.
Im Prinzip sind wir gar nicht so verschieden: Wir möchten erklären. Wir möchten Lösungen finden. Und wenn wir die eine Lösung haben, dann suchen wir uns eben die nächste Frage...

„Sie fragen sich gewiss, was das alles soll? Passen sie auf!“
Der Professor schiebt einen Stuhl in die Mitte des Raumes, auf eine Stelle, die er vorher penibelst mit einigen x-en und Punkten markiert hat. Dann packt er mich ein wenig unsanft an den Schultern und setzt mich auf den Stuhl.
„Was soll das?“, frage ich ungeduldig.
„Warten sie ab“. Er blickt mir in die Augen und fängt an, meinen Kopf mit beiden Händen zu umfassen. Er bewegt mich hin und her, auf und ab, vor und zurück. Mal schnell, mal langsam. Allmählich komme ich mir etwas albern vor. Nicht, dass sie mich falsch verstehen. Ich respektiere ihn und seine Arbeit. Aber dies geht vielleicht etwas zu weit. Trotzdem lasse ich die Prozedur über mich ergehen. Ich beginne mich zu langweilen und merke, wie mein Magen zu knurren beginnt. `Blaubeerkuchen` denke ich, `ein schöner, saftiger Blaubeerkuchen`.
So lasse ich mich noch ein wenig hin- und herschieben, bis der Professor endlich aufhört.
„Was sollte das denn jetzt?“
Er grinst mich kurz an und geht hinaus.
`Freak. Ein echter Freak. Fehlt nur noch das graue, lodernde Haar`.
Er kommt wieder in den Raum, seine Hände hinter seinem Rücken versteckt. Stellt sich vor mich hin, grinst, und zaubert ein Tablett vor, welches er versteckt gehalten hatte. Auf dem Tablett – Blaubeerkuchen!

Nach einigen Stunden habe ich die Grundlagen verstanden: Der Prof hat einen Weg gefunden, um die Muster von Gedanken auf die Matrix der Quarks zu legen. Kommt das Bewusstsein eines Menschen in den Aktionsradius dieser Gedanken, so fasst sein Gehirn den Gedanken auf und versteht ihn als seinen Eigenen. Dadurch könne man nicht nur Informationen in unfassbarer Menge konservieren, nein, man könne sie sogar durch die Zeit schicken – oder besser: Die Zeit lege sich um den Gedanken herum und festigt ihn so in der Zukunft und in der Vergangenheit. Natürlich gebe es auch etliche Risiken – sowohl physikalischer als auch ethischer und gesellschaftlicher Art. Aber er möchte ein kleines Experiment wagen – mit meinem Einverständnis und meinem Wissen in einer speziellen Angelegenheit. Er berichtet mir von einer Idee, von einer kleinen Möglichkeit. Als er mir ein Foto zeigt, muss ich nur noch grinsen. Er kennt mich eben – und er kennt meinen sehnlichsten Wunsch.

Nach drei Tagen ist es soweit. Daten sind gesammelt. Informationen verwertet. Zur Sicherheit fertigt der Professor ein Skript an, indem er den jetzigen Wissenstand festhält.
„Wer weiss“, sagt er, „vielleicht klappt unser Experiment, wir merken es aber nicht – weil wir keine Erinnerung daran haben können.“
Die Reise geht los. Der Flug dauert etwa 2 Stunden…

London, 30.09.1888

PC James Harvey läuft gegen 1:38 Uhr durch die Church Passage, um noch einmal einen Blick auf den Mitre Square zu werfen. Er muss an sein Zuhause denken, an sein Bett. Er hasst Nachtschichten, wäre viel lieber bei seiner Frau. Als er am Eingang zum Square angekommen ist, hat er einen Gedanken: „Schau in den dunklen Ecken nach. Dort lauert das Monster.“…

Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Stordfield am 29.09.2007 21:41 Uhr
Hallo Isdrasil !

Da ich mich ja schon einmal als Fan Deiner postings geoutet habe , laufe ich jetzt sicher Gefahr , als absoluter Speichellecker gebranntmarkt zu werden . Und weißt Du was ? Es ist mir völlig egal !
Deine Geschichte ist der Hammer !

Gruß Stordfield
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 29.09.2007 21:42 Uhr
Kurz und bündig:  Dankeschön....freut mich :icon_razz: :icon_redface:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 30.09.2007 00:33 Uhr
Sehr schön, Floh  :icon_thumb: Hörst du Cure?  :icon_wink:

Ähm....ich bin Cure nicht abgeneigt....sollte mich mein Text an einen Song erinnern?
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 30.09.2007 09:26 Uhr
...naja....Robert Smith? Sänger von Cure?  :icon_wink: War wohl mehr eine unbewusste Namensgebung  :icon_wink:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 30.09.2007 13:14 Uhr
Achso....*g* ne die Namensgebung war unbewußt.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 17.10.2007 14:39 Uhr
EIN SCHRECKLICHER ANBLICK

Ein Mann zerrt am Arm einer Frau, die angewidert ihr Gesicht abwendet.
„Komm schon, ist doch nicht schlimm, ich habe es mir auch schon angesehen“.
Allmählich gibt die Frau nach. Mit blankem Entsetzen hält sie sich die Hand vor den Mund und starrt auf den abscheulichen Anblick, der sich ihr bietet. Lange wird sie es hier nicht aushalten. Sie wird ihren Begleiter bald bitten, mit ihr weiterzugehen. Und nachts beim Einschlafen wird sie noch oft an dieses Erlebnis denken müssen.

Auch ein Priester läuft des Weges. Als er die Szenerie erblickt, bleibt er bestürzt stehen. Fassungslos gesellt er sich zu der starrenden Frau und ihrem Begleiter. Als er wieder die Fassung errungen hat, beginnt er zu beten. Er macht Kreuzzeichen und bittet um Erlösung von dem Bösen, dass in dieser Welt herrscht. Des Abends dann wird er vor seiner Gemeinde über den Teufel und seine Ausgeburten predigen, in seinen Gedanken immer den Anblick vor Augen, der sich ihm zuvor bot.

Zur gleichen Zeit sind einige Kinder am selben Ort. Es ist für sie eine Mutprobe, hier zu sein. Ein besonders Aufmüpfiger unter ihnen klopft an die Scheibe und zieht Grimassen. Er zeigt auf etwas und lacht laut auf, streckt die Zunge heraus und spielt den Furchtlosen. Die Mädchen werden ihn dafür bewundern. Und manchmal wird er noch damit prahlen, und den Anderen das Erlebnis ausschmückend erzählen.

Hinter der Scheibe – sitzt ein Mann auf einem Stuhl.
Seine Hände liegen gefaltet in seinem Schoss.
Sein Blick geradeaus durch die Scheibe, an einen fernen Punkt geheftet.
Womöglich versucht er in diesem Moment, die Welt um ihn herum zu vergessen.
Und erträgt still und friedlich die Abscheulichkeiten dieser Welt…

Für Joseph – er kann es nicht wissen, aber er hat mir schon oft geholfen.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Chris Jd am 17.10.2007 18:09 Uhr
Schön!
 :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 17.10.2007 18:40 Uhr

der arme j. c. merrick

du hast die situation beeindruckend erfasst  :icon_thumb:

in dir schlummern ja richtige talente  :icon_wink:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: thomas schachner am 17.10.2007 19:42 Uhr
 :icon_cry:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 09.12.2007 23:29 Uhr
Kanonische Fünf

Bitter ist der Tod,
kalt wie die Nacht.
Nebel verschleiert,
diese unheilige Macht.

Still ist die Angst,
Trauer ihr Lohn.
Der Mond allein,
kennt ihren Sohn.

Sein Ziel ist die Welt,
sein Blut ist der Schmerz.
Sein Messer geschärft,
für den Stich in ihr Herz.

Schnell ist die Zeit,
vergangenes ruht.
Ein schwarzes Herz,
war einmal voll Glut.

Ein trauriger Herbst,
sein Ende war nah.
Eine Frage noch bleibt:
Und zwar wer er war.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 10.12.2007 08:43 Uhr
 :icon_thumb:

unsere dichter und denker leben noch
Titel: Traurige Weihnacht
Beitrag von: Floh82 am 10.12.2007 22:13 Uhr
Im Nachgang direkt eine neue Geschichte. Diesmal aus einem anderen Blickwinkel.


Jonathan verließ das Finanz- und Wirtschaftsministerium auf der Princes Street und machte sich auf den Weg zur U-Bahn Station St. James Park. Wie jeden Tag verließ er das Ministerium am Nachmittag und machte sich von dort sofort auf nach Hause. Manchmal besuchte er eine Badeanstalt in Covent Garden. Seine Wohnung hatte er auf der Cecil Street einer Seitenstraße vom Strand. Doch schon bald, hoffte er, würde er sich eine bessere Wohnung in besserer Wohnlage leisten können. Vielleicht Piccadilly oder Mayfair. Er arbeitete wie ein Wilder und wollte seinem Vorgesetzten durch Fleiß und Ehrgeiz auffallen.

An jenem Tag im Dezember 1887 war es sehr kalt. Der Winter stand vor der Tür und es begann bereits leicht zu frösteln. Auf dem Weg zu seiner Wohnung dachte er über die Gespräche nach die er heute mit zwei Kollegen geführt hatte. Sie waren ebenso wie er noch jung und Single, aber sie hatten im Gegensatz zu ihm bereits mehrfach die Nacht irgendwo im EastEnd verbracht...bei irgendeiner Hure.
Er war neugierig und wollte es ebenfalls einfach mal ausprobieren. Sein Vater, der eine Apotheke auf der High Street in der Nähe der Peddington Street besaß, hätte ihn bestimmt bestraft, wenn er das herausbekommen würde. Aber er wohnte bereits seit ein paar Jahren allein und seine Eltern besuchte er nur an manchen Wochenenden. Er hatte ein gutes Verhältniss zu ihnen, wußte er doch dass nur ihr Fleiß ihm ein Studium und damit die Möglichkeit in der Verwaltung zu arbeiten ermöglicht haben.

An jenem Abend ging er wieder zurück zur U-Bahn Station Charing Cross an der Villiers Street. In unauffälliger Kleidung, Anzug und Krawatte waren für eine Fahrt nach Spitalfield oder Whitecheapel nicht geeignet, fuhr er mit der District Line bis zur Station St. Mary. Von dort aus ging er ziellos durch die Elendsviertel Londons.
Irgendwo in der Finch Street wurde er fündig. Eine junge Prostituierte mit roten Haaren fiel ihm auf und schien auf einen willigen Freier zu warten. Es war sehr kalt und so überlegte er nicht lang und sprach sie an. Er war unsicher wie man eine Prostituierte ansprache aber sie wußte gleich warum er da war und so verhandelten sie nur über den Preis und gingen dann an einen ruhigen Ort.

Er hatte Geschmack an den Huren gefunden. Er kam so oft er konnte...meist zweimal im Monat, manchmal häufiger. Ein paar Mal hatte er seine erste Hure wieder getroffen. Aber nicht immer. Bis zu einem Tag im Frühling 1888. Er traf sie diesmal weiter von St. Mary's entfernt, doch er erkannte sie sofort. Sie verhandelten schon gar nicht mehr über den Preis, sondern waren sich gleich einige. Sie hatte etwas vertrautes, das gefiel ihm.
An diesem Abend passierte etwas ungewöhnliches. Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, sprachen sie noch. Er erzählte ihr dass er eigentlich aus dem Westen komme und dort einen festen und gut bezahlten Job hätte. Sie war beeindruckt und wirkte etwas traurig. An jenem Abend wurde sein Herz weich und sie stürmte es in Windeseile. Vielleicht hatte sie es nicht gemerkt, aber er konnte die nächsten Tage nur an sie denken. Er wußte sogar ihren Namen, er wußte dass sie in einer kleinen Absteige wohnte mit einem Mann zusammen den sie aber nicht liebte.
Er mußte sie wiedersehen.

Seit diesem Tag sah er sie häufiger. Er fragte andere Huren offen nach ihr und wo sie sein könnte und irgendwann hatten sie einen festen Punkt an dem sie sich jede zweite Woche trafen. Er war eine Art Stammfreier, aber sie wußte dass es nicht immer so sein konnte. Irgendwann könnte er das nicht mehr tun....und sie wollte es nicht weiter tun, obwohl ihr fast nichts anderes übrig blieb.
Ihm kam oft der Gedanke sie einfach mitzunehmen...sie könnte noch ein oder zwei Jahre im EastEnd wohnen, dann hätte er eine bessere Position, besseres Gehalt und könnte sich mehr leisten. Dann könnten sie heiraten und Kinder bekommen. Er träumte von ihrer gemeinsamen Zukunft....sie dachte jeden Tag ans Überleben.

Er war einige Zeit nicht da gewesen. Es gab viel zu tun im Ministerium und er konnte abends nicht noch ins EastEnd reisen. Das letzte Mal war er im Juli da gewesen, nun war es bereits Ende August.
Am nächsten Morgen nahm er sich vor demnächst wieder hin zu fahren, doch als er die Zeitung aufschlug wußte er dass er sofort hin mußte.
Es hatte einen Mord gegeben....einen schrecklichen Mord. Im EastEnd waren Verbrechen nichts auffälliges, aber so ein bestialischer Mord? Er hatte etwas Sorge und fuhr am selben Abend noch ins EastEnd.
Jonathan traf sie....er erzählte ihr von seinen Sorgen und sie beruhigte ihn. Er müsse sich keine Gedanken machen und jede Frau lebt hier in gewisser Gefahr. Er war etwas verwirrt. Wußte sie von seinen Gefühlen? Hatte sie es bemerkt? Er war sich nicht sicher.

In den nächsten Wochen wurde der Horror immer schlimmer. Es geschahen mehr Morde und sie wurden immer brutaler. Er mußte sie aus diesem Elendsloch herausholen. Irgendwie. Er wußte nicht mehr wie oft er mit ihr geschlafen hatte....er wußte nicht wieviel er ihr dafür zahlte...er wußte nur dass er sie liebte und dass er sie heiraten wollte.

Anfang November sollte er sie das letzte Mal sehen. Es war ein gemütlicher Abend. Sie hatten miteinander geschlafen und er hatte ihr einen Anhänger geschenkt. Er hatte ihr gesagt dass er versuchen werde sie herauszuholen aus dem Elend. Er hatte nicht von Heirat gesprochen....aber davon ihr zu helfen und für sie da zu sein. Als er ging lächelte sie und das machte ihn glücklich. Er sagte ihr dass er Mitte November wieder kommen würde, eher würde er es nicht schaffen.

Am 9. November hörte er bereits von einem weiteren Mord im EastEnd. In Spitalfields soll eine Frau bestialisch ermordet worden sein. Er dachte nicht daran dass sie das Opfer sein könnte. Erst am nächsten Tag las er in der Zeitung wer die Tote war...Mary Jane. Seine Mary Jane.

Es war ein bitterkalter Dezembertag als er am Grab stand und den Stein vorsichtig berührte. Der Stein war kalt und der Schnee an seinen Händen schmolz sofort dahin. Er schluchzte und die Kälte des Winters zog in sein Herz ein. Er betete und streichelte dabei ganz sanft den Stein. Mary Jane Kelly....ganz leise sprach er ihren Namen.
Er versprach immer wieder zu kommen...und ihr Blumen aufs Grab zu legen. Wieder legte er eine Hand auf den kalten Stein. Er schloß die Augen und ließ die Schneeflocken auf seine Hand schneien. Es war kalt...doch die Kälte in seinem Herzen war schlimmer. Er weinte...Mary Jane war tot.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Pathfinder am 12.12.2007 09:53 Uhr

floh, sag mal hast du eigentlich urlaub ?  :icon_lol:

nein, wieder einmal ein gute kurzgeschichte, mein kompliment  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 12.12.2007 10:04 Uhr
Wahrhaft traurige Weihnacht... :icon_cry:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Stordfield am 12.12.2007 11:17 Uhr
Hallo !

Ich wünschte , ich könnte nur ansatzweise so gute Geschichten schreiben . Dann würde ich mein Brot leichter verdienen .  :icon_smile:
Es würde mich freuen , noch mehr davon zu lesen , Floh !

Gruß Stordfield
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 12.12.2007 11:31 Uhr
Vielleicht sollte ICH anfangen DAMIT Geld zu verdienen ;)

Aber mal im Ernst: Danke für die Komplimente. Und nein ich habe keinen Urlaub ;)
Titel: Fachliteratur
Beitrag von: Stripper Watson am 13.12.2007 10:50 Uhr

Vielleicht sollte  ICH  anfangen  DAMIT  Geld zu verdienen ;)



Warum nicht ?   -  Nur munter weiter. 

Auf dem Weg zur Marktreife freilich noch ein wenig feilen; im Streben nach Perfektion hier und dort ein paar Anregungen stibitzen. 
Dies ist überhaupt keine Schande - bekanntlich haben auch  Goethe und Thomas Mann *   öfters mal lange Finger gemacht,
 bei anderen Autoren geklaut und sich inspirieren lassen...

* siehe z.B. ´Literaturen´, Ausgabe Juli/2005:  "Thomas Mann - Parvenü der Erkenntnis"



In diesem Sinne ein paar Lesetips zur Weihnachtzeit - nicht nur für den geneigten Krimi-Fan:

Graham Greene:       ´This Gun For Hire´, ´Brighton Rock´
Patricia Highsmith:    ´The Talented Mr. Ripley´
William Faulkner:      ´Sanctuary´
Truman Capote:        ´In Cold Blood´
Dashiell Hammett:     ´The Maltese Falcon´
Ambrose Bierce:       ´The Dance of Death´, ´Shadow on the Dial´
Leonard Gardner:      ´Fat City´
Fjodor Dostojewski:  ´Schuld und Sühne´
Boileau-Narcejac:     ´Tote sollten schweigen´(Celle qui 'n était plus) , ´Die Gesichter des Schattens´ (Le Visages de l'ombre),
                               ´Mensch auf  Raten´ (Et mon tout un homme)




 Und für den True Crime-Liebhaber,  Schwerpunkt Organisiertes Verbrechen :


John Kobler:        ´ Capone - His Life and World ´

Rich Cohen:         ´ Tough Jews - Fathers, Sons and Gangster Dreams ´,  (Dt: ´ Murder Incorporation ´)

Robert Rockaway: ´ BUT - He Was Good To His Mother; The Lives and Crimes of Jewish Gangsters in the USA´ 
                                                                                        (Deutsch:  ´ Meyer Lansky, Bugsy Siegel & Co. ´)



...für routinierte Ripperazzi womöglich alles alte Hüte... :smiley8:


Titel: Verbrecher und Verbrechen
Beitrag von: Stripper Watson am 13.12.2007 16:45 Uhr


Ein  weiterer  Klassiker :


Sling: ´Richter  und  Gerichtete´

Sling  =  Paul Schlesinger,  legendärer Berliner Gerichtsreporter der 20er Jahre;  berichtet in seinem
Buch über viele spektakuläre Kriminalfälle dieser Zeit :   www.de.wikipedia.org/wiki/Paul_Schlesinger
 
Titel: Bloddy News
Beitrag von: Floh82 am 13.02.2008 14:08 Uhr
I. Die Geburt des Monsters

Andrew war Chefredakteur des "London Telegraphs" und somit hauptverantwortlich für den Verkauf der Zeitung. Die Verkaufszahlen waren im bisherigen Jahr nicht sehr gut gelaufen, der Besitzer war unzufrieden. "Mr. Loyd wir müssen mehr verkaufen. 1888 war bisher kein gutes Jahr für uns. Wir brauchen dringend ein paar gute Storys."

Andrew Loyd hatte Angst um seinen Job, also trommelte er die Mannschaft zusammen.
In der Sportredaktion gab es außer ein paar interessanten Pferderennen im Spätsommer nichts interessantes. Die Rugbysaison versprach spannend zu werden und es gab einige interessante Duelle in London. Aber für mehr als ein paar hitzige Duelle würde es nicht reichen.

Politik und Wirtschaft waren dieses Jahr mit kaum interessanten Artikeln vertreten. Außer dem Tod von Kaiser Wilhelm I. im Deutschen Reich war kaum etwas passiert.

"Wann hatten wir die besten Verkaufszahlen Archibald?" Der Archivar und Buchhalter schaute ein paar Blätter durch und sagte dann: "Das war zum Beispiel im März. Als diese Unwetter in Nordamerika waren und über 400 Tote gezählt wurden. Oder im Juni als das Deutsche Reich einen neuen Kaiser bekommt und Großbritannien die Weihnachtsinsel annektiert."
Katastrophen, Tote, weitreichende Veränderungen in Politik und Weltgeschehen. Drohende Kriege. Das waren Schlagzeilen. Das waren Verkaufsschlager. "Ich werde mir einige Gedanken machen", sagte Andrew und verschwand in seinem Büro.

Was könnte er tun? Verkaufen kann man eine Zeitung nur wirklich gut, wenn Material vorhanden ist. Aber wie sollte er an welches kommen? London war im Moment nicht gerade sehr ergiebig. Außer ein paar Diebstähle, Unfälle oder Feuer war nichts los. Der Spätsommer war trist...fast langweilig.
Nach einiger Zeit des Grübelns ging er nach draußen in die Redaktionsräume. Einige der Redakteure saßen an ihren Schreibtischen und schrieben Artikel oder sondierten ihre Recherchen zu irgendwelchen Neuigkeiten. Andere Redakteure waren irgendwo in der Stadt und der Umgebung und waren auf der Suche nach quotenbringenden News.
Andrew tippte einem seiner besten Redakteure auf die Schulter: "George ich würde dich heute abend gerne sprechen. Mach dir einige Ideen was uns Quote bringen kann. Sag keinem anderen Bescheid, ich möchte erstmal in kleinem Kreis alles besprechen.". "Wo sollen wir uns treffen Andrew?", fragte George Solter. Der Chefredakteur überlegte kurz und sagte dann: "Im Canyon Pub. Die Straße runter, an der Ecke wo auch die Kutschen immer stehen." George nickte und Andrew ging wieder in sein Büro.

Am Abend kam Solter zum Pub und sah seinen Chef bereits drinnen warten. Er gesellte sich zu ihm, bestellte ein Bier und eine kleine Mahlzeit. Während die beiden ihr Essen aßen, sprachen sie über Belangloses. Erst als sie fertig waren und bereits beim dritten Bier waren, begann Andrew's Stimme leiser zu werden: "Ich brauche, nein eigentlich brauchen wir alle eine gute Story. Wir brauchen eine Katastrophe George. Keinen Unfall oder ein Feuer in einer Lagerhalle am Hafen. Wir brauchen etwas wirklich großes." George war erstaunt, nickte dann aber. "Ist es so schlimm?", fragte er, "Dieses Jahr scheint ein ruhiges Jahr zu sein. Wir könnten vielleicht in den Elendsvierteln über ein paar schreckliche Lebensumstände berichten. Oder wir erfinden einen Bericht über übertragbare Krankheiten bei den Tieren im Londoner Zoo." Andrew schüttelte energisch den Kopf: "George! Unser Job steht auf dem Spiel. Wenn der Telegraph weiterhin so schlechte Zahlen aufweist, stehen wir bald auf der Straße. Wir brauchen keine Geschichten über kranke Tiere oder ein paar arme Verlierer. Wir brauchen etwas wirklich grausames. Wir brauchen Tote, Angst und Horror. Blut ist das beste Geschäft für eine Zeitung und wir brauchen dringend ein grandioses Geschäft."
George war etwas erschrocken über die harten Worte seines Chefredakteurs, aber er verstand so langsam was wirklich auf dem Spiel stand. Er war Reporter, hatte eine kleine Familie zu ernähren und wollte nicht nach einigen erfolgreichen Jahren beim Telegraph einen neuen, schlechtbezahlten Posten bei einer anderen Zeitung annehmen. "Was schlägst du also vor?", fragte er offen. "George, wir brauchen etwas was alle aufschreckt, was allen Angst macht. Wir brauchen etwas so dunkles, dass die Menschen in London nachts nicht schlafen können, die Fensterläden auch tagsüber schließen und trotzdem vor lauter Neugier jeden Satz in unserer Zeitung verschlingen. Wir brauchen etwas mysteriöses, geheimnissvolles." George lächelte aufgrund der Unterhaltung die er gerade führte: "Ein Ungeheuer? Ein Ungeheuer dass Menschen frißt und keiner weiß wie es aussieht. Es tobt irgendwo in London, jeder hat es schon gesehen, aber beschreiben kann es keiner." Er lachte. Sein Lachen brach aprubt ab, als er das Strahlen Andrew Loyd's sah. "George, du bist ein Genie.", sagte Loyd laut,"einen Killer. Wir brauchen einen Killer der Londoner Bürger umbringt. Einen der in der Nacht herumschleicht und sich offen zeigt, der in den Straßen Londons tötet und dann wieder in der Nacht verschwindet. Oh Gott George....wenn wir über solch einen Killer exklusiv berichten würden, wir wären Stars in allen Redaktionen dieser Welt."

Zwei Stunden saßen die beiden noch zusammen und sprachen über Möglichkeiten ihre Zeitung wieder nach oben zu bringen. Sie machten einen neuen kurzfristigen Termin aus. Jeder sollte Ideen entwickeln, Informationen sammeln und Möglichkeiten herausfinden. Niemand sollte vorerst davon wissen. Je weniger Leute darüber Bescheid wissen, umso mehr Leute kaufen die Zeitung. Das war ihre Devise.
Es war der 20. August 1888. Kurz vor Beginn eines dunklen Kapitels der Millionenmetropole London, eines dunklen Kapitels für die ganze Welt.

II. Mann für Monstershow gesucht

Pläne sollten geschmiedet werden, doch das es so dunkle, so grauenvolle Pläne wurden. Jahrzehnte später würde George nachts noch schweißgebadet neben seiner Frau aufwachen und jeden Abend die Fensterläden des Hauses fest zuschließen, die Kinder bei Beginn der Dunkelheit von der Straße holen.
Am 22. August 1888 trafen sich George und Andrew wieder. Diesmal bei Andrew zu Hause. In seiner Wohnung war man ungestört. Sie stellten Pläne auf, verwarfen schnell wieder einige. Nur ein Plan stand nach einigen Stunden immer noch unausgesprochen im Raum.
"Was ist eigentlich mit dem Monster?", meinte Andrew. George war nicht erstaunt, er hatte fast befürchtet das Andrew ihn erneut darauf ansprechen würde. "Die Idee eines blutrünstigen Killers in London ist nicht schlecht." "Ach Andrew", erwiederte George, "Wie soll das ablaufen? In London gibt es Polizei. Wir können nicht einen Killer schaffen, der umher mordet ohne gefasst zu werden." Andrew schüttelte den Kopf: "Und was ist mit den Elendsvierteln? Das EastEnd wäre ein perfekter Ort für solche Taten. Er taucht irgendwo im Dreck auf und ermordet einen von den dort ansässigen. Vielleicht eine Hure. Dann verschwindet er im Chaos des Elends."
Andrew war sogleich begeistert von seinen eigenen Worten. "George mein Freund. Wir brauchen nur einen Killer."
Diese Worte erschracken George aufs Mark. Er hätte nicht gedacht dass Andrew so weit gehen könnte, auch wenn er wußte wieviel auf dem Spiel stand. Er war in Gedanken, grübelte über andere Möglichkeiten. Aber vieles gab es nicht. Diese Möglichkeit war einmalig...ein Mörder der im Londoner Elendsviertel Huren umbringt. Immer und immer wieder.
"Ich kenne niemanden aus dem EastEnd", sagte George fast beiläufig, "Außer Sara und ihren Bruder. Sie verkauft Zeitungen auf der Straße und ihr Bruder arbeitet am Hafen." Andrew nickte: "Stell mich den beiden vor. Vielleicht schlummern Talente in den beiden."

Einen Tag später waren Andrew und George am Hafen. Dort trafen sie Sara und ihren Bruder Steward. Sara war eine kleine, zierliche Frau und ihr Bruder ein schmächtiger Kerl mit hellem Haar und funkelnden Augen. Andrew war enttäuscht. Das waren nicht die Personen, die er sich als dunkle Killer vorstellte. Plötzlich tauchte ein etwas kräftigerer Mann an Steward's Seite auf. "Bist du fertig? Der Boss sucht dich" grummelte der Mann mit einer dunklen Stimme. Seine Augen waren dunkel wie die eines Raben und sein ganzes Gesicht wirkte wie in Stein gemeißelt. Der Bart den er trug, tat sein übriges dazu dem Mann ein unheimliches Aussehen zu geben. Andrew war entzückt. "Entschuldigen Sie Mister. Könnte ich Sie einen Moment sprechen?".
George war im Gespräch mit Sara und Steward und bemerkte nicht das sich Andrew und der unbekannte Mann entfernten. Nach ein paar Minuten ging Steward und Sara folgte ihm. George wartete auf Andrew und schließlich gingen beide zurück zur Redaktion.
Andrew war auf dem gesamten Rückweg fröhlich und ausgelassen. "Was ist los Andrew?". George schaute Andrew fragend an. "Ach George", erwiderte Andrew, "es ist nichts. Ich schätze ich habe heute unser Monster gefunden. Ich werde mich mit dem Mister vom Hafen treffen. Du wirst heute abend mit mir ein paar Pläne entwerfen. Ich brauche Stadtpläne, Zugpläne...alles. Wir machen ein großes Fass auf George. Wir lassen unser Monster los und werden dann Zeitungen am Stück verkaufen."

George war erstaunt. Er traf sich zweimal mit Andrew und sie sahen sich Stadtpläne an. Andrew machte sich viele Notizen und George wußte dass Andrew sich in den nächsten Tagen oft mit dem Mann vom Hafen treffen würde. George hatte keine Angst um sich, er hatte Angst um die Menschen im EastEnd. Andrew schien besessen von dem Gedanken die Stadt von einem Bluthund terrorisieren zu lassen.

Am 31. August 1888 wußte George dass das Monster losgelassen wurde. Mit zitternder Hand saß er an der Schreibmaschine und tippte sich die Finger wund.

III. Das Monster

"Die Verkaufszahlen sind bombastisch!". Der Boss war in die Redaktion gestürmt und hatte jedem zweiten Redakteur persönlich die Hand geschüttelt. George und Andrew saßen gerade in Andrew's Büro als die Tür aufsprang. "Glückwunsch Mr. Loyd und auch Ihnen Mr. Solter. Die Berichte über den Killer bringen gute Verkaufszahlen. Fast jede Zeitung in London schreibt nie gekannte Umsätze. Die Menschen fressen uns aus der Hand."
George und Andrew lächelten zufrieden, auch wenn George schon seit Tagen Magenprobleme hatte.

Es war der 2.11.1888. Vier tote Huren hatte es im EastEnd schon gegeben. Die Verkaufszahlen überschlugen sich, mehr noch als die Angst vor dem Killer.
George erinnerte sich daran als das erste Mal ein Name für den Killer in dre Zeitung stand. Andrew hatte gelacht und sich über diesen Namen gefreut. Er dachte nur noch an die Verkaufszahlen und an sein eigens geschaffenes Monster. George hatte den Mann vom Hafen nie mehr gesehen, Andrew sprach einige Male davon ihm ab und zu noch Tipps zu geben, wenn er ihm das Geld für seine Taten gab. George hatte nie gedacht dass jemand für Geld so etwas abscheuliches tut. Andrew hatte so einen gefunden. Er sprach kaum von ihm, sagte nicht seinen richtigen Namen...vielleicht kannte er ihn auch gar nicht.

An diesem Abend traf Andrew den Mann vom Hafen ein letztes Mal. "Danny ich habe hier noch einmal viel Geld dabei. Diesmal ist es mehr als sonst, aber diesmal will ich einen wirklich brutalen Mord. Ich will viel Blut. Es muss der Höhepunkt deiner Arbeit sein. Danach kannst du das Geld auf den Kopf hauen, geh wohin du willst. Nur noch einmal verstehst du?". Der Mann mit dem Bart und den dunklen Augen nickte: "OK Andy", sie sprachen sich nur mit Koseformen ihres Vornamens an, "Eine Hure geht noch drauf. Vielleicht finde ich diesmal die Möglichkeit es in einem Gebäude zu machen. Dort kann ich etwas ungestörter arbeiten und habe eventuell mehr Zeit. Ich werde danach nie wieder hier auftauchen. Mein Geld werde ich gut gebrauchen können um aus London wegzugehen oder mir einen anderen Job zu suchen."
Andrew nickte und verabschiedete sich dann. "Danny es war toll mit dir zu arbeiten. Du hast mir meinen Kopf gerettet und den Zeitungen unglaubliche Hilfe zukommen lassen."

Am  12.11.1888 hörte Andrew das letzte Mal von Danny. Er bekam einen Brief in dem er schrieb:
"Das war die letzte Arbeit. Jack kehrt jetzt dorthin zurück wo er herkam."

Der Mann vom Hafen wurde nicht mehr im Westen Londons gesehen. Selbst im EastEnd konnte man sich nicht an einen Hafenarbeiter Danny erinnern. Die tausenden Gesichter die täglich im EastEnd zu sehen waren, gaben nichts preis. Er war wie vom Erdboden verschluckt.
George Solter ging 1890 zu einer anderen Zeitung. Dort wurde er später Chefredakteur und verdiente gutes Geld. Als er 11 Jahre nach der Jahrhundertwende starb, hieß es in einem Nachruf: "Solter jackte in seinen jungen Jahren den Killer des Horror-Herbstes von London. Die Jagd machte ihn zu einem mißtrauischen Menschen, aber auch sein Erfolg als Redakteur liegt in der Jagd begründet." Um die Jahrhundertwende war Saltor einer der erfolgreichsten Chefredakteure in ganz London.
Den Jahrhundertwechsel erlebte Andrew Loyd nicht mehr. Er verstarb an einer Lungenkrankheit in den späten 90er Jahren.

So endet die Geschichte der blutigsten Inszenierung einer Schlagzeile. Der Schlagzeile von Jack the Ripper.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Phil am 13.02.2008 23:13 Uhr

Wow, find ich ziemlich gut  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 14.02.2008 07:09 Uhr
Endlich wieder was zu lesen - klasse, Floh  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 24.03.2008 17:27 Uhr

Die Geister, die ER rief

Tod – und dann kommt kurze Zeit nichts.

Ich sah meinen Tod stets mit anderen Augen – dachte, ich würde eines Tages mit einer Flasche Schnaps in den Händen auf der Strasse liegen. Mit verdrehten Augen in den Himmel blicken und nur noch der unwichtige und abgelegte Teil einer düsteren Kulisse sein. Passanten würden mich anblicken und weiter ihres Weges gehen – wegblicken, den Kopf schütteln, ihren Kindern die Hände vor die Augen halten, ignorieren. Irgendwann würde mich wohl jemand anstossen, etwas sagen wie „Lady, alles klar bei Ihnen?“, und auf eine Antwort warten. Eine zeitlang würde nichts geschehen. Andere Passanten kämen hinzu und würden stehen bleiben – in den Augen vieler Menschen liegt eben ein Unterschied darin, der Erste oder einer von Weiteren zu sein.
Und etwas später dann würde jemand an meinen Hals langen, an meine Brust, hinter der er mein Herz vermutete, an das Gelenk meiner abgemagerten Hand und in die Menge blickend meinen: „Sie ist tot.“

So sah ich es kommen und so stellte ich es mir immer vor – doch dann geschah alles ganz anders.

Da war plötzlich dieses Messer. Zuerst dieser Mann, und dann dieses Messer. Sein Glanz, der für einen Augenblick das Licht des Mondes an seiner Klinge reflektierte. Eine lange und scharfe Klinge, fest umschlossen von den Händen eines starken Mannes. Eine schnelle Bewegung, zu schnell, um mich vor Schreck aufschreien zu lassen. Und dann hörte es langsam auf. Die Welt verschwamm um mich herum und ich sah noch einmal die dunkle Gestalt über mich kommen, ihren hämischen grinsenden Schlund, den Wahnsinn in ihren Augen. Es wurde schwarz. Und ich war tot – dann kam kurze Zeit nichts.

Als ich mich aus meinem Körper löste, erblickte ich erneut das schwarze Ungetüm über mir, schlitzend und stechend, lechzend nach mehr. Einen Moment lang sah ich nur zu, versuchte die Szene zu begreifen. Als ich begriff, war es in diesem Moment, dass mich zum ersten Mal die Wut überkam. Es war keine Wut, wie ich sie bisher kannte – von schlagenden Freiern, von den Strapazen einer schlaflosen Nacht und der Wut auf das Königreich, der Wut auf meine Eltern oder der sinnlosen Wut, die man oftmals spürt und an den Menschen auslässt, die gerade zugegen sind. Es war mehr als das – es war das Konzentrat der Wut, es war die Summe all dieser Wüte, es war die Urwut, die mich überkam, als ich auf dieses Scheusal hinab blickte und sich an meinem Körper vergehen sah. Und in diesem Moment hörte ich eine Stimme in meinem Kopf, erst leise und undeutlich, dann immer lauter werdend, sich wiederholend, wie ein neuer Herzschlag, den ich doch soeben zuvor verloren hatte:
„Willst Du dich rächen? Willst Du dich rächen, Polly?“

Seit dieser Nacht kehre ich zurück. Ich schleiche mich an sein Bewusstsein und erscheine ihm in seinen Träumen, lache ihn aus und spucke ihm in sein scheussliches Gesicht. Ich knabbere an seiner Seele, Stück für Stück, vergehe mich an seinen Gedanken. Mit meinen scharfen und langen Fingernägeln schlitze ich ihn bei lebendigem Leib auf. Ich kratze ihm seine hasserfüllten Augen aus und lasse ihn die Angst spüren - rieche seinen Schweiß und ergötze mich an seinen Leiden, so wie er einst meinen Körper mit Verachtung strafte und meine Seele mit Füssen trat. Und es tut mir so gut, ihn leiden zu sehen. Seinen Schlaf zu rauben. Die Angst zu spüren, die er jede Nacht spürt, sobald er sich in sein Schlafgemach legt...Oh, du wirst nie wieder schlafen können. Die Toten sind geduldig, lieber Jack. Ich habe alle Zeit der Welt, und du hast sie mir gegeben. Und jede Nacht werde ich dich auf`s Neue besuchen und mir neue Albträume für Dich ausdenken.

Und wenn Du dann an den Ufern der Themse stehst und kapitulierst, deinen Träumen entfliehen und endlich deinen Seelenfrieden finden möchtest – dann warte ich schon auf Dich. Ich habe mich entschieden. Das Spiel ist noch nicht vorbei, Jack. Und ich bin mächtiger geworden, als Du dir jemals vorstellen könntest.



Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Stordfield am 24.03.2008 18:52 Uhr
Klasse !  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 25.03.2008 01:09 Uhr
Ziemlich genial! Genau die richtige "zu-Bett-geh"-Story. Spitze!
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 08.04.2008 13:14 Uhr
So und jetzt mal wieder etwas aus der Welt des Übersinnlichen ;)

Ein wenig Sci-Fi für die Fantasy-Fans im Forum ;)


Die Opferung

ca. 510 v. Christus:
Ein Mann, dessen Name im Laufe der Zeit vergessen wurde, opfert heute unbekannten Göttern einen Menschen im heutigen Wiltshire in England. Nach der blutigen Opferung wirft er die Hände gen Himmel und gibt unidentifierbare Laute von sich. Blutbesudelt, wie in Ekstase kehrt er zu seinem Stamm zurück, die ihn nun voller Hochachtung anblicken.

ca. 47 nach Christus:
Ein römischer Legionär wird von kriegerischen Barbaren aus der Provinz Britannia entführt und in ihr Versteck gebracht. Einige Tage später wird er unter freiem Himmel an einem ihm unbekannten Ort ermordet. Der Mörder, ein Mann der ihn stark an keltische Druiden erinnert, reißt ihn bei lebendigem Leib die Eingeweide aus dem Körper. Während er in Ohnmach fällt hört er seinen Mörder noch Wortfetzen einer unbekannten Sprache schreien.

61 nach Christus:
Nach dem Tod der britannischen Heerführerin Boudicca wird ein Römer aus der Nähe Londinums entführt und aus Rache von Kriegern Britanniens in die Nähe des heutigen Amesbury gebracht und dort hingerichtet. Ein Druide bringt sein Herz an einen unbekannten Ort um es Boudicca zu Ehren zu opfern.


1888 - London:

Hubert Newman hatte ein Gespräch mit einem befreundeten Arzt, Sir William Gull, dem Leibarzt des Königshauses. Hubert hatte Sir Gull an der Universität kennengelernt, an der er Medizin studierte. Er hatte ihn in sein Haus eingeladen und sie unterhielten sich über einige interessante Bücher die der Arzt des Königshauses besaß.
Unter den Exemplaren befanden sich einige Geschichtsbücher die sich mit der älteren Geschichte Englands beschäftigten. In einem dieser Bücher ging es um die keltisch-angehauchte Zivilisation Englands nach Christi Geburt und die Bedeutung einzelner Orte des Landes für diese Kultur.
In jenem Buch las Hubert Newman das erste Mal von der eventuellen Bedeutung der Steinbauten in der Nähe von Salisbury. Ihn interessierte Geschichte und er war sofort Feuer und Flamme für die Epoche der Inselkelten und das mysteriöse Bauwerk aus Stein.

Newman beschloss sich ausführlicher mit diesem Thema zu beschäftigen. In den nächsten Wochen und Monaten las er viele Bücher und kontaktierte Spezialisten auf dem Gebiet der antiken Geschichte und historischer Bauwerke und Naturdenkmäler.

ca. 1470 nach Christus:
Im Rosenkrieg wird ein Anhänger des Hauses Lancaster von Anhängern des Hauses York verschleppt. In einer Nacht- und Nebelaktion wird er zu einem Mann gebracht, der in den Orten um Salisbury nur als "Hexer" bekannt ist. Der geheimnissvolle Mann bringt den Entführten zu einer Ansammlung von Steingebilden und opfert den Mann auf einem der Steine. Herz, Nieren, Leber und Gedärme vergräbt der Mann in der Nähe der Steine, der Leichnam wird am nächsten Morgen in einem Waldstück gefunden.


Nach einem Gespräch mit einem Historiker blättert Newman in einem Buch über das Mittelalter in England, dabei fällt ihm ein Brief in die Hände. In dem Brief erzählt der Schreiber über Anzeichen von Opferungen an einem Steingebilde in Wiltshire. Das Steingebilde gehe bis in die vorchristliche Zeit zurück und der Schreiber vermutet dass die dort aufzufindenen Steinformationen der Menschenopferung dienten und lange in die späteren Epochen benutzt wurden.

Im Sommer des Jahres 1888 fuhr Hubert das erste Mal nach Wiltshire und besuchte das Steingebilde.

ca. 1780 nach Christus:
In Wiltshire wird ein amerikanischer Händler aufgegabelt und von der ansässigen Bevölkerung an einen geheimen Ort gebracht. Aus Wut über den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg wird er am Abend von einem unbekannten Mann ermordet und seine Herz in einer Art feierlichen Zeremonie geopfert. Die Gebeine des Mannes wurden nie gefunden.


Im Herbst des Jahres 1888 beschließt Hubert Newman zu handeln. Die Macht Englands war groß, aber nicht groß genug. In London konnte man das Elend des großen Reiches bereits sehen und Newman war unzufrieden. Nachdem er sich viele lange Monate ganz allein mit der Geschichte Englands und einiger Kulte beschäftigt hatte, beschloß er selbst Teil eines Kultes zu sein. Er hatte Kontakte zu Mitgliedern eines fast unbekannten Kultes in England aufgenommen. Mehr durch Zufall hatte er diese Menschen in der Grafschaft Wiltshire kennengelernt. Sie hatten ihm die Geschichte des Kultes näher gebracht und er war fasziniert.

In jenem Herbst sollte er feierlich in den engen Zirkel des Kultes aufgenommen werden. Dafür musste er eine Prüfung bestehen. Die Opferung eines Menschen!

So geschah es, dass Hubert Newman am 31.08.1888 das erste Mal in seinem Leben mordete. Sein Opfer war eine ihm unbekannte Hure, die er in den Elendsvierteln Londons aufgegabelt hatte. Der Kult hatte ihm befohlen ein perfektes Opfer zu suchen und ersteinmal seine Fähigkeiten zu testen. Mit seinem ersten Mord war er ganz zufrieden....aber perfekt war er nicht.

Am 08.09.1888 hatte er einen Teil seines Auftrags erfüllt. Er hatte eine Frau ermordet und ihre Gebärmutter mitgenommen. Die Gebärmutter war Zeichen für Fruchtbarkeit und Empfängnis und galt als Opfer für die positive Zukunft des Reiches.

Der 30.09.1888 war kein guter Tag für Newman. Er tötete in der Nacht eine Frau, wurde aber gestört. Die zweite Frau die er tötete weidete er aus, was sein eigentliches Ziel war. Er nahm eine Niere mit, die als Zeichen für das Leben, ebenso wie das Herz, galt. Die Hälfte der Gebärmutter des Opfers nahm er auch mit....zur Sicherheit falls die andere Gebärmutter die er in seiner Wohnung in Alkohol eingelegt hatte, nicht perfekt war.

Sein letztes Opfer tötete er in der Wohnstätte des Opfers selbst. Am 9. November tötete er Mary Jane Kelly, eine Frau die er zufällig auf der Straße getroffen hatte, und weidete sie aus. Das Herz, Zeichen für das Leben, die Liebe und alles Heilige nahm er mit.

Einige Tage später war Hubert Newman auf dem Weg nach Amesbury. Dort traf er die höchsten Mitglieder seines Kultes. An diesem Tag wurde er geweiht und opferte das erste Mal in seinem Leben die Innereien eines Menschen.
Während die anderen Kultmitglieder um den Opferstein herum standen und in einer für andere Menschen unbekannten Sprache sangen oder beteten, opferte Hubert Newman wie in Ekstase eine Gebärmutter, eine Niere und ein Herz. Er hob die Hände nach der Opferung gen Himmel und sang mit dunkler, monotoner Stimme ein Gebet für die Rettung des britischen Reiches und die Erhaltung der Größe Britanniens.

Dr. Newman ließ sich einige Monate später als Arzt in Amesbury nieder und wurde ein allgemein beliebter Land- und Dorfarzt. Vor dem Ausbruch des 1. Weltkriegs hatte er seine letzte Opferung.

Um 1912 nach Christus wird ein Mann unbekannter Herkunft von dem Arzt Hubert Newman getötet und seine Innereien geopfert. Die Innereien werden direkt an der Opferstelle, dem Steingebilde Stonehenge begraben. Die Leiche des Mannes wird nie gefunden.

Dr. Newman starb während des 1. Weltkriegs unter unbekannten Umständen. Bei der Trauerrede seines Kultes, dem er in den letzten Jahren vorstand, wird er bei seinem Kultnamen genannt: Reppir. Rückwärts gesprochen: Ripper.
Noch Jahrzehnte später wird sein Bild in dem Landhaus des Kultes im Flur zu sehen sein. Unter dem Bild liest man: Dr. Hubert Newman - Jack the Ripper
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 09.04.2008 09:25 Uhr
Mal wieder was Fantastisches zu Lesen - und dies ist ruhig doppeldeutig gemeint  :icon_wink:

Mehr davon, Floh!  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 08.07.2008 21:38 Uhr
Nach dem vielen Blut, Horror und Sex, nach der vielen Gewalt in meinen Kurzgeschichten folgt nun etwas völlig anderes. Der Mörder nicht als Monster....ich bin in einer melancholischen Grundstimmung, da kommt vielleicht mal was anderes als Story heraus ;)



I - Eine traurige Kindheit

Es war einer dieser Tage an denen er das alles nicht mehr wollte. Die anderen Kinder hatten ihn ausgelacht und erniedrigt. Das war nichts besonderes, doch heute war es wieder einmal besonders schlimm gewesen.
Diesmal hatten sie ihn geschubst und geschlagen, aus Spass wie sie es nannten. Er war nicht beliebt bei diesen starken Jungen, weil er schwach war. Er war nicht stark und groß, eher klein und schmächtig. Er musste viel Mut aufbringen auf einen Baum zu klettern und Mutproben wie Steine nach dem Hund des Nachbarn zu schmeißen fand er blöd.
Seine Mutter die ihn alleine aufzog, da Vater weggegangen war wollte ihn immer vor solchen Jungen schützen. Sie sagte ihm nicht mit ihnen zu spielen, aber wen hatte er sonst? Die Spielsachen in seinem kleinen Zimmer? Seine Schwester war nicht der Spielkamerad den er sich vorstellte. Er wollte doch nur dazu gehören. Aber das tat er nicht. Er war allein!

In der Schule war es nicht viel anders. Zwar hatte er dort den ein oder anderen Freund, aber auch diese merkten nicht was sie taten, wenn sie aus Spass einen Witz über ihn machten. Ihn aufzogen mit seiner Statur oder mit seiner Sensibilität. Niemand merkte das die Worte wie Messer in sein Herz drangen. Niemand sah die Schmerzen, niemand sah die Narben und niemand sah die Tränen, die er nachts in seinem Bett vergoss. Jede Nacht!

So verging Jahr um Jahr. Das Gefühl der Einsamkeit verschwand nicht, manchmal spürte er es kaum, an anderen Tagen war es so schlimm wie nie zuvor. Es war keine glückliche Kindheit die er hatte, aber er hoffte irgendwann würde es besser werden.

Eines Tages saß er allein in seinem Zimmer und weinte. Es war einer dieser Schultage gewesen, die er hasste. Wie viele Menschen hatten über ihn gelacht? Wie viel musste er heute ertragen haben? An diesem Tag betete er zu Gott und fragte ihn warum er das alles ertragen musste. Er fragte warum der Herr ihm diesen Schmerz nicht nehmen konnte. Warum er ein so unnützes Leben wie seins nicht beendete. Er wollte sterben...er wollte diese Welt nicht mehr ertragen.

Und so verging Jahr um Jahr. Einsam und unverstanden.

II - Die erste Liebe

Sie hatte dunkelblondes Haar das etwa schulterlang war. Manchmal hing ihr eine Strähne im Gesicht und sie strich sie mit einer weichen Handbewegung beiseite. In solchen Momentan schaute er am liebsten in ihre rehbraunen Augen und jedes Mal bebte sein Herz. Wenn sie lächelnd an ihm vorbei ging und ihn grüßte, brachte er kaum einen Ton heraus. "Das muss Liebe sein" dachte er sich.
Niemals traute er sich ihr seine Gefühle zu beichten. Viel zu groß war seine Angst vor Ablehnung. Einer Ablehnung die er jeden Tag zu spüren bekam. Niemand mochte ihn, nur ein paar Freunde hatte er, die seine innersten Gefühle aber nicht kannten. Wie sollte er jemals ein solches Mädchen als Freundin bekommen? Er glaubte nicht an irgendein Glück, erst recht nicht an seins.

Einmal ermutigte ihn ein enger Bekannter. "Trau dich. Sie lächelt wenn sie dich sieht. Sie mag dich." Er schöpfte Hoffnung.
An diesem Tag wollte er sich trauen. Mit Blumen in der Hand trat er auf sie zu und ignorierte den überraschenden Blick den sie ihm zuwarf. Dann sprach er sie an, fragte sie ob sie einmal ausgehen könnten und dass er sie gern hat und sie gerne besser kennenlernen würde. Er reichte ihr die Blumen.

"Sei mir nicht böse. Aber wir sind doch nur Freunde und ich finde so soll es bleiben. Danke für die Blumen, ich werde sie in eine Vase stellen." Sie lächelte und ging an ihm vorbei, die Straße hinunter.
Als er wenig später die Straße hinabging fand er seinen Blumenstrauß in einer Seitengasse auf einem Haufen Gerümpel und Pferdedung. Kurz bevor er seine Wohnung erreichte, traf er sie wieder. Sie sah ihn nicht, aber er erkannte sie als sie sich zu einem kräftigen Schönling streckte und ihn küsste.
Er war am Ende und verbrachte die Nacht weinend in seinem Bett. Niemals hätte er gedacht dass er soviele Tränen haben konnte. Am Morgen waren seine Augen rot geweint und seine Stimme krächzend.

Dies war der Tag an dem irgendetwas in seinem Herzen für immer zerbrochen war. Hoffnung....jegliche Hoffnung war an diesem Tag gestorben. Er würde für immer allein sein. Sein größter Alptraum würde wahr werden.
Niemals würde er in den Armen einer Frau liegen, niemals würde eine Frau ihn lieben, niemals würde er glücklich sein. Niemals könnte er einer Frau die Welt vor ihre Füße legen. Denn das hatte er doch vor! Eine Frau glücklich zu machen, so glücklich wie sie es sich nie erträumt hätte. Er wollte doch nur lieben. Und geliebt werden.

III - Der Weg in den Abgrund

Es war ein regnerischer Tag als er durch die Straßen der Stadt ging. Jahre waren vergangen seit jenem Frühlingstag an dem sein Herz aufgehört hatte zu schlagen. Irgendwann hatte er es geschafft sein Herz zu schließen. Keine Gefühle, keine Liebe...und somit keine Möglichkeit ihn zu verletzen. Jeder weitere Schnitt wäre zerstörerisch gewesen. Viele Jahre hatte er vom Tod geträumt, von seinem. Er wollte sterben und nur das Abtöten jeglichen Gefühls konnte ihn daran hindern. So verwirrend es klingen mochte: Nur durch den Tod seines Herzens konnte er leben. Nur durch den Tod aller Gefühle. Den Tod jeglicher Liebe. Nur so konnten die Tränen versiegen und der ein oder andere Tag glücklich werden.

Die Nächte waren immer noch seine größte Angst. Denn es war die Zeit in der er seine Einsamkeit am meisten spürte. Wie ein dunkler Schatten kroch sie heran und legte sich um sein Herz. Wie Nebelschwaden schwirrten sie um seinen Kopf und nebelte ihn völlig ein. Dann bekam er kaum Luft und zitterte am ganzen Körper. Die nächtliche Einsamkeit war grausam.
Um ihr zu entgehen hatte er sich Arbeit gesucht, die ihn völlig einnahm. Er arbeitete viel und jeder war zufrieden. Er half hier und dort und hatte sich sehr viel Wissen angeeignet. Egal ob es handwerkliche Tätigkeiten waren oder Kenntnisse in einigen bestimmten Fachbereichen wie Medizin oder Recht. Er hatte oft eine Antwort. Er war zwar immer noch nicht sehr beliebt, aber zumindest brauchte man ab und zu seine Hilfe.

An jenem Abend traf er viele Menschen. Sie wärmten sich gegenseitig, sie küssten sich und umarmten sich. Es gab solche Tage an denen er glaubte es gäbe nur Paare und er wäre der einzige Mensch auf der Welt der allein war. Der einzige Mensch der niemanden findet. Völlig allein!
In jener Nacht traf er auch sie wieder. Jene Frau wegen der er sein Herz getötet hatte. Sie war gut gekleidet, an ihrer Seite ein Mann mit Zylinder und in sehr schöner Kleidung. Er hätte Politiker sein können oder der Chef einer großen Firma. In London gab es genug davon, vielleicht war er auch in einer der vielen Banken. Mit verächtlichem Blick gingen die beiden durch die Straßen. Sie grüßten die ein oder anderen Menschen, die ebenfalls sehr gut gekleidet waren. Er erinnerte sich dass es heute eine Veranstaltung gegeben hatte. Die Eröffnung einer Bankfilliale hier in der Nähe des East Ends. Wahrscheinlich waren all diese Menschen daher gekommen. Und sie blickten verächtlich auf die armen Bürger, die Menschen dieses Elendsviertels.
Dies war vielleicht der Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte.
In jener Nacht trank er sich um den Verstand, versackte in irgendeiner Spelunke im East End und trank und trank und trank. Er wachte am nächsten Morgen in der Gosse auf und wankte nach Hause. Allein. Niemand interessierte sich für ihn. Oder für irgendeinen der anderen Betrunkenen die nach Hause torkelten. Er war Abschaum. Eigentlich hatte sich nie etwas in seinem Leben geändert.

IV - Die Hölle in einem liebesleeren Herz

Er kannte viele Gefühle, auch wenn er glaubte all seine Gefühle getötet zu haben. Er kannte sie alle noch zu gut. Doch dieses Gefühl war so stark. Es war eine Leere in ihm, aber auch ein enormer Druck auf seiner Brust. Etwas wollte sich aus seinem Brustkorb nach draußen zwängen. Und trotzdem diese grausame Leere in sich. Es hätte die Hölle sein können, aber er lebte ja schon in einer.
Wieder vergingen tränenreiche Nächte, die er glaubte hinter sich zu haben.
Er weinte und weinte, seine Einsamkeit wurde ungeheuerlich. Er wollte doch nur lieben und geliebt werden. All diese Gedanken kamen wieder. Wieso war da niemand? Wieso war er allein? Was hatte er getan? Er hatte immer den Teller leer gegessen! Er hatte auf seine Mutter gehört! Er hatte nie etwas böses getan! Er hatte nicht einmal etwas böses gedacht! Sogar den Frauen die ihn missachteten wünschte er nichts böses. Er war doch nur ein Mensch der gut sein wollte, der geliebt werden wollte...um alles in der Welt. Er wollte doch nur Liebe. Nur Liebe!

Doch da war nichts. Niemand! Er war allein. Gab es irgendwen der ihn verstehen konnte? Der diese Einsamkeit kannte? Niemand! Die anderen hatten Freunde, Geliebte. Aber er hatte niemanden. Selbst seine Mutter war gestorben, seine Schwester wohnte nicht in London. Er hatte niemanden. Die Nächte waren kalt, leer und einsam. Und auch sein Herz war dunkel und kalt.

Es war eine grausame Nacht in der die Hölle in seinem Herzen losbrach. Eine Hölle die er so nie gekannt hat. Eine Hölle die alles überbot was er kannte. Eine Hölle die noch mehr Tränen bedeutete. Noch mehr Angst. Noch mehr Einsamkeit. Noch mehr Leere. Noch mehr Kälte. Und am meisten: Noch mehr Tod!

Nie in seinem Leben hatte er eine der Huren die es im East End zu Dutzenden gab, besucht. Er hatte sie immer gemieden. In dieser Nacht war das anders. Er wollte zumindest wissen was körperliche Nähe ist. Also beschloss er sich mit ein wenig erspartem Geld eine Prostituierte aufzusuchen. Er trank sich etwas Mut zu, dann suchte er sich eine Frau aus. Sie ging mit ihm mit. Doch er wußte nicht genau was er tun sollte. Irgendwie lief alles schief. Als sie ihn anlachte und ihm sagte er sei wohl noch grün hinter den Ohren und völlig ohne Erfahrung, als sie in angrinste und ihre Augen blitzten. Da kamen all diese unterdrückten, verhassten Gefühle auf. Irgendetwas explodierte in seinem Herzen und in seinem Kopf. Er nahm das Messer in seiner Tasche, dass er zu seinem Schutz eingepackt hatte und stach zu. Was dann folgte konnte er nie in Worte fassen. Er metzelte die Frau nieder. Er schnitt, er stach. Blut...rotes Blut...überall. Die Farbe der Liebe. Einem Gefühl dass er so gewollt hat. Das er sich so gewünscht hat.

Als er nach Hause ging musste er sich mehrfach übergeben. Sein Kopf brummte, seine Füße schmerzten, seine Hände zitterten. Er wanderte durch die Straßen. Fast als hätte er kein Ziel....oder völlig die Orientierung verloren. Niemand war da. Wie immer. Niemand!

Viele Wochen später war er ein bekannter Mann. Er hatte wieder versucht sich einer Hure zu nähern. Und wieder hatte sie gelächelt. Und wieder wollte sie doch nur sein Geld. Und wieder stach er zu. Und wieder wankte er nach Hause. Und wieder erbrach er sich. Und wieder war er völlig allein. Einsamkeit. Dunkelschwarze, grausame Einsamkeit. Und immer noch keine Liebe.

Er hatte Angst. Auch als er das rothaarige Mädchen besuchte, dass bisher die hübscheste war die er probierte. Doch diesmal wurde es zuviel. Diesmal war das Ergebniss so grausam, dass er es nie aus seinem Kopf verbannen konnte. Selbst sie war nicht einsam. Selbst sie hatte einen Freund mit dem sie zusammen gewohnt hatte. Selbst sie hatte Zärtlichkeit erfahren. Sie war aber auch sehr hübsch. Aber er? Er war einsam und allein. Und sie war eine lächelnde Hure, die für sein Geld ihren Körper darbot. Keine Liebe, keine Gefühle. Nur Schauspiel. Nur ein Seifenblasen-Traum. Ein kurzer Traum von Zweisamkeit. Ein kurzes Gastspiel. Danach wieder Einsamkeit.

Er nahm sie aus. Er war so brutal. Er war völlig außer sich.

Diesmal erbrach er sich nicht. Er ging diesmal auch nicht weinend nach Hause. Er war leer. Er hatte niemanden. Immer noch nicht. Da war keiner. Da war einfach niemand. Nichts!

Ein paar Tage später hatte er seinen Job verloren. Er war nicht mehr konzentriert gewesen. Er war einige Male zu spät gekommen. Und er war einfach ein Niemand. Jeder wußte dass er allein war und jeder dachte sich wohl etwas dabei. Er hatte kaum gesprochen in letzer Zeit. Er lag nächtelang wach....ohne Tränen, ohne Gefühle. Da war nichts. Da war nur Leere. Nur Nichts. Einfach nichts!

An jenem Abend nahm er ein Messer. Ein unbenutztes, denn die anderen hatte er in die Themse geworfen. An diesem Abend erstach er sein kaltes, leeres Herz. An diesem Abend starb ein Mensch zu dessen Begräbniss niemand kommen würde.
Und sie schrieben Jack the Ripper wäre ein Monster. Jack the Ripper war kein Monster. Jack the Ripper war ein Mensch....ein einsamer Mensch der nicht allein sein wollte!
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Stordfield am 09.07.2008 09:11 Uhr
Hallo !

Danke , Flo , für dir tolle Geschichte . Ich bin begeistert .
Wenn es so gewesen wäre , könnte man ja beinahe Mitleid mit dem Ripper haben . Beinahe aber nur...

Gruß Stordfield

Mehr davon !
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Bettina am 10.07.2008 14:31 Uhr
Hallo zusammen.

:SM009:  :SM128:

Habe den Thread erst jetzt endeckt und bin total begeistert.

Weiter so!!  :icon_thumb: :icon_thumb: :icon_thumb:

Grüße
Bettina
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 11.07.2008 07:09 Uhr
Hi

@Floh
Jawohl, endlich mal wieder - hat mir gefallen!

@Bettina
Danke - Die Schreiber werden weiter machen, versprochen  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Bettina am 11.07.2008 12:56 Uhr
Hi,

@Isdrasil

Davon gehe ich aus.  :icon_wink:
Vielleicht traue ich mich ja auch mal, hier was zu posten...aber wenn ich mir die Beiträge so anschaue, muss ich dafür noch ein bisschen üben  :icon_redface:

Grüße

Bettina
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 11.07.2008 14:25 Uhr
Ach was...schreib ruhig was rein. Wir sind ja hier nicht im Forum einer Literatur-AG ;)
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 11.03.2009 13:15 Uhr
Mal wieder Bock drauf...wieder ein bisschen Sci-Fi:

CREATURES

Das Aggregat auf meinem Rücken schmerzt von den tagelangen Märschen, die hinter uns liegen, drückt mit seinen Gurten und Schnallen auf meine Arme, die schlaff an der Seite meines Körpers vor und zurück baumeln. In den Händen habe ich jegliches Gefühl verloren, so oft musste ich den Abzug mit aller Gewalt durchziehen und das Dauerfeuer halten. Man müsste dem Konstrukteur dieser Dinger mal kräftig einen auf die Rübe schlagen, denke ich – und lächle.
John blickt mich nur einmal kurz missbilligend an.
Ja John, ich weiß – Du bist ein ernster Mensch in einer noch ernsteren Welt. Ein Lächeln in dieser Situation? Absolut unpassend, fehl am Platz, überflüssig. Wahrscheinlich handelt es sich in deinen Augen um eine menschliche Schwäche, die ich hier zeige. Du fühlst dich einfach groß, wenn ich mit meinem Versuch an schöne und lustige Dinge zu denken die Finsternis und den Zerfall um uns herum zu vergessen gedenke. Aber Du hast schon Recht. Es gibt hier wahrlich nichts zu lachen. Rings um uns liegen die Trümmer einer längst zerfallenen Stadt.
Knirschend zerfallen die alten Steine unter unseren schweren Schuhen und machen den Weg frei durch eine qualmende und stinkende Ruinenlandschaft. Manche Häuser zeigen noch in Ansätzen den Glanz vergangener Tage und lassen mich ab und zu kurz innehalten. Ich mag es, sie zu betrachten - lasse es mir aber nicht anmerken. Ich tue lieber so, als ob ich beobachten würde. Als hätte ich das Huschen eines Schattens hinter einem Pfosten gesehen. Als hätte mich ein unnatürliches Geräusch aufhorchen lassen. Als hätte ich eine Spur. Einen Verdacht. Eine Ahnung.
Im Hintergrund senkt sich die Sonne im blutroten Himmel dem Horizont entgegen. Bald wird ihr Antlitz von der Bühne verschwinden, ihr Licht unser Bewusstsein verlassen und uns der Einsamkeit übergeben.
Einsamkeit? Ja, das wäre schön.
Doch es ist nicht ganz so.
Die Sonne geht unter – und John ruft: „Showtime!“

Unsere Sensoren lassen die Duftdüsen in unseren Anzügen auf Hochtouren laufen.
Mich schaudert es immer wieder auf das Neue, mein Überleben von diesen kleinen Dingern abhängig zu machen – und jedes Mal frage ich mich auf`s Neue: Was, wenn SIE sich eines Tages an den Duft gewöhnen? Was, wenn SIE sich nicht mehr davon abhalten lassen?

Wir haben noch kein ausreichendes Mittel gefunden. Wir wissen nur, dass SIE nicht auf gewisse Düfte stehen…SIE meiden die Duftquellen wie die Freude unsere Gemüter. Man kann SIE dorthin zurückjagen, wo SIE herkommen, doch man weiß noch nicht, ob SIE wieder kommen können. Und so geht es nun seit 30 Jahren, jede Nacht das gleiche Spiel, das gleiche Theater in diesem trostlosen Lichtspielhaus. Wir suchen, wir zerstören. Nennen uns so hochtrabend das „Seek and Destroy“-Kommando. Doch inwieweit wir an einer Lösung oder an einem Endsieg beteiligt sein werden und ob unsere Aktionen überhaupt irgendeinen Nutzen erfüllen, dass kann uns nur der Allmächtige sagen. Aber darf ich ehrlich sein? Ich glaube, der hat hier schon lange nicht mehr vorbei geschaut…

Und dann ist es schon soweit: Die Viecher umringen unsere kleine Gruppe. Mit ihren scharfen Klauen wetzen SIE an den Steinhaufen und schaukeln bedrohlich vor und zurück...scharfe Augen blicken aus tief liegenden Höhlen zu uns herab. Schwarz ist alles, was man in Ihnen sieht. Ihre Gestalt ist sehnig, drahtig, fast schon lächerlich kümmerlich. Aber wenn SIE Blut geleckt haben, ist ihre Kraft nicht von dieser Welt. Denn es ist nicht der Körper, der SIE so stark und gefährlich macht – es ist ihr Geist!
Lange hat es  gedauert, bis unsere Wissenschaftler das Geheimnis gelöst hatten, noch länger, bis sie als Gegenmittel den Duft und die Sensoren entwickelten. Am Anfang noch, als wir ohne die Sensoren kämpften, da fingen einige von uns an, sich gegen die Gruppe zu wenden. Sie drehten sich zu ihren Genossen um und stürzten auf sie. Messer wurden gezückt. Schläuche aufgeschlitzt. Und waren die Schläuche erledigt, ging es an die Körper…
Auf den Steinhaufen saßen die Kreaturen und sahen sich das Schauspiel an, scheinbar grinsend und sich belustigend – während wir in unseren kleinen Gruppen gegenseitig aufeinander losgingen und um das nackte Überleben kämpften.
Dann irgendwann wusste man es: SIE dringen in unsere Geister ein. SIE sind das körperliche Sinnbild einer höheren Macht, einer noch schlimmeren Gefahr, als wir jemals angenommen hatten. Es drängt ihr nach Zerstörung, es drängt ihr nach Blut und Tod.

Doch – da sind noch wir und unsere Duftsensoren und diese einst so großartige Stadt London.

Zeitgleich – in einem Labor in der Nähe Londons:
Dr. Priest sitzt an seinem Schreibtisch und studiert ein Buch über den Zerfall und die Widerlegung der Darwin`schen Evolutionstheorie. Gerade als er das zweite Kapitel beendet hat, schlägt die Tür zu seinem Büro auf und ein abgehetzter Wissenschaftler in weißem Kittel stürmt herein. Entrüstet setzt Dr. Priest zu einer Standpauke an, doch wird von dem Wissenschaftler jäh unterbrochen.
„Dr. Priest, Dr. Priest! Wir müssen unbedingt die Gänge des S&K-Kommandos unterbrechen!“
Der Doktor richtet sich auf. Er muss nicht fragen – sein fragender Blick sagt alles.
„Ich habe Grund zur Annahme, dass wir absolut kontraproduktiv handeln und der Menschheit mehr Schaden zufügen, als ihr nutzen! Es ist“, und dabei überschlägt sich beinahe die Stimme des Wissenschaftlers, „es ist ein Fehler in unseren Berechnungen, Beobachtungen, wir müssen sofort stoppen! Hören Sie? SOFORT STOPPEN!“
„Moment, Moment, jetzt beruhigen Sie sich doch…setzen Sie sich doch erst einmal und trinken Sie einen Tee, um die Sache in Ruhe zu besprechen. Gerade erst habe ich eine Ladung feinsten Earl Grey erhalten. Sie wissen doch – die Vorräte gehen zu Neige, man sollte also zuschlagen, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet!“
„Herr Priest, ich schätze Sie sehr, aber jetzt ist keine Zeit für Gemütlichkeit, keine Zeit für Scherze. Rufen Sie das Kommando zurück, ich habe…“.
Der Wissenschaftler rappelt sich aufrecht auf und fährt sich durch die Haare. Es hat keinen Sinn, scheint er zu denken - ich muss es direkt ansprechen.
„Dr. Priest – wir töten diese Wesen nicht. Wir töten ihren Geist nicht. Und wir schicken Sie auch nicht dorthin zurück, wo Sie herkommen – wir jagen Sie durch die Zeit. Wir schießen Sie durch die Dimensionen. Und wenn Sie dort gewütet haben, kommen Sie zurück.“
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 11.03.2009 16:15 Uhr
 :icon_thumb:
Nicht schlecht! Endlich wieder was zu lesen ;)
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 11.03.2009 20:46 Uhr
Endlich wieder was zu lesen ;)

Ja, danke...die Story klingt nur irgendwie, als hätte ich mich selbst kopiert...wir hatten ja auch tatsächlich ein dreiviertel Jahr Pause! Das musste einfach mal geändert werden...also, Floh: Weißt ja, wer auch mal wieder dran ist!  
:icon_wink: :icon_aetsch:

...und alle anderen natürlich auch. Wie sagt man so schön: Schreibt, ihr Narren!
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 12.03.2009 00:37 Uhr
Das Erbe

Irgendwann in den 1960er Jahren in Cornwall im Südosten Englands. Es ist Abend und die Dämmerung hat bereits eingesetzt, als ein älterer Wagen vor einem verlassenen Haus, in einer abgeschiedenen Gegend hält.

Es waren nun ungefähr 30 Jahre die das Haus leer stand. Nicht ganz leer....ab und zu hatte der Verwalter das Haus gepflegt so gut es ging und einige Zeit im Haus gelebt. Aber ihm wurde es zu gruselig. Die Gemäuer des Hauses waren alt....uralt. Das Efeu klebte an den Außenmauern wie grün-braune Adern und die Sträucher um das Anwesen wirkten als wollen sie das Haus hinter sich verstecken.
Meine Großmutter hatte mir oft von diesem Haus erzählt. Von dem Haus ihres Bruders. Er hatte es im auslaufenden 19. Jahrhundert gekauft und hatte all die Jahre bis zu seinem Tod alleine dort gelebt. Wenn Großmutter von ihm und dem Haus erzählte wurde ihr Blick weich und doch nachdenklich. Als würde sie Trauer tragen und gleichzeitig nicht wissen warum. Als würde sie versuchen eine Truhe auf einem staubigen Dachboden zu öffnen ohne zu wissen warum. Ich habe ihren Bruder nie kennenlernen können, er starb einige Jahre vor meiner Geburt. Ich kannte sein Gesicht nur von wenigen, vergilbten Fotos.

"Warum gerade ich?" hörte ich mich in meinem Wagen flüstern, als ich auf dem Weg vor dem Haus stand und gerade aussteigen wollte. Meine Großmutter hatte das Haus geerbt und in ihrem Testament schließlich mich als Erben gewählt. Ich war einer ihrer Lieblingsenkel, aber in diesem Moment kam mir dieses Haus eher wie eine Bestrafung vor. Es stand dort direkt vor mir und es wurde langsam dunkel. Ich hatte mich verspätet, wollte eigentlich viel früher da sein. Ich wußte dass es ein Gästebett gab, in dem ich übernachten konnte, aber eigentlich wollte ich mir das Haus nur ansehen und dann woanders übernachten.
So sollte es nun also nicht sein. Ich packte meine Tasche und ging auf das Haus zu. Der Vorgarten war nicht sehr gepflegt, aber auch nicht überwuchert. Einmal im Monat kam jemand und kümmerte sich ein wenig um das Haus und den Garten. Es war der Sohn des Verwalters, wie mir mitgeteilt wurde. Der Verwalter selbst, der auch den gesamten Besitz des Bruders meiner Großmutter verwaltet hatte, war bereits lange tot.

Ein leichtes Rauschen ging durch die Sträucher als ich vor der Eingangstür stand. Ein rostiger Türklopfer hing auf Gesichtshöhe vor mir. Als ich den Schlüssel in die Tür steckte, wurde das Geheul des Windes etwas lauter....fast als wolle mich etwas warnen weiterzugehen. In diesem Moment kam es mir so vor, als würden die Sträucher mir warnend zuwinken: "Geh nicht weiter. Verlasse diesen Ort". Mir lief es kalt den Rücken runter.

QUUIIEEEEKKKK....ich erschrak etwas, als der Schlüssel sich knackend drehte und die Tür mit einem lauten Knarzen aufging. In meinem Kopf begann ich bereits eine Strichliste zu führen: "1. Die Sträucher schneiden oder direkt ganz wegschaffen und dafür Bäume aufstellen oder einen Zaun. 2. Die Tür ölen....nein direkt austauschen."
Das Haus gehörte jetzt mir und ich konnte damit tun und lassen was ich wollte. Ich mochte die Einsamkeit Cornwalls eigentlich, es hätte mich nicht gestört....aber dieses Haus hatte etwas gespenstisches. Ich ging in den Hausflur, versuchte die ersten Lichtschalter....nichts. Der nächste Raum, ein Esszimmer mit direktem Zugang zur Küche....auch kein Licht. Scheinbar war hier schon länger der Strom abhanden gekommen. Morgen müsste ich also in die Stadt und einen Elektriker bestellen.

Noch war es nicht dunkel, durch die Fenster kam noch ein wenig Licht. Ich musste mich beeilen und vor der Dämmerung genug Kerzen und Feuerholz finden, um den Kamin zu beheizen und Licht für die Nacht zu haben. Die Räume im ersten Stock hatte ich schnell durchsucht. Es gab ein Gästezimmer, das Schlafzimmer und ein kleines Arbeitszimmer. Das wunderte mich ein wenig, weil doch unten im Erdgeschoss bereits ein großes Arbeitszimmer war. Das kleine Arbeitszimmer sah auch nicht aus wie ein Arbeitszimmer. Es hatte zwar einen Tisch und einen Stuhl und ein paar Schränke...aber es war auch ein weiteres Bett vorhanden. Nur war es sehr klein....wie....ein Kinderbett. Vielleicht hätte mein Vater seinen Onkel häufger besuchen sollen....vielleicht hatte er die Einsamkeit satt. Wer weiß. Im Zimmer fand ich eine Art Fotoalbum....außer dass keine Bilder darin waren....sondern Zeichnungen. Kinderzeichnungen. Nun war ich verwirrt. Ich beschloss erst meine Tasche im Gästeraum auszupacken, einige Dinge mit hinunter ins Erdgeschoss zu nehmen und auch eine Decke zu suchen, denn ich hatte nicht vor in völliger Dunkelheit im Gästezimmer zu übernachten. Der Stuhl vor dem Kamin würde ausreichen für diese Nacht.

Es wurde gerade dunkel und die Silouette des Mondes war bereits zu sehen, als ich das Kaminzimmer mit Kerzenständern bestückt hatte, den Kamin angezündet hatte und meinen Proviant aus dem Wagen geholt hatte. Ich hatte einen warmen, beleuchteten Platz vor dem Kamin, ein paar Bücher und Fotoalben aus den beiden Arbeitszimmern und etwas zu Essen. Bis Morgen war ich verpflegt und konnte getrost die Nacht in diesem Haus verbringen.

DING....DING.....DING.....ich schrack hoch! Mein Herz schlug mir bis zum Hals, meine Knie zitterteten....bis ich langsam klar im Kopf wurde. Die Uhr im Flur war scheinbar intakt. Und sie hat die Zeit geläutet....es war Mitternacht. Ich hatte so viele interessante Bücher gefunden, Bücher über Geschichte, aber auch Romane und Gedichte. Auf alle Fälle war mein Großonkel ein belesener Mann gewesen und interessiert in so vielen Dingen. Ich sah aus dem Fenster.....Dunkelheit! Nur die silbergraue Mondsichel spendete ein schummrig-schauriges Licht.
Ich stand an einem großen Schreibtisch, direkt vor einem der großen Fenster die zum Vorgarten zeigten. Auf dem Schreibtisch lag ein abgerissenes Stück von einem Brief...ich sah einige andere abgerissene Stücke in einem Papierkorb an der Seite. Das Papier sah alt aus...wahrscheinlich lag es schon ein paar Jahre dort.
Aus Neugier las ich das Briefstück dass vor mir lag.

"nicht was er hier gemacht hat. Gelebt sagst du? Das war doch kein Leben............Haus ist die Hölle. Ich glaube hier hat das Böse gewohnt."

Seltsame Worte. An wen dieser Brief wohl gerichtet war und viel wichtiger: Wer ihn wohl geschrieben hatte?

Ich durchstöberte den Schreibtisch, fand aber nichts interessantes außer einem Bild....es war ein Bild meines Großonkels und einem Kind auf seinem Schoß. Vielleicht mein Vater? Aber nein, der hatte mir gesagt seinen Onkel nie kennengelernt zu haben. Das Bild war noch überraschend gut erhalten, die Schublade in der es gelegen hatte, war scheinbar nicht oft geöffnet worden. Ich konnte die Augen meines Großonkels gut erkennen....und konnte verstehen dass meine Großmutter stets sagte "Du hast die Augen meines Bruders. Die gleichen Augen, den gleichen Ausdruck in ihnen." Manchmal begann ihre Stimme zu zittern, wenn sie so sprach....ich wußte nie warum. Hatte Sie Angst? Oder war es Trauer? Für mich war es normal einem Familienmitglied zu ähneln....auch wenn ich diesen Teil der Familie nie kennenlernen konnte. Aber meine Großmutter schien erstaunt....oder besser: Geschockt?

Ich legte das Bild beiseite und beschloss in dem Bilderalbum zu blättern dass ich von oben mitgenommen hatte. Und tatsächlich: Es waren eindeutig Kinderzeichnungen. Diese Bilder hatte kein Erwachsener gemalt....das war ein Kind gewesen. Aber mein Großonkel lebte allein...wie kamen diese Bilder hierhin? Er hatte keine Kinder, seine Neffen und Nichten hat er nie gesehen. Wer hat diese Bilder gemalt? Während ich weiterblätterte, fiel mir aufeinmal ein Bild vor die Füße. Eine Fotografie. Das Foto eines kleinen Kindes. Es schien ein Junge zu sein. Er blickte nachdenklich in die Kamera und hielt ein gemaltes Bild in der Hand. War das der Junge der diese Bilder gemalt hat? Aber wer war er? Auf der Rückseite des Fotos fand ich eine kleine Notiz: "Robert im September 1896"
Robert? In meiner Familie gab es keinen Robert....zumindest in den letzten drei Generationen. Ich schätzte diesen Jungen auf etwa 8 Jahre.

Nun war ich neugierig. Dieser Junge....war das Zimmer von oben eigentlich seines gewesen? Aber mein Großonkel hatte keine Kinder. Und auch keine Frau! Ein Neffe? Ausgeschlossen! Vielleicht ein Nachbarsjunge? Aber hier gab es keine Nachbarn...das nächste Haus war ein paar Meilen weiter und die Stadt noch ein Stückchen weiter. Ich war hellwach. Voller Übereifer durchforstete ich die Bücher in den Schränken, suchte nach irgendwelchen Familienalben, Bilderalben oder Notizbüchern. Wie ein Wahnsinniger schaute ich mir Bilderalben an....ich fand Bilderalben mit Fotos meiner Eltern, meiner Großmutter, meinen Urgroßeltern. Aber diesen Jungen? Auf keinem Bild. Es mussten Stunden vergangen sein, so kam es mir jedenfalls vor, als ich in einer Ecke eines Bücherschrankes ein abgegriffenes Buch erblickte. Es hatte keinen Titel, sah dunkel und schlicht aus. Als ich es öffnete, entpuppte es sich als eine Art Notizbuch. Ich fand Notizen meines Großonkels über den Garten und über den Ausbau des Hauses. Dann ein paar Notizen die wie Gedächtnisstützen aussahen....ich fand sogar ein paar Geburtsdaten. Es schienen die Geburtsdaten meiner Großmutter und einiger meiner Verwandten zu sein.
Die letzte Seite des Buches bot noch etwas überraschendes. Dort fand ich, gehalten von einem Wollfaden, einen kleinen Schlüssel. Wo dieser wohl hinein passt? fragte ich mich.

Ich probierte alle Schubladen am Schreibtisch und auch in der Küche, aber die meisten waren offen und hatten entweder keine Schlüssellöcher oder der Schlüssel passte einfach nicht. Dann aber fand ich ein paar kleinere Schubladen am Fuße eines der Bücherschränke. Unterhalt der Bücherregale, waren einige recht kleine Schubladen eingelassen worden. Die oberen waren allesamt offen und enthielten Schreibpapier, alte Tee- und Tabakdosen und anderen Kleinkram. Doch die untereste Schublade war verschlossen und tatsächlich: Der Schlüssel passte.
Erst einmal war ich enttäuscht, denn in der Schublade fanden sich nur ein paar Stoffdecken, die scheinbar als eine Art Untersetzer gedient hatten. Doch unter all diesen Stoffen fand ich ein Notizbuch. Sehr viel größer und dicker als das Notizbuch in dem der Schlüssel war und noch viel abgegriffener.

Meine Neugier war auf dem Höhepunkt und ich setzte mich mit dem Buch vor den Kamin und begann zu lesen.

Auf der ersten Seite fand ich eine Art Telegramm. Es war wohl eher ein sehr kurzer und förmlicher Brief. Der Brief kam von einem Arzt in der Gegend und war an meinen Großonkel gerichtet. In dem Brief schrieb er von einem Menschen der scheinbar plötzlich gestorben war. Dann kamen die Worte die mich erst einmal erschauern ließen:
"Robert war scheinbar schwer krank. Genau kann ich es nicht sagen, aber er scheint eine sehr schwere Lungenentzündung gehabt zu haben. Es tut mir leid dass ihr Sohn...." weiter kam ich nicht. Sein Sohn? Er hatte keinen Sohn. Nicht einmal eine Frau! Er konnte keinen Sohn haben....dieser Robert war alles...aber nicht sein Sohn gewesen. Er sah ihm nicht ähnlich...und....wo war die Mutter? Mein Großonkel war nicht verheiratet, nicht liiert....er war Zeit seines Lebens allein. So jedenfalls hatte es mir meine Großmutter erzählt.

Ich blätterte weiter.

Zeitungssausschnitte. Allesamt aus Londoner Tageszeitungen. Das war nicht verwunderlich, schließlich hatte mein Großonkel einige Zeit in London gelebt und gearbeitet. Aber warum sammelte er Tageszeitungen oder besser Ausschnitte daraus?

Ich las einige Ausschnitte:

"...diesmal gab es zwei Tote in nur einer Nacht. Die Bestie wird gerissener."
Der Zeitungsausschnitt war datiert auf das Jahr 1888.

Ich fand mehr und mehr Ausschnitte. Alle aus dem Jahr 1888 und alle hatten etwas mit Morden zu tun. Und mit Jack the Ripper, dem Serienkiller aus dem Horrorherbst. Meine Hände zitterten als ich weiterblätterte. Ich fand handgeschriebene Notizen meines Großonkels.....einige konnte ich nicht mehr entziffern, andere waren so unkenntlich gemacht, als hätte jemand nachträglich versucht die Schrift zu verwischen.

Ich schloss das Buch....sah mir den Buchrücken an: Kein Titel. Die Vorderseite: Nichts, außer ein paar Flecken. Die Rückseite: Auch nichts. Ich schaute mir die letzte Seite an. Das war die Handschrift die ich im Haus häufiger gefunden hatte....die Handschrift meines Großonkels:

"Es tut mit leid Mary Jane. Aber es ist mein Junge und er wird es immer sein. Eines Tages wirst du verstehen........"
Ich schluckte. Mary Jane? Mary Jane Kelly? Das letzte Ripper-Opfer?!

Ich las die letzten Zeilen:
"Mögest du und mag Gott mir verzeihen."
Und dann seine Unterschrift....allerdings nicht mit seinem Namen. Er unterschrieb mit:
Jack the Ripper


Das war der Moment als ich das Buch fallen lies und in die kalte, dunkle Nacht hinausrannte. Ich wollte dieses Haus nie mehr betreten....auch wenn ich es dann doch tat, fiel es mir schwer am Ort zu leben, an dem Robert Kelly der Sohn des letzten Ripper-Opfers seine letzten Tage verbrachte....unter einem Dach mit dem Mörder seiner Mutter. Meinem Großonkel.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 17.03.2009 20:02 Uhr
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 :icon_thumb: :SM023: :SM022:



Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Stordfield am 17.03.2009 21:01 Uhr
Hallo Floh !

Deine Geschichte gefällt mir sehr gut. Und das meine ich ernst!
Weiter so.

Gruß Stordfield
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Tresschen am 27.04.2009 00:30 Uhr
Also, ich schreibe gerade an einer längeren Geschichte zu Jack the Ripper. Die ganze Story konzentriert sich aber nicht so sehr auf den Ripper selbst, sondern es geht eigentlich um ein junges Mädchen, die es ins East End verschlägt, die aber eigentlich aus guter Familie kommt. Und das passiert genau zu der Zeit der Morde eben. Es ist so eine Mischung aus Detektivgeschichte/Krimi und Liebesgeschichte. Die Jagd auf den Ripper ist darin natürlich wichtig und auch die Beschreibung des ganzen Milieus, aber ich ändere da eben auch Details und es ist eben so meine Sicht auf die Dinge gepaart mit eben auch meiner Idee, wie bestimmte Fakten sich in die Story einfügen können.
Wenn Interesse besteht, kann ich den Link zu meiner Story gerne dann auch hier posten.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 28.04.2009 10:42 Uhr
Wenn Du dann fertig bist, nur her damit.  :icon_thumb: :SM022:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 21.07.2009 13:59 Uhr
Mahlzeit. Ich dachte es ist mal wieder an der Zeit.
Heute geht es wieder in die Richtung wie letztes Mal....Verwandschaftsbeziehungen. Aber diesmal etwas enger. Mich hat dabei besonders eine Sache beschäftigt, was auch in der Geschichte wiedergespiegelt ist denke ich: Wie muss sich wohl jemand gefühlt haben, der mit dem Täter eine enge, sehr liebevolle Beziehung zu ihm gehabt hat. Das ist die Geschichte. Viel Spaß!


Mein Bruder, mein Bruder


"Schwesterherz, weine nicht" seine Hand strich zärtlich über meine blonden Locken. Es war einer dieser Tage als mein Vater wutschnaubend nach Hause gekommen war und nach Alkohol stank. Er war ein liebender Vater, der seine Frau und seine Kinder vergötterte. Aber manchmal, vielleicht 5mal im Jahr, kam er spät nach Hause, wenn der Tag stressig war und ihm alles zu viel wurde. Dann hatte er in seiner Stammkneipe etwas getrunken, sich mit dem Wirt in Rage geredet und war voller Wut nach Hause gekommen. Er hatte die Kinder angebrüllt, sie sollen gefälligst ins Bett und manchmal hatte er Mutter geschlagen. Nur ein Schlag ins Gesicht....aber Mutter weinte jedesmal bitterlich.
Immer wenn so etwas passierte war mein Bruder für mich da. Er stellte sich vor mich, bis mein Vater sich von uns abwand und ging dann mit mir auf unser Zimmer. Dort nahm er mich in die Arme und tat was er immer tat, wenn ich weinte und nicht mehr aufhörte. Er streichelte mir über mein Haar. Es beruhigte mich. Ich fühlte mich beschützt und geliebt. Es war ein schönes Gefühl....dafür liebte ich meinen Bruder, wie man eben einen Bruder liebt der für einen da ist. Und mein Bruder liebte mich, das jedenfalls glaube ich bis heute.

Jahre vergingen, Jahre der Harmonie, wenn sie auch gelegentlich von Vaters Eskapaden gestört wurden. Aber im Grunde waren wir eine glückliche Familie. Mein Bruder, der 5 Jahre älter war als ich, wurde streng erzogen. Er sollte etwas vernünftiges lernen, auf die Schule gehen, erfolgreich werden. Meine Eltern wollten dass es ihm gut geht, wenn er einmal eine eigene Familie gründete. Für mich war anderes geplant. Ich durfte meine Mutter zu den Einkäufen in die Stadt begleiten, durfte im Haushalt helfen....irgendwann sollte ich auf einen wohlhabenden Mann treffen und vermählt werden. Das war die Planung meiner Eltern. Sie waren nicht reich, nicht wohlhabend....aber sie hatten Kontakte zu den eher gut betuchten Kreisen Londons. Ein paar Händler und Kaufleute, sogar ein paar Künstler und Politiker.
Doch noch bevor alle Wünsche meiner Eltern wahr wurden, bevor ich meinen Mann kennen- und lieben lernte, den einzigen Sohn eines wohlhabenden englischen Kaufmanns und seiner Gattin die eine angesagte Theaterschauspielerin war, bevor mein Bruder aufs europäische Festland ging und Mediziner wurde.....bevor wir alle in eine glückliche Zukunft gingen, durchlebte ich etwas Schreckliches. Etwas unausprechlich Schreckliches.

Es war 1888, ein Jahr wie jedes andere. Mein Bruder war für mich da wie jedes Jahr, jeder Tag war wie die Tage jeden Jahres zuvor. Nur mein Bruder machte mir Angst.
Ich glaube es begann schon im Frühjahr. Es war an einem Sonntag als mein Vater zu meinem Bruder sagte er solle sich um seine Zukunft sorgen. Eine Frau komme schon noch, die solle er erst außer Acht lassen da sie nur seiner Zukunft schaden. "Du wirst früh genug eine gute Frau für dich finden. Schau mich an, ich habe spät geheiratet und trotzdem eine wunderbare Frau bekommen." Mein Bruder war anderer Meinung....er wollte eine Freundin, eine Frau....Liebe. Ich weiß nicht was er wirklich wollte....aber er schrie meinen Vater an: "Auch ich habe Bedürfnisse. Einige meiner Freunde haben auch Freundinnen und sie sind zärtlich zueinander. Das möchte ich auch." Es war das erste Mal und das einzige Mal dass ich hörte wie mein Vater sagte: "Wenn es um die Zärtlichkeiten geht. Dann geh doch zu den leichten Dirnen und gibst ihnen etwas Geld für Zärtlichkeiten." Dann ging er aus dem Zimmer.
Mein Bruder war außer sich vor Wut: "Huren? Ich soll zu Huren gehen?"
Damals war mir nicht wirklich bewußt wovon er sprach. "Bruderherz?! Was sind Huren? Was meint Vater mit Dirnen?"
Er nahm mich in die Arme: "Das ist etwas schlechtes Liebes. Vergiss was Vater sagte."
Wieder strich er über meine Haare. Auch als ich älter war, mochte ich es wenn mein Bruder das tat. Es war dieses Gefühl der Geborgenheit dass ich so mochte. Heute durchläuft mir ein Schauer wenn ich daran denke wie seine Hände über meine Haare strichen, meine Arme streichelten oder mich einfach festhielten. Es macht mir Angst.

Der Sommer war eigentlich recht ruhig. Das Thema jenen Tages kam nie wieder zur Sprache. Nur manchmal hatte ich das Gefühl mein Bruder würde sich immer noch mit etwas plagen. Es kam manchmal vor dass er bis tief in die Nacht wegblieb. Auch wenn es meine Eltern nicht störte, ich hatte Angst. Angst dass er so wütend nach Hause kommt wie Vater es manchmal tat....aber immer wenn mein Bruder nach Hause kam, wie spät es auch war, kam er in mein Zimmer und gab mir einen Gute-Nacht-Kuss. Er sagte immer wieder "Alles wird Gut mein Kleines" und strich mir über die Haare. Manchmal roch er sehr streng....nach Dreck, Kot und nach anderen Dingen die ich nicht einordnen konnte.

Als die ersten Morde begannen, reagierte mein Vater sehr schnell. Ich durfte nicht mehr auf die Straße sobald es draußen dunkel wurde. Auch wenn das EastEnd weit weg von uns lag, machten meine Eltern sich Sorgen. Nur mein Bruder blieb trotzdem manchmal lange fort. An einigen Tagen kam er gar nicht nach Hause. Er sagte nie was er getan hatte, wo er war oder wen er getroffen hatte. Er nahm mich nur in die Arme, streichelte mir übers Haar und sagte das alles gut wird. Das ich ruhig schlafen kann und mir keine Sorgen machen soll.

Ich erinnere mich an einen Streit den er mit meinen Eltern hatte. "Lasst die Kleine nicht den ganzen Tag zu Hause. Sie ist bestimmt sicher." Meine Mutter war es die am schnellsten antwortete: "Niemand weiß wer dieses Monster ist. Und wo er als nächstes zuschlägt. Was ist wenn der Ripper unser kleines Mädchen nimmt?"
Mir machte es Angst wenn meine Mutter so sprach. Auch wenn ich bereits 20 Jahre alt war, war ich immer noch das kleine zu behütende Mädchen gewesen. Es störte mich nicht....aber manchmal machte es mir Angst. Was mir an diesem Tag aber mehr Angst machte, war mein Bruder der sagte: "Jack wird meiner Schwester schon nichts antun." Mehr sagte er nicht. Er nahm seinen Mantel und ging. Und ließ meine Eltern kopfschüttelnd zurück...und mich voller Angst. Warum war er sich so sicher? Und wieso kam es mir vor als würde er Jack the Ripper kennen?

Es war im Oktober 1888 als mein Bruder das erste Mal von seiner Freundin sprach. Und er sprach nur von ihr, wenn außer mir niemand im Zimmer war. "Vielleicht wirst du Mary Jane ja einmal kennenlernen. Sie ist eine wirklich schöne Frau." Er sprach nur gut von dieser Mary Jane. Und er sagte immer "Meine Freundin Mary Jane" oder "Meine kleine Mary".....er gab ihr Kosenamen, so wie er es bisher mit mir getan hatte. Ich freute mich für meinen Bruder, auch wenn ich ihm versprechen musste niemandem etwas von Mary Jane zu sagen.
Am 8. November 1888 war mein Bruder abends wieder einmal gegangen....wohin wußte niemand. Er nahm seinen Mantel und ging einfach. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen....erst kurz vor Sonnenaufgang schlief ich ein. Ich erwachte erst als mein Bruder neben mir hockte und mir über die Haare strich. "Guten Morgen Schwesterchen. Hab keine Angst, alles wird gut. Ich werde auf dich aufpassen, niemand wird dir wehtun. Ich bin immer für dich da, so wie für Mary Jane." Er wippte etwas vor und zurück und seine Augen waren rot unterlaufen....er wirkte müde, aber grinste wie verrückt. Und immer wieder strich er über mein Haar, berührte meine Arme, streichelte mein Gesicht "Mein kleines Schwesterherz, mein kleines Schwesterherz.....mein Ein und alles, ich werde immer bei dir sein." Ich weiß nicht wie lange er bei mir war....mir kam es vor wie eine Ewigkeit. Als er in sein Zimmer ging fühlte ich mich irgendwie elend. Mir war als wäre alle meine Farbe aus meinem Gesicht gewichen, kalter Schweiß rann mir den Rücken herunter. Und irgendwie wußte ich dass etwas nicht stimmte.
Erst einige Stunden später erfuhr ich von den Neuigkeiten. In der Nacht zuvor war wieder eine Frau bestialisch ermordet worden. Erst jetzt fielen mir die Blutflecken ein, die mein Bruder auf den Schuhen hatte als er morgens bei mir war und erst jetzt als ich den Namen des Opfers erfuhr, klingelte und dröhnte es in meinem Schädel unaufhörlich. Das Opfer hieß Mary Jane Kelly.....Mary Jane.....Mary Jane....wie die Freundin meines Bruders.

Die Morde hörten auf. Warum weiß niemand. Einige Monate nach jenem Novembermorgen ging mein Bruder auf das europäische Festland. Irgendwo in der Schweiz war er an einer medizinischen Fakultät tätig. Ich habe so vieles vergessen wollen wie nur möglich. Viele Dinge habe ich in meinem Kopf in irgendwelchen dunklen Ecken versteckt und hoffte sie kämen nie wieder zum Vorschein. Meinen Bruder sah ich nur einige Male und immer wenn ich ihn sah, glänzten seine Augen und er grinste mich an, er nahm mich in die Arme und flüsterte mir ins Ohr: "Ich bin immer für dich da Schwesterherz. Ich beschütze dich." Und immer wieder strich er über mein Haar. Ich konnte es nicht ertragen, aber ich erstarrte jedes Mal zu einer Säule.

Vorgestern war seine Beerdigung. Sein Herz hatte versagt und einfach aufgehört zu schlagen. Wenn er denn ein Herz hatte. Aber er musste eines haben....denn ich glaube bis heute dass er mich liebte wie man eine Schwester liebt. Und manchmal, auch jetzt wieder, fühle ich seine Hände auf meinem Haar: "Ich bin immer für dich da meine kleine Schwester. Ich passe auf dich auf Schwesterherz." Ich weiß nicht warum er Mary Jane nicht beschützen konnte oder wollte.....oder ob es seine Art war sie zu beschützen und die anderen. Aber an jenem Novembermorgen in meinem Zimmer im Jahre 1888 konnte ich in seinen Augen lesen wer mein Bruder war. Was mein Bruder war. Der Horrorherbst...es war mein Bruder, mein Bruder war Jack the Ripper. Und es waren die Hände von Jack the Ripper die mein Haar streichelten seit ich ein kleines Mädchen war, es waren die Finger Jack the Rippers die mit meinen blonden Locken spielten seit ich ein kleines Mädchen war. Es war Jack the Ripper der mir wenn er nach Hause kam einen Gute-Nacht-Kuss gab.

Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Phil am 21.07.2009 14:55 Uhr

Wow, nicht schlecht...da läuft einem schon der ein oder andere Schauer über den Rücken.
Respekt, Floh  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 22.07.2009 11:07 Uhr
Sehr schön, ja!  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 24.07.2009 16:04 Uhr
Ich hab scheinbar grad meine kreative Phase.
Diesmal geht es nicht so sehr um das "Wer" oder "Warum" sondern eher um "Wo ist er geblieben?" oder auch "Was passierte nach 1888?". Viel Spaß:


Eine unendliche Geschichte?

Mumbai, besser bekannt als Bombay, in den späten 80er Jahren des 19. Jahrhundert. Eine aufstrebende Metropole die Menschen aus ganz Indien und auch aus Europa anzieht. Die Stadt wächst, aber mit ihr auch die Armut in den Elendsvierteln, den weltbekannten Slums der indischen Städte.
Der Hafen von Bombay wird täglich angefahren, von Handelsschiffen die Güter, Handelsreisende und Auswanderer nach Indien bringen. Viele davon bleiben in Bombay. Um 1891 zählt die Stadt bereits über 800.000 Einwohner.

An einem regnerischen Frühlingstag im Jahre 1890 läuft im Hafen von Bombay ein britisches Handelsschiff ein. Es bringt Güter aus Europa nach Indien und soll indische Güter wie Baumwolle nach Europa bringen. Außerdem befinden sich einige Engländer an Bord, Handelsreisende und Auswanderer die ihr Glück in Indien versuchen wollen. Unter ihnen ist ein Mann an den sich später niemand genau erinnern wird. Ein Mann ohne Namen, ohne Gesicht. Er trägt die Kleidung eines Engländers aus der Mittelschicht, er ist unrasiert und wirkt sonst ausgeruht und neugierig auf Indien.

Einige Monate später:
Inzwischen ist es Sommer. An einem schwülen Morgen wird die brutal zugerichtete Leiche einer jungen Inderin gefunden. Sie stammte aus den ärmeren Hafenvierteln der Stadt, wo sie auch gefunden wurde. Ihren Namen konnte man erst einen Tag später herausfinden und ihre Familie benachrichtigen. Der Tod war in diesen ärmeren Vierteln ein bekannter Gast und daher wurde die Nachricht relativ gefasst aufgenommen. Hätte sie nicht der unbekannte Mörder erwischt, dann vielleicht die Seuchen und Krankheiten die Bombay gerade im Griff hatten.
Es vergehen nur wenige Wochen bis die nächste Leiche gefunden wird. Wieder ist es eine brutal zugerichtete Frau, wieder tappt die Polizei im Dunkeln.

Ein Jahr später - im Sommer 1891:
Die verantwortlichen Behörden haben inzwischen insgesamt 10 Morde an Frauen der Unterschicht registriert. Alle Morde wurden äußerst brutal und präzise ausgeführt. Die Körper der Frauen waren verstümmelt und geschändet, teilweise fehlten Organe oder Körperteile. Man entschied den britischen Gouverneur einzuschalten. Das Gespräch mit dem Gouverneur führte Commisioner Gerald Lost und sein indischer Kollege Vigram Singh.
"Gouverneur wir danken Ihnen dass Sie uns empfangen."
"Keine Ursache Mr Lost. Ich hörte es sei dringend und es gäbe Probleme in den Hafenvierteln?"
"Nun ich fände es gut wenn wir direkt zur Sache kommen. Wir haben in den letzten 12 Monaten 10 brutale Morde in den Hafenvierteln untersucht. Es gab zwar sehr viel mehr Verbrechen....aber diese Morde. Nun sie sind sich sehr ähnlich. Es steht außer Frage dass es der gleiche Täter ist. Die Opfer sind immer junge Frauen aus armen Verhältnissen. 8 Inderinen und 2 Engländerinen zählen wir augenblicklich zu den Opfern."
"Morde? Brutal? Was heißt brutal?"
"Nun Mr Gouverneur die Frauen wurden quasi zerstückelt. Ihnen wurden Organe entnommen oder Körperteile abgetrennt. Die fehlenden Teile sind unauffindbar. Der Täter ermordet seine Opfer scheinbar mit einem Kehlenschnitt und fällt dann über ihre Körper her, wie ein Tier."
Der Gouverneur schüttelt angewiedert seinen Kopf.
"Das ist ja grausam. Und wie sind die Fortschritte der Untersuchung?"
"Das ist das Schlimme daran. Es gibt keine Fortschritte. Keine Verdächtigen. Ein paar Menschen wollen einen Mann gesehen haben, die einen beschreiben einen Engländer die anderen einen jüdisch aussehenden Mann. Andere sprechen von einem Amerikaner oder Festlandeuropäer. Ein paar haben auch einen Inder sehen wollen. Er wird als kräftig bis normal gebaut beschrieben, trägt normale Kleidung, oft einen Mantel, die meisten Menschen sagen er träge einen Bart. Manche haben einen Mann mit einer Tasche gesehen. Der Mann benutzt ein scharfes Messer, einer unserer Ärzte sagt der Mann scheine zu wissen was er tut. Vielleicht hat er medizinische Vorkenntnisse. Aber in dieser Stadt trifft auf einige tausend Menschen solch eine Beschreibung zu. Die Taten passieren nachts, manchmal in den frühen Morgenstunden kurz vor Sonnenaufgang. Es gibt keine weiteren Spuren."
Der Gouverneur seufzt und denkt dann einige Sekunden nach.
"Keine Spur? Nichts weiter? Das ist ja eine Horrornachricht. Gibt es Unruhen unter der Bevölkerung?"
"Nein. Die Seuchen sind beunruhigender. Die Menschen sehen in dem Täter zwar durchaus ein Monster...aber sie scheinen andere Probleme zu haben. Trotzdem müssen wir den Täter finden. Und Gouverneur....es gibt noch eine Sache die ich ansprechen wollte. Mr Sing hier...er ist Inder im Dieste der hiesigen Polizei. Er war einer der ersten die mit dem Fall in Berührung kamen. Und er hat eine....nun ja....interessante Entdeckung gemacht."
Der Gouverneur blickt gespannt zu dem kleinen Inder der nun nach vorne tritt.
"Habt Dank dass Ihr uns empfangt Herr. Wie Mr Lost bereits sagte habe ich eine Entdeckung gemacht aus der ich nicht schlau werde. Mr Lost sagte diese Entdeckung müsste schnellstmöglich dem Gouverneur gezeigt werden."
"Nun Mr Singh, dann mal los. Was haben Sie gefunden?"
"Ja Mr Gouverneur sofort. Wir fanden beim letzten Mord einen Zettel. Auf dem Zettel steht etwas in Hindu. Etwas was für mich und keinen anderen der damit in Berührung kam einen Sinn ergibt. Ich habe Ihnen den Zettel mitgebracht und die englische Übersetzung gleich unter den Schriftzeichen hinzugefügt."
"Wer weiß noch von diesem Zettel?"
"Außer mir und Mr Lost noch zwei indische Kollegen. Sie sind der englischen Sprache aber nicht oder kaum mächtig."
"Nun gut dann zeigen Sie mir den Zettel einmal."
"Bitte sehr. Wir dachten erst es wäre ein Scherz. Ein Erkennungszeichen des Täters, vielleicht eine Stelle aus einem Buch oder so. Aber Mr Lost sagte sie würden das lieber selbst prüfen wollen. Sie haben natürlich sehr viel mehr Wissen als wir. Vielleicht sagt Ihnen der Satz etwas."

Der Gouverneur liest die indischen Schriftzeichen und dann die englische Übersetzung. Einmal, zweimal und ein drittes Mal. Er versucht das Staunen und Entsetzen zu verbergen und tatsächlich scheint Mr Singh nicht aufzufallen dass der Gouverneur gerade fast einen Herzanfall bekommen hatte.

"Mr Singh es war gut dass Sie gleich zu Mr Lost gegangen sind. Ich denke es handelt sich bei dem Zettel um einen Streich. Ich glaube nicht dass wir den Täter so schnappen werden. Aber jetzt wissen wir ja dass er eventuell diese Zettel verteilt. Mr Singh sollte wieder so ein Zettel zu finden sein bringen Sie ihn gleich zu Mr Lost. Niemand sonst soll von diesen Zetteln wissen, hören Sie? Mr Lost wird ab heute persönlich für den Fall verantwortlich sein. Bei ihm sind alle Entdeckungen abzugeben. Alles. Sie haben gute Arbeit geleistet Mr Singh, die Krone ist stolz auf sie und wird Sie gut entlohnen! Ich werde mir für Sie eine persönliche Belohung ausdenken. Nun lassen Sie mich bitte mit Mr Lost allein."
Der Inder nickt, bedankt sich artig und verlässt das Zimmer.

"Niemand anderes weiß davon Mr Lost?" Der Gouverneur scheint immer noch leicht geschockt zu sein.
"Nein. Nur Mr Singh und zwei andere Polizisten die dem Schriftzug aber eh keine Bedeutung zugemessen haben."
"Umso besser."
"Was schlagen Sie vor? Die Mannschaft verstärken? Mehr Einheiten auf den Straßen, besonders Nachts?"
"Nein. Nein. Nein. Die haben doch sogar zu Hause versagt. In London hat nichts funktioniert, sogar die Hunde nicht. Niemand darf von unserer Entdeckung erfahren. Es ist irgendein Irrer und wir können nur hoffen dass er bald aufhört. Von mir aus stellen Sie ein paar mehr Polizisten ab. Ab heute sind Sie allein für diesen Fall verantwortlich. Nehmen Sie sich Singh als Ihren persönlichen Assistenten, befördern Sie ihn. Auf ihn müssen wir aufpassen. Er darf von unserer Entdeckung nichts preisgeben. Er darf Sie nicht einmal verstehen."
"Keine Angst. Er weiß nicht was in der Welt vor sich geht. Ihn interessiert nur seine Stadt und vielleicht das Land drumherum. Aber nicht die große Welt. Er hat nie von...ihm gehört."
"Gut. Gut. Um Himmels Willen, warum Bombay? Warum Indien? Hätte er nicht irgendwo anders auftauchen können? In einem anderen Drecksloch? Oder einfach verschwinden? Jetzt haben wir ihn am Bein."
"Vielleicht wird er auch hier irgendwann einfach aufhören. Die Gefahr wird immer größer entdeckt zu werden. Wir müssen einfach hoffen dass es aufhört."
"Ja das ist die einzige Hoffnung die wir noch haben. Nehmen Sie ein paar Verdächtige fest. Irgendwen....dann sieht es so aus als wären wir etwas auf der Spur oder würden zumindest voran kommen."
"Ich habe verstanden Gouverneur. Ich mache mich sofort an die Arbeit."
Mit diesen Worten verläßt Mr Lost das Büro des Gouverneur.

Der Gouverneur sitzt noch einige Minuten kopfschüttelnd und seufzend an seinem Tisch. Immer wieder wandern seine Blicke über die indischen Schriftzeichen und lesen dann den Satz, der fein säuberlich unter den Schriftzeichen geschrieben stand:
Jack is back
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Stordfield am 29.07.2009 16:49 Uhr
Hallo Floh !

Ich finde, dies ist wieder einmal eine gelungene Story von Dir.
Klasse !

Gruß Stordfield
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Secureforce am 22.08.2009 02:06 Uhr
Also was ich nicht schnall und mir nicht in den kopf rein geht aber wieso hat er die frauen ausgeweidet? Das hab ich bis heute nicht verstanden vieleicht kann mir da jemand mal etwas genaueres sagen.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 22.08.2009 20:51 Uhr
Oh - da hat man sich schon oft den Kopf drüber zerbrochen - schau mal zum Beispiel diese Links hier an:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,808.0.html
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1012.0.html
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,935.0.html
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1123.0.html
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,998.0.html

Das Thema taucht immer wieder mal auf und ist eigentlich eng daran geknüpft, welche Motive jeder Einzelne mit den Taten verbindet.  

...und jetzt habe ich gedacht, es kommt mal wieder eine Geschichte...  :icon_aetsch: :icon_cry:

PS: Du hast es nicht so mit Themen erstellen, oder? Stellst eigentlich gute Fragen, aber quetscht die irgendwo rein...seh es doch mal so: Wenn du willst, dass die Nachwelt noch was von deinen Fragen und Beiträgen haben soll, dann müssen die auch auffindbar sein - und zwar da, wo man sie vermuten würde.  :icon_wink:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Secureforce am 23.08.2009 00:33 Uhr
 :icon_mrgreen: ich würde ja gern themen erstellen aber ich hab mich noch nicht so reingefuchst und weiß nicht wie ich das mache. Vieleicht kannst du mir ne kurze hilfe geben.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 23.08.2009 22:33 Uhr
Also dieses "einfach mal auf Themen antworten die gar nichts mit meinem Beitrag zu tun haben"-Methode ist schonmal nicht die richtige. Die ist sogar sehr störend!

Versuch einfach mal dein Thema in 1-2 Stichworten im Suchfenster einzugeben und dann wirst du sehen welche Threads da schon aufgemacht wurden. Und wenn du keinen findest oder die Threads uralt sind, kannst du auch ein neues Thema aufmachen.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 24.08.2009 07:55 Uhr
Jepp - so sehe ich das auch.
Themen erstellen: Gehe auf das Board, in dem du das Thema erstellen willst - in dem Fall am ehesten "Fachliche Themen - Allgemeine Diskussion". Dann siehst Du rechts einen Button "Neues Topic". Draufklicken und so das Thema erstellen - noch eine schöne Überschrift "Weshalb weidete der Ripper seine Opfer aus?", einen kleinen Text und fertig!
Wenn du eine Umfrage starten willst, dann dementsprechend auf "Neue Umfrage" klicken und die Punkte bearbeiten.
Du hast nach dem Erstellen (auch bei deinen Posts) immer noch die Möglichkeit, deinen Beitrag eine gewisse Zeit lang nachträglich zu bearbeiten (editieren).

Aber generell kann man als orientierungsloser Neuling auch mal einen Blick auf die Forumshilfe riskieren.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 16.09.2009 12:27 Uhr
Und nu wieder back to topic!

Die Wissenden

Es war wieder einer dieser Tage die Carl hasste. Er durchforstete die Bibliothek der Universität nach Büchern für eine Facharbeit. Wie oft war er schon durch die Tür gekommen über der in steinernen Lettern in recht alter Schrift "Wissen ist Macht" stand. Zum ersten Mal hatte er diesen Schriftzug 2027 gesehen und sich über den Spruch gewundert. Das war vor 5 Jahren. Seitdem beachtete er den Spruch gar nicht mehr. Zu sehr war er mit seinem Literatur- und Philosophiestudium beschäftigt. Er war froh den Platz an dieser europäischen Eliteuniversität ergattert zu haben, viele seiner Freunde beneideten ihn dafür.

An diesem Tag aber war etwas anders. Das wußte er schon als er aufstand...er wußte nur nicht ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Er sah sich gerade genau die Bücherrücken im Regal für asiatische Philosophie der Antike an, als er hinter ihm ein Geräusch vernahm. Jemand räusperte sich. Er drehte sich um und sah in ein ihm unbekanntes Gesicht. Ein Mann mittleren Alters, vielleicht Ende dreißig sah ihn lächelnd an: "Entschuldigung junger Mann. Vielleicht können Sie mir helfen? Es ist recht leer hier und ich suche jemanden der mir zeigen kann wo in diesem riesigen Gebäude die Abteilung für Naturwissenschaften ist." Carl schaute den Mann etwas irritiert an: "Sie sind kein Student hier oder? Die meisten werden in den ersten Tagen mehrfach durch die Räumlichkeiten geführt...eben weil es so ein riesiges Ding ist."
"Nein", antwortete der Mann, "ich bin Wissenschaftler aus den Staaten und suche ein Buch dass auf dem Markt nicht mehr zu bekommen ist. Ich weiß dass es hier mindestens eine Ausgabe gibt. Es handelt sich um ein recht altes Buch über den menschlichen Körper wie ihn das christliche Mittelalter gesehen hat."
Carl lächelte: "Nun ich bin kein Biologe oder Historiker. Ich studiere Philosophie und Literatur...aber die naturwissenschaftliche Abteilung ist auf der 2. Etage. Einfach die Treppe rauf und links halten. Dort müsste ihnen auch jemand helfen können, auf jeder Etage gibt es eine Information. Sonst nutzen Sie die Computer am Eingang, der Treppe oder auf den einzelnen Etagen...dort sind so gut wie alle Bücher mit Titel und Standort vermerkt."
Der Fremde bedankte sich und ging in Richtung 2. Etage. Als Carl sich schon wegdrehte bemerkte er Cassandra, die ihm entgegenkam und in ihrer typischen südeuropäischen Art rief: "Hey Carl, versinkst du wieder in den Büchern und saugst alles Wissen auf?" Sie lachte und auch Carl lächelte. Aber er keiner der Beiden bemerkte wie der Fremde sich am Treppenabsatz umdrehte, innehielt und die beiden beobachtete. Er konnte genau höre was Cassandra rief und er konnte sehen dass es der freundliche Mann von eben war, den sie meinte.
"So so ein Hungriger. Wer fragt dem soll Antwort gegeben werden", sagte der Fremde leise und lächelte. Eigentlich war er wirklich nur zu Forschungszwecken hier...aber Frischfleisch für die Organisation wäre ein netter Beigeschmack.

Es vergingen ein paar Stunden, die Carl mit dem Wälzen von Büchern verbrachte. Er machte sich seine Notizen, schrieb Quellenangaben für seine Facharbeit auf und schrieb Bücher auf die er sich für weitere Recherche ausleihen wollte. Als er schließlich fertig war, war es Nachmittag und das Wochenende stand vor der Tür. Er packte seine Sachen, gab den Zettel mit den ausgeliehenen Büchern ab und  schritt Richtung Ausgang. Als er gerade das Gebäude verließ, vernahm er hinter sich eine Stimme. "Entschuldigung? Warten Sie bitte. Ich wollte mich noch bedanken." Der Fremde vom Vormittag! "Oh dafür nicht", sagte Carl. "Doch doch. Ich würde Sie gerne auf einen Kaffee im Cafe einladen. Es ist ja gleich eins um die Ecke nicht wahr?". Eigentlich fand Carl die Idee gar nicht mal schlecht. Eine Einladung zum Kaffee wäre eine willkommene Abwechslung zum Büffeln dass ihm bevorstand. Und so willigte er ein und die beiden setzten sich an einen Tisch im Cafe und bestellen ihre Getränke.
"Darf ich fragen was Sie dazu brachte Literatur und Philosophie zu studieren?", fragte der Fremde.
"Nun es hat mich schon immer interessiert was andere Menschen im Leben sehen. Wie sie die Welt, die Menschen, das Leben, das Schicksal, Gott und alles Andere sehen. Ich bin selbst ein wissbegieriger Mensch und habe vielleicht nach Antworten gesucht, die mir selbst neu waren. Oder Ansichten die ich noch nicht kannte oder kenne. Aber Sie werden auch einen Grund gehabt haben Biologe zu werden oder?"
Der Fremde lachte: "Ja da haben Sie Recht. Ich fand die Naturwissenschaft und insbesondere den Aufbau der Lebewesen immer sehr spannend. Die Funktionsweise des Körpers. Eine wahre Fundgrube von Wundern und offenen Fragen."
"Haben Sie denn das Buch gefunden dass Sie so interessierte?"
"Ja habe ich. Es ist nicht leicht zu finden, weil es alt und selten ist. Aber ich hatte Erfolg. Wie gesagt ein Buch über den menschlichen Körper wie das Mittelalter ihn gesehen hat."
"Und wozu brauchen Sie es, wenn mir die Frage erlaubt ist?"
"Das ist recht einfach. Ich schreibe in einem Fachmagazin eine längere Artikelreihe über den menschlichen Körper im Laufe der Zeiten. Begonnen habe ich mit der Antike, den Griechen, Römern, Ägyptern, Babyloniern und anderen. Dann folgten die vormittelalterlichen Völker und die asiatischen Völker. Im vierten Artikel nun das westliche Mittelalter. Dazu benötigte ich dieses Buch."
Carl lächelte: "Nun für mich kein spannendes Thema. Ich befasse mich momentan eher mit asiatischer Philosophie. Den Lebensweisheiten von Buddha bis Zarathustra."
Der Fremde lehnte sich etwas vor, schaute Carl in die Augen und wurde auf einmal sehr ernst: "Sagen Sie, wenn ich mir diese Frage erlauben darf: Welche Fragen werfen sich ihnen auf, nachdem Sie diese Bücher gelesen haben und welche Antworten bekamen Sie?"
Carl war etwas irritiert...nicht zum ersten Mal an diesem Tag und in Bezug auf diesen Mann.
"Welche Fragen? Nun einige. Die asiatischen Weisheiten waren eigentlich recht eindeutig und trotzdem ist die Befolgung schwer....so scheint es jedenfalls. Auch die Weisheiten Chinas konnten keine Kriege verhindern, verstehen Sie? Eigentlich wirft Philosophie doch mehr Fragen auf, als sie beantwortet."
"Stört Sie das nicht? Oder suchen Sie stets nach den Antworten?"
"Vielleicht ja. Irgendwo muss es die Antworten doch geben."
Das war wie ein Stichwort. Es gab Schlüsselsätze, Schlüsselwörter. So lernten sie es. Ein Mensch kann nur als Suchender gelten wenn er bestimmte Fragen stellt, bestimmte Sätze sagt oder Wörter benutzt. "Irgendwo muss es eine Antwort geben" war so ein Satz. Der Mann lächelte. Er lehnte sich zurück, schaute in den Himmel und sagte dann: "Wenn ich Ihnen die Möglichkeit geben würde, alle Fragen oder zumindest den größten Teil all Ihrer Fragen beantworten zu können oder Ihnen nur den Ort zeigen würde an dem Sie diese Antworten finden...würden Sie mitkommen? Würden Sie sich trauen diesen Ort aufzusuchen? Die Antworten zu finden nach denen Sie suchen?"
Das hatte gesessen! Carl musste schlucken. Dann lachte er...irgendwie war diese Situation äußerst komisch. Sollte er jetzt Angst haben? Oder war das hier ein Witz? Würde er ihm jetzt von irgendwelchen geheimen Orten erzählen? Oder von verbotenen Büchern die im Vatikan oder unterm weißen Haus schlummern?

Der Fremde wartete bis Carl's Lachen abflachte. Dann sprach er ruhig weiter: "Das mag für Sie alles unecht wirken. Irgendwie komisch und zugleich beängstigend. Aber ich möchte Ihnen etwas geben."
Er nahm eine Visitenkarte aus seiner Brusttasche und gab sie Carl. Thomas P. Borrow stand darauf, eine E-Mail Adresse, sowie einige Telefonnummern. "Sie können gerne nach mir googeln oder die University of Columbia nach mir abklappern. Aber bevor Sie das tun möchte ich dass Sie etwas in Erfahrung bringen. Nicht für mich, sondern für Sie! Der Spruch über der Tür zu der großen Bibliothek, von wem stammt er und woher kommt er? Und wenn Sie die Antwort gefunden haben, dann recherchieren Sie die Antwort. In Büchern, im Internet, wo Sie wollen. Danach können Sie mich anrufen oder die Karte wegwerfen. Danke noch einmal für Ihre Hilfe. Ich werde jetzt gehen und die Getränke zahlen."

Mit diesen Worten verschwand der Fremde. Carl war sprachlos, sah den Mann der Bedienung Geld geben und das Gebäude verlassen. Nun wußte er ganz sicher: Dieser Tag WAR komisch.

Nach einem recht schlaflosen Wochenende, hatte er ein paar Antworten gefunden. Gelernt hatte er nicht, seine Facharbeit musste jetzt etwas warten...aber er hatte sich über andere Dinge informiert. Der Spruch "Wissen ist Macht" war einer der Lieblingssprüche vom Erbauer der Universität, die bereits einige hundert Jahre alt war. Nur die Bibliothek hatte diesen Spruch über ihrer Tür stehen, weil der Erbauer glaubte in den Büchern wäre das Wissen gebündelt und somit auch die Macht des Wissens. Über den Mann, der auf den Namen Theodor von Gutensen hörte, fand er ansonsten nicht viel. Er war Gelehrter, Historiker und Theologe, kam aus reichem Elternhaus und hatte die Universität mit anderen Gelehrten im späten 17. Jahrhundert gegründet. Er war, obwohl aus gläubigem Elternhaus, sehr kirchenkritisch und liberal. Er hatte sich besonders Feinde bei den Klerikern gemacht, aber ansonsten war es recht ruhig um ihn. Allerdings fand Carl auch überall stets Randnotizen. Dort war immer die Rede von einer Art Geheimgesellschaft der Gutensen angehören sollte. Manche sprachen von einer Art Gemeinschaft von Kirchengegnern, andere sprachen von einer Art Geheimbund oder Geheimorden und andere sprachen von Wissenschaftsverbänden. In einer Nachschrift über ihn soll es geheißen haben "er gehörte den Wissenden an".

Also doch ein Geheimbund? Ein geheimer Orden des Mittelalters? Oder ein Verband von Wissenschaftlern und Professoren? Carl's Interesse war geweckt und er nahm sich vor die Karte von dem Fremden nicht wegzuschmeißen.

Es vergingen ein paar Monate und er hatte den jungen Studenten schon fast vergessen, als das Telefon klingelte. Er nahm den Hörer ab: "Thomas Borrow, guten Tag". Einen Moment Stille...dann: "Guten Tag Mr. Borrow. Vielleicht erinnern Sie sich...Sie haben mir vor ein paar Monaten Ihre Karte gegeben. Mein Name ist Carl und...nun ich habe ein paar Antworten über "Wissen ist Macht" gefunden...und über von Gutensen."
Borrow lachte....also hatte er doch Recht gehabt. Er hatte einen Suchenden gefunden!
"Mr Carl...es freut mich dass Sie anrufen. Möchten Sie noch mehr Antworten haben...dann sollten wir uns treffen!"
"Ich habe wenig Zeit, aber gerade sind Semesterferien. Aber Geld für einen Flug nach Amerika...."
"Machen Sie sich keine Gedanken darüber. Wir treffen uns nicht in Amerika....was ist Ihnen lieber? Frankfreich, England oder vielleicht Italien? London....genau...wie würde Ihnen London gefallen?"
"Nun das ginge in Ordnung. Aber wo in London treffen wir uns? Die Universität? Und wann?"
Es vergingen einige Minuten in denen alles weitere geklärt wurde. Borrow würde Carl in London treffen....und zwar schon in 2 Wochen.


London - 2 Wochen später


Sie hatten bewußt in das gleiche Hotel eingecheckt. Getroffen hatten sie sich aber im British Museum. Während sie durch die Gänge des Museums schlenderten, besprachen sie Einzelheiten. Carl erfuhr dass es tatsächlich eine Art Geheimgesellschaft gab, diese aber weder den Vatikan noch irgendeinen Staat stürzen will oder sonst etwas tun will. Es handelte sich schlicht um eine Gesellschaft die Wissen sammelt. Genaueres erfuhr Carl erst einmal nicht. Sollte er Teil der Gesellschaft werden wollen und würde er aufgenommen....dann erst würde er alle Geheimnisse kennen und alle Antworten finden. Carl war schon viel zu tief drin um noch auszusteigen....er war sich sicher dieser Gesellschaft beitreten zu wollen.
Und einige Tage später sollte es offiziell soweit sein. Er musste ein Gespräch mit einem höheren Bruder der Gesellschaft über sich ergehen lassen und würde dann später feierlich aufgenommen werden. Keine Zeremonie in Roben oder Kutten an einem geheimen Ort....aber es gab ein kleines Aufnahmeritual in Form eines kleinen Banketts unter den in London und Umgebung verweilenden Brüdern und Schwestern.

Carl war bereits sehr aufgeregt als er den obersten Londoner Bruder der Gesellschaft kennenlernte....den Chef des britischen Teils der Gesellschaft. Erst einmal gab es kurzes Geplänkel und Hände schütteln. Ein paar Freundlichkeiten wurden ausgetauscht, bevor es ernst wurde.

"Weißt du Carl, dieser Orden ist sehr alt. Uns gibt es seit dem Mittelalter, zu der Zeit als nur in den Kirchen das Wissen lag....dort lagen die Bücher die dem Volk nicht zugänglich waren. Die Kirche ist also Schuld dass es uns gibt. Wir wollten dass all dieses Wissen jedem zugänglich ist. Erst spät erkannten wir dass dieses Wissen auch Macht bedeutete. Sehr viel Macht. Heute teilen wir unser Wissen nicht mit allen. Vieles halten wir für uns, weil wir es für gefährlich halten wenn es die gesamte Menschheit weiß. Nicht alles ist für jeden gedacht. Trotzdem halten wir die Geheimniskrämerei von Politik und Kirche für schlecht. Irgendwann müssen die Menschen die Antworten erfahren."
"Aber was für Antworten Bruder? Die Antworten auf alle diese Fragen? Warum wir leben? Ob es Gott gibt?"
Der Obere lachte: "Nein. Wir sind nicht allwissend und werden es nie sein. Aber es gibt andere Antworten die wir haben und die uns Macht über andere geben. Wir wissen was in manchen Büchern steht, die der Vatikan in seinen geheimen Archiven verschlossen und vergessen glaubt. Wir wissen von Geheimnissen die Staaten ihren Bürgern vorenthalten. Egal in welcher Ecke dieses Planeten. Weißt du ob Stalin nicht ermordet wurde? Wir wissen es....und vielleicht kennen wir ja sogar den Mörder?"
"Ich verstehe. Alle diese Geheimnisse die manche vor uns haben. Konnten Sie vor der Gesellschaft nicht verheimlichen. Vielleicht wißt ihr wer JFK ermordet hat? Was in Area 51 zu finden ist?"
"Sei dir sicher darauf hat die Gesellschaft eine Antwort ja. Komm mit. Ich zeige dir ein paar Antworten."

Die beiden gingen in einen großen Saal, vollgestopft mit Büchern, weit unten im Keller eines unscheinbaren Hauses.
"Hier finden sich ein paar Antworten. Die meisten haben mit England zu tun, mit dem britischen Empire."
"Darf ich?" fragte Carl und zeigte auf ein Buch mit dunkel rotem Buchrücken.
"Natürlich. Du wirst bald zu uns gehören....aber bitte öffne es nicht. Öffnen dürfen es nur echte Mitglieder. Brüder und Schwestern der Wissenden. Das wirst du aber erst morgen sein."
"OK."
"Aber nimm dir das Buch ruhig. Was steht drauf?"
"Moment....JtR. Hm....was heißt das?"
"Oh du hast ein paar interessante Niederschriften in der Hand. Das ist die Lösung zu einem sehr dunklen Kapitel der englischen Kriminalgeschichte. Dadrin stehen nicht nur alle Opfer, alle Zeugen...nein dort steht auch der wahre Täter im Fall von Jack the Ripper."
"Ihr meint....ihr wisst wer der Schlitzer von London war?"
"Ja wissen wir. Uns ist alles bekannt was viele Menschen schon seit langer Zeit beschäftigt. Wie, warum und wer!"

Ein kalter Schauer jagte Carl den Rücken herunter. In seinen Händen fand sich also die Lösung für ein echtes Krimirätsel. Die traurige Gewissheit wer es war. Wer 1888 arme Frauen in London auf brutalste Art und Weise ermordete. Auch wenn er sich nie mit diesem Fall großartig beschäftigt hatte....er wußte davon. Er wußte dass er etwas in Händen hielt, für das manch einer wahrscheinlich über Leichen gehen würde....auch wenn das ein sehr schlechtes Bildniss in diesem Fall war.
Gleichzeitig wußte Carl dass ihn nichts mehr aufhalten konnte. Er wollte nun endgültig einer von Ihnen sein. Einer der "Wissenden", wie sie sich selbst nannten mit ihrem Wahlspruch "Wissen ist Macht. Er wollte alle diese Antworten. Und dazu gehörte nun einmal auch der wahre Name von einem der schlimmsten Verbrecher der Vergangenheit. Dazu gehörte die eindeutige Antwort auf die Frage: "Wer war Jack the Ripper?"
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Stordfield am 16.09.2009 18:21 Uhr
 :SM023: :icon_thumb: :icon_thumb: :icon_thumb:

Super, Floh! Ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert.
Wenn Du die ganzen Geschichten einmal in einem Buch veröffentlichst, bin ich einer der ersten Käufer.

Gruß Stordfield
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 16.09.2009 21:59 Uhr
Ich weiß ja nicht ob man für solche Kurzgeschichten nen Verleger findet....aber ich werde dich dran erinnern, falls es mal soweit sein sollte ;) ;)
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 17.09.2009 08:17 Uhr
Wenn du das aus Passion machst und auf das Geld pfeifst - Book on Demand is zumindest ne (Einstiegs-) Möglichkeit.  :icon_wink:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Michael Dawn am 17.09.2009 15:54 Uhr
Informier dich lieber erst bei den Literaturagenturen. Ich kenn das > Stress mit Manuskripten und Verlägen

Gruss Michael Dawn
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Larkin am 17.09.2009 18:34 Uhr
Hallo!
@Floh
Super Geschichte! Respekt  :icon_thumb:
@Michael
Wie, du kennst das? Bist du ein Schriftsteller oder so was?!?

Liebe Grüße,
Larkin ;)
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Michael Dawn am 17.09.2009 19:15 Uhr
@Michael
Wie, du kennst das? Bist du ein Schriftsteller oder so was?!?

So etwas ähnliches. Auf jeden Fall hab ich Erfahrung damit und mann sollte vorsichtig sein bei manchen Verlägen und Agenturen


Grüsse

Michael
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Michael Dawn am 18.09.2009 20:00 Uhr
Hier mal eine Antwort auf deine Frage Larkin  :icon_thumb:

Ich dachte ich poste mal n Auszug aus dem nächsten Roman (Ich überleg mir noch ob ich ihn anfange oder nicht)
Über ein Feedback würde ich mich sehr freuen.
Eigentlich wollte ich es gar nicht posten weil ich selber damit irgendwie nicht zufrieden bin. Und los gehts....

Der Manhatten Ripper

Die Strahlen der untergehenden Sonne verblassten über Manhatten und der Abschaum der Nacht kam aus ihren Löchern gekrochen
wie eine Herde tollwütiger Hunde auf der Suche nach frischem Fleisch.
Trickdiebe die ihre schmutzigen Finger täglich nach neuen Geldbörsen austreckten und vor keiner Dreistigkeit zurückschreckten.
Vergewaltiger und Triebtäter, Raubmörder und Gangs die in manchen Stadtteilen ganze Strassen beherrschten. Alle waren sie aus ihrem Versteck
gekommen. Manhatten war in dieser Nacht wieder überfüllt von gesetzlosen. Von Zuhältern und Frauen die ihren Körper für ein wenig Geld verkauften.
Das Rotlichtmilliue sah aus der Vogelperspektive aus wie ein blutroter Streifen und die Männer waren auf der Suche nach ein wenig Sex und Kokain.
Im inneren der Stadt pochte die Ader der Kriminalität wie das Herz eines Neugeborenen und irgendwo dort draussen war ein einsamer
Schatten auf der Suche nach einer Frau. Einer Frau für die Nacht.
Er durchstreifte eine Seitengasse und ging vorbei am Abschaum, der auf den Strassen lag und richtete seinen Blick auf unzählige Penner
die ihr Quartier für die Nacht in Papkartons bezogen.
In den Pfützen spiegelte sich der Charakter dieses Viertel wieder. Spritzen und Nadeln schwammen darin wie ein unscheinbares Boot
auf dem Ozean der Verzweiflung. Wie lange würden sie noch dieses beschissene Gift von Mensch zu Mensch weitergeben?
Ihre Kinder damit vergiften, die bereits bei ihrer Geburt den Stempel des Elends und das Pattent des Verbrechens auf ihre nackte Haut
gebrannt bekamen.
Die Gullideckel, der dunklen Passage die er durchquerte, spuckten dicken Rauch aus als ob sie sich über den stinkenden Kot und die Pisse der von Krankheiten
Verseuchten beschweren wollten.
Dort unten tief unter der Kanalisation lagen die Wurzeln dieses Stadtteils, die wie ein krankes Geschwürr in einem gesunden Körper hausten.
Das verlangen des Fremden war gross, heute Nacht eine Frau zu finden die seinen Vorstellungen entsprach und so begab er sich auf den Weg und hatte bald
gefunden was er suchte.
Vor einer schmalen Seitengasse an der Strassenlampe lehnte eine junge Frau die einen kurzen Minirock trug und eine Hautenge Strumpfhose zeichnete sich auf
ihren Beinen ab. Ihr Oberteil war ein pelziger Pullover mit einem Reissverschluss, was sie darunter trug war nicht zu sehen und um ihren Arm hing
eine Handtasche. Sie hatte eine braune Lockenmähne auf dem Kopf und war aufgepeppelt wie eine dieser typischen Prostituierten.
Ihr Blick wanderte zu dem Fremden der stehen geblieben war und ein verführerisches, einladendes lächeln trat auf ihren Lippen hervor.
"Suchst du etwas kleiner?" fragte sie und kam auf ihn zu.
"Vielleicht habe ich es schon gefunden," sagte der Fremde mit ruhiger, zurückhaltender Stimme.
"Möchtest du mitkommen?" deutete sie mit ihrem Kopf in das dunkel der Gasse.
"Dort wird uns niemand stören." Dann warf sie ihre Kippe auf den Gehweg und trat sie mit ihrem Stöckelschuh aus. Der Fremde folgte ihr in die Dunkelheit
hinein und blieb dabei immer zwei Schritte hinter ihr.
Sie kamen zum stehen vor einem Müllcontainer und als die Augen des Unbekannten durch die Gegend blickten, war nirgends jemand zu sehen. Nicht mal einer
von diesen Pennern die normalerweise hier die Nacht verbrachten.
"Also," begann sie ihre Handtasche abzulegen und das Knistern ihres Reissverschlusses war zu hören. Er blieb stehen und sah sich an was unter ihrem Pullover
verborgen lag. Nackte Haut und rosarote Nippel erregten ihn so derart das er die Hand in seiner Hosentasche verkrampfte.
Die andere Hand näherte sich ihrem Gesicht und streichelte ihre Wangen. Dann bewegte sie sich zum Hals und die spitzen seiner Finger fuhren über ihren Kehlkopf
während die andere Hand aus seiner Hosentasche ihre entblösste Brust berührte.
Dann lehnte sie sich gegen den Müllcontainer und spreitzte ihre Beine im Stehen. "Ich weiss doch was dir gefällt, Kleiner." Sie sollte ihn nicht "Kleiner" nennen.
Die Hand an ihrem Hals verwandelte sich in einen leichten Griff. "Du magst es also hart ja?" fragte sie frech. Keine Antwort und der Griff wurde fester.
Sie rang nach Luft und schlug alarmierend mit den Armen auf die Brust des Fremden ein. Sein Griff mutierte zu einem Würgegriff und ein schwarzes Tuch legte
sich über ihr Bewusstsein. Da lag sie noch halb bei Bewusstsein als er seinen Griff kurz gelöst hatte. Er war aufmerksam geworden als hinter einem
Müllcontainer der nicht weit von diesem entfernt war ein rascheln zu hören war. Eine Ratte überquerte die Gasse und verschwand in der Dunkelheit.
Die Frau sprang hastig auf und schaffte es an ihrem Freier vorbeizukommen. Er hielt ihren Pullover in der Hand und fluchte.
Er fühlte sich wie ein Fass mit Pulver gefüllt, das mit Feuer in Berührung kam. Dann begann er sie zu verfolgen und das Adrenalin machte sich im Körper bemerkbar.
Sowohl in dem des Jägers als auch der Gejagten die in ihrer panischen Angst einen verzweifelten Hilfeschrei austiess. Niemand konnte sie hören.
Sie war gestürzt und mit dem Gesicht in eine Pfütze gefallen. Ihr Blick spiegelte sich im Wasser und das letzte was sie sah war die blinkende Klinge
die der Fremde gezogen hatte.

Grüsse


M.D
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Larkin am 19.09.2009 22:54 Uhr
Hallo Michael!
Ich weiß gar nicht was du hast - die Geschichte liest sich flüssig und spannend ist sie auch.
Zitat
Die Gullideckel, der dunklen Passage die er durchquerte, spuckten dicken Rauch aus als ob sie sich über den stinkenden Kot und die Pisse der von Krankheiten
Verseuchten beschweren wollten.
Genau diese Art von Schreibstil will ich haben! Da macht das Lesen Spaß und besser vorstellen kann man sichs auch ;)
Wäre schön, wenn du weitere Kurzgeschichten hier reinstellen würdest - ich will mehr! :laugh:

Liebe Grüße,
Larkin ;)
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 21.09.2009 13:36 Uhr
Ich kann mich nur anschließen - schreib nur weiter so, Michael!  :icon_thumb:

Es gefällt mir auch, wie Du alle Sinne in die Geschichten einbeziehst. Wie Larkin schon meinte, kann man sich dann alles besser vorstellen.  :icon_wink:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 21.09.2009 13:53 Uhr
Ich finds auch gut!  :icon_thumb:
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 05.10.2009 11:43 Uhr
Für Michelle

In den Medien sieht man ein Gesicht.
Das Gesicht eines kleinen Mädchens.
Ihre Augen strahlen. Auf ihren Lippen liegt ein glückliches Lachen.
Der Moderator spricht von einem grausamen Mord.
Man denkt sich: „Wie schrecklich! Wie kann man nur so etwas tun?“
Und wendet sich kurz darauf anderen Gedanken zu.

Denn die Tiefe eines Verbrechens ist einem nicht bewusst.

Man sieht nicht in die Augen des Kindes, muss nicht die Angst mit ansehen, die es ausstehen muss. Wenn dieser Mensch zum ersten Mal in seinem Leben dem Bösen gegenüber steht, zum ersten Mal in seinem Leben einer grausamen Realität in das Auge blickt. Wenn das Kind dem kalten Ausdruck des Täters machtlos ausgeliefert ist. Wenn die heile Welt zerfällt, Vater und Mutter unerreichbar scheinen – alleine gelassen, ausgeliefert, machtlos. Stein für Stein die Mauer zerfällt…plötzlich etwas anderes Einzug hält in das sorgenfreie Erleben aus fröhlichen Tagen mit den Freunden und unbeschwertem Kinderlachen.
Man hört nicht die lauten und die leisen Schreie der Panik, schrill und die Luft zerschneidend.
Wenn aus Ungewissheit Gewissheit und Angst wird. Wenn ein Kinderherz zerbricht, sich in sein Schicksal fügt - Dinge geschehen, die es nicht einordnen und begreifen kann.
Plötzlich ein Fremder über einen herrscht.
Die Kontrolle entgleitet.
Wenn man noch einmal an seine Freunde denkt…an seine beste Freundin, an die Mutter, an den Vater, an die Geschwister…die Großmutter und der Großvater…wenn sie doch nur hier wären. Wenn man sie doch nur in die Arme schließen könnte, aus diesem Geschehen ausbrechen könnte. Ja, wenn es doch nur ein böser Albtraum wäre und man unbeschadet in seinem Kinderbett aufwacht, von der Mutter getröstet wird und sich ausnahmsweise einmal bei den Eltern in das Bett kuscheln darf. Und frühs nach dem Frühstück in die Schule gehen könnte…

Aber da ist dieser Mensch. Dieser kranke Mensch, bei dem irgendetwas schief gelaufen ist. Der aus irgendeinem Grund anders auf manche Sachen reagiert als andere, der in eine andere Welt abgedriftet ist, irgendwann einmal – wahrscheinlich weiß er es selbst nicht mehr.
Und dieser Mensch möchte das Kind zerstören. Er möchte die Träume zerfetzen, das junge Leben in Angst sehen. Die unschuldige Seele schänden. Sich an den Tränen ergötzen, die es still und leise vergießt…

Und darüber hinaus wird er die Eltern brechen. Er wird ihren Glauben an eine heile Welt vernichten. Sie werden tagelang, wochenlang weinen. Schweigen. Kollabieren. Sie werden niemals wieder die Gleichen sein. Die Wunden werden sich niemals schließen. Das Bild der lachenden Tochter wird fortbestehen und sie bis an das Ende ihrer Tage begleiten.

Reden wir nicht über die Freunde des Mädchens. Über die anderen Kinder des Dorfes. Über die vielen Mütter und Väter, die durch die Nachrichten ängstlicher werden…ihre Kinder noch mehr kontrollieren wollen – und diese es nicht verstehen. Was ist das Ausmaß einer Tat? Ist es wirklich „nur“ dies eine Menschenleben?



...und dann ist da der Täter, der neuneinhalb Jahre hinter Gittern muss – und mit spätestens 28 wieder frei ist, ein ganzes Leben noch vor sich hat.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Stordfield am 05.10.2009 12:02 Uhr
...und dann ist da der Täter, der neuneinhalb Jahre hinter Gittern muss – und mit spätestens 28 wieder frei ist, ein ganzes Leben noch vor sich hat.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 11.12.2009 16:44 Uhr
Und mal wieder was von mir. Ein wenig unpassend so vor der Weihnachtszeit...aber vielleicht ja doch passend zu kalten Winternächten ;)
Viel "Spaß"!

Die Quelle des Bösen



Kalt waren die Fliesen. So kalt. Ab und zu hörte man das Schlurfen von Schuhen oder ein leises Klicken, wenn jemand die Tür überprüft. Seit wann war er hier drin? Er hatte versucht die Tage und Nächte zu zählen, aber hier gab es nur ein kleines, verdrecktes Etwas dass ein Fenster darstellen sollte. Er konnte irgendwann nicht mehr wirklich erkennen wann Tag und wann Nacht war. Dazu das Summen des Lichts. Dann wieder klackende Geräusche, wenn ihm eine Masse vorgesetzt wurde die seinen Magen zwar füllte aber wie Pappe schmeckte.

Er schlief schlecht...die Einsamkeit war kaum zu ertragen, er hatte ja nicht einmal Alkohol um diese Leere zu betäuben. Seine Pritsche war hart und ungemütlich. Der Stuhl und der kleine Beistelltisch waren morsch und wirkten als wären sie schnell und sehr amateurhaft zusammengebaut worden. Nichts an diesem Ort war freundlich, warm oder menschlich. Es war ein lebensfeindlicher Ort, ein kalter Ort, ein toter Ort. Aber so sollte es wohl sein. So musste es sein...dass musste die Strafe für ein Monster wie ihn sein.

Als er diese Frauen tötete verspürte er etwas...er hatte es nie wirklich einordnen können. Lust? Befriedigung? Rache? Wahn? Irgendetwas. Irgendetwas machte irgendetwas mit ihm. Und dieses Etwas tat es genau dann, wenn er mit seinem Messer das Fleisch dieser Frauen auseinanderschnitt. Die Brutalität seiner Taten...war sie ihm bewußt? Er hatte die Bilder im Kopf und manchmal reagierte sein Körper wenn diese Bilder kamen. Er zitterte vor Erregung oder bekam einfach Heißhunger....Hunger auf einen weiteren Mord.
Aber das war Geschichte. Hier würde er nie wieder herauskommen.

An jenem Tag, er glaubte dass es Abend war, kamen die Bilder sehr deutlich. Er hatte gerade seine Mahlzeit zu sich genommen als es soweit war.
Die Bilder kamen wirr und zufällig. Keine Reihenfolge. Kein logischer Film mit genauem zeitlichen Ablauf.

Ein Bild von einer Prostituierten die er geschändet und getötet hatte. Dann ein Bild aus seiner Schulzeit. Dann das Bild seiner kleinen Schwester die er stolz in seinen Armen hielt, als sie gerade geboren war. Dann Blutflecken und Gedärme eines seiner Opfer. Dann das Gesicht seiner Mutter, als sie einen ihrer Wutanfälle hatte.
Die Bilder kamen wie Schläge mit einem Hammer. Und sie trafen. Jeder einzelne Schlag traf. Aber er spürte nichts.

Er empfand nichts als er die Bilder seiner Opfer sah. Als er sah wie er sich über sie beugte. Er fühlte nichts  als er das Bild seiner Festnahme sah. Als sie ihn anklagten und in diese Anstalt steckten. Weil er versucht hatte eine Frau zu schänden und wahrscheinlich zu töten. Einmal war er unvorsichtig gewesen. Früher hatte er sich über dieses Bild geärgert….jetzt spürte er nichts.

Er schloß die Augen. Das tat er immer wenn die Bilder in großer Flut kamen. Er spürte etwas warmes an seiner Wange. Dann sah er das Bild seiner Mutter die ihm mit voller Wucht und der geschlossenen Faust ins Gesicht schlug. Er spürte etwas an seinem Bein, einen brennenden Schmerz und sah das Bild seiner kleinen Schwester die ihn auf Befehl ihrer Mutter mit einem geknoteten Strick verprügelte, weil ihr großer Bruder sie nackt gesehen hat. Dass es ein Unfall war und er nur zufällig das Zimmer betrat als seine kleine Schwester sich umzog glaubte ihm damals keiner.
„Männer sind ekelhafte Schweine“ pflegte seine Mutter zu sagen. „Bestrafe ihn, bestraf deinen Bruder…diesen Haufen Dreck“. Seine Schwester war gerade einmal 16 Jahre alt und er war 21…aber sie prügelte ihn wie ein Kind, während Mutter einfach dastand und lachte.
All diese Bilder waren da, als wären sie gerade passiert, als stünde er davor. Als erlebe er das alles noch einmal. Aber er spürte nichts. Er spürte den Schmerz als Schmerz, er spürte das Brennen, die Wärme. Aber sonst nichts. Da war einfach nur Leere. Und er begann sich zu wundern.

Seine Hand streifte eine kalte Fliese. Die Bilder gingen und wurden zu blutend roten Bildern. Zu Bildern des Todes. Als er mit seinen Händen die noch warmen Brüste einer Frau anfasste, die er gerade geschlachtet hatte. Als er die langsam erkaltenden Lippen befingerte und seinem Opfer dann mit voller Wucht das Messer in den Bauch rammte. Er spürte die Wärme der Innereien an seinem Arm. Er spürte das Pulsieren der Adern, kurz bevor er eines seiner Opfer erwürgte. Er spürte die Nackenhaare eines anderen Opfers, als ihr klar wurde dass sie sterben würde.
Er spürte all das. Aber er fühlte nichts. Es blieb die Leere in ihm.

Seine Hände wanderten über die kalten Fliesen. Manchmal fühlten sie sich feucht an. So wie es nach Schimmel, Kot und Urin stank war das wohl auch kein Wunder. An den Gestank konnte man sich gewöhnen. An den Gedanken an diesem Ort zu leben eigentlich nicht. Aber immer wieder sagten ihm seine Bilder dass er hier richtig war….oder zumindest dass dies das Ende seiner Geschichte wäre. Das logische Ende.
Ein Bild kam ihm in den Sinn:
Das Gesicht eines freundlichen, alten Mannes. Er wohnte eine zeitlang in der Nähe seiner Familie. Manchmal gab der alte Mann ihm etwas Kleingeld oder etwas zu essen. Er war auch einer der armen Leute…aber er war immer freundlich und hilfsbereit. Einmal hatte der Mann ihn getröstet als er weinend an einer Straßenecke saß. „Weißt du,“ hatte der Mann gesagt „alles geht seinen Weg. Das Wasser fließt aus der Quelle in den Fluß und vom Fluß ins Meer. Niemand wird das ändern können. Das ist der Weg des Wassers. Und so haben auch wir alle unseren Weg bis ans Ende zu gehen, so schwer er auch ist.“
Er erinnerte sich an die Worte noch sehr gut. Er hatte aufgehört zu weinen und sehr lange über diese Worte nachgedacht. Aber das war alles lange her. Und auch dieses Bild tat nichts mit ihm. Die Leere blieb weiterhin.

Die Bilder kamen jetzt in kürzeren Abständen. Seine Schwester. Seine gehässige Mutter. Seine Opfer. Gedärme. Blut. Das Gesicht eines fröhlichen Jungen den er als sich selbst erkannte, aber den Zeitpunkt nicht mehr kannte. Ein Messer. Das Geräusch zerreißenden Fleisches. Blut. Leichen. Knochen. Leere, tote Augen. Seine Mutter die ihn auslachte. Seine Schwester die ihn bespuckte. Die Bilder kamen schneller und heftiger. Immer schneller, immer heftiger. Aber er fühlte nichts!

Hatte er je gefühlt? Wann hatte er aufgehört zu fühlen? Wann war die Leere gekommen? War sie nicht immer schon da? Waren all diese Gefühle…der Hass, die Wut, der Exzess, die Erregung…war das alles nur Schein? Waren diese Gefühle nur das Echo in einer leeren Hülle? Das Echo des Nichts? Wo waren seine Quelle und sein Flussbett? Und wo das Meer? Hier? 

Das letzte Bild dass er sah war ein merkwürdiges. Er sah eines seiner Opfer. Aber es waren nicht ihre Augen. Es waren wissende Augen. Alte Augen. Weise Augen. Und sie wirkten warm und freundlich. Und er musste an einen Bach denken, nicht an die schmutzige Themse. Nein an einen kleinen Bach der über eine grüne Wiese floß.

Und dann fühlte er etwas. Nur den Bruchteil einer Sekunde spürte er etwas. Etwas kleines dass die Leere in ihm komplett füllte. Er spürte das Zerreißen seines Herzens. Ein Gefühl dass er so nicht kannte….oder nie kennen wollte?! Und er spürte etwas warmes sein Gesicht hinunterlaufen. Das war das Letzte was er fühlte.

Als man ihn am nächsten Morgen fand, war die Träne bereits getrocknet. Die Pfleger fanden nur die Hülle eines Verrückten. Eines Wahnsinnigen der keine Verwandten hatte. Als Todesursache würde man Herzversagen angeben.
 Man würde seine Leiche wahrscheinlich verbrennen oder einfach irgendwo verscharren.
Irgendwo an einem ruhigen Ort vielleicht. An einem Bach womöglich. Auf einer Wiese.

Und viel Wasser würde von der Quelle, durch den Bach, ins Meer fließen. Und irgendwo würde ein alter Mann erzählen dass alles seinen Weg geht…wie das Wasser. Das alles seinen Ursprung, seine Quelle hat…wie das Wasser.

Aber niemand würde wissen dass an jenem Bach, an jener Quelle, ein brutaler Mörder liegt. Niemand würde ahnen dass dort das Herz von Jack the Ripper vergraben ist.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Floh82 am 17.03.2010 12:42 Uhr
Diesmal etwas Sci-Fi. Viel Spaß damit!

Zeitenreise

27 n. Dorja, 3. Sonnenwende
730 Jahre nach dem Ende der christlichen Zeitrechnung

Endlich war es Korular gelungen die fehlenden Verbindungen zu entschlüsseln. Nun hielt er das kleine, sensible Gerät in den Händen. Viele Menschen waren einst der Meinung irgendwann wäre es möglich durch die Zeit zu reisen...aber niemand hatte Erfolg. Schließlich war es ihm gelungen neben den technischen, phsyikalischen und biologischen Formeln, noch einige chemische Komponenten hinzuzufügen. Der Eingriff in die Zeit, war ein sehr komplexer Eingriff, der auch den menschlichen Körper betraf. Und nicht nur den. Auch die Körper der Dh'xal, der Zenoben und der feindlichen Grimms waren keine einfachen Versuchsobjekte gewesen. Die Allianz der Völker wußte nichts von den geheimen Forschungen einiger Wesen....auch nicht die Gemeinschaft unter Klararr dia Toxx der obersten Grimm-Priesterin war nicht eingeweiht in die Forschungen dieser Gruppe diverser Rassen.

Und nun war es Korula, einem Menschen der vom Planeten Mars kam, gelungen die Forschungen zum erfolgreichen Schluß zu bringen. Er hielt das Gerät in den Händen. Ein Gerät dass es ermöglichen sollte in die Vergangenheit zu reisen. Zukunftsreisen waren ausgeschlossen. Bisher sind Versuche in diese Richtung mehr als schief gegangen. Alle Formeln kamen nur zu einem Schluß: Reisen in die Zukunft sind schlicht nicht möglich....und selbst wenn würde das Individuum nicht überleben. Es würde schier auseinandergerissen.

Niemand wußte warum es diese Forschungseinrichtung gab...irgendjemand fand es enorm interessant in die Vergangenheit zu reisen. Vielleicht um die erste Präsidentin der USA einmal persönlich kennenzulernen...kurz bevor sie die Entscheidung trifft die zum 3. Weltkrieg führte und letztendlich zum ersten interstellaren Weltenkrieg. Oder vielleicht um Khr'Oark live zu erleben...als er es als erstes Wesen überhaupt schafft, die Monde von Domalk zu betreten...alle 20 wohlbemerkt. Oder um die Friedensverhandlungen zwischen Dh'xal und den Menschen unter Leitung des zenobischen Rates mitzuerleben. Eigentlich war es auch egal. Die Forschungseinrichtung zahlte Geld für das Projekt und das war das wichtigste.

Koruar war es also nun gelungen das Gerät zu entwickeln. Er war sich nicht sicher ob er es selbst probieren sollte oder den Projektleiter selbst darum bat, das Gerät zu testen. Er war sich sicher dass es funktionieren würde.

Taramnor, der aktuelle Projektleiter, nahm ihm die Entscheidung ab. Er kam gerade in das kleine Labor hinein und sein Blick fiel gleich auf das Gerät.
„Und? Ist es fertig und einsatzbereit? Deine Berechnungen und Formeln scheinen interessant zu sein! Auch die anderen sind der Meinung dass dies der Durchbruch sein könnte. Das wäre dein Verdienst Koruar.“
„Es ist tatsächlich fertig Taramnor. Möchtest du es selbst testen?“
„Natürlich! Wie funktioniert es genau?“

Koruar  begann das Gerät zu erklären, zeigte dem Leiter des Projektes was er wie einstellen müsste. Nach einigen Minuten war Taramnor einsatzbereit. Er hielt das Gerät in den Händen und lies es sich um die Taille schnallen.
„Alles ist bereit. An dem Rechner hier, kann ich nun die Zeit einstellen. Er überträgt es an das Gerät und die Energie macht den Rest.“
„Wo wache ich auf Koruar?“
„Die Koordinaten werden ebenfalls eingegeben. Sogar Tageszeiten kann ich einstellen.“
„Gut. Dann los. Welches Jahr nehmen wir?“
„Hast du einen Wunsch?“
„Nein. Ich will nur wissen ob es geht. Ich möchte gleich wieder zurück. Lass mir ein paar Minuten dort. Sobald du das Rückrufsignal bekommst, will ich zurück.“
Koruar ließ den Rechner entscheiden. Er hatte ein Programm gewählt, dass ein Jahr durch Zufall auswählte. Zahlen rasten über den Bildschirm und schließlich stand eine Jahreszahl auf dem Bildschirm.
1888 - nach alter Zeitrechnung der christlichen Erdenwelt
„Der Computer hat das Jahr 1888 nach Chrisus gewählt. Die alte Erdenzeit. Möchtest du einen bestimmten Ort?“
„Wir nehmen die Erde. Ich wollte immer schon wissen wie ihr Menschen damals so gelebt habt“ sprach der zenobische Wissenschaftler und lachte. Sag mir eine mächtige Nation dieser Zeit. Und nimm ihre Hauptstadt!“
Koruar dachte nach. Er ließ ein Computerarchiv suchen und entschied sich für das britische Empire. Er musste lächeln bei dem Gedanken an die zenobische Denkweise. Wahrscheinlich glaubte Taramnor dass die Hauptstadt eines menschlichen Großreiches wie ein riesiger, goldener Palast wirken musste. Dass die zenobische Rasse ganz andere Architekturen kannte, ganz andere Lebensweisen bevorzugte…dass musste dem Wissenschaftler wohl entgangen sein. Er würde sich bestimmt wundern, wie es in diesem….London…aussehen würde.
„Dein Ziel wird London sein. Viel Spaß!“
Und mit diesen Worten betätigte Koruar den Knopf im Computerprogramm für die Zeitreise.
Taramnor wirkte etwas angespannt, drückte dann aber auf den Knopf an der Bedienungskonsole der kleinen Maschine an seinem Gürtel.
Energiewellen umhüllten den Wissenschaftler….und dann…nach einigen Sekunden war Taramnor verschwunden.


London – 1888 nach Christus, eine dunkle Seitengasse im EastEnd.

Der Mann, der sich gerade an einer Straßenecke eine Zigarette anzündete, schüttelte sich. Er fühlte sich komisch an….als wäre etwas….in ihn gedrungen. Er schüttelte sich noch einmal. Das komische Gefühl wurde schwächer. Er machte die dreckige Luft an diesem Ort dafür verantwortlich und ging weiter.
Seine Hand umschloss das Messer in seiner Tasche fester. Das Gefühl des Messers in der Hand ließ ihn den Rest vergessen. Und so blieb der Fremde unbemerkt. Der fremde Geist der in seinen Hirnwindungen ein Versteck gefunden hatte.


In der Zukunft

Koruar bemerkte die sonderbaren Werte auf dem Computer. Die Anzeigen spielten verrückt. Angstschweiß bildete sich langsam auf seiner Stirn. Was bedeuteten diese Anzeigen? Sollte er den Versuch abbrechen? Aber das würde eventuell bedeuten Taramnor dabei zu töten. Das wollte er keinesfalls.

Taramnor selbst bemerkte dass etwas nicht stimmte. Sein Körper, sein Geist…sein ganzes Ich war nicht als Individuum in die Vergangenheit gereist. Er war dort ja gar nicht existent. Etwas anderes musste passiert sein. Bis er bemerkte dass er alles sah, alles fühlte, alles schmeckte….und langsam aber sicher auch alles dachte…was sein Wirt tat, fühlte, dachte und schmeckte. Er war gefangen in einem anderen Körper. Und sein Geist begann sich langsam mit dem Geist des Wirtes zu verbinden. Es war ein Gefühl der Angst dass sich in ihm breit machte….dann aber von einem anderen Gefühl ersetzt wurde: Hass! Gier! Irgendetwas….dass er nicht einordnen konnte. Etwas vernebelte seine Sinne….und machte sie gleichzeitig scharf. Er wurde der Andere….er war der Fremdkörper, der nicht abgestoßen werden konnte….aber der einverleibt werden konnte. Nun musste er kämpfen….damit er bei sich blieb. Denn er bemerkte dass die Gefühle des Anderen ihm fremd waren….dass die Gedanken Böse waren. Er war in dem Körper eines bösen Menschen….eines furchtbar bösen Menschen.


1888 – London, das EastEnd

Das Messer wusch er mit Wasser ab, legte es dann beiseite und genoss den anbrechenden Morgen. Er würde sich noch etwas hinlegen um zur Ruhe zu kommen. Diesmal war es ein äußerst brutaler Mord gewesen. Er lächelte.

Taramnor wusste nicht wie lange er hier war. In diesem Körper. Eigentlich sah er nur noch das blutende Rot vor seinen Augen. Er sah Fetzen von Fleisch und Gedärmen. Mit zitternden Fingern berührte er im Geiste den Knopf an dem Gerät vor seinem Bauch. Er fühlte das Gerät…drückte den Knopf. Er würde das Projekt als gescheitert melden….er war mit dem Wirt verbunden gewesen. Und es schien als sei der Geist des Wirtes stärker als seiner gewesen…denn beinahe wäre er nicht mehr er selbst gewesen. Und deshalb musste er schnell zurück.


In der Zukunft

Koruar bemerkte das aufflackernde Lämpchen auf dem Monitor. Er reagierte sofort und  begann damit Talamnor zurückzuholen. Es waren nur ein paar Minuten vergangen, aber es schien ihm vor Stunden gewesen zu sein. Langsam begann die Energie sich zu sammeln und ein Körper begann sich vor ihm zu manifestieren. Ein Körper der sehr nach dem Projektleiter aussah. Koruar atmete auf.

Taramnor war zurück. Er war glücklich, musste sich erst einmal setzen, bevor er Koruar Bericht erstattete. Das Projekt würde weiter gehen…denn die Lösung war nicht gefunden. Der Versuch war letzten Endes gescheitert.

Taramnors Fehler war nur einer! Er ging nicht die Archive durch, um herauszufinden in wessen Körper er gefangen war…und wessen Geist ihn fast übernommen hätte. Und er bemerkte auch nicht dass er etwas mit in die Zukunft genommen hatte. Er bemerkte nicht den Geist des Anderen, der sich mit ihm verbunden hatte und darauf wartete zuzuschlagen und den Körper des Wirts zu übernehmen.
Ihm war nie klar gewesen dass Jack the Ripper in seinem Körper schlummerte und nur auf den einen Augenblick wartete. Den Augenblick um wieder zu kommen….in einer neuen Welt, die er aufs Neue in ein Bild aus Blut verwandeln würde.
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 18.03.2010 19:19 Uhr
Hi Floh!

Schön, dass Du wieder mal eine Geschichte geposted hast. Ganz nach meinem Geschmack, finde ich wirklich sehr gut gelungen!  :icon_thumb:
Sehr schön das offene Ende.  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Isdrasil am 03.10.2011 18:17 Uhr
...und wer noch mehr Geschichten lesen möchte, kann sich auch mal hier umschauen:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1191.new.html
Titel: Re: Gedanken
Beitrag von: Stordfield am 30.10.2013 16:14 Uhr
Warum geht es hier eigentlich nicht weiter? Ein paar Geschichten brauchten wir schon noch, um irgendwann ein Buch zu füllen.
Lestrade, ich weiß, dass Du sowas kannst, also gib uns mal eine Kostprobe, bitte.