Autor Thema: Gedanken  (Gelesen 70340 mal)

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Bettina

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Re: Gedanken
« Antwort #90 am: 10.07.2008 14:31 Uhr »
Hallo zusammen.

:SM009:  :SM128:

Habe den Thread erst jetzt endeckt und bin total begeistert.

Weiter so!!  :icon_thumb: :icon_thumb: :icon_thumb:

Grüße
Bettina

Offline Isdrasil

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Re: Gedanken
« Antwort #91 am: 11.07.2008 07:09 Uhr »
Hi

@Floh
Jawohl, endlich mal wieder - hat mir gefallen!

@Bettina
Danke - Die Schreiber werden weiter machen, versprochen  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil

Bettina

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Re: Gedanken
« Antwort #92 am: 11.07.2008 12:56 Uhr »
Hi,

@Isdrasil

Davon gehe ich aus.  :icon_wink:
Vielleicht traue ich mich ja auch mal, hier was zu posten...aber wenn ich mir die Beiträge so anschaue, muss ich dafür noch ein bisschen üben  :icon_redface:

Grüße

Bettina

Floh82

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Re: Gedanken
« Antwort #93 am: 11.07.2008 14:25 Uhr »
Ach was...schreib ruhig was rein. Wir sind ja hier nicht im Forum einer Literatur-AG ;)

Offline Isdrasil

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Re: Gedanken
« Antwort #94 am: 11.03.2009 13:15 Uhr »
Mal wieder Bock drauf...wieder ein bisschen Sci-Fi:

CREATURES

Das Aggregat auf meinem Rücken schmerzt von den tagelangen Märschen, die hinter uns liegen, drückt mit seinen Gurten und Schnallen auf meine Arme, die schlaff an der Seite meines Körpers vor und zurück baumeln. In den Händen habe ich jegliches Gefühl verloren, so oft musste ich den Abzug mit aller Gewalt durchziehen und das Dauerfeuer halten. Man müsste dem Konstrukteur dieser Dinger mal kräftig einen auf die Rübe schlagen, denke ich – und lächle.
John blickt mich nur einmal kurz missbilligend an.
Ja John, ich weiß – Du bist ein ernster Mensch in einer noch ernsteren Welt. Ein Lächeln in dieser Situation? Absolut unpassend, fehl am Platz, überflüssig. Wahrscheinlich handelt es sich in deinen Augen um eine menschliche Schwäche, die ich hier zeige. Du fühlst dich einfach groß, wenn ich mit meinem Versuch an schöne und lustige Dinge zu denken die Finsternis und den Zerfall um uns herum zu vergessen gedenke. Aber Du hast schon Recht. Es gibt hier wahrlich nichts zu lachen. Rings um uns liegen die Trümmer einer längst zerfallenen Stadt.
Knirschend zerfallen die alten Steine unter unseren schweren Schuhen und machen den Weg frei durch eine qualmende und stinkende Ruinenlandschaft. Manche Häuser zeigen noch in Ansätzen den Glanz vergangener Tage und lassen mich ab und zu kurz innehalten. Ich mag es, sie zu betrachten - lasse es mir aber nicht anmerken. Ich tue lieber so, als ob ich beobachten würde. Als hätte ich das Huschen eines Schattens hinter einem Pfosten gesehen. Als hätte mich ein unnatürliches Geräusch aufhorchen lassen. Als hätte ich eine Spur. Einen Verdacht. Eine Ahnung.
Im Hintergrund senkt sich die Sonne im blutroten Himmel dem Horizont entgegen. Bald wird ihr Antlitz von der Bühne verschwinden, ihr Licht unser Bewusstsein verlassen und uns der Einsamkeit übergeben.
Einsamkeit? Ja, das wäre schön.
Doch es ist nicht ganz so.
Die Sonne geht unter – und John ruft: „Showtime!“

Unsere Sensoren lassen die Duftdüsen in unseren Anzügen auf Hochtouren laufen.
Mich schaudert es immer wieder auf das Neue, mein Überleben von diesen kleinen Dingern abhängig zu machen – und jedes Mal frage ich mich auf`s Neue: Was, wenn SIE sich eines Tages an den Duft gewöhnen? Was, wenn SIE sich nicht mehr davon abhalten lassen?

Wir haben noch kein ausreichendes Mittel gefunden. Wir wissen nur, dass SIE nicht auf gewisse Düfte stehen…SIE meiden die Duftquellen wie die Freude unsere Gemüter. Man kann SIE dorthin zurückjagen, wo SIE herkommen, doch man weiß noch nicht, ob SIE wieder kommen können. Und so geht es nun seit 30 Jahren, jede Nacht das gleiche Spiel, das gleiche Theater in diesem trostlosen Lichtspielhaus. Wir suchen, wir zerstören. Nennen uns so hochtrabend das „Seek and Destroy“-Kommando. Doch inwieweit wir an einer Lösung oder an einem Endsieg beteiligt sein werden und ob unsere Aktionen überhaupt irgendeinen Nutzen erfüllen, dass kann uns nur der Allmächtige sagen. Aber darf ich ehrlich sein? Ich glaube, der hat hier schon lange nicht mehr vorbei geschaut…

Und dann ist es schon soweit: Die Viecher umringen unsere kleine Gruppe. Mit ihren scharfen Klauen wetzen SIE an den Steinhaufen und schaukeln bedrohlich vor und zurück...scharfe Augen blicken aus tief liegenden Höhlen zu uns herab. Schwarz ist alles, was man in Ihnen sieht. Ihre Gestalt ist sehnig, drahtig, fast schon lächerlich kümmerlich. Aber wenn SIE Blut geleckt haben, ist ihre Kraft nicht von dieser Welt. Denn es ist nicht der Körper, der SIE so stark und gefährlich macht – es ist ihr Geist!
Lange hat es  gedauert, bis unsere Wissenschaftler das Geheimnis gelöst hatten, noch länger, bis sie als Gegenmittel den Duft und die Sensoren entwickelten. Am Anfang noch, als wir ohne die Sensoren kämpften, da fingen einige von uns an, sich gegen die Gruppe zu wenden. Sie drehten sich zu ihren Genossen um und stürzten auf sie. Messer wurden gezückt. Schläuche aufgeschlitzt. Und waren die Schläuche erledigt, ging es an die Körper…
Auf den Steinhaufen saßen die Kreaturen und sahen sich das Schauspiel an, scheinbar grinsend und sich belustigend – während wir in unseren kleinen Gruppen gegenseitig aufeinander losgingen und um das nackte Überleben kämpften.
Dann irgendwann wusste man es: SIE dringen in unsere Geister ein. SIE sind das körperliche Sinnbild einer höheren Macht, einer noch schlimmeren Gefahr, als wir jemals angenommen hatten. Es drängt ihr nach Zerstörung, es drängt ihr nach Blut und Tod.

Doch – da sind noch wir und unsere Duftsensoren und diese einst so großartige Stadt London.

Zeitgleich – in einem Labor in der Nähe Londons:
Dr. Priest sitzt an seinem Schreibtisch und studiert ein Buch über den Zerfall und die Widerlegung der Darwin`schen Evolutionstheorie. Gerade als er das zweite Kapitel beendet hat, schlägt die Tür zu seinem Büro auf und ein abgehetzter Wissenschaftler in weißem Kittel stürmt herein. Entrüstet setzt Dr. Priest zu einer Standpauke an, doch wird von dem Wissenschaftler jäh unterbrochen.
„Dr. Priest, Dr. Priest! Wir müssen unbedingt die Gänge des S&K-Kommandos unterbrechen!“
Der Doktor richtet sich auf. Er muss nicht fragen – sein fragender Blick sagt alles.
„Ich habe Grund zur Annahme, dass wir absolut kontraproduktiv handeln und der Menschheit mehr Schaden zufügen, als ihr nutzen! Es ist“, und dabei überschlägt sich beinahe die Stimme des Wissenschaftlers, „es ist ein Fehler in unseren Berechnungen, Beobachtungen, wir müssen sofort stoppen! Hören Sie? SOFORT STOPPEN!“
„Moment, Moment, jetzt beruhigen Sie sich doch…setzen Sie sich doch erst einmal und trinken Sie einen Tee, um die Sache in Ruhe zu besprechen. Gerade erst habe ich eine Ladung feinsten Earl Grey erhalten. Sie wissen doch – die Vorräte gehen zu Neige, man sollte also zuschlagen, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet!“
„Herr Priest, ich schätze Sie sehr, aber jetzt ist keine Zeit für Gemütlichkeit, keine Zeit für Scherze. Rufen Sie das Kommando zurück, ich habe…“.
Der Wissenschaftler rappelt sich aufrecht auf und fährt sich durch die Haare. Es hat keinen Sinn, scheint er zu denken - ich muss es direkt ansprechen.
„Dr. Priest – wir töten diese Wesen nicht. Wir töten ihren Geist nicht. Und wir schicken Sie auch nicht dorthin zurück, wo Sie herkommen – wir jagen Sie durch die Zeit. Wir schießen Sie durch die Dimensionen. Und wenn Sie dort gewütet haben, kommen Sie zurück.“
« Letzte Änderung: 11.03.2009 15:04 Uhr von Isdrasil »

Floh82

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Re: Gedanken
« Antwort #95 am: 11.03.2009 16:15 Uhr »
 :icon_thumb:
Nicht schlecht! Endlich wieder was zu lesen ;)

Offline Isdrasil

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Re: Gedanken
« Antwort #96 am: 11.03.2009 20:46 Uhr »
Endlich wieder was zu lesen ;)

Ja, danke...die Story klingt nur irgendwie, als hätte ich mich selbst kopiert...wir hatten ja auch tatsächlich ein dreiviertel Jahr Pause! Das musste einfach mal geändert werden...also, Floh: Weißt ja, wer auch mal wieder dran ist!  
:icon_wink: :icon_aetsch:

...und alle anderen natürlich auch. Wie sagt man so schön: Schreibt, ihr Narren!

Floh82

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Re: Gedanken
« Antwort #97 am: 12.03.2009 00:37 Uhr »
Das Erbe

Irgendwann in den 1960er Jahren in Cornwall im Südosten Englands. Es ist Abend und die Dämmerung hat bereits eingesetzt, als ein älterer Wagen vor einem verlassenen Haus, in einer abgeschiedenen Gegend hält.

Es waren nun ungefähr 30 Jahre die das Haus leer stand. Nicht ganz leer....ab und zu hatte der Verwalter das Haus gepflegt so gut es ging und einige Zeit im Haus gelebt. Aber ihm wurde es zu gruselig. Die Gemäuer des Hauses waren alt....uralt. Das Efeu klebte an den Außenmauern wie grün-braune Adern und die Sträucher um das Anwesen wirkten als wollen sie das Haus hinter sich verstecken.
Meine Großmutter hatte mir oft von diesem Haus erzählt. Von dem Haus ihres Bruders. Er hatte es im auslaufenden 19. Jahrhundert gekauft und hatte all die Jahre bis zu seinem Tod alleine dort gelebt. Wenn Großmutter von ihm und dem Haus erzählte wurde ihr Blick weich und doch nachdenklich. Als würde sie Trauer tragen und gleichzeitig nicht wissen warum. Als würde sie versuchen eine Truhe auf einem staubigen Dachboden zu öffnen ohne zu wissen warum. Ich habe ihren Bruder nie kennenlernen können, er starb einige Jahre vor meiner Geburt. Ich kannte sein Gesicht nur von wenigen, vergilbten Fotos.

"Warum gerade ich?" hörte ich mich in meinem Wagen flüstern, als ich auf dem Weg vor dem Haus stand und gerade aussteigen wollte. Meine Großmutter hatte das Haus geerbt und in ihrem Testament schließlich mich als Erben gewählt. Ich war einer ihrer Lieblingsenkel, aber in diesem Moment kam mir dieses Haus eher wie eine Bestrafung vor. Es stand dort direkt vor mir und es wurde langsam dunkel. Ich hatte mich verspätet, wollte eigentlich viel früher da sein. Ich wußte dass es ein Gästebett gab, in dem ich übernachten konnte, aber eigentlich wollte ich mir das Haus nur ansehen und dann woanders übernachten.
So sollte es nun also nicht sein. Ich packte meine Tasche und ging auf das Haus zu. Der Vorgarten war nicht sehr gepflegt, aber auch nicht überwuchert. Einmal im Monat kam jemand und kümmerte sich ein wenig um das Haus und den Garten. Es war der Sohn des Verwalters, wie mir mitgeteilt wurde. Der Verwalter selbst, der auch den gesamten Besitz des Bruders meiner Großmutter verwaltet hatte, war bereits lange tot.

Ein leichtes Rauschen ging durch die Sträucher als ich vor der Eingangstür stand. Ein rostiger Türklopfer hing auf Gesichtshöhe vor mir. Als ich den Schlüssel in die Tür steckte, wurde das Geheul des Windes etwas lauter....fast als wolle mich etwas warnen weiterzugehen. In diesem Moment kam es mir so vor, als würden die Sträucher mir warnend zuwinken: "Geh nicht weiter. Verlasse diesen Ort". Mir lief es kalt den Rücken runter.

QUUIIEEEEKKKK....ich erschrak etwas, als der Schlüssel sich knackend drehte und die Tür mit einem lauten Knarzen aufging. In meinem Kopf begann ich bereits eine Strichliste zu führen: "1. Die Sträucher schneiden oder direkt ganz wegschaffen und dafür Bäume aufstellen oder einen Zaun. 2. Die Tür ölen....nein direkt austauschen."
Das Haus gehörte jetzt mir und ich konnte damit tun und lassen was ich wollte. Ich mochte die Einsamkeit Cornwalls eigentlich, es hätte mich nicht gestört....aber dieses Haus hatte etwas gespenstisches. Ich ging in den Hausflur, versuchte die ersten Lichtschalter....nichts. Der nächste Raum, ein Esszimmer mit direktem Zugang zur Küche....auch kein Licht. Scheinbar war hier schon länger der Strom abhanden gekommen. Morgen müsste ich also in die Stadt und einen Elektriker bestellen.

Noch war es nicht dunkel, durch die Fenster kam noch ein wenig Licht. Ich musste mich beeilen und vor der Dämmerung genug Kerzen und Feuerholz finden, um den Kamin zu beheizen und Licht für die Nacht zu haben. Die Räume im ersten Stock hatte ich schnell durchsucht. Es gab ein Gästezimmer, das Schlafzimmer und ein kleines Arbeitszimmer. Das wunderte mich ein wenig, weil doch unten im Erdgeschoss bereits ein großes Arbeitszimmer war. Das kleine Arbeitszimmer sah auch nicht aus wie ein Arbeitszimmer. Es hatte zwar einen Tisch und einen Stuhl und ein paar Schränke...aber es war auch ein weiteres Bett vorhanden. Nur war es sehr klein....wie....ein Kinderbett. Vielleicht hätte mein Vater seinen Onkel häufger besuchen sollen....vielleicht hatte er die Einsamkeit satt. Wer weiß. Im Zimmer fand ich eine Art Fotoalbum....außer dass keine Bilder darin waren....sondern Zeichnungen. Kinderzeichnungen. Nun war ich verwirrt. Ich beschloss erst meine Tasche im Gästeraum auszupacken, einige Dinge mit hinunter ins Erdgeschoss zu nehmen und auch eine Decke zu suchen, denn ich hatte nicht vor in völliger Dunkelheit im Gästezimmer zu übernachten. Der Stuhl vor dem Kamin würde ausreichen für diese Nacht.

Es wurde gerade dunkel und die Silouette des Mondes war bereits zu sehen, als ich das Kaminzimmer mit Kerzenständern bestückt hatte, den Kamin angezündet hatte und meinen Proviant aus dem Wagen geholt hatte. Ich hatte einen warmen, beleuchteten Platz vor dem Kamin, ein paar Bücher und Fotoalben aus den beiden Arbeitszimmern und etwas zu Essen. Bis Morgen war ich verpflegt und konnte getrost die Nacht in diesem Haus verbringen.

DING....DING.....DING.....ich schrack hoch! Mein Herz schlug mir bis zum Hals, meine Knie zitterteten....bis ich langsam klar im Kopf wurde. Die Uhr im Flur war scheinbar intakt. Und sie hat die Zeit geläutet....es war Mitternacht. Ich hatte so viele interessante Bücher gefunden, Bücher über Geschichte, aber auch Romane und Gedichte. Auf alle Fälle war mein Großonkel ein belesener Mann gewesen und interessiert in so vielen Dingen. Ich sah aus dem Fenster.....Dunkelheit! Nur die silbergraue Mondsichel spendete ein schummrig-schauriges Licht.
Ich stand an einem großen Schreibtisch, direkt vor einem der großen Fenster die zum Vorgarten zeigten. Auf dem Schreibtisch lag ein abgerissenes Stück von einem Brief...ich sah einige andere abgerissene Stücke in einem Papierkorb an der Seite. Das Papier sah alt aus...wahrscheinlich lag es schon ein paar Jahre dort.
Aus Neugier las ich das Briefstück dass vor mir lag.

"nicht was er hier gemacht hat. Gelebt sagst du? Das war doch kein Leben............Haus ist die Hölle. Ich glaube hier hat das Böse gewohnt."

Seltsame Worte. An wen dieser Brief wohl gerichtet war und viel wichtiger: Wer ihn wohl geschrieben hatte?

Ich durchstöberte den Schreibtisch, fand aber nichts interessantes außer einem Bild....es war ein Bild meines Großonkels und einem Kind auf seinem Schoß. Vielleicht mein Vater? Aber nein, der hatte mir gesagt seinen Onkel nie kennengelernt zu haben. Das Bild war noch überraschend gut erhalten, die Schublade in der es gelegen hatte, war scheinbar nicht oft geöffnet worden. Ich konnte die Augen meines Großonkels gut erkennen....und konnte verstehen dass meine Großmutter stets sagte "Du hast die Augen meines Bruders. Die gleichen Augen, den gleichen Ausdruck in ihnen." Manchmal begann ihre Stimme zu zittern, wenn sie so sprach....ich wußte nie warum. Hatte Sie Angst? Oder war es Trauer? Für mich war es normal einem Familienmitglied zu ähneln....auch wenn ich diesen Teil der Familie nie kennenlernen konnte. Aber meine Großmutter schien erstaunt....oder besser: Geschockt?

Ich legte das Bild beiseite und beschloss in dem Bilderalbum zu blättern dass ich von oben mitgenommen hatte. Und tatsächlich: Es waren eindeutig Kinderzeichnungen. Diese Bilder hatte kein Erwachsener gemalt....das war ein Kind gewesen. Aber mein Großonkel lebte allein...wie kamen diese Bilder hierhin? Er hatte keine Kinder, seine Neffen und Nichten hat er nie gesehen. Wer hat diese Bilder gemalt? Während ich weiterblätterte, fiel mir aufeinmal ein Bild vor die Füße. Eine Fotografie. Das Foto eines kleinen Kindes. Es schien ein Junge zu sein. Er blickte nachdenklich in die Kamera und hielt ein gemaltes Bild in der Hand. War das der Junge der diese Bilder gemalt hat? Aber wer war er? Auf der Rückseite des Fotos fand ich eine kleine Notiz: "Robert im September 1896"
Robert? In meiner Familie gab es keinen Robert....zumindest in den letzten drei Generationen. Ich schätzte diesen Jungen auf etwa 8 Jahre.

Nun war ich neugierig. Dieser Junge....war das Zimmer von oben eigentlich seines gewesen? Aber mein Großonkel hatte keine Kinder. Und auch keine Frau! Ein Neffe? Ausgeschlossen! Vielleicht ein Nachbarsjunge? Aber hier gab es keine Nachbarn...das nächste Haus war ein paar Meilen weiter und die Stadt noch ein Stückchen weiter. Ich war hellwach. Voller Übereifer durchforstete ich die Bücher in den Schränken, suchte nach irgendwelchen Familienalben, Bilderalben oder Notizbüchern. Wie ein Wahnsinniger schaute ich mir Bilderalben an....ich fand Bilderalben mit Fotos meiner Eltern, meiner Großmutter, meinen Urgroßeltern. Aber diesen Jungen? Auf keinem Bild. Es mussten Stunden vergangen sein, so kam es mir jedenfalls vor, als ich in einer Ecke eines Bücherschrankes ein abgegriffenes Buch erblickte. Es hatte keinen Titel, sah dunkel und schlicht aus. Als ich es öffnete, entpuppte es sich als eine Art Notizbuch. Ich fand Notizen meines Großonkels über den Garten und über den Ausbau des Hauses. Dann ein paar Notizen die wie Gedächtnisstützen aussahen....ich fand sogar ein paar Geburtsdaten. Es schienen die Geburtsdaten meiner Großmutter und einiger meiner Verwandten zu sein.
Die letzte Seite des Buches bot noch etwas überraschendes. Dort fand ich, gehalten von einem Wollfaden, einen kleinen Schlüssel. Wo dieser wohl hinein passt? fragte ich mich.

Ich probierte alle Schubladen am Schreibtisch und auch in der Küche, aber die meisten waren offen und hatten entweder keine Schlüssellöcher oder der Schlüssel passte einfach nicht. Dann aber fand ich ein paar kleinere Schubladen am Fuße eines der Bücherschränke. Unterhalt der Bücherregale, waren einige recht kleine Schubladen eingelassen worden. Die oberen waren allesamt offen und enthielten Schreibpapier, alte Tee- und Tabakdosen und anderen Kleinkram. Doch die untereste Schublade war verschlossen und tatsächlich: Der Schlüssel passte.
Erst einmal war ich enttäuscht, denn in der Schublade fanden sich nur ein paar Stoffdecken, die scheinbar als eine Art Untersetzer gedient hatten. Doch unter all diesen Stoffen fand ich ein Notizbuch. Sehr viel größer und dicker als das Notizbuch in dem der Schlüssel war und noch viel abgegriffener.

Meine Neugier war auf dem Höhepunkt und ich setzte mich mit dem Buch vor den Kamin und begann zu lesen.

Auf der ersten Seite fand ich eine Art Telegramm. Es war wohl eher ein sehr kurzer und förmlicher Brief. Der Brief kam von einem Arzt in der Gegend und war an meinen Großonkel gerichtet. In dem Brief schrieb er von einem Menschen der scheinbar plötzlich gestorben war. Dann kamen die Worte die mich erst einmal erschauern ließen:
"Robert war scheinbar schwer krank. Genau kann ich es nicht sagen, aber er scheint eine sehr schwere Lungenentzündung gehabt zu haben. Es tut mir leid dass ihr Sohn...." weiter kam ich nicht. Sein Sohn? Er hatte keinen Sohn. Nicht einmal eine Frau! Er konnte keinen Sohn haben....dieser Robert war alles...aber nicht sein Sohn gewesen. Er sah ihm nicht ähnlich...und....wo war die Mutter? Mein Großonkel war nicht verheiratet, nicht liiert....er war Zeit seines Lebens allein. So jedenfalls hatte es mir meine Großmutter erzählt.

Ich blätterte weiter.

Zeitungssausschnitte. Allesamt aus Londoner Tageszeitungen. Das war nicht verwunderlich, schließlich hatte mein Großonkel einige Zeit in London gelebt und gearbeitet. Aber warum sammelte er Tageszeitungen oder besser Ausschnitte daraus?

Ich las einige Ausschnitte:

"...diesmal gab es zwei Tote in nur einer Nacht. Die Bestie wird gerissener."
Der Zeitungsausschnitt war datiert auf das Jahr 1888.

Ich fand mehr und mehr Ausschnitte. Alle aus dem Jahr 1888 und alle hatten etwas mit Morden zu tun. Und mit Jack the Ripper, dem Serienkiller aus dem Horrorherbst. Meine Hände zitterten als ich weiterblätterte. Ich fand handgeschriebene Notizen meines Großonkels.....einige konnte ich nicht mehr entziffern, andere waren so unkenntlich gemacht, als hätte jemand nachträglich versucht die Schrift zu verwischen.

Ich schloss das Buch....sah mir den Buchrücken an: Kein Titel. Die Vorderseite: Nichts, außer ein paar Flecken. Die Rückseite: Auch nichts. Ich schaute mir die letzte Seite an. Das war die Handschrift die ich im Haus häufiger gefunden hatte....die Handschrift meines Großonkels:

"Es tut mit leid Mary Jane. Aber es ist mein Junge und er wird es immer sein. Eines Tages wirst du verstehen........"
Ich schluckte. Mary Jane? Mary Jane Kelly? Das letzte Ripper-Opfer?!

Ich las die letzten Zeilen:
"Mögest du und mag Gott mir verzeihen."
Und dann seine Unterschrift....allerdings nicht mit seinem Namen. Er unterschrieb mit:
Jack the Ripper


Das war der Moment als ich das Buch fallen lies und in die kalte, dunkle Nacht hinausrannte. Ich wollte dieses Haus nie mehr betreten....auch wenn ich es dann doch tat, fiel es mir schwer am Ort zu leben, an dem Robert Kelly der Sohn des letzten Ripper-Opfers seine letzten Tage verbrachte....unter einem Dach mit dem Mörder seiner Mutter. Meinem Großonkel.

Offline Isdrasil

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Re: Gedanken
« Antwort #98 am: 17.03.2009 20:02 Uhr »
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Stordfield

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Re: Gedanken
« Antwort #99 am: 17.03.2009 21:01 Uhr »
Hallo Floh !

Deine Geschichte gefällt mir sehr gut. Und das meine ich ernst!
Weiter so.

Gruß Stordfield

Tresschen

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Re: Gedanken
« Antwort #100 am: 27.04.2009 00:30 Uhr »
Also, ich schreibe gerade an einer längeren Geschichte zu Jack the Ripper. Die ganze Story konzentriert sich aber nicht so sehr auf den Ripper selbst, sondern es geht eigentlich um ein junges Mädchen, die es ins East End verschlägt, die aber eigentlich aus guter Familie kommt. Und das passiert genau zu der Zeit der Morde eben. Es ist so eine Mischung aus Detektivgeschichte/Krimi und Liebesgeschichte. Die Jagd auf den Ripper ist darin natürlich wichtig und auch die Beschreibung des ganzen Milieus, aber ich ändere da eben auch Details und es ist eben so meine Sicht auf die Dinge gepaart mit eben auch meiner Idee, wie bestimmte Fakten sich in die Story einfügen können.
Wenn Interesse besteht, kann ich den Link zu meiner Story gerne dann auch hier posten.

Offline Isdrasil

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Re: Gedanken
« Antwort #101 am: 28.04.2009 10:42 Uhr »
Wenn Du dann fertig bist, nur her damit.  :icon_thumb: :SM022:
« Letzte Änderung: 28.04.2009 10:53 Uhr von Isdrasil »

Floh82

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Re: Gedanken
« Antwort #102 am: 21.07.2009 13:59 Uhr »
Mahlzeit. Ich dachte es ist mal wieder an der Zeit.
Heute geht es wieder in die Richtung wie letztes Mal....Verwandschaftsbeziehungen. Aber diesmal etwas enger. Mich hat dabei besonders eine Sache beschäftigt, was auch in der Geschichte wiedergespiegelt ist denke ich: Wie muss sich wohl jemand gefühlt haben, der mit dem Täter eine enge, sehr liebevolle Beziehung zu ihm gehabt hat. Das ist die Geschichte. Viel Spaß!


Mein Bruder, mein Bruder


"Schwesterherz, weine nicht" seine Hand strich zärtlich über meine blonden Locken. Es war einer dieser Tage als mein Vater wutschnaubend nach Hause gekommen war und nach Alkohol stank. Er war ein liebender Vater, der seine Frau und seine Kinder vergötterte. Aber manchmal, vielleicht 5mal im Jahr, kam er spät nach Hause, wenn der Tag stressig war und ihm alles zu viel wurde. Dann hatte er in seiner Stammkneipe etwas getrunken, sich mit dem Wirt in Rage geredet und war voller Wut nach Hause gekommen. Er hatte die Kinder angebrüllt, sie sollen gefälligst ins Bett und manchmal hatte er Mutter geschlagen. Nur ein Schlag ins Gesicht....aber Mutter weinte jedesmal bitterlich.
Immer wenn so etwas passierte war mein Bruder für mich da. Er stellte sich vor mich, bis mein Vater sich von uns abwand und ging dann mit mir auf unser Zimmer. Dort nahm er mich in die Arme und tat was er immer tat, wenn ich weinte und nicht mehr aufhörte. Er streichelte mir über mein Haar. Es beruhigte mich. Ich fühlte mich beschützt und geliebt. Es war ein schönes Gefühl....dafür liebte ich meinen Bruder, wie man eben einen Bruder liebt der für einen da ist. Und mein Bruder liebte mich, das jedenfalls glaube ich bis heute.

Jahre vergingen, Jahre der Harmonie, wenn sie auch gelegentlich von Vaters Eskapaden gestört wurden. Aber im Grunde waren wir eine glückliche Familie. Mein Bruder, der 5 Jahre älter war als ich, wurde streng erzogen. Er sollte etwas vernünftiges lernen, auf die Schule gehen, erfolgreich werden. Meine Eltern wollten dass es ihm gut geht, wenn er einmal eine eigene Familie gründete. Für mich war anderes geplant. Ich durfte meine Mutter zu den Einkäufen in die Stadt begleiten, durfte im Haushalt helfen....irgendwann sollte ich auf einen wohlhabenden Mann treffen und vermählt werden. Das war die Planung meiner Eltern. Sie waren nicht reich, nicht wohlhabend....aber sie hatten Kontakte zu den eher gut betuchten Kreisen Londons. Ein paar Händler und Kaufleute, sogar ein paar Künstler und Politiker.
Doch noch bevor alle Wünsche meiner Eltern wahr wurden, bevor ich meinen Mann kennen- und lieben lernte, den einzigen Sohn eines wohlhabenden englischen Kaufmanns und seiner Gattin die eine angesagte Theaterschauspielerin war, bevor mein Bruder aufs europäische Festland ging und Mediziner wurde.....bevor wir alle in eine glückliche Zukunft gingen, durchlebte ich etwas Schreckliches. Etwas unausprechlich Schreckliches.

Es war 1888, ein Jahr wie jedes andere. Mein Bruder war für mich da wie jedes Jahr, jeder Tag war wie die Tage jeden Jahres zuvor. Nur mein Bruder machte mir Angst.
Ich glaube es begann schon im Frühjahr. Es war an einem Sonntag als mein Vater zu meinem Bruder sagte er solle sich um seine Zukunft sorgen. Eine Frau komme schon noch, die solle er erst außer Acht lassen da sie nur seiner Zukunft schaden. "Du wirst früh genug eine gute Frau für dich finden. Schau mich an, ich habe spät geheiratet und trotzdem eine wunderbare Frau bekommen." Mein Bruder war anderer Meinung....er wollte eine Freundin, eine Frau....Liebe. Ich weiß nicht was er wirklich wollte....aber er schrie meinen Vater an: "Auch ich habe Bedürfnisse. Einige meiner Freunde haben auch Freundinnen und sie sind zärtlich zueinander. Das möchte ich auch." Es war das erste Mal und das einzige Mal dass ich hörte wie mein Vater sagte: "Wenn es um die Zärtlichkeiten geht. Dann geh doch zu den leichten Dirnen und gibst ihnen etwas Geld für Zärtlichkeiten." Dann ging er aus dem Zimmer.
Mein Bruder war außer sich vor Wut: "Huren? Ich soll zu Huren gehen?"
Damals war mir nicht wirklich bewußt wovon er sprach. "Bruderherz?! Was sind Huren? Was meint Vater mit Dirnen?"
Er nahm mich in die Arme: "Das ist etwas schlechtes Liebes. Vergiss was Vater sagte."
Wieder strich er über meine Haare. Auch als ich älter war, mochte ich es wenn mein Bruder das tat. Es war dieses Gefühl der Geborgenheit dass ich so mochte. Heute durchläuft mir ein Schauer wenn ich daran denke wie seine Hände über meine Haare strichen, meine Arme streichelten oder mich einfach festhielten. Es macht mir Angst.

Der Sommer war eigentlich recht ruhig. Das Thema jenen Tages kam nie wieder zur Sprache. Nur manchmal hatte ich das Gefühl mein Bruder würde sich immer noch mit etwas plagen. Es kam manchmal vor dass er bis tief in die Nacht wegblieb. Auch wenn es meine Eltern nicht störte, ich hatte Angst. Angst dass er so wütend nach Hause kommt wie Vater es manchmal tat....aber immer wenn mein Bruder nach Hause kam, wie spät es auch war, kam er in mein Zimmer und gab mir einen Gute-Nacht-Kuss. Er sagte immer wieder "Alles wird Gut mein Kleines" und strich mir über die Haare. Manchmal roch er sehr streng....nach Dreck, Kot und nach anderen Dingen die ich nicht einordnen konnte.

Als die ersten Morde begannen, reagierte mein Vater sehr schnell. Ich durfte nicht mehr auf die Straße sobald es draußen dunkel wurde. Auch wenn das EastEnd weit weg von uns lag, machten meine Eltern sich Sorgen. Nur mein Bruder blieb trotzdem manchmal lange fort. An einigen Tagen kam er gar nicht nach Hause. Er sagte nie was er getan hatte, wo er war oder wen er getroffen hatte. Er nahm mich nur in die Arme, streichelte mir übers Haar und sagte das alles gut wird. Das ich ruhig schlafen kann und mir keine Sorgen machen soll.

Ich erinnere mich an einen Streit den er mit meinen Eltern hatte. "Lasst die Kleine nicht den ganzen Tag zu Hause. Sie ist bestimmt sicher." Meine Mutter war es die am schnellsten antwortete: "Niemand weiß wer dieses Monster ist. Und wo er als nächstes zuschlägt. Was ist wenn der Ripper unser kleines Mädchen nimmt?"
Mir machte es Angst wenn meine Mutter so sprach. Auch wenn ich bereits 20 Jahre alt war, war ich immer noch das kleine zu behütende Mädchen gewesen. Es störte mich nicht....aber manchmal machte es mir Angst. Was mir an diesem Tag aber mehr Angst machte, war mein Bruder der sagte: "Jack wird meiner Schwester schon nichts antun." Mehr sagte er nicht. Er nahm seinen Mantel und ging. Und ließ meine Eltern kopfschüttelnd zurück...und mich voller Angst. Warum war er sich so sicher? Und wieso kam es mir vor als würde er Jack the Ripper kennen?

Es war im Oktober 1888 als mein Bruder das erste Mal von seiner Freundin sprach. Und er sprach nur von ihr, wenn außer mir niemand im Zimmer war. "Vielleicht wirst du Mary Jane ja einmal kennenlernen. Sie ist eine wirklich schöne Frau." Er sprach nur gut von dieser Mary Jane. Und er sagte immer "Meine Freundin Mary Jane" oder "Meine kleine Mary".....er gab ihr Kosenamen, so wie er es bisher mit mir getan hatte. Ich freute mich für meinen Bruder, auch wenn ich ihm versprechen musste niemandem etwas von Mary Jane zu sagen.
Am 8. November 1888 war mein Bruder abends wieder einmal gegangen....wohin wußte niemand. Er nahm seinen Mantel und ging einfach. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen....erst kurz vor Sonnenaufgang schlief ich ein. Ich erwachte erst als mein Bruder neben mir hockte und mir über die Haare strich. "Guten Morgen Schwesterchen. Hab keine Angst, alles wird gut. Ich werde auf dich aufpassen, niemand wird dir wehtun. Ich bin immer für dich da, so wie für Mary Jane." Er wippte etwas vor und zurück und seine Augen waren rot unterlaufen....er wirkte müde, aber grinste wie verrückt. Und immer wieder strich er über mein Haar, berührte meine Arme, streichelte mein Gesicht "Mein kleines Schwesterherz, mein kleines Schwesterherz.....mein Ein und alles, ich werde immer bei dir sein." Ich weiß nicht wie lange er bei mir war....mir kam es vor wie eine Ewigkeit. Als er in sein Zimmer ging fühlte ich mich irgendwie elend. Mir war als wäre alle meine Farbe aus meinem Gesicht gewichen, kalter Schweiß rann mir den Rücken herunter. Und irgendwie wußte ich dass etwas nicht stimmte.
Erst einige Stunden später erfuhr ich von den Neuigkeiten. In der Nacht zuvor war wieder eine Frau bestialisch ermordet worden. Erst jetzt fielen mir die Blutflecken ein, die mein Bruder auf den Schuhen hatte als er morgens bei mir war und erst jetzt als ich den Namen des Opfers erfuhr, klingelte und dröhnte es in meinem Schädel unaufhörlich. Das Opfer hieß Mary Jane Kelly.....Mary Jane.....Mary Jane....wie die Freundin meines Bruders.

Die Morde hörten auf. Warum weiß niemand. Einige Monate nach jenem Novembermorgen ging mein Bruder auf das europäische Festland. Irgendwo in der Schweiz war er an einer medizinischen Fakultät tätig. Ich habe so vieles vergessen wollen wie nur möglich. Viele Dinge habe ich in meinem Kopf in irgendwelchen dunklen Ecken versteckt und hoffte sie kämen nie wieder zum Vorschein. Meinen Bruder sah ich nur einige Male und immer wenn ich ihn sah, glänzten seine Augen und er grinste mich an, er nahm mich in die Arme und flüsterte mir ins Ohr: "Ich bin immer für dich da Schwesterherz. Ich beschütze dich." Und immer wieder strich er über mein Haar. Ich konnte es nicht ertragen, aber ich erstarrte jedes Mal zu einer Säule.

Vorgestern war seine Beerdigung. Sein Herz hatte versagt und einfach aufgehört zu schlagen. Wenn er denn ein Herz hatte. Aber er musste eines haben....denn ich glaube bis heute dass er mich liebte wie man eine Schwester liebt. Und manchmal, auch jetzt wieder, fühle ich seine Hände auf meinem Haar: "Ich bin immer für dich da meine kleine Schwester. Ich passe auf dich auf Schwesterherz." Ich weiß nicht warum er Mary Jane nicht beschützen konnte oder wollte.....oder ob es seine Art war sie zu beschützen und die anderen. Aber an jenem Novembermorgen in meinem Zimmer im Jahre 1888 konnte ich in seinen Augen lesen wer mein Bruder war. Was mein Bruder war. Der Horrorherbst...es war mein Bruder, mein Bruder war Jack the Ripper. Und es waren die Hände von Jack the Ripper die mein Haar streichelten seit ich ein kleines Mädchen war, es waren die Finger Jack the Rippers die mit meinen blonden Locken spielten seit ich ein kleines Mädchen war. Es war Jack the Ripper der mir wenn er nach Hause kam einen Gute-Nacht-Kuss gab.


Offline Phil

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Re: Gedanken
« Antwort #103 am: 21.07.2009 14:55 Uhr »

Wow, nicht schlecht...da läuft einem schon der ein oder andere Schauer über den Rücken.
Respekt, Floh  :icon_thumb:
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Offline Isdrasil

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Re: Gedanken
« Antwort #104 am: 22.07.2009 11:07 Uhr »
Sehr schön, ja!  :icon_thumb: