Autor Thema: Kanonische 5 wohnten nahe beieinander  (Gelesen 20155 mal)

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Offline Lestrade

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Re: Kanonische 5 wohnten nahe beieinander
« Antwort #30 am: 11.11.2009 16:07 Uhr »
Ich vertrete nicht die Theorie des freiwilligen Aufhörens! Höchstens die einer kurzzeitigen Unterbrechung. Und die haben wir ja im Oktober 1988 verzeichnen können. Nach dem Double Event Ende September folgte der Kelly Mord Anfang November. Ich glaube nicht, dass im Oktober freiwillig eine Pause erfolgt ist. Die Haus zu Haus Befragungen nach dem Double Event schienen dabei eine große Rolle zu spielen. Was sich sicherlich auch in seinem Verhalten bei Kelly niederschlug. Er hatte sein Jagdrevier und er unterwarf sich dort letztlich seinen Zwang. Die Weiterentwicklung seiner Vorgehensweise und Taten lässt sich nur Erahnen. Die Pause und sein Verhalten bei Kelly zeigten jedoch schon, dass er sich "Gedanken" machte. Das musste seine Gründe haben und daher denke ich, dass man ihm bereits sehr nahe gekommen war. Seine eigene Logik und seine Sichtweisen mussten sich nicht zwangsläufig mit denen anderer Menschen decken. Er fuhr letztendlich seinen eigenen Film und ich vermute er hätte in seinem Bereich weitergemordet und zwar so lange bis man ihn gefangen hätte. Jeder hat seine eigene Rationalität und die hatte Jack the Ripper eben auch. Da keine weiteren Morde mehr stattfanden, vertrete ich die Meinung, dass er weggesperrt wurde. Wir haben immerhin die Gewissheit, dass aus diesem Bereich tatsächlich Männer weggesperrt wurden. Jacob Levy, David Cohen, Hyam Hyames und Aaron Kosminski sind vier mir bekannte Kandidaten. Alle sind interessant und keiner weiß, wie sie zueinander zu verstehen sind. Es gibt den Hauptverdächtigen "Kosminski", den ich nicht für Aaron halte. Aber dieser Zuname bleibt höchstinteressant.
Offensichtlich waren alle Opfer dicht beieinander, was aufzeigen könnte, wie nahe auch der Ripper von ihnen lebte. Die Tatorte erzählen da eine Menge, wie ich finde.
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Offline panopticon

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Re: Kanonische 5 wohnten nahe beieinander
« Antwort #31 am: 14.11.2009 12:22 Uhr »
Hallo Lestrade!

Ich vertrete nicht die Theorie des freiwilligen Aufhörens! Höchstens die einer kurzzeitigen Unterbrechung. Und die haben wir ja im Oktober 1988 verzeichnen können. Nach dem Double Event Ende September folgte der Kelly Mord Anfang November.

Gerade die von Dir erwähnte Pause zeigt aber, dass der Täter (vorausgesetzt sein Motiv war Triebbefriedigung und er befand sich während dieser Pause überhaupt in Whitechapel) sehr wohl in der Lage war, sich zumindest solange zu „beherrschen“, bis sich eine für ihn „sichere“ Gelegenheit ergab. Und eine Frage, die sich diesbezüglich mit Hinblick auf Kelly´s Ermordung im Zentrum der  „Wohngegend“ der Armen stellt, wäre eben, wo er sich denn danach überhaupt noch hätte „sicher“ fühlen können. Mittlerweile hatte der Mörder sich ja außerdem auch den „Ruf“ aufgebaut, nicht gefasst werden zu können, dessen Erhaltung ihm vielleicht mittlerweile über seinen Trieb zu Töten ging. (Unwahrscheinlich vielleicht, aber möglich!)

Wenn wir davon ausgehen, dass der Täter nach dem Mord an Kelly weggesperrt wurde, glaube ich  außerdem nicht, dass diese Pause zwischen Eddowes und Kelly die längste Zeit war, in der der Täter frei herumlief und keinen Mord beging. Dafür sprechen u. a. der 1906 publizierte Bericht von Detective Inspector Henry Cox über die von der City Police durchgeführte Observation eines  (noch arbeitenden!, womit Aaron Kosminski als "Kosminski" eigentlich vom Tisch ist) Verdächtigen bis mindestens 3 Monate nach „the final crime“, wie er explizit schreibt (und damit den Mord an Kelly meint), vor allem in Verbindung mit den Anmerkungen von Swanson zum Anderson Verdächtigen, sowie die Einweisungsdaten der von Dir genannten Verdächtigen (mit Ausnahme von David Cohen).

Summa summarum fand die längste Zeit ohne Mord, dafür aber mit freiem Täter (unter der Annahme, dass der Täter tatsächlich weggesperrt wurde, und dass an der Geschichte von Anderson/Swanson, die neben den Aussagen von Sagar und Cox maßgeblich zur „Wegsperrtheorie“ beigetragen hat,  irgendetwas dran ist) wohl eher nach dem Mord an Kelly statt.

Wie in einem anderen Post schon gesagt, die Diskussion ums Aufhören wäre aber prinzipiell in einem anderen Thread besser aufgehoben, deshalb zurück zum Thema:


Offensichtlich waren alle Opfer dicht beieinander, was aufzeigen könnte, wie nahe auch der Ripper von ihnen lebte. Die Tatorte erzählen da eine Menge, wie ich finde.

In der Tat. Oder wie nahe er diesem Gebiet letztendlich kam.
Laut geografischem Profiling wäre in Bezug auf die kanonischen Fünf wohl eine Bewegung des Täters von der Nähe seiner Unterkunft im Osten von Whitechapel in Richtung der üblichen Unterkünfte der Opfer westlich davon wahrscheinlich.

Das Ganze relativiert sich aber natürlich gerade wieder bei Personen, die vom Zentrum des "Aktionsradius" der Prostituierten aus in beide Richtungen Zufluchtsorte hatten/gehabt haben könnten, wie allein die von Dir genannten Verdächtigen zeigen:

Bei (dem angeblichen) David Cohen wissen wir ja leider nicht, wie weit er von den Tatorten bzw dem üblichen Unterkunftsbereich der Opfer um die Dorsetstreet entfernt war, da die bei seiner Einlieferung angegebene Adresse wohl nicht stimmte.

Bei Jacob Levy wäre interessant zu wissen, ob er 1888 auch noch Zugang zu der Adresse in der Fieldgate Street Nr.11 hatte, in der er 1881 gemeldet war. Diese befand sich ja direkt südlich der Whitechapel Road, zwischen der Osborn Street, wo Polly Nichols ja das letzte Mal lebend gesehen wurde, und dem Auffindungsort ihrer Leiche in der Buck´s Row. In Kombination mit seiner 1888 vermerkten Adresse in der Middlesex Street, gerade einmal  einen Block vom Goulston Street Graffito entfernt (und zwar unabhängig davon, ob er nun in Nr. 36 oder 69 wohnte – dies wäre nur eine Frage des Zuständingkeitsbereichs von Met bzw City Police), hätte er so sowohl im „Aussenradius“ der Prostituierten, als auch nahe ihrer Unterkünfte eine Zufluchtsmöglichkeit besessen.

Ähnlich verhält es sich bei Aaron Kosminski, vor allem wenn man davon ausgeht, dass er nicht nur mit  Woolf Abrahams vom Sion Square Nr.3 und Morris Lubnowski (später eventuell in Cohen umbenannt) in der Greenfield Street verschwägert, sondern auch der Bruder/Schwager von jenem Isaac Kosminski in der Goulston Street war, und so eventuell auch dort Zugang hatte.

Und Hyam Hyams ist wohl in der Mitre Street aufgewachsen, hatte einen Onkel mit dem Namen Levy, der ein Geschäft in der Whitechapel Road besaß und residierte selbst wohl in der Jubilee Street...

Wenn man jetzt noch andere Verdächtige hinzuzählt, die in der Nähe wohnten/verkehrten, wie zum Beispiel Klosowski/Chapman, wird bald klar, dass unter dem Gesichtspunkt der Nähe einerseits wohl wirklich nahezu jeder Bewohner der Gegend irgendwie verdächtigungswürdig wäre, und dieses Argument allein eben sicher nicht zur Überführung eines Täters wird beitragen können.

Also müsste man eigentlich auch sagen: Die Verdächtigen wohnten nahe beieinander. Das hat aber viele davon vielleicht auch erst zu Verdächtigen gemacht...

Best regards,
panopticon

Offline Lestrade

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Re: Kanonische 5 wohnten nahe beieinander
« Antwort #32 am: 16.11.2009 09:32 Uhr »
Guten Morgen Panopticon !

Vielen Dank für deine Ausführungen.Das war ersteinmal sehr informativ.Ich reagiere später nochmal darauf.

Lieben Gruß,

Lestrade.
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