Hallo!
Aber warum sollte er eigentlich nicht einfach wo anders weitergemacht haben, wo das Pflaster für ihn nicht ganz so heiß war... Verband ihn so viel mit der Gegend? Konnte er sie gar (aus welchem Grund auch immer) überhaupt nicht verlassen? War sie ein fester Bestandteil seiner mörderischen Phantasien?
Tja, gute Fragen!
Ich habe mir London´s Poverty-Map von 1889 mal gesamt angesehen:
Charles Booth Online Archive:
http://booth.lse.ac.uk/cgi-bin/do.pl?sub=view_booth_and_barth&args=531000,180400,6,large,5 Da gab es allein in London ja an sich genug andere und scheinbar sogar größere Armenviertel als Whitechapel, wie zum Beispiel Limehouse, (das aber wahrscheinlich prinzipiell eher mit ausländischen „Seefahrern“ bevölkert war, als mit Prostituierten...).
Vorstellbare Gründe, warum er nicht wo anders weitermachen (1) wollte, (2) konnte oder (3) sich die Frage für ihn gar nicht stellte (oder eine Mischung daraus), wodurch er letztendlich durchaus auch "von selbst" aufgehört haben könnte, gäbe es eigentlich eine Menge. Mir ist da so einiges eingefallen, vor allem zu den ersten beiden Variationen. (Das wäre aber vermutlich die Diskussionsgrundlage für einen anderen oder neuen Thread und, um es dennoch kurz anzusprechen, würde in den meisten Fällen auf einen manischen Perfektionisten und/oder eine von anderen abhängige, höchstwahrscheinlich einheimische Person hindeuten, oder aber auf jemanden, bei dem vielleicht eine Art Paranoia überhand nahm, die aus den Taten selbst resultierte, und ihn im Endeffekt von weiteren Taten abhielt.) Interessant ist
hier aber auf jeden Fall (3) Stordfields
Frage, ob die Taten nicht generell auch irgendwie ortsspezifisch motiviert gewesen sein könnten, also ob sich die Frage, woanders weiterzumachen, für den Täter eventuell gar nicht stellte: Ein Grund, warum ihm eventuell gar nicht einfiel, es woanders zu probieren, wäre also eben zum Beispiel, dass die (zumindest ursprüngliche) Motivation zu seinen Verbrechen eine Art „
Mission für seinen Stadtteil“ bildete. (Zum Beispiel die Vertreibung oder „Bekehrung“ von Prostituierten, ob nun aus religiösen, (a)sozialen oder beruflichen "Gründen".) Ein
spezifischerer Grund wäre, dass er bestimmte Prostituierte aus „
seinem“ Gebiet vertreiben wollte - da wären wir jetzt aber wahrscheinlich bei einer Art „Zuhältertheorie“ mit einer sehr wahrscheinlichen, großen Menge an Mitwissern, die wohl ziemlich sicher ausgeschlossen werden kann.
@ Stordfield: Bezüglich irgendwelcher "
Phantasien" fällt mir jetzt ad hoc nichts Adäquates ein, was könntest Du Dir da eventuell vorstellen?
Klar, dein Gedanke ist interessant,Panopticon, und auch noch nirgends aufgeworfen worden. Von daher schon mal ein Lob meinerseits.
Ich glaube aber nicht, dass der Ripper mit jedem Mord den er begang immer mehr in die Armut "vorrücken" wollte.
Danke!
War wahrscheinlich schlecht formuliert von mir: Ich wollte eigentlich nicht die Frage stellen, ob der Ripper immer weiter in die ärmsten Gebiete (wo ja eigentlich
alle Opfer ihre regelmäßigen Unterkünfte hatten) vorrücken „
wollte“, sondern eher bemerken, dass er dies vielleicht sogar
musste, um sich eben, wie Du schreibst, weiterhin „
sicher" fühlen zu können. Die Frage, ist, wie sehr ihm das
selbst nun vor jeder weiteren Tat bewusst war, oder anders gefragt,
ob eine solche Näherung eher "zwangsläufig by design“ oder eher "durch die jeweils tatsächlich erschwert vorgefundene Situation nach jedem weiteren Mord" stattgefunden haben könnte? Ich denke, dass die Bürgerwehr nicht ernsthaft auch durch die Straßen der Ärmsten patrouillierte - die waren wohl in erster Linie an ihrem eigenen Schutz interessiert. Ein schwerwiegender Fehler der Polizei könnte es durchaus gewesen sein, Whitechapel eher als Ganzes zu betrachten, als die Frage zu stellen, wo genau es den Täter zukünftig „hintreiben“ könnte. Nun gut, wer hätte annehmen können, dass dieser extem skrupellose Täter letztendlich sogar bis in die Behausungen seiner Opfer vorstieß, noch dazu in ein Gebiet, das durch die dort erhöht stattfindende Kriminalität für die Polizei ohnedies nicht wirklich kontrollierbar war... Poverty Map gab es keine, also müsste der Täter, entweder gewusst haben, wo er garantiert noch auf Opfer stößt und gleichzeitig vor Polizei und Bürgerwehr sicherer war, oder einfach zufällig dort gelandet sein, nachdem sich davor (also am Weg dahin) keine Möglichkeit mehr für einen „sicheren“ Mord ergab. (Hier sind die Tatzeiten nicht uninteressant, führen uns aber allein schon wegen der Nacht des „Double Events“ auch nicht wirklich weiter...)
Ich denke da mal noch etwas drüber nach...
Liebe Grüße,
panopticon