Autor Thema: Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?  (Gelesen 83640 mal)

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Colin Benson

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Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?
« Antwort #30 am: 09.09.2004 15:36 Uhr »
Stiefel. ich habe mein Zeug leider nicht da (bin unterwegs), kanns dir nicht sagen. Ich glaube mich zu erinnern, aber om Casebook-Forum vertritt Richard Nunsweek sehr ausgeprägt, daß die Stiefel vor dem Kamin waren, also habe ich vielleicht meine "Erinnerung" aus seiner Behauptung (die ja durchaus richtig sein kann).

Sorry, mehr habe ich im Moment nicht.

CB

Offline academyfightsong

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Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?
« Antwort #31 am: 09.09.2004 16:38 Uhr »
jepp, stiefel standen vor dem kamin. war nur 'ne fixe idee... schon vergessen. :wink:

das mit dem hut können wir leider auch vergessen. der gehörte wohl maria harvey.

Also found in the room by the police was remnants of clothes in the grate of the fireplace. They had been burned in a fire so hot that it melted the spout off a nearby kettle. Mrs. Harvey believes the clothes are hers as she had left a hat...

Rolf

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Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?
« Antwort #32 am: 10.09.2004 10:41 Uhr »
O.k., und was schließen wir nun daraus? Dass Caroline Maxwell und Maurice Lewis nicht Mary Kelly sondern Maria Harvey ohne Hut getroffen und die beiden verwechselt haben? Aber... unabhängig voneinander? Ein wenig irritieren mich die Zeugenaussagen schon.

Gruß
Rolf

Colin Benson

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Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?
« Antwort #33 am: 10.09.2004 12:33 Uhr »
Hi Rolf,

"O.k., und was schließen wir nun daraus? Dass Caroline Maxwell und Maurice Lewis nicht Mary Kelly sondern Maria Harvey ohne Hut getroffen und die beiden verwechselt haben? Aber... unabhängig voneinander?"

Meines Erachtens nicht. WIr haben zunächst einmal keinen Anhaltspunkt, daß Harvey ebenfalls hutlos war, denn der verbrannte Hut gehörte wohl zu der mitgeführten Ladung Wäsche, die sie bei Kelly abgestellt hatte. Zweitens waren sich Cox und v.a. Maxwell sicher, Kelly gesehen zu haben, und sie hatten mehr für ihre ID zur Verfügung, als ein zerhacktes Gesicht. Den dritten Punkt - die statistische Wahrscheinlichkeit - läßt Du ja selbst anklingen.

Was mich wundert - diese Stiefel und die gefalteten Klamotten, von wem wurden die eigentlich als Kelly zugehörig identifiziert?

Grüße

CB

Offline academyfightsong

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Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?
« Antwort #34 am: 10.09.2004 16:09 Uhr »
oi colin,
ich denke das war barnett. seine pfeife hat er ja auch wieder erkannt.  :wink:

die sache mit der pfeife fand ich schon immer etwas merkwürdig. wenn ein raucher seine utensilien irgendwo vergisst, passiert das doch meistens, wenn er in eile ist bzw. hastig aufbrechen muss. ich kann da nur aus eigener erfahrung sprechen, wenn ich weggehe, check ich als erstes, ob ich mein portemanaie und meine zigaretten eingesteckt habe.  :wink:

dasilva

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Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?
« Antwort #35 am: 10.09.2004 19:47 Uhr »
Hi,

Raucher outet Euch :oops:

Ich vergesse oft meine Zigaretten....(Schussel halt)

Aber, ich hab an Orten wo ich oft bin mir nen Vorrat angelegt :wink:
Bei meinen Eltern... auf der Arbeit... und natürlich bei meiner Freundin, die nicht raucht :(

Vielleicht hat er 2 Pfeifen gehabt... :idea:

Gruß Silvi

Beatle

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Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?
« Antwort #36 am: 12.09.2004 12:50 Uhr »
Hallo zusammen;

Also ich rauche gelegentlich mal Pfeife, und es ist in der Tat so, als Pfeifenraucher "sollte" man genau so viele Pfeifen besitzen, wie man pro Tag raucht.

Das kommt daher, dass durch das Rauchen im innern Feuchtigkeit entsteht, welche den Geschmack des Tabaks verfälschen bzw. verderben.

Ich selbst, obwohl nur Gelegenheits-Schmaucher besitze 3 Pfeifen.

Natürlich dürfte es in diesem Fall bedingt durch die Armut nicht auszuschliessen sein dass er nur eine Pfeife besass.

Gruss C

Colin Benson

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Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?
« Antwort #37 am: 13.09.2004 23:35 Uhr »
Ich als Raucher vergeß gelegentlich auch meine Qualmwaren, das find ich nicht ganz so ungewöhnlich - allenfalls stört mich, daß Barnett nicht zurückgekommen ist, um sie zu holen, als er es entdeckt hat. Ich werd dann immer extrem unruhig (Sucht, Sucht, SUCHT), aber bei Pfeife solls ja nicht so ausgeprägt sein, oder er hat sich irgendwo was geschnorrt.

Was anderes. Wurde damals überprüft, ob die gefalteten Klamotten mit dem Outfit zumindest annähernd übereinstimmen, in dem Mrs. Cox Mary Jane Kelly um 23:45 gesehen hat? Oder ist das ein Wunschtraum von mir?

Und jetzt gönn ich mir ein Kippchen.

CB

EDIT: Um mir meine Frage selbst zu beantworten; NEIN. MacDonald hat das natürlich NICHT getan, der Mistkerl.  :x

Colin Benson

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Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?
« Antwort #38 am: 21.09.2004 17:20 Uhr »
Rolf schrieb in einem anderen Zusammenhang, sich auf diese Diskussion beziehend:

"Das würde dann bedeuten, dass du Joseph Barnett unterstellst, er habe eine andere Frau absichtlich wider besseren Wissens als Mary Kelly identifiziert. Das krankt nun aber an dem gleichen Ansatz. Warum sollte er dies tun? Wo ist das Motiv?"

Absichtsvolle, motivgesteuerte Aussage habe ich Joe Barnett nie unterstellt, Rolf, vgl. mein obiges, sehr langes Posting:  http://www.jacktheripper.de/forum/viewtopic.php?p=3107&highlight=#3107

Was ich behaupte ist, daß eine echte Identifikation nie zustandekam, und Barnetts ID umständehalber fehlerhaft ist. Barnettes offizielle ID liest sich, das ist nun seit längerem bekannt, wie folgt: Ich habe den Körper gesehen und identifiziere ihn anhand der Augen und Ohren, die alles sind, was ich erkennen kann [Anmerkung Colin: Die dabei aber keineswegs unversehrt waren] (QUELLE: Daily Telegraph, 12.11.1888)

Es ist dazu anzmerken, daß selbst diese zweifelhafte ID während der Voruntersuchung meines lieben Freundes MaCDonald bereits von dem abwich, was VOR der Voruntersuchung berichtet worden war: Barnett, der Mann, der mit Kelly bekannt war, wurde gerufen, und er identifizierte den Körper, die Frau "Ginger" benennend, wie sie nach ihrer Haarfarbe benannt wurde." (QUELLE: Manchester Guardian, 10.11.1888)

Letztlich ist es unerheblich, ob es "hair and eyes" oder "ears and eyes" waren, also können wir Diskussion um Quellenverläßlichkeit an dieser Stelle überspringen. Ein Blick auf das entsprechende Tatortbild - hier empfehle ich die Fassung aus Rumbelows Buch, möglichst eine frühe Hardcoverausgabe - sollte genügen zu erklären, daß Barnett nicht viel zur Verfügung stand um sie zu identifizieren.

John MacCarthy, einer der ersten am Tatort bemerkte: "Die Nase der Frau war abgeschnitten, und ihr Gesicht war zerschnitten (zerschlitzt) und verstümmelt so daß sie vollständig unkenntlich war (quite beyond recognition)." (London Times, 10.11.1888). Trotzdem behauptete er im Inquest kühn: "I knew the deceased as Mary Jane Kelly, and had no doubt at all about her identity." (Daily Telegraph 12.11.1888). Selbst nachdem man sie für die Inquest-Jury "vorbereitet" hatte, war der Anblick noch immer furchtbar: Der Rest [bis auf die Augen] war so zerfetzt und zerschnitten, daß es unmöglich war zu sagen, wo die Schnitte endeten und das Fleisch begann." [Pall Mall Gazette, zitiert nach Philip Sugden The Complete History of Jack the Ripper - New Edition. London: Robinson, 2001, S. 323]

Wir können festhalten, daß zumindest Zweifel an Barnett's ID nicht von der Hand zu weisen sind.

Warnung Für das, was jetzt kommt, muß ich die Quellen noch nachreichen, ich bin da momentan etwas eingeschränkt. :). Aber, entgegen einem Times-Artikel hat Barnett meines Wissens MJK in situ identifiziert. Also stelle Dir vor - du wirst gerufen, Deine Freundin zu identifizieren, Du kommst in dieses Schlachthaus, das Du einst mit ihr geteilt hast und siehst vor Dir eine Leiche in einem Dir wohlbekannten Kleidungsstück (chemise), zerhackt, wir wir gelernt haben bis zur Unkenntlichkeit. Wie lange wird der arme Mann wohl die Leiche "studieren", um sich sicher zu sein? Haar- und Augenfarbe, sofern im trüben Licht der Kammer zu erkennen, stimmen überein, der Rest spricht für sich, da er ja keinen Anhalt hat, daß dies nicht MJK ist. Schaudernd wendet er sich ab und bestätigt den Tod.

Das verdeutlicht die Zweifel an der ID. Und wenn ich nun diese zweifelhafte Aussage gegen die sehr exakten und in Aspekten überprüfbaren anderer Zeugen, z.B. Maxwell, abwäge (und einige andere Fakten, die jetzt nicht hierher gehören), kann ich nicht mehr guten Gewissens behaupten, daß die Identität der Leiche feststeht.

Grüße CB

Colin Benson

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Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?
« Antwort #39 am: 22.09.2004 00:11 Uhr »
UELLEN-UPDATE:

Okay. Jetzt weiß ich auch wieder, warum ich so vorsichtig formuliert habe. Wo genau die ID stattfand ist unklar. Sogar Sugden, der die entsprechenden Vorgänge im Falle der anderen Opfe beschreibt, schummelt sich hier an einer Ausage vorbei (was selten genug vorkommt). Aber aus zeitgenössischen Quellen wissen wir, daß die ID recht unmittelbar nach dem Mord stattfand. Bereits am 10.11.1888 hat ja der Manchester Guardian entsprechende Details in seinem o.a. Artikel erwähnt (wobei Barnett als "Barnet" firmiert). Die ID muß also noch am Tage der Entdeckung des Leichnams durchgeführt worden sein.

Weitere Indizien gibt uns der Daily Telegraph vom 10.11.1888. Unter der Überschrift "The East End Tragedies" gibt der Reporter eine chronologische (!) Wiedergabe der Ermittlungen und des Umfelds nach der Entdeckung der Leiche. Wir erinnern uns, daß die Detectives wg. Bruno und Burgho (?) warten mußten. In dieser Zeit nahmen sie die Zeugenaussagen der Hausbewohner auf, u.a. die von Elizabeth Prater. Die Aussage von Prater wies auf Joe Barnett hin, und es geschah folgendes:

"Während des Tages gelang es der Polizei, John Barnett zu finden, den Mann, mit dem die Verstorbene bis vor einer Woche zusammengelebt hatte, als sie sich als Folge einer Auseinandersetzung trennten, in deren Verlauf das Fenster zerbrochen worden war."

Erst später am Nachmittag (und einiges später im Text) jedoch wurde nach diesem Artikel die Leiche abtransportiert und das Zimmer wurde verschlossen, die Fenster mit Brettern vernagelt.

Schlußfolgerung:

Das beweist nicht zwingend, daß Barnett den Tatort sehen mußte. Eine positive ID zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt gehörte aber auch für Abberline bereits zum Handwerk. Barnett war diesen Quellen implizit zufolge schon am frühen Nachmittag zur Stelle - und falls dem so war, was nicht mit letzter Konsequenz behauptet werden kann, dann ist eine ID vor Ort sicher. Die Polizei, die zu diesem Zeitpunkt Barnett ja verdächtigte, hatte gewiß keinen Grund ihn zu schonen, sie benötigte die ID und sie wollte gewiß wohl auch Barnetts Reaktion testen. Zu dieser Gelegenheit hat Barnett Abberline dann auch wahrscheinlich über die Pfeife und den verschwundenen Schlüssel aufgeklärt und ihm den Türbolzentrick gezeigt (was ja nur vor Ort hat geschehen können)

Insgesamt sind die genauen Umstände der durchgeführten ID nicht notwendig, um Barnetts Identifizierung in Zweifel zu ziehen, dazu genügt allein der oben beschriebene Zustand der Leiche. Sie machen eine versehentlich falsch positive Aussage des Barnett jedoch um einiges wahrscheinlicher. Daß Barnett wiederum meiner Meinung nach gar nicht sicher gewesen sein kann, wessen Leiche ihm da gezeigt wurde, bedeutet im Umkehrschluß nicht, daß er automatisch falsch lag. Diese Vermutung läßt sich erst in der Zusammenschau mit anderen vorliegenden Zeugenaussagen (wie von mir schon beschrieben) äußern.

Grüße CB

Rolf

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Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?
« Antwort #40 am: 22.09.2004 11:02 Uhr »
Hallo Colin,

deine Argumentation, dass Barnett MK fälschlicher Weise identifiziert haben könnte, ohne dass dies jedoch absichtlich geschah, ist in sich durchaus schlüssig. Nur frage ich mich, warum ihm dieser Fehler unterlaufen sein könnte. Grundsätzlich bestehen doch drei Alternativen.

1. Die Leiche war MK und Barnett hat sie tatsächlich richtig identfiziert.
2. Die Leiche war nicht MK, Barnett hielt sie aber dafür.
3. Die Leiche war nicht MK und Barnett wusste das.

Interssant sind alle drei Alternativen. Nach deiner Argumentation könnte aber Alternative 2 zutreffen. Dabei verstehe ich dann nur nicht, wieso Barnett sich derart falsch festgelegt hat. Er wusste doch, dass nicht nur MK sich in dem Raum aufhielt, sondern zeitweilig auch Maria Harvey. Damit musste er nicht zwangsläufig davon ausgehen, dass es sich bei der Leiche um Mary Kelly handelte. Er hätte also durchaus angeben können, dass er sich nicht sicher sei, welche von beiden Frauen das Opfer sei. Das hat er aber nicht getan. Wenn ich versuche, mich, wie du vorgeschlagen hast, mal in seine Lage zu versetzen, dann würde ich zunächst hoffen, dass es nicht meine Freundin getroffen hätte. Ich würde also versuchen zu erkennen, ob es nicht doch um die andere Frau handelt. Erst, wenn ich dies ausschließen könnte, würde ich sagen, dass ich davon überzeugt bin, dass es sich um meine Freundin handelt. Gut, vielleicht wäre ich aufgrund des fürchterlichen Anblicks zunächst so geschockt, dass ich nicht vollkommen klar denken könnte. Aber nach einiger Zeit wäre ich doch wieder so klar im Kopf, dass ich der Polizei meine Bedenken mitteilen würde. Das hat Barnett aber ja wohl nicht getan. Ich vermag mir jedenfalls nicht gut vorzustellen, dass Barnett einen so gravierenden Fehler beging.

An alle:
Es bleibt ferner noch eine weitere wichtige Frage offen: Ist Maria Harvey noch einmal aufgetaucht? Wenn ja, dann ist das hier wohl nicht die richtige Stelle, um das zu diskutieren. Wenn nein, reicht ja schon eine kurze Antwort.

Gruß
Rolf

Scharfnase

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Colins Theorie nicht logisch
« Antwort #41 am: 22.09.2004 12:14 Uhr »
Hi Rolf,

Deine Ausführungen sind messerscharf. Zudem muss man sich fragen, was Barnett eine willentliche Falschidentifikation denn gebracht hätte? Denn mit der Tatsache, dass er eine unbekannte Tote fälschlich als Mary Kelly identifizierte, lenkte er den Verdacht ja gerade auf sich. Schließlich gibt es eine Verbindung zu ihm, da sie ein Paar waren. Er hätte also sagen müssen, dass er die Frau in dem Zimmer nicht kenne, oder aber als jemand ganz anderes indentifizieren können. Da im englischen Recht gilt, dass kein Prozess ohne Leiche stattfindet, wäre er nur dann aus dem Schneider gewesen. Die Leiche wissentlich als Mary Kelly zu identifizieren, obwohl sie es nicht war, hätte zum gleichen Ergebnis geführt, wie es doch ohnehin gelaufen ist. Er wurde verdächtigt.

Daher kommt überhaupt nur der Fall in Betracht, dass Barnett sie irrtümlich als Mary Kelly identifizierte, wie Du schon sagtest. Wenn er also redlich war, dann hat er sich auch nach besten Willen bemüht, sie zu erkennen. Darauf hat ihn die Polizei sicher hingewiesen. Dazu braucht man als Ex-Lover ja auch gar kein Gesicht. Es reicht die Statur, Haarfarbe, Augenfarbe, die Beschaffenheit der Haut und vielleicht eine vertraute Stelle irgendwo mit einem Leberfleck. Gerade ihre Arme waren ja noch voll intakt. Mit einiger Sicherheit können wir daher schon sagen, dass Barnett Mary Kelly wissentlich als solche identifiziert hat.

Gott zum Gruße,
Scharfnase

Colin Benson

  • Gast
Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?
« Antwort #42 am: 22.09.2004 15:21 Uhr »
Hallo,

zunächst einmal vielen Dank, daß ihr es auf euch nehmt, eine so ausufernde Argumentation zu studieren. Danke auch für eure Einwände.

Rolf:

Maria Harvey sagt u.a. im Inquest aus. Ihre Zeugenaussage ist auch eine von jenen, die am Mordtag im Hof von Miller's Court aufgenommen wurde. Sie stand also wahrscheinlich auch dort herum, wie auch Elizabeth Prater. Maria Harvey hat übrigens nicht mehr bei MJK gewohnt, und auch nicht Julia VanTurney (vgl. Inquest und The Complete History of Jack the Ripper, S. 326-328). In der Tat war diese Nacht die erste seit Wochen, wahrscheinlich seit Monaten, in der sie alleine war (EDIT: Dies schließt Freier nicht mit ein).

Scharfnase:

Ich gehe bei dem armen Schwein von Redlichkeit aus. Und garantiert hat er sich in diesen Sekunden keine Gedanken um Verdachtsmomente und Rechtsdetails gemacht (so er sie denn kannte). Er wollte das hinter sich bringen, ganz schnell.

Es reicht die Statur, Haarfarbe, Augenfarbe, die Beschaffenheit der Haut und vielleicht eine vertraute Stelle irgendwo mit einem Leberfleck. Gerade ihre Arme waren ja noch voll intakt.

RICHTIG, gut erkannt. Es gab Möglichkeiten der ID, aber er hat sie aber nun einmal nicht an Leberflecken, an Statur oder an ihren Armen identifiziert, sondern allein an Haaren (Ohren) & Augen. Gerade das ist das entscheidende Indiz für das angegebene Szenario eines kurzen, oberflächlichen Blicks zur ID. Was er sah, deckte sich mit seinen schlimmsten Befürchtungen, und der Anblick war aufgrund äußerer Details so vertraut, daß Angst zur Gewißheit wurde.

Alle:

Die bereits oben zumindest als sehr begründeter Verdacht geäußerte Schlußfolgerung einer Identifikation in situ wird von Barnetts Aussagen selbst gestützt (zitiert nach James Tully, The Secret of Prisoner 1167.Paperback Edition, London: Robinson, 1998, S. 249). Dies wird auch von anderen Autoren behauptet, die sich aber dann, anders als wir hier, leider nicht um Quellenangaben scheren (z.B. Paul Harrison, "Catch me when you can." In: Maxim Jakubowski, Nathan Braund (eds) The Mammoth Book of Jack the Ripper. London: Robinson, 1999, S. 201).) Deduktion aus zeitgenössischen Berichten und aus Barnetts Aussagen machen eine in-situ-Identifikation fast zur Gewißheit.

Barnett mußte sich das Schlachthaus ansehen.

Wenn wir uns das vor Augen führen, müssen wir uns auch vorstellen, was in Barnett passiert sein muß, um diese "Identifikation" bewerten zu können. Und dazu möchte ich anmerken - und das jetzt nicht in den falschen Hals kriegen, das soll keine Crazy-Diskussion werden -, daß die Rationalisierung von Barnetts Gefühlswelt und Entscheidungsmöglichkeiten, wie Scharfnase und Rolf sie vornehmen, ein wenig an Weltfremdheit krankt.

Barnett wird vollkommen unvermittelt in eine der grauenvollsten Situation geschleudert, die sich ein Mensch vorstellen kann. Auf dem Weg zum Tatort baut sich ängstliche Spannung auf, nachdem sein Schwager ihm vermutlich schon erzählt hat, daß man Mary Jane ermordet hat (vgl. Barnetts Aussage in Tully, a.a.O., S. 249), der Name der Toten ist garantiert auch aus der Menge um Miller's Court zu hören, aus Angst wird Panik (davon ausgehend, daß Barnett MJK wirklich liebte). Er ist kein intellektueller Goliath, er ist ein East Ender, ein (ehemaliger) Arbeiter in den Fischmarkthallen, seine formale Bildung beschränkt sich auf etwas Lesen, Schreiben und Rechnen, Autoritätspersonen, die man mit einem unterwürfigen "Sir" anspricht, führen ihn mit grimmiger Miene in das Zimmer (die Polizei hatte ihn ja schon auf der Liste). Er ist eingeschüchtert, verängstigt und dann sieht er.... das.

Wird ernsthaft erwartet, daß er nun cool in diesen zerschmetterten Resten eines geliebten Menschen wühlt, um einen Leberfleck zu suchen? Gar einige der Stücke auf dem Nachttisch in die Hand nimmt, um sie auf Vertrautheit zu untersuchen? Oder sich, während er sich zwingt zumindest kurz in dieses zerfetzte Elend von Gesicht zu starren, überlegt, wie er einen evtl. Verdacht von sich ablenken kann? Nein, die Angst wird zur Gewißheit, ein flüchtiger Blick am Eingang bereits bestätigt die schlimmsten Erwartungen, das Hemd, die Haare, in Dir stirbt etwas, Du willst nur noch raus hier, lieber Gott laß es enden....

In diesen Sekunden hat Barnett gar nichts überlegt. Und er hat nichts bewußt gesehen. Und so bestätigte er die Identität von Mary Jane Kelly, weil er sich sicher war, daß sie es ist. Es gab ja für ihn auch keinen Grund, dies anzuzweifeln.

Als Aussage aber ist dies aufgrund der Umstände wertlos. Nochmals aber auch: das heißt nicht, daß es sich bei der Leiche nicht um MJK gehandelt haben kann, sondern nur, daß Barnett keine gültige Identifikation vorgenommen hat.  

CB

Scharfnase

  • Gast
Wirklich so wichtig?
« Antwort #43 am: 22.09.2004 15:59 Uhr »
Hi Colin,

Du hast recht, so könnte es tatsächlich gewesen sein. Dann ist es allerdings unerheblich, ob Barnett sie nun direkt am Tatort identifizierte oder zu einem späteren Zeitpunkt. Denn der Schrecken dürfte für ihn als immer noch Liebenden nicht minder gewesen sein, da es für die Gerichtsmedizin ohnehin wenig zum Zusammenflicken gab. Anders etwa bei Eddowes, der man die klaffende Wunde im Brustkorb zunähte, wie auf den Leichenfotos zu sehen ist.

Für mich gibt es dennoch viel zu wenig Anhaltspunkte dafür, dass die Leiche im Millers Court nicht Mary Kelly gewesen ist. Die Zeugenaussagen, von Leuten, die sich im Tag geirrt haben könnten, und ein verwirrter Fischhändler, der möglicherweise seine Geliebte falsch erkennt, reichen mir da nicht. Jedes Mal, wenn sich solche schreckliche Dinge ereignen, behauptet irgendjemand, die Ärmste noch lebend gesehen zu haben. Das könnte man dem Umstand zuschreiben, dass die einfache Bevölkerung nicht verstehen kann, warum die allseits beliebte Mary sterben musste. Wir verstehen es ja auch nur mit Mühe. Es kommt dann zu einer gewissen Verklärung ins Übernatürliche, wie man sie von Heiligen her kennt.

Gott zum Gruße,
Scharfnase

dasilva

  • Gast
Miller´s Court 13, Leiche tatsächlich Mary Jane?
« Antwort #44 am: 22.09.2004 17:46 Uhr »
Hi,

also ich kann nur staunen... mit welcher Energie Ihr an die Sachen herrangeht!!! Mit diesen ganzen Hintergrundinfos.. Respekt.

Ich für meinen Teil hab mein Wissen über Jack überwiegend hier aus dem Forum... dennoch hab ich auch ne Meinung :wink:

Also ich glaub auch das es MJK war. Denn wenns Sie es nicht war... warum ist Sie nicht mehr aufgetaucht?... Das Sie Schulden hatte und die Gelegenheit beim Schopfe packte um ein neues Leben anzufangen... na ja..dann muß Sie sehr abgebrüht gewesen sein. Außerdem muß Sie ja auch ein wenig Geld gespart haben... für den.."plötzlichen" Neuanfang. Das geht aber nicht mit Ihrer Lebens-situation zusammen.

Zweite Möglichkeit...Das Barnett wußte das es eine täuschung war.... eine gewisse schauspielerische Leistung muß es ja dann gewesen sein die Polizei zu täuschen. Ich beziehe mich mal auf das Mini-profil das CB von Ihm erstellt hat :wink:
Und dann stellt sich die Frage... wenn er Bescheid wußte.... dann liegt es ja nahe das er der Täter war... und ich glaub schon das es, mehr oder weniger bewiesen ist das er es nicht gewesen sein kann.
Damit schließt sich die zweite Möglichkeit von alleine aus.

Gruß Silvi