Ahoi alle zusammen!
@Claudia
Korrekt, der Mathematikus beweist gar nichts. Man muss sich von Cornwell ja auch keine Kuh als Schwein verkaufen lassen. Das das Buch teilweise haarsträubend ist, kann ich auch nur bestätigen. Trotzdem hat sie viele Details in den Briefen entdeckt, die zu Sickert passen würde. Und NEIN, ich stimme dir nicht zu, was die Menge an Kleinigkeiten angeht. Hätte man damals gegen Sickert als möglichen Briefeschreiber ermittelt, hätte man PCs Auflistung sicherlich nicht als Beweis betrachtet, sie aber gewiss auch nicht ignoriert. Und eine Ermittelung gegen Sickert als Täter wäre der nächste Schritt gewesen.
Woher hast du denn die Information, dass Sickert auf Grund von Personenbeschreibungen entlastet wurde? Lediglich der immer wieder erwähnte Schnurrbart hätte nicht zu Sickert gepasst. Die Tatsache, dass er Schauspieler war und sich natürlich hätte verkleiden können, ist aber nicht wirklich von der Hand zu weisen. Wenn man mal das Gedankenspiel wagt, ihn tatsächlich als Täter zu sehen, wäre es schon ziemlich merkwürdig, wenn er solche Möglichkeiten ungenutzt gelassen hätte. Was die Zeugenaussagen betrifft, die auf einen jüdischen / fremdländischen Täter hinweisen, so halte ich diese Aussagen für sehr widersprüchlich. Ein rötlicher Schnurrbart klingt für mich eher typisch irisch / englisch / schottisch... :-)
Bei der Untersuchung des Papiers war das Alter eigentlich vollkommen uninteressant. Es geht lediglich darum, das sehr kleine Stapel des Briefpapiers per Hand zurechtgeschnitten wurden, was Experten wie Bower ermöglicht, genau zu sagen, ob zwei Briefbögen von einem Stapel stammen, oder nicht.
@Lestrade
Wieso waren die denn eitel? Ich hab schon öfters mal gehört, dass Abberline immer einen Flachmann dabei hatte, von einem Beauty Case wusste ich nichts...
Ich finde Fidos Kaminsky Theorie recht spannend. Kannst du mir sagen, ob es das Buch auch auf Deutsch zu kaufen gibt?
@Panopticon
Leider bin ich auf dem Gebiet der Kunst nur ein Laie, deshalb sind deine Beiträge hier sehr wertvoll. Trotzdem gibt es ein paar grundsätzliche Dinge, die ich zu deinen Ausführungen sagen möchte.
Das Ergebnis bezüglich des Whitechapelmörders war jedenfalls, dass es aufgrund der Ausführung seiner Morde keinen einzigen Grund gibt, anzunehmen, dass dieser über Kunstverständnis verfügte oder von Kunst in irgendeiner Art ´inspiriert´ worden wäre.
Muss ein Mord (wenn er denn von einem Künstler begangen worden wäre) auch auf einen Künstler als Täter hinweisen? Hinter der Sickert Theorie steckt ja nicht die Idee, dass dieser die Morde als Kunst inszeniert hat, sondern eben nur, das er in seinen Bildern Hinweise auf seine Taten versteckt hat. Woran hätte man denn deiner Meinung nach einen künstlerisch veranlagten Täter erkennen können? Wenn du schreibst, „dass es aufgrund der Ausführung seiner Morde keinen einzigen Grund gibt, anzunehmen, dass dieser über Kunstverständnis verfügte oder von Kunst in irgendeiner Art ´inspiriert´ worden wäre“, würde das ja trotzdem immer noch nicht ausschließen, dass der Täter ein Künstler ist. Man hat ja am Tatort auch keine Stimmgabel gefunden, kann aber trotzdem nicht ausschließen, dass der Täter Geige spielt (obwohl nichts darauf hinweist). Das gleiche trifft auf die Bilder zu. Natürlich gibt es für jedes noch so morbide Bild auch künstlerische Erklärungen. Auch wenn nichts an diesen Bildern tatsächlich darauf hinweist, dass der Maler derartige Taten begangen hat (oder gerne begehen würde) ist es unmöglich, es auszuschließen. Woran würde man als Kunstexperte denn einen versteckten Hinweis in einem vom Täter gemalten Bild erkennen? Wie schließt man denn aus, das der Maler sich bei einigen Randdetails innerlich halb tot lacht, weil sie eine Beteutung für ihn haben, die nur er versteht?
Du wärst aber überrascht, was sich wissenschaftlich im Bereich bildender Kunst so alles ausschließen und beweisen lässt! Was Sickert betrifft, sind einige seiner Werke definitiv auf mehr als nur eine Art lesbar, aber im Vergleich zu anderen sehr begrenzt - sich in seinem Fall alle Optionen diesbezüglich offen zu lassen, wäre mehr als nur übertrieben – dagegen sprechen viel zu viele Faktoren, und das ist auch beweisbar!
Dass die Betrachtung von Sickerts Bildern aus künstlerisch-wissenschaftlicher Sicht beweisen soll, dass er NICHT der Täter sein kann, glaube ich nicht, genausowenig wie diese ihn als Täter überführen kann. Kein Staatsanwalt würde die Schuld oder Unschuld eines (künstlerisch tätigen) Angeklagten daran festmachen, wie ein Kunst-Wissenschaftler diesen (oder dessen Werke) beurteilt, auch wenn dessen Ausführungen sicherlich nicht unwichtig wären. Alles in Allem ist mir deine Argumentation in diesem Punkt zu theoretisch, ich glaube auch nicht, dass sich das ändern wird, wenn ich Bücher über Kunst und Impressionismus lesen werde. Du kannst ein Bild (und dessen Maler) aus wissenschaftlicher oder künstlerischer Sicht betrachten und doch niemals 100% von dem erkennen, was der Künstler sich dabei gedacht hat. Beweise mir das Gegenteil! :-)
Zwischen Musikern und bildenden Künstlern besteht ein extrem großer Unterschied (mich wundert ein wenig, dass Du Musiker als Künstler bezeichnest, Schauspieler, als Vertreter der darstellenden oder ephemeren Kunst hingegen nicht). Charles Manson als Künstler oder Musiker zu bezeichnen oder mit Personen wie Walter Sickert zu vergleichen, ist mehr als nur gewagt!
Das ich zwischen Künstler und Schauspieler unterschieden habe war eigentlich eher ein zufälliger Fehler, ich wollte eigendlich nur darauf hinweisen, dass Sickert zwei Berufe hatte (die natürlich beide als Kunst betrachtet werden). Ich habe Sickert übrigens keineswegs mit Charles Manson verglichen. Ich habe Manson lediglich als Beispiel genannt, weil die Aussage „Künstler reflektieren solche Taten, begehen sie aber nicht“ keineswegs immer zutreffen muss. In dieser Aussage wurde nicht zwischen verschiedenen Kunstformen unterschieden, es war nicht von Malern, sondern von Künstlern im Allgemeinen die Rede.
Warum ist es gewagt, Manson als Musiker oder als Künstler zu bezeichnen?
Was Sickert und Manson aber gemeinsam haben, ist wohl die Tatsache, dass beide niemals mordeten, denn soweit ich informiert bin, hat Manson die Morde seiner ´Family´ diktiert und selbst gar nicht getötet...
Ob Manson selbst gemordet hat oder nicht spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, er sitzt nicht ohne Grund lebenslänglich. Ich hätte auch Phil Spector als Beispiel nennen können, der hat nämlich selbst geschossen. Oder Ingrid Van Bergen als Beispiel einer Schauspielerin die getötet hat. Und im Gegensatz zu Charles Manson zählt Phil Spector übrigens zu den erfolgreichsten Musikern aller Zeiten (für alle die in diesem Zusammenhang Wert drauf legen). Manson und Spector sitzen jetzt übrigens im selben US-Knast :-)
Auch KvNs Aussage mit dem Paradoxon ist im Prinzip vollkommen richtig, denn Künstler sind eigentlich generell in der Lage, Morde darzustellen, ohne Morde begehen zu müssen.
Das Künstler in der Lage sind, Morde zu malen / besingen / spielen, ohne sie zu begehen, steht außer Frage (sonst wären unsere Zuchthäuser ja auch voll mit Malern, Musikern und Schauspielern). Aber auch hier lässt sich doch nicht ausschließen, dass sie es vielleicht trotzdem tun.
Zu Peter Bowers Untersuchung des Briefpapiers:
Mich irritieren die Reaktionen auf die Untersuchungen von Peter Bower. Es wird immer wieder angedeutet, dass die Sache einen Haken haben muss, nur weil PC das Ganze in Auftrag gegeben und finanziert hat. Wer kann mir denn jetzt mal tatsächlich schreiben, wo der Haken zu finden ist?
Hätte PC irgend etwas von Bowers Untersuchungen falsch wiedergegeben oder dargestellt, hätte dieser sie sicherlich millionenschwer verklagt...
So, lasst euch nicht von meiner Dickköpfigkeit ärgern. Es geht mir nicht darum Sickert als Täter hinzustellen, sondern nur darum, das er es gut gewesen sein könnte. Das muss nicht jeder so sehen.
Schönes Weekend allerseits!!! :-)
Yours Truly, Jörn