Autor Thema: Die Axiome  (Gelesen 34254 mal)

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KvN

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Die Axiome
« am: 05.04.2010 10:17 Uhr »
Im Rahmen unserer Diskussionen fällt mir immer wieder auf, dass wir etliche Dinge - oft grundlegender Natur - als selbstverständlich betrachten, auch wenn sie nicht hinlänglich belegt sind. Einiges davon möchte ich hier hinterfragen, eure geschätzte Meinung dazu würde mich brennend interessieren.

Die K5: Tabram und Stride werden diskutiert, aber grundsätzlich gehen wir von den K5 aus. Wie kam es eigentlich zu dieser rigiden Zuordnung? War es lediglich die Entscheidung MacNaghtens kraft eigener Willkür? Ragte der Herbst des Schreckens tatsächlich so sehr aus der Statistik der Tötungsdelikte hervor?

Die K5 als Prostituierte: Ich habe dieses Thema schon vor langer Zeit hinterfragt, es stellte sich bei den Recherchen heraus dass es kaum stichhaltige Beweise gibt dass die Damen tatsächlich anschafften. Ich gebe zu bedenken: Einzig Stride wies Zeichen einer ausgeheilten Geschlechtskrankheit auf. Bei einer Armutsprostituierten war es aber damals nur eine Frage der Zeit bis sie sich die Syphillis holte und die Opfer waren nicht gerade jung (ausser Kelly). Auch von Anzeichen eines Schwangerschaftsabbruches ist nirgends die Rede. Und last not least: Prostitution war verboten, allerdings ist nichts darüber bekannt dass die Damen Schwierigkeiten mit der Exekutive diesbezüglich hatten.

Der Wohnort des Rippers: Natürlich in unmittelbarer Tatortnähe! Aber warum? Ich finde keinen Hinweis auf seine grandiose Ortskenntnis. Er könnte nach den Morden einfach drei Gassen weiter gegangen sein und eine Kutsche aufgehalten haben, die ihn irgendwohin brachte. Ich kenne mich auch in Gegenden gut aus in denen ich niemals längere Zeit gelebt habe, wenn ich mich noch dazu gezielt vorbereite hätte ich kein Problem mich sehr gut zurecht zu finden. Und die Struktur des East End ist ja gut überschaubar.

Über das Motiv habe ich mich ja andernorts schon ausgelassen...   

Grüße

Offline Lestrade

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Re: Die Axiome
« Antwort #1 am: 05.04.2010 11:16 Uhr »
Guten Morgen KvN!

Die K5: Tabram und Stride werden diskutiert, aber grundsätzlich gehen wir von den K5 aus. Wie kam es eigentlich zu dieser rigiden Zuordnung? War es lediglich die Entscheidung MacNaghtens kraft eigener Willkür? Ragte der Herbst des Schreckens tatsächlich so sehr aus der Statistik der Tötungsdelikte hervor?

Ohja, tat er... Nichols, Chapman, Stride, Eddowes und Kelly ordnete man damals wie heute, mit großer Überzeugung ein und dem selben Täter zu. Die Profis tun das natürlich.

Millwood, Wilson, Tabram haben wir hier neulich schon diskutiert. Tabram war aber die einzige, die den Angriff nicht überlebte und sich in den Verletzungen von den K5 unterschied. Andere Todesfälle ordnet(e) man Gangs zu (Smith) oder einem anderen Killer (Torsofunde). K5 + Tabram sehen definitiv als mögliche Ripperopfer aus. Und wie gesagt, Millwood und Wilson starben nicht unmittelbar oder tatsächlich. Daher weniger populär.

Die K5 als Prostituierte: Ich habe dieses Thema schon vor langer Zeit hinterfragt, es stellte sich bei den Recherchen heraus dass es kaum stichhaltige Beweise gibt dass die Damen tatsächlich anschafften. Ich gebe zu bedenken: Einzig Stride wies Zeichen einer ausgeheilten Geschlechtskrankheit auf. Bei einer Armutsprostituierten war es aber damals nur eine Frage der Zeit bis sie sich die Syphillis holte und die Opfer waren nicht gerade jung (ausser Kelly). Auch von Anzeichen eines Schwangerschaftsabbruches ist nirgends die Rede. Und last not least: Prostitution war verboten, allerdings ist nichts darüber bekannt dass die Damen Schwierigkeiten mit der Exekutive diesbezüglich hatten.

Abehörige und Familie bestätigten die Prostitutionsarbeit der Opfer. Einige hatten Kinder. In solch einem Slum wie den EastEnd, wie willst du da Prostitution verhindern?

Der Wohnort des Rippers: Natürlich in unmittelbarer Tatortnähe! Aber warum? Ich finde keinen Hinweis auf seine grandiose Ortskenntnis. Er könnte nach den Morden einfach drei Gassen weiter gegangen sein und eine Kutsche aufgehalten haben, die ihn irgendwohin brachte. Ich kenne mich auch in Gegenden gut aus in denen ich niemals längere Zeit gelebt habe, wenn ich mich noch dazu gezielt vorbereite hätte ich kein Problem mich sehr gut zurecht zu finden. Und die Struktur des East End ist ja gut überschaubar.


Schwieriges Thema. Heute geht man ja von Erfahrungen aus (Profiling). Aber was ist, wenn der Täter an verschiedenen Orten arbeitete und mehr wie einen Wohnsitz hatte? Aber die Gegend dürfte er gut gekannt haben. Er sollte dort aufgewachsen sein oder lange Zeit dort gelebt haben oder sich zumindest einige Zeit vor den Morden, dort mit den Gegebenheiten vertraut gemacht haben. Ich tippe auf ersteres. Er kannte die Gegend wie seine Westentasche, er lebte und arbeitete dort, inmitten all dieser Menschen. Das bedeutet für mich aber nicht, dass er sich dort permanent aufgehalten haben muss. Er war sehr umtriebig. Falls er Familie hatte, muss er in sich diesem Heim ja nicht ständig an.- und abgemeldet haben. Ein einzelgängerischer Typ, der vielleicht auch mal verschwand, für 1,2,3 Tage. An Wochenenden z.B. Die Tatabläufe, gerade das DoubleEvent, sprechen für einen zielorientiert vorgehenden Mann, der sich sicher war, wohin er ging.

Lestrade.
« Letzte Änderung: 05.04.2010 12:40 Uhr von Lestrade »
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Stordfield

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Re: Die Axiome
« Antwort #2 am: 05.04.2010 11:41 Uhr »
Hallo!

Die Tatabläufe, gerade das DoubleEvent, sprechen für einen zielorientiert vorgehenden Mann, der sich sicher war, wohin er ging.

Wie das?  :icon_confused:

Gruß Stordfield

Offline Lestrade

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Re: Die Axiome
« Antwort #3 am: 05.04.2010 12:20 Uhr »
Hallo Stordield!

Es sind doch alles nur meine persönliche Vorstellungen und Ideen.

Ich denke, dass er nicht einfach so auf die Opfer zuging und dann zuschlug. Er wird mehrere angesprochen haben und mit der Zeit, die Schlinge um sein eigentliches Opfer, für welches er sich dann entschied, zugezogen haben. So auch bei Stride. Er wurde gestört, konnte aber ungesehen (nach der Tötung) entkommen. Mit ziemlicher Zielsicherheit fand er Eddowes. Er wußte wo er sie finden konnte. Er entkam auch aus dem Mitre Square. Ich denke, es war nicht einfach, den PCs und anderen möglichen Zeugen von dort zu entkommen. Eddowes war ein Alternativopfer. Der doch sehr kurze Zeitraum zwischen beiden Tötungen, die Entfernung, das Entkommen aus den Szenen der Verbrechen, sind für mich Zeichen von Sicherheit, wo er sich befand und wohin er sich bewegen musste. Bei Eddowes musste es aber besonders schnell gehen. Sie wird ihn nicht das erste Mal getroffen haben. Er kannte die Straßen und deren Bewegungen darauf (Nichols) und konnte sich sogar in Mausefallen (Chapman) hineinwagen. Er war auf jedenfall sehr risikoreich, mit dem was er tat. Und er konnte es tun, weil er seine Umgebung kannte. Sie war ihm einfach vertraut.

Gruß, Lestrade.
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Stordfield

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Re: Die Axiome
« Antwort #4 am: 05.04.2010 16:01 Uhr »
Hallo Lestrade!

Was meinst Du damit, wenn Du sagst, dass der Ripper wußte, wo er C. Eddows finden konnte? Zum Einen hätte er doch (höchstwahrscheinlich) gar nichts vom Zeitpunkt ihrer Freilassung erfahren und zum Anderen ist mir nicht bekannt, dass sie sich öfter auf dem Mitre Square aufhielt. Oder habe ich Dich jetzt irgendwie missverstanden?

Gruß Stordfield

Offline Lestrade

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Re: Die Axiome
« Antwort #5 am: 05.04.2010 19:15 Uhr »
Es sind doch nur Gedankenfetzen, die zur Diskussion anregen, Gedanken die ich mir gemacht habe Stordfield...

Könnte ihr ganz persönliches Pech gewesen sein, entlassen worden zu sein. Vielleicht hätte es gar kein zweites Opfer in jener Nacht
gegeben, wenn sie nicht so früh rausgekommen wäre.

Es sind nur Sachen, Dinge die mir so beim Studieren dieses Falles aufgefallen sind. Habe ich aber alles hier schon mal niedergeschrieben.

Ich denke, dass Eddowes und Kelly den Ripper kannten. Garantiert aber nicht als solchen.

Beweisen kann ich garnichts. Muss auch nicht stimmen. Durch solche Postings erhoffe ich mir eben auch nur Dinge von anderen zu erfahren, die außerhalb meines Wissens existieren und solche Theorien bestätigen oder widerlegen.

Das ist alles.
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Offline Isdrasil

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Re: Die Axiome
« Antwort #6 am: 06.04.2010 10:44 Uhr »
Hi KvN!

Der Wohnort des Rippers: Natürlich in unmittelbarer Tatortnähe! Aber warum? Ich finde keinen Hinweis auf seine grandiose Ortskenntnis. Er könnte nach den Morden einfach drei Gassen weiter gegangen sein und eine Kutsche aufgehalten haben, die ihn irgendwohin brachte. Ich kenne mich auch in Gegenden gut aus in denen ich niemals längere Zeit gelebt habe, wenn ich mich noch dazu gezielt vorbereite hätte ich kein Problem mich sehr gut zurecht zu finden. Und die Struktur des East End ist ja gut überschaubar.

Ich stimme Dir zu 100% zu - ja, ich ergänze sogar gerne noch deine Aussage: In meinen Augen weist nämlich einiges darauf hin, dass der Täter eben nicht im East End wohnte! Und ich sehe auch keinen Hinweis und auch keine Notwendigkeit, weshalb sich der Täter ausgekannt haben muss.

Ich deute auch gerade diese von Lestrade angesprochenen risikoreichen Tatorte wie Mitre Square oder Hanbury völlig anders als Lestrade: In meinen Augen konnte der Täter diese Orte nicht akzeptieren, weil er sich aufgrund seiner Ortskenntnis sicher fühlte - nein, gerade weil er die Umstände nicht kannte und sich auf seine Opfer verliess vermochte er dort Taten zu begehen. Es war unter Anderem eine Art naive Gutgläubigkeit den Opfern gegenüber und ich bin heute davon überzeugt, dies hätte eine mögliche Falle für den Ripper werden können.

Grüße, Isdrasil
« Letzte Änderung: 06.04.2010 11:02 Uhr von Isdrasil »

Offline Lestrade

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Re: Die Axiome
« Antwort #7 am: 06.04.2010 13:23 Uhr »
Hier auch nochmal Isdrasil!

Was weißt in deinen Augen noch daraufhin, dass der Täter nicht im EastEnd wohnte?

Welches Verhalten zeigt ein Täter oder in unserem Fall, welches Verhalten hätte der Ripper gezeigt, falls er sein Gebiet gekannt und dort gewohnt und gearbeitet hätte?

Er hatte Glück an den Tatorten, trotzalledem, es hätte auch schief gehen können. Er verlies sich auf sein Glück, 100% sicher fühlte er sich nie aber dennoch auch niemals wirklich unsicher. Er verlies sich, wie erwähnt, auch auf sein Glück, dass tun Menschen, wenn sie sich in ihrer Umgebung vertraut fühlen. So zu handeln, in nicht vertrauter Umgebung, kann ich mir nicht vorstellen. Gänzlich ausschließen möchte ich deine Überlegung allerdings nicht. Sie ist nachdenkenswert.

Zu allen Opfern lassen sich Verbindungen zur Flower and Dean Street, Thrawl Street bis zur Dorset Street herstellen. Kein großer Bereich, wenn, dann ist er dorthin aber immer wieder zurückgekehrt. Denke ich...

Lestrade.

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Offline Isdrasil

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Re: Die Axiome
« Antwort #8 am: 06.04.2010 13:47 Uhr »
Hi Lestrade  :icon_wink:

Zu allen Opfern lassen sich Verbindungen zur Flower and Dean Street, Thrawl Street bis zur Dorset Street herstellen. Kein großer Bereich, wenn, dann ist er dorthin aber immer wieder zurückgekehrt. Denke ich...

Eben – genau das ist ein Punkt dabei. In meinen Augen ist die Tatsache, dass die Morde in einem kleinen Umkreis geschahen eher ein Zeichen dafür, dass der Täter genau in dieses Gebiet immer wieder zurück kehrte – von außen. Ich glaube, dass er außerhalb wohnte, möglicherweise im Westen Londons. Er war arbeitstätig und konnte nur zu gewissen Zeiten einen Ausflug unternehmen. Er hätte mehr vorstellbare Gründe, in einem bestimmten Gebiet zu morden als in seinem angestammten Heimatdistrikt.
Mal ehrlich – was würde einen arbeitstätigen Triebtäter, der im Gebiet der Morde wohnte, tatsächlich davon abhalten, mal einen Mord unter der Woche zu begehen? Er hätte doch gerade am Wochenende und Feiertagen mit wesentlich mehr Menschen auf den Strassen zu rechnen. Deswegen glaube ich, dass er nur an diesen Tagen mordete, weil er auch tatsächlich nur dann die Möglichkeit hatte.
Wenn er im East End gewohnt hätte, würde ich nicht diese Regelmäßigkeit vermuten, sondern auch mal einen Mord an einem gewöhnlichen Mittwoch zum Beispiel.

Noch ein Punkt, der dem Täter entgegen spielen würde: Anonymität und die Versteifung der Fahndung auf das East End. Zwei Gründe, weshalb er entwischt sein könnte.

Zudem deute ich das Double Event (wenn es eines gegeben haben sollte) auch anders – wenn, dann machte sich meiner Meinung nach der Täter nach Stride auf den Nachhauseweg. Eddowes war dann ein Zufallsopfer. Hatten wir hier glaube ich schon mal:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,994.0.html

Aber ich weiß – das ist alles genauso begründet wie das Gegenteil.  :icon_rolleyes: :icon_mrgreen:

Grüße, Isdrasil

Offline Lestrade

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Re: Die Axiome
« Antwort #9 am: 06.04.2010 18:27 Uhr »
Hi Isdrasil!

Ich finde deine Ausführungen sehr interessant und erfrischend. Zugegebenermaßen wird mir das erst beim Lesen so richtig bewußt. Man fährt sich schnell in bestimmte Richtungen ein...merke ich mal wieder...

Werde ich in Zukunft in meine Überlegungen mit einbeziehen.

Sehr schön und Danke,

Lestrade.
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Offline Isdrasil

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Re: Die Axiome
« Antwort #10 am: 07.04.2010 07:09 Uhr »
Vielen Dank.

Es ist eben so vieles möglich in diesem Fall. Muss man den Spagat meistern zwischen "offen bleiben" und "eine Meinung haben".  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil

KvN

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Re: Die Axiome
« Antwort #11 am: 07.04.2010 08:06 Uhr »
Hallo Freunde!

Danke, genauso eine Diskussion hab ich mir beim Eröffnen des Themas vorgestellt! Eine Meinung haben ist ja nix Schlechtes, aber das Aufbrechen alter Denkschienen auch nicht...
Nebenbei,ich halte C.E. absolut nicht für ein Zufallsopfer, dazu mehr an anderer Stelle.

Grüße

Offline panopticon

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Re: Die Axiome
« Antwort #12 am: 07.04.2010 16:52 Uhr »
Hi.

Guter Punkt! Interessante Diskussion! Natürlich kann und muss man in diesem Fall alles regelmäßig hinterfragen, deshalb ist es mal sehr gut sich auszutauschen, warum man persönlich von der einen oder anderen Sache (zumindest temporär) überzeugter ist, als von anderen. Bezüglich dieser konkreten Fragen nehme ich jetzt mal eine meiner Karten her und blende ein paar bestimmte Ebenen ein....

Ad 1: Warum K5? Territorial betrachtet ist es ziemlich egal, ob man auch Millwood, Smith, Tabram, Stride, Kelly (da im gleichen Parish wie der Chapmanmord angesiedelt, allerdings ein Fall, aus dem man andere Rückschlüsse ziehen könnte) oder sogar McKenzie demselben Täter zuordnet.  Das Terrain des Rippers  ändert sich dadurch kaum. Der Grund dafür ist die logischste Basis, nämlich die Tatorte der Fälle Nichols, Chapman und Eddowes, jener Fälle also, die auch von der Vorgehensweise des Täters am ähnlichsten zu sein scheinen. Ich persönlich würde daher eigentlich von den K3 ausgehen, deren Todesumstände tatsächlich auf die Spur des Rippers führen könnten, schließe aber alle anderen diesbezüglich natürlich keinesfalls aus.

Ad 2:  Die K5 als Prostituierte? Es sind u.a. die belegbaren (! , d.h. die, die von Personen bezeugt wurden, welche die Opfer tatsächlich kannten) Bewegungen der Opfer (bei Kelly hängt das allerdings auch davon ab, ob man Hutchinson Glauben schenkt) und die vorgegebenen stadtbaulichen, infrastrukturellen, gemeindebedingten, zeitlichen und subjektiv kognitiv erfahrbaren und aufgrund empirischer Studien annehmbaren Gründe, die auf Prostitution bei den Opfern in den jeweiligen Tatnächten, und dadurch auch auf Prostituierte als Zielgruppe des Täters hindeuten. Der Grund, warum die Prostituierten damals nur selten wegen Prostitution selbst von der Polizei aufgegriffen wurden hat damit zu tun, dass sie jene Orte, die dafür geeignet waren umkreisten – in jedem Fall der kanonischen 5 (wie auch bei Smith, Connelly und Tabram) lässt sich ein solcher ausmachen, St. Botolph´s ist ja sogar legendär dafür. Dass die Prostituierten, und dadurch auch der Ripper, einfach nur irgendwo an verkehrsreicheren Straßen entlang liefen ist unrichtig – jeder Mensch denkt in kognitiven Landmarken. Gegen eine gewisse ´Mary Jane Kelly´ gibt es zudem zumindest eine Anzeige wegen ´Trunkenheit  und Ordnungswidrigkeit´ (19. September 1888), ebenso bei Eddowes am Tag ihrer Ermordung, wie wir ja wissen. Wie wir ferner wissen, nutzten die Opfer aber eben auch einige andere Möglichkeiten, um Geld zu erlangen: Das reicht vom simplen Betteln über Blumen verkaufen, über Hopfen ernten und Häkeln bis hin zum verpfänden ihres Eigentums. Sie gingen der Prostitution also wohl in erster Linie nur dann nach, wenn es gar nicht mehr anders ging – wie scheinbar in den Mordnächten. So war wohl auch das Risiko für Geschlechtskrankheiten oder Schwangerschaften von vornherein geringer, zudem gab es da ja scheinbar eine Menge anderer Tricks.

Ad 3: Der Wohnort des Rippers? Ich habe einmal versucht, die kognitiven (London-)Karten (mental maps) der einzelnen Opfer zu rekonstruieren, um dadurch auf die des Täters schließen zu können. Das Ergebnis wäre für hier wohl zu voluminös, da müsste ich eine Menge Karten und eventuell auch Fotografien hier reinstellen und erklären – es deckt sich aber letztendlich in etwa mit den bekannten Geoprofilings, in die ja scheinbar auch kognitive Aspekte miteinbezogen wurden. Aber mal soviel: Der Täter lieferte nicht nur Informationen über die Orte, an denen er zuschlug, sondern auch über die Orte, an denen er dies nicht tat. Wer der Meinung ist, dass der Täter die Morde von außerhalb des East Ends beging (noch dazu in einer Gegend, die er nicht wirklich kannte), müsste eigentlich ein gutes Argument parat haben, warum der Mörder zum Beispiel nicht (auch) in Shoreditch, Bethnal Green oder Limehouse zu Werke schritt. Besonders interessant wäre aber eine Antwort auf die Frage, warum der Täter Mile End New Town und dessen unmittelbare Umgebung komplett ausließ – das Gebiet, das sich unabhängig davon, ob man Tabram oder Nichols als erste Opfer  betrachtet, in etwa in der Mitte zwischen dem  ersten, dem Ripper zuordenbaren Mord, und dem nächsten befand, das Gebiet, das unabhängig davon, ob man Stride als Opfer betrachtet oder nicht, bis ins Zentrum der Morde ´ragt´, ein Gebiet, das sich für Prostitution allein schon aufgrund des Vorhandenseins von St. Olave (Hanbury Street) und anderer Infrastruktur nicht weniger eignete, als diverse andere Orte, an denen der Ripper definitiv mordete, und das sich vom Mitre Square am direktesten über die Goulston Street erreichen lässt... (Meine Begründung dafür wäre, dass dieser Bereich wahrscheinlich in der Pufferzone des Täters lag.) Zudem müsste u.a. auch begründet werden, warum der Täter in allen (!) Zwischenhimmelsrichtungen rund um Whitechapel tötete (aus stadtplanerischen Gründen trapezförmig (ohne Stride: Dreieck), in der kognitiven Vorstellung des Täters wohl eher in einem (Um-)Kreis oder Rechteck (mit Stride), wozu der Mensch nicht nur in seinem direkten Umfeld generell neigt). Dazu kommt noch die Frage, warum ein auswärts ansässiger Täter, immer wenn er außerhalb von Whitechapel zu Werke schritt (also in fast allen Fällen der K5, außer Nichols, die gerade noch im (nordöstlichsten) Bereich von Whitechapel ermordet wurde), jeweils nur am unmittelbar nächsten für Prostitution geeigneten Ort jenseits der Parishgrenze hätte morden sollen? Ausschließen kann man natürlich nicht, dass der Täter von außerhalb kam, in meinen Augen ist das aufgrund der bisherigen Faktenlage allerdings eben eher unwahrscheinlich.


Grüße,
panopticon

Offline Lestrade

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Re: Die Axiome
« Antwort #13 am: 07.04.2010 17:30 Uhr »
Schade, dass dein Kartenthema so voluminös ist...Hätte großes Interesse daran...
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Offline Lestrade

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Re: Die Axiome
« Antwort #14 am: 07.04.2010 18:19 Uhr »
Panopticon, zu deiner Wohnortfrage habe ich folgende Gedanken:

Ich mutmaße, Nichols nicht als erstes Opfer anzusehen (daher nicht als ersten Tatort) und Eddowes als Opfer, als er sich bereits wieder Richtung Wohnort näherte. Weiterhin denke ich, dass er wollte, das Kelly nicht schnell entdeckt wird und die Ursache darin lag, dass er nicht weit weg von ihr wohnte oder unterkam. Die erwähnten Aufenthaltsorte der Opfer, wie in einem anderen Posting von mir erwähnt, Flower and Dean Street, Thrawl Street und Dorset Street als Orte anzusehen, von wo er gewöhnlich seine nächtlichen Streifzüge begann aber nicht zu Hause war. Dahin ging er. Sie waren aber schnell zu erreichen. Als "erste" Tatorte würde ich die von Tabram and Millwood ansehen. Wenn du also auf unserer Startseite die Übersichtskarte vom EastEnd anwählst und die 7 Punkte anwählst, ergibt die Verbindung der Punkte 1 (Tabram), 5 (Eddowes) und 6 (Kelly) ein Dreieck in dem sich Punkt 7 (Goulston Street) befindet. Da ich, wie gesagt, Flower and Dean Street, Thrawl Street und Dorset Street, nicht als sein direktes Zuhause betrachte, sondern nur als Gegend die er gut kannte und ich auch nicht glaube, dass er aufgrund genannter Punkte von weiter östlich kam, will ich schlußfolgern, dass er neben dem westlichen Teils des Dreiecks wohnte oder dort zumindestens eine Unterkunft oder Unterschlupf hatte. Also westlich der Middlesex Street bis zum Schenkel Bishopsgate Street und Houndsditch, bis nördliche Höhe Widegate Street. Ich hoffe du kannst mir irgendwie folgen. Deswegen interessiert mich gerade Russo´s Buch seiner Tatverdächtigen. Ich würde gerne erfahren, ob wir jemanden aus dieser Gegend, in seinem Buch finden würden.

Liebe Grüße, Lestrade.
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