Autor Thema: Zeugenaussagen  (Gelesen 58378 mal)

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Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #45 am: 20.02.2010 09:37 Uhr »
Heute nur ganz kurz...

Nein, Erpressung never.

Ich gehe davon aus, dass der Ripper keinen "Masterplan" hatte. Alle Opfer waren zufällige Opfer auch wenn er schon einen bestimmten Typ verfolgte. Wenn ich sage er kannte sie, dann meine ich, er kannte sein Gebiet und er wußte alles darüber. Und er könnte viele Prostituierte gekannt haben und die meisten auch wenigstens vom schlichten sehen her.

An den Tagen wo er bereit war, ist es bestimmt ein Russisch Roulette für die Opfer gewesen. Er entschied letztlich ob und wann er zuschlägt. Seine Bedingungen mussten stimmen.

Und bei Eddowes oder Kelly, was ja nur pure Spekulation ist, wären aber auch "persönliche" Motive denkbar. Allein deren Ahnung hätte ausgereicht um sie zu töten, wenn Ihm etwas zu Ohren gekommen wäre. Solche Ahnungen hätten in seine Richtung gehen können ohne dass sie ihn gleich betreffen. Falls es so war, kann man auch nur mutmaßen, wann er davon erfuhr. Und dann wären da keine langen Zeiten zwischen Kenntnis und Tat vergangen. Ich rede da von Stunden oder ganz wenigen Tagen.

Wir sprechen über ein sehr kleines Gebiet. Wenn wir annehmen, der Ripper wäre bei der Bürgerwehr gewesen, mit solchen Menschen  wie LeGrand, dann hätte er über seine ohnehin massiven Kenntnisse seines Gebietes hinaus, Informationen erhalten können die sein Handeln etwas beeinflusst haben könnten. Zusätzlich zu seinem MO. Vorraussetzen tue ich es nicht, es sind lediglich Gedanken zu diesen beiden letzten Opfern.

Gruß, Lestrade.
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JohnEvans

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #46 am: 20.02.2010 14:10 Uhr »
Hi, Lestrade,

 

Chris Scott, fleißiger www.casebook.org Forum Poster und unermüdlicher Durchforster Londoner Archive recherchiert seit Jahren nach, wann welche Ripper Protagonisten wo und wie lange gewohnt, gelebt haben, gestorben sind, etc. Außerdem verfasste er ein kleines Büchlein, dessen Umschlag einem uns bekanntem deutschem Ripper Werk frappierend ähnlich sieht, mit dem Titel: Will The Real Mary Kelly ..?

http://www.amazon.co.uk/Will-Real-Kelly-Christopher-Scott/dp/1905277059/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1266618264&sr=1-1-spell

 

Da ich weder den Täter noch sein Motiv kenne, gehe ich auch nicht einfach davonaus, daß er paranoid war.

Und falls du damit auf Kosminskis „geistige Umnachtung“ ansprichst, so steht nicht fest, wann diese ausgebrochen ist.

 

Wer immer diese Taten beging, beging sie im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte oder er hätte mehr Glück als Verstand gehabt.

 

JE


Offline panopticon

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #47 am: 20.02.2010 14:13 Uhr »
Hi.

Zur ´Belohnung´:
Gesagt hat Catherine Eddowes ja angeblich schon, dass sie sich die Belohnung für die Ergreifung des Whitechapelmörders holen wollte, aber so weit ich weiß, gab es vor ihrer eigenen Ermordung (welch Ironie des Schicksals!) eigentlich noch gar keine Belohnung! Die City Police hat nach der Ermordung von Eddowes eine Belohnung ausgeschrieben, die Metropolitan hat das, wenn ich richtig informiert bin (?), überhaupt nie getan. Wurden ursprünglich nicht sogar private Belohnungen irgendwie untersagt? Insofern hätte Eddowes also am Tag ihrer Ermordung nur bei einer Person für ihr (angebliches) Wissen Geld herausschlagen können: Beim Täter selbst... (Ob da aber was dran ist, ist eine andere Frage und wäre wieder off-topic, ausschließen würde ich persönlich es aber nicht.)


Wer ist Chris Scott? Ich google jetzt mal nicht. Klär mich bitte auf. Hört sich an wie ein schottischer Innenverteider von Sheffield Wednesday von 1982

:icon_biggrin: Da brauchst Du eigentlich gar nicht zu googeln, ich denke, dass sich ´A Cast of Thousands´ hier in der Rubrik ´Rezensionen´ finden lässt...


Ach ja, @ John :
So wie ich das sehe, können ja sehr viele hier mittlerweile auf ganz beachtliches detailreiches Wissen zurückgreifen, das sich mit der Zeit durch Recherche aus diversen Quellen/Medien (Bücher, Internet, Archive, Zeitungen, etc...) anhäuft bzw angehäuft hat. Wenn ich mir diesen Thread hier ansehe: http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1129.0.html, ist mein MO bei der ´Archivierung´ wie der von Stordfield, nur digital, wodurch ich eigentlich auch sehr schnell auf die jeweiligen Themen, Quellen und dadurch eben auch Details zugreifen, und diverse Bereiche auch getrennt verwalten und dennoch verlinken kann. Zumeist gebe ich bei Details die Quellen dazu aber eigentlich ohnedies an – wenn ich das mal vergessen haben sollte, und jemand dort selbst nachlesen will, gebe ich sie gerne weiter... Um einigen ganz bestimmten Fragen (vor allem aber jenseits von rein Themen-spezifischen Wissens) nachzugehen, recherchiere (´forsche´ wäre hier vielleicht zu viel gesagt) ich aber schon mal mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln selbst und stoße dabei gar nicht selten auch auf Neues, wodurch sich auch manche Details in den Originaltexten wieder anders darstellen, und zu neuen Fragen führen. (So habe ich neulich z. Bsp zum Fall Kelly mir bekannte Modehistoriker und Mediziner kontaktiert.)


Grüße,
panopticon

Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #48 am: 20.02.2010 18:07 Uhr »
John, panopticon !

Danke für eure Infos zu Chris Scott. Ich denke, das ist genau was für mich...

John, ich meinte niemals den Aaron Kosminski.

Naja, Frauen waren aus seiner Sicht Schuld an seinen Taten und seinem Leben. Sie hatten Ihm etwas angetan, sonst hätte er nicht an Ihnen diese Greueltaten vollbracht. Und ich bin mir sicher, das er sich von ihnen verfolgt gefühlt hatte. Er wird immer ein Messer bei sich getragen haben. Aber er war nicht in der Lage sich selbst zu reflektieren und festzustellen, das vielleicht nur 1-2 Frauen nicht gut zu Ihm waren und nicht der Rest auf der Welt davon. Letztendlich bestrafte er wohl immer wieder die gleiche Frau. Aber nur in seiner Fantasie. Er tat das mit unschuldigen Opfern. Selbst die Schuldigen hätten solch ein Ende nicht verdient. Aber solche Dinge passieren nur im Kopf kranker Mörder oder Serienkiller.

Ich habe Menschen in meinem Leben kennengelernt und du wirst solche Menschen auch kennen, die Waffen bei sich tragen. Warum tun sie das? Weil sie Angst haben. Dabei gibt es welche, die so etwas aus verständlichen Gründen tun und welche die sich permanent verfolgt sehen. Paranoia, Verfolgungswahn, dadurch können die schon mal verrückt werden. Das in Kombination mit Personen wie Jack the Ripper, da empfehle ich Reißaus zu nehmen...     
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Offline Shadow Ghost

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #49 am: 20.02.2010 23:15 Uhr »
Um das off-topic-Thema abzuschließen: Bereits nach dem Mord an Annie Chapman,gabe es Belohnungen durch das Whitechapel Vigilance Committes und durch den Parlamentsabgeordneten Samuel Montague.
Die Regierung und die Metropolitan Police haben 1884 damit aufgehört, Belohnungen auszuschreiben. Dass Belohungen durch private Stellen untersagt werden sollten, habe ich bislang noch nicht gehört (was aber nun auch nicht soviel heißen mag).

Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #50 am: 21.02.2010 18:38 Uhr »
Liebe Freunde !

Ich werde in den nächsten Tagen hier nochmal zusammenfassen, die Zeugen und deren Sichtungen, dazu Aussagen von Macnaughten, Anderson und Swanson, die mutmaßliche Bewegung des Rippers usw. Dies alles im Vergleich. Mein Hauptaugenmerk wird abei u.a. auf Schwartz, Lawende und Levy liegen.

Kann allerdings dauern.

Ich brauche dazu noch ein paar Informationen die ich so, wie ich sie benötige, noch nicht habe.

panopticon, ich werd dich diesbezüglich noch einmal anschreiben. Hoffe du bist so frei.

Es grüßt euch,

Lestrade.
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Offline panopticon

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #51 am: 22.02.2010 02:29 Uhr »
@ Shadow Ghost:

Ja, da hast Du recht! Danke für die Richtigstellung!  :icon_thumb: Ich widerrufe Obiges natürlich sofort hiermit!
 
Sorry, ich habe mich da wohl ursprünglich irgendwie verlesen (mit den Belohnungen hatte ich mich bisher noch nicht wirklich auseinandergesetzt) : Die Metropolitan Police  hat private Belohnungen, wenn ich es jetzt nach nochmaligem Nachlesen richtig verstanden habe, nicht untersagt, aber jegliche ´Authorisierung´ von diesen, bzw auch Angebote von Geldern, die sie von Privatpersonen zur Ausschreibung zur Verfügung gestellt bekam, abgelehnt, da sie Belohnungen aufgrund früherer Erfahrungen als kontraproduktiv einstufte. Dadurch dürften aber die Zuwendungen, die zum Beispiel das Mile End Vigilance Committee von Privatpersonen bekam, letzten Endes auch bei weitem nicht so hoch gewesen sein, wie von diesem ursprünglich erhofft. Wenn ich das jetzt richtig eruiert habe, gab es also vor Eddowes Ermordung zumindest Ausschreibungen von jeweils 100 Pfund von Montagu und der ´Illustrated Police News´, 50 Pfund vom Mile End Vigilance Committee und 25 Pfund über den Foreman der ´Nichols Jury´, korrekt? Die Frage wäre jetzt eigentlich, wo sich Eddowes denn das jeweilige Geld überhaupt hätte abholen müssen, wenn denn an der Geschichte was dran war, und sie das tatsächlich vorgehabt hätte – das gehört dann aber eben nicht hierher...


Grüße,
panopticon

Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #52 am: 08.03.2010 14:57 Uhr »
Eine weitere "Black Shiny Bag" (Bachert, Mortimer, Paumier, siehe vorherige Posts) aus einem Bericht über ein Beobachtung von Henry Birch, findet ihr im Casebook bei den Zeugen aus dem Nichols- Fall...

Grüße, Lestrade.
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Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #53 am: 10.03.2010 13:37 Uhr »
Ich habe einen weiteren Kosminski entdecken können. Und dieser wird auch gleich sehr interessant.

In diesem Faden hier, habe ich bereits über Maurice Kosminski geschrieben. Im Census von 1891 findet man diesen als Master Baker in der 70 Berner Street. Möglich, dass er dieses Geschäft schon in 1888 von Louis Freedman übernahm. In 1895 findet man ihn dann wenige hundert Meter weiter in der Christian Street. Von dort aus etwas mehr als hundert Meter weiter zeigt der Census von 1891 einen Joseph Kosminski in der Langdale Street. Dieser ist 36 Jahre alt zu der Zeit, Maurice 28 Jahre. Joseph lebt dort mit seiner Frau Sarah (30) und den Kindern Nelly (7), Lewis (6), Morris (3) und Abraham (1). Er ist Tailor von Beruf. Er hat einen Untermieter, Davis Finschuller (20), ebenfalls Tailor und eine Schwägerin (19) Fanny Cohen.
Diese Schwägerin ist allerdings ohne Partner verzeichnet. Eher möglich, das Davis Finschuller in 1891 ihr Partner war. Aber da sie die Schwägerin von Joseph oder Sarah gewesen sein muss, fehlt dennoch ein ursprünglich weiterer männlicher Part. Ich kann nicht sagen ob Sie einst liiert war mit einem Bruder von Joseph. Oder ob Fanny, die Schwester von Sarah war und von außerhalb jemand geheiratet hatte, der Cohen hieß. Namenwechsel kamen wohl zu jener Zeit aus verschiedensten Gründen zustande. Zu Freedman schreib ich bereits in diesem Faden, dass es im Census von 1881 den gleichen Namen in der 1 Black Lion Yard gab. Dort, wo Fido, Nathan Kaminsky (David Cohen) entdeckt hatte. In der Nummer 9 und 16 gab es dort jeweils einmal den Namen Cohen.
Ich finde es aber bemerkenswert, dass einst zwei Kosminski, nicht einmal 200m voneinander entfernt, zusammengelebt haben könnten. Wir wissen nicht viel über beide aber sie könnten verwandt gewesen sein. Vielleicht sogar Brüder. Sollte die Adresse in 1888 bei Joseph auch Langdale Street gelautet haben, befänden sich die Tatorte Buck´s Row, Hanbury Street, Mitre Square und Miller´s Court, mal abgesehen von der Berner Street, die ja nur einige hundert Meter von der Langdale Street entfernt lag, sternförmig von eben jener Langdale Street relativ gleich entfernt. Bis auf die Buck´s Row nahezu alle die gleiche Entfernung von diesem Punkt aus auf der Karte wo sich die Langdale Street befindet. Verbindet man diese 4 Tatorte, ergeben sie einen Bogen. Ich erwähne es nur, weil es ja auch geographische Profile gibt… von denen ich allerdings keine Ahnung habe.

Weiter östlich lebte noch ein Marks Kosominski (34) mit seiner Yetta(26). Schuhmacher.

Also wieder mal Informationen zum “Kosminski“ Verdächtigen gesammelt.

Beste Grüße,

Lestrade.
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kokablue

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #54 am: 29.07.2011 16:57 Uhr »
Ich weiß etwas spät habe es aber gerade erst gelesen:

"Le Grande" würde aber hervoragend in ein heutiges Profil eines Serienkillers passen.
-> Vorstrafen, Zündeleien, Gewalttätigkeiten.

In der Regel  fangen diese Typen "klein" an.

Allerdings scheint Jack eher ein Wutmoerder gewesen zu sein..

Und das von mir oben erwähnte trifft eher auf Triebtäter / Sadisten zu.

Offline Isdrasil

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #55 am: 02.10.2011 14:45 Uhr »
Hi Lestrade,

entschuldige die verspätete Reaktion auf einen Post von Dir...ebenso schweife ich vom Thema ab, aber ich war wirklich lange aus der Sache und den Diskussionen hier draußen. Man möge es mir verzeihen...

Naja, Frauen waren aus seiner Sicht Schuld an seinen Taten und seinem Leben. Sie hatten Ihm etwas angetan, sonst hätte er nicht an Ihnen diese Greueltaten vollbracht. Und ich bin mir sicher, das er sich von ihnen verfolgt gefühlt hatte. Er wird immer ein Messer bei sich getragen haben. Aber er war nicht in der Lage sich selbst zu reflektieren und festzustellen, das vielleicht nur 1-2 Frauen nicht gut zu Ihm waren und nicht der Rest auf der Welt davon. Letztendlich bestrafte er wohl immer wieder die gleiche Frau.

Ja, das könnte in der Tat einen Grund, einen Teil des Motivbündels darstellen. Aber man kann die Sache auch ganz anders betrachten: Im Gegenzug zu der Theorie eines Frauenhassers aus eigens bewegten Impulsen heraus (sozusagen ein chiffrierter Mord) könnte es sich bei den Taten auch um die Kompensation eines Vaterkomplexes handeln. Viele spätere Serientäter fühlten sich mit einer übermächtigen Vaterfigur konfrontiert, einem Schläger und Rüppel. Es kommt nicht selten vor, dass Menschen solch ein Verhalten in die eigene Individualität übertragen, um es zu rechtfertigen - und damit selbst zu dem werden, was sie verachten. Es kann sich bei der Frauenhassgeschichte also auch ganz einfach um das Gegenteil handeln: Möglicherweise übernahm der junge Täter den Hass seines Vaters auf Frauen. Sie mussten also nicht zwingend dem Täter etwas angetan haben.
Noch dazu ist jede Empfindung subjektiv - selbst der Vater müsste gar keinen Grund für seinen Hass haben.
Demzufolge kann der Täter auch sehr leicht aus einer Familie stammen, in der es überhaupt keine misshandelnde oder schlechte Mutter gab und er muss auch nicht zwingend besonders schlechte Erfahrungen mit Frauen gemacht haben (außer den üblichen schlechten Erfahrungen wie Trennungen, die wohl jeder irgendwie mal erlebt hat).

Da die Taten eindeutig auf die Ausweidung und Verstümmelung gewichtet sind, kann es sich bei den Opfern auch um zweckmässige Opfer handeln - betrunken, leicht in eine Ecke zu locken, von der Gesellschaft ausgestossen. Ich glaube, der Ripper hat seine Opfer zu Objekten verkommen lassen und sie nicht als Frauen, sondern als Mittel zum Zweck angesehen.

Grüße, Isdrasil

Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #56 am: 02.10.2011 22:01 Uhr »
Hallo Isdrasil,

schön deine Meinung zu lesen.

Neben allem, kann ein Täter wie Jack the Ripper, auch einer organischen Erkrankung des Gehirns unterlegen gewesen sein, die auch ohne "schlechte Eltern", zu extremen Problemen hätte führen können. Widrige Umstände können so etwas natürlich noch intensivieren, ohne dass die Eltern dabei gleich als "grausam" zu bezeichnen wären. Wobei ich immer davon ausgehe, dass bestimmte Täter, einer bestimmten Kombination von organischen und nichtorganischen Ursachen und Faktoren unterlegen sein dürften. Egal zu welchen Anteilen. Manchmal mag es in diese oder auch in die andere Richtung, an die 100 Punkte Grenze kommen aber sie nie voll erfüllen. Da gilt es auszubalancieren. Da ist ganz vieles möglich. Am Ende bleibt auch jeder Täter für sich zu betrachten, jeder ist letztendlich ein Einzelfall. Grobe Skizzierungen sind natürlich nötig und auch nützlich.

Nach wie vor glaube ich daran, dass die Ausführung und die Art und Weise von solchen Verbrechen, viel über den Täter erzählen können. Ich sehe mir derartige Probleme immer sehr dimensional an und verteile dann prozentual die Anteile bestimmter Tätertypen, die dafür in Frage kämen. Ich bin kein Freund knallharter Kategorisierungen sondern sehe die Übergänge fließend. Dadurch sehe ich den "Normalo" genauso in Frage kommend, wie den "Schwachsinnigen".

Aber dennoch erzählen uns die Opfer etwas über den Menschen, der diese Taten vollbracht hat.

Die Eltern, die Kindheit sind der Schlüssel. Die Figur der Mutter, die Figur des Vaters. Das Trauma, die Störung und körperliche Ursachen. Aber vorallem auch die Interaktion zwichen den Eltern, die Balance, die vielleicht den Bereich der Waage aufrechterhalten können oder eben auch nicht.

Und jetzt liegt es an uns aus allem zu lesen. Ich muss aus den Dingen lesen, die mir bekannt sind. Und im Falle des Rippers, habe ich da viel Material, viele Informationen.

Gerne lese ich deine Meinungen Isdrasil. Und sie sind stets sehr anregend. Am Ende teile ich hier aber meinen Standpunkt mit, wie ich es sehe. Aufrichtig in meiner Meinung und durchdacht, soweit es mir möglich ist. Eben so wie ich es "lese". Und das teile ich dir auch gerne mit. Ich befasse mich mit deinen Posting hier sehr ernsthaft, wie ich es immer tue. Es ist mir wichtig, dich darin zu verstehen. Genauso möchte ich verstanden werden und ich weiß, dass dies sicherlich nicht immer einfach ist.

Aaron Kosminski ist ein gutes Beispiel. Du erwähnst ihn heute schon in einem anderen Posting. Da gab es die früh verschwindene Vaterfigur von der wir nicht wissen, wie stark oder schwach oder gewalttätig er war. Da gibt es aber wohl keine alkoholkranke oder sich prostituierende Mutter. Es geht in diese Richtung aber wissen oder beweisen kann ich es nicht. Möglicherweise gab es aber andere Probleme. Aaron´s Mutter wurde sehr alt für damalige Verhältnisse. Sie gebar Aaron in einem hohen Alter, was für ihre Gesundheit spricht aber eben auch für ein größeres Risiko etwäiger Schäden für das Kind. Sie heiratete nicht noch einmal, was vielleicht auf eine halbwegs vormalige intakte Familiensituation hindeuten könnte. Da sind Figuren wie die Geschwister von Aaron Kosminski, die wie Ersatz für die Eltern gewirkt haben können, was oftmals bei Serientätern anzutreffen ist. Es gibt es ständiges, unsicheres Pro und Contra für diesen Mann. Wie (organisch) geistigkrank war er? Es machte den Anschein als ob sein Bruder Woolf lange instabil lebte, der andere Bruder Isaac jedoch sehr stabil. Auch daraus läßt sich einiges ableiten. Genau wie -zig andere Sachen. Aber nichts weiß man genau. In Kombination mit andere Imformationen die wir haben, muss ich für mich einfach feststellen, Aaron Kosminski käme als Verdächtiger und möglicher Ripper in Frage. Ich habe mich bekannterweise viel damit befasst. Habe vieles aufgeführt was für ihn spricht. Was mich stört, ist meine Intuition zu Aaron Kosminski´s Mutter. Einen entscheidenen Aspekt, wenn ich mir die Tatorte und das Vorgehen ansehe. Und sie sagt mir, er war nicht der Täter. Aber damit kann ich vollkommen falsch liegen oder auch vollkommen richtig. Hätte er ein Verhalten wie ein David Cohen an den Tag gelegt und wären bestimmte Angaben identisch (Swanson und Co.), wäre ich mir auch sicherer. Aber auch das ist in meiner Vorstellung irgendwie blank. Ich selbst verziehe das Gesicht, wenn ich sage, dass wir den falschen Kosminski betrachten. Andererseits glaube ich an die Identifizierung im Seaside Home. Andere halt nicht. Wenn du mich heute fragst, dann sage ich dir, dass Aaron Davis Cohen also David Cohen der Mann war, der dort identifiziert wurde und uns heute als Kosminski bekannt ist. Vielleicht spielen Daten eines Aaron Kosminski dabei eine Rolle und vielleicht auch die eines Hyam Hyams. Dann gibt es ein anderes Ende meiner Vorstellung, die eine Rückkopplung erlauben und Aaron Kosminski beeinflußt sehen durch einen Cohen und evtl. eines Hyams. Das kann ich dir dazu mitteilen. An diesen Themen arbeite ich.

Wenn ich die Verbrechen betrachte, dann sehe ich folgendes:

Einen absolut hilflosen Täter, was seine Wut und Rage anbelangt. Hier dürfte der biologische Vater absolut inaktiv gewesen sein aber ich denke eher, er war niemals im Leben des Rippers vorhanden (was AK eigentlich e r s t e i n m a l ausschließt). Ich sehe eher "Vater-Ersatzfiguren", die ihn schlecht behandelt haben dürften (kommt also deiner Idee nahe, was den "Vater" angeht, gehörte vielleicht auch zum Motivbündel, wie du erwähnst). Ergo, eine Mutter mit regelmäßigen wechselnden Beziehungen zu Männern (sieht nicht bei AK´s Mutter so aus). Alkohol dürfte immer im Leben dieses Täters eine Rolle gespielt haben. Vielleicht bereits auch zu Schäden im Mutterbauch geführt haben. Er dürfte seine Mutter als schwach empfunden haben, der er sich aber nicht erwähren konnte (weil er war ja Kind bzw. Jugendlicher, wem von uns würde das in dem Alter schon gelingen). Aber gegenüber der Umwelt war Sie schwach und von der auch steuerbar. Das finden wir in einer ähnlichen oder genauen Form bei Prostituierten wieder. Entweder war JtR Mutter selbst Prostituierte oder sie lebte und verhielt sich ähnlich wie diese. So oder so, hätte dieser Mann Kontakte zu Prostituierten gesucht, denn er wollte ja "reparieren". Aber die Opfer von JtR entsprachen seiner Mutter: Prostitution, Alkohol und absolut schwach. Dies waren seine Zielpersonen. Und die fand er im EastEnd zu genüge. Hier wäre er so oder so "heimisch" geworden aber er dürfte dort so oder so gelebt haben. Von solch einer verzweifelten Mutter konnte er nur Bestrafung/ Gewalt/ Qüälerei/ Not und Elend erwarten. Sadismus. Er dürfte nur Angst und Bedrohung ihr gegenüber gefühlt haben. Das prägte sein Bild von Frauen. Er konnte gar kein positives Gefühl gegenüber Frauen erlernen. Da war nichts. Eiseskälte. Sie waren ihm egal, keine Menschen, Müll, nichts weiter. Was er fühlen konnte war Hass gegenüber Frauen. Bedrohung und Angst dürften ihn als Erwachsenen noch weiter belastet haben als ohnehin schon vorher. Da er es nicht händeln konnte, wird sein Selbstwertgefühl extrem niedrig gewesen sein. Einer seiner Fanatsien war sicherlich die Vernichtung dieser Ängste und Bedrohungen, sprich "Ausrottung" dieser Frauen. Und dadurch wollte er die Kontrolle wiedererlangen bzw. sie das erste Mal spüren. Er war Gott, weil er das Schicksal dieser Frauen in den Händen hielt. Da kontrollierte er, da dominierte er, da hatte er die Macht. Kontrolle, Dominanz und Macht waren seine obersten Ziele. Das erregte ihn, so wurde er natürlich geprägt. Die einzige wirkliche Frau in seinem Leben, war seine Mutter und in seinen Augen war sie ein Monster. Das eigentlich Ziel war sie. Er instrumentalisierte nur seine Opfer und tötete eigentlich immer wieder seine Mutter. Die Wut, der Hass, all die angestauten Aggressionen die er ihr gegenüber hatte, kamen doch sichtbar zum Vorschein. In seinem Vorleben gab es natürlich auch eine sexuelle Prägung aber die dürfte nur mit der Mutter zusammengehangen haben. Da gab es sicherlich nicht viel anderes. Und wenn der Mensch nichts positives erfühlen kann im Bezug zur wachsenden Sexualität, da nur Verbindungen zu Grausamkeiten bestehen, dann entsteht ein pervertierter Sadismus und auch den sehen wir bei JtR. Wir sehen, aus was seine Fantasien bestanden. Das alles richtete sich gegen die Geschlechtsorgane der Opfer. Demzufolge war er eben auch ein sexuell motivierter Täter. Die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse waren aber eben nicht zu vergleichen, mit denen eines normalen Menschen. Logisch. Die Gesichtsverstümmelungen waren "Entpersonifizierungen". Eigentlich wollte er diesem "Gesicht" ja nichts tun, denn es tat ihm ja nichts. Aber es musste als Ersatz erhalten. Immer und immer wieder. Also hast du Isdrasil, mit deinen Objekten und deinem Mittel zum Zweck, schon recht.

Bei allem war kein Vater der ihm half. Deshalb:

Jack the Ripper hasste seine Mutter, weil sie grausam zu ihm war und er "rächte" sich an ihr auf eben diese Art. Sein Vater fehlte "nur" an allen Ecken und Kanten.

So ähnlich dürfte es zu betrachten sein oder aber:

Jack the Ripper wurde schon als "Tier" geboren und ihm gingen aus organischen Ursachen einige wichtige Prozesse flöten. Gepaart mit sehr unglücklichen Lebensumständen. Chance allerdings gering.

Grüße, Lestrade.
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Offline Isdrasil

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #57 am: 03.10.2011 09:50 Uhr »
Hi Lestrade

Immens viele Ausführungen deinerseits, vielen Dank dafür - natürlich versuche ich auch immer, mich so gut wie möglich mit den Ansichten anderer Mitglieder auseinanderzusetzen und den Ton zu wahren. Oftmals vergreife ich mich darin oder wirke etwas forsch. Aber Du wirst dich dran gewöhnen, da bin ich mir sicher.  ;)

Du hast unheilmlich viele Punkte angesprochen, denen ich zum Teil zustimme und zum Teil eine völlig entgegengesetzte Meinung vertrete. Eine gefährliche Sache in diesem Zusammenhang ist auch, dass ich eigentlich beim Thema des Threads bleiben möchte, jetzt aber schon dran vorbeirede...muss jetzt eben mal so sein.

Craddock hat in einem anderen Tread erwähnt, dass viele "Nachtodverstümmler" (wie er sie nannte) sogar etwas wie Mitleid mit ihren Opfern empfanden und es bedauern würden, einen Menschen zur Befriedigung ihrer Fantasien zu benötigen. Tatsächlich ist dies so der Fall, wobei man natürlich zwischen einer versuchten Erklärung und Rechtfertigung seitens des Täters und einer ernsthaften Selbstreflexion abgrenzen müssen. Leider wurden uns die meisten Informationen zur Gefühlswelt der Serientäter von eben jenen selbst zugetragen, tragen also stets eine subjektive Note in sich. Was man aber konkret behaupten könne: Die wenigsten ähnlich gelagerten Verstümmelungsfälle (ich denke meist an Gust, Kroll oder Kürten) wurden vom Täter als Feldzug gegen die Frauen erkannt bzw. bezeichnet. Wenn man zum Beispiel an Kroll denkt, dann müssten seine Taten eigentlich gegen Mutterfiguren gerichtet sein - doch seine ultimative Fantasie verwirklichte er sich mit einem jungen Mädchen.
Der chiffrierte Mord ist nicht selten, jedoch auch nicht üblich, und bei den Ripperopfern könnte es sich wie bei Kroll um dem Zweck dienende Opfer handeln: Körperlich unterlegen und kein großer Aufwand bezüglich des Modus Operandi.
In diesem Sinne kann ich für mich persönlich deine Frauenhassausführungen zwar für möglich halten, aber nicht für zwingend. Die Frage nach der Jugend des Täters bleibt nach wie vor nebulös.

Ebenso beschäftigen mich die relativ regelmäßigen Zeitabstände, die absolut gegen eine Geisteskrankheit im Sinne einer Handlungs- und Geistesstörung sprechen. Ein Beispiel wäre Fritz Honka, der aus einem unbeherrschbaren Impuls heraus auf seine Opfer losging. Dies ist das typische Bild eines geisteskranken Täters, die nebenbei erwähnt die Minderheit der Serientäter darstellen. Meist handelt es sich bei den Serientätern um – heute würden wir sagen – Borderlinepersönlichkeiten, die einer disozialen oder nicht intakten Persönlichkeitsstruktur unterlegen sind, jedoch noch Herr über ihre Gedanken sind. Die von Dir bereits angesprochene Stirnlappenanomalie wirkt begünstigend aus und ist bei 9 von 10 Tätern zu finden. Geisteskrank jedoch im Sinne von „der Teufel hats mir befohlen“ sind ein paar wenige Ausnahmen. Solche Menschen sind meist zu handlungsunfähig, um derartige Taten zu vollbringen. Denn wir können es drehen und wenden wie wir wollen: Ob bewusst oder unbewusst, der Täter ist mit jeder weiteren Tat einen Schritt weiter in die Sicherheit gegangen, auch wenn wir es persönlich anders empfinden würden. Nichols Mord auf offener Strasse. Chapman Mord in einem Hinterhof. Dann das Doubleevent. Dann ein Innenraum-Mord. Wir haben darüber schon diskutiert, in der Welt eines Täters jedoch kann es sich dabei auch um Tatmodifikationen zugunsten einer steigenden Sicherheit handeln.
Dieser Täter wusste genau, was er tat. Möglicherweise scherte er sich nicht um so manches Risiko, möglicherweise handelte er manchmal nicht so intelligent wie wir es gerne hätten – aber er war sich seiner Taten stets zu 100 Prozent bewusst und bei geistigem Bewusstsein, schlug nur dann zu, wenn es ihm passte und wusste um die Umgebung, in der die Taten stattfanden (da stimme ich Dir zu).

Und dies sind – neben einigen anderen Punkten – für mich alles Zeichen gegen einen geisteskranken Täter ala Kosminski und auch keine Anhaltspunkte, dass der Täter aus dem East End stammen müsse.

So, jetzt bin ich wahrscheinlich auf die Hälfte deiner Punkte nicht eingegangen und habe wieder ganz andere Dinge ins Spiel gebracht…hier geht`s ja schließlich um die Zeugenaussagen und die Ermittler, und da zählt immer noch meine Grundaussage: Ich denke, dass die Polizei damals einige Regeln und Methoden noch nicht kannte und halte daher von ihren Verdächtigungen nicht sonderlich viel. Mir ist klar, dass sich Researcher natürlich auf die wenig verbliebenen Verdächtigennamen stürzen, mir wäre es aber manchmal lieb, wenn man sich bewusst wäre, dass diese Verdächtigungen vor über 120 Jahren ausgesprochen wurden und alles andere als dem aktuellen Stand der Kriminologie entsprechen. Trotzdem verstehe ich die Nachforschungen.

Grüße, Isdrasil    

Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #58 am: 03.10.2011 11:47 Uhr »
Hallo Isdrasil,

es ist schwer zu sagen, ob er so etwas wie Mitgefühl oder gar Reue empfand. Jedenfalls nicht mit dem Maßstab, mit dem wir messen würden. Ich kann mir eher vorstellen, dass er ganz spontan mal einen "Blitz" hatte, der von einer positiven Erfahrung herrühren könnte, sei sie auch noch so klein gewesen. Mehr nicht.

Ich denke auch, dass der Ripper eigentlich den Köpfe seiner Opfer abtrennen wollte, was aber stets mißlang. Ihm fehlte lediglich das Werkzeug dafür, dass er nicht bei sich führen konnte. Und deswegen schließe ich daraus, dass er sein Hauptaugenmerk auf die Genitalien legte, was aussagt, dass er absolut sexuell orientiert war und das er seine Opfer als Personen vollkommen entpersonifizieren wollte. Der Körper war sein Ziel und der Kopf, den er als Symbol für den Geist oder der Seele sah, spielte keine Rolle. Die Gesichtsverletzungen könnten bei Eddowes allerdings auch beim Kampf entstanden sein, was ihm "half" oder entgegenkam und bei Kelly schien er sehr frustriert gewesen zu sein und macht sie vollkommen unkenntlich. Möglicherweise wollte er einfach auch nicht angeschaut werden. Im wahren Leben, wird er es als alles andere als angenehm empfunden haben, von Frauen angeschaut zu werden. Der aufmerksame Beobachter hätte bemerkt, dass er Frauen nie wirklich in die Augen schaute. Für seine Fantasien hat er sich schlicht und einfach geschämt, weil er wußte, wie abartig sie waren. Desweiteren vermiet er es direkt in seine Wohnung Opfer mitzunehmen, wo er in Ruhe seine Fantasien ausleben hätte können. Eines der Gründe war, dass er dies als seine Sicherheitszone ansah. Sollte er genau dort, während der House-to-House Durchsuchungen angetroffen worden sein, hätte er dies als sehr unangenehm empfunden, da dieser Zonenbereich nun verletzt worden war. Alles in allem, hätte ihn das vorsichtiger werden lassen können. Die längere Pause und ein veränderter Modus Operandi hätten die Folge sein können. Es gäbe aber auch andere Gründe, er hätte nicht vollkommen alleine leben müssen, bzw. er war nie ganz sicher ob weitere Personen nicht noch auftauchen könnten. Aber viel wichtiger und die Nummer 1, wohin mit der Leiche? Er machte sich also wenig Mühe. Er nahm keine weiteren "Werkzeuge" mit, er versteckte die Leichen nicht, ließ sie an Ort und Stelle liegen. Die Reinigung seiner Kleidung und Hände machte ihm aber sicherlich Sorgen. Dies alles war desorganisiert und so war auch sein Leben, er mordete so wie er lebte. So ein Täter nimmt keine Reisen auf sich, geht nicht in ein Gebiet das er nicht kennt, alles findet im vertrauten Umfeld statt.

Ich weiß, dass du einen besser situierten Täter aus dem West End erwartest. Ich sehe einen Täter aus dem EastEnd, der genauso arm wie seine Opfer selbst war und viel Zeit in Pubs und in der Nähe von Prostituierten verbrachte.

Er war ein Jäger der durch das EastEnd streifte, durch die Pubs zog, die Gesellschaft von Männern suchte, die ebenfalls Hass auf Frauen fuhren und mit denen er nach ein paar Drinks in´s Gespräch kam. Ansonsten dürfte er, trotz einiger Kontakte, als einzelgängerisch betrachtet worden sein. Alkohol enthemmte ihn, natürlich auch bei den Prostituierten. Vielleicht spendierte er denen auch mal einen Drink o.ä., wie z.B. Weintrauben. Sicherlich begegnete er der einen oder anderen Prostituierten auch mehrmals oder suchte sie erneut auf. Möglich wären hier Stride oder Kelly. Sicherlich kannte er auch bestimmte Standorte (z.B. Eddowes) oder ihre Routen zu bestimmten Zeiten (Nichols, Chapman). Er wirkte sicherlich die meiste Zeit, sehr selbstbeherrscht, was allerdings eine Qual für ihn dargestellt hätte. Alkohol, aufwiegelnde Gespräche gegen Frauen oder Rasse bzw. Religion schürten das Feuer, die Chancen nun zu triggern stiegen, er wurde impulsiver, wollte alles "rauslassen". Danach musste es schnell nach Hause gehen. Die nächsten Tage galt es, nochmals alles in Gedanken nachzuspielen, bis es nicht mehr ausreichte und dass nächste Opfer gesucht werden musste, bei passender Gelegenheit.

Eine wachsende Vorsichtigkeit beobachte ich nicht. Nur eine plötzliche. Nichols auf dem Gehweg,Chapman im Hinterhof bei Tageslicht in einem Haus mit über 20 Mietern, Stride neben einem Club wo gefeiert wurde und eine Menge Betrieb war. Eddowes in der Mausfalle, wo er an zwei Ausgängen PCs in die Arme gelaufen wäre und am dritten einem Nachtwächter. Und vielleicht war der Tatort bei Kelly eben auch nur Zufall oder aber er suchte es gezielt auf jedenfall, war dieser Tatort plötzlich sicherer. Ich meine aber, diese Veränderung beruhte auf dem Ereignis der Hausdurchsuchungen. Die eben im EastEnd stattfanden. Und da wissen wir eben, dass "Kosminski" bemerkt wurde.

Grüße.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

kokablue

  • Gast
Re: Zeugenaussagen
« Antwort #59 am: 15.11.2011 15:15 Uhr »
Sehr interessante Ausführungen! Ich bin gerade "emotional" nicht nah genug am Thema dran aber ich werde später auch noch was dazu loswerden.

Zu den letzten Erwähnungen:
Die Frage stellt sich natürlich immer uner immer wieder warum er die anderen Frauen quasi direkt an Ort und Stelle ermordete während Kelly in Ihrer Behausung..
Es liesse sich eventuell daraus schliessen das Sie ihn kannte - also die Tatsache das Sie ihn mitnahm.

@Lestrade:
Wenn ich dich richtig verstanden haben sprichst du erst von einer "schwachen" Mutter, dann aber wieder von einer "brutalen sadistischen"?
Und erst von einer quasi "redlichen" dann aber von einer "Protituierten/Alkoholikerin"?

Ist das Erste das was bei deinem "Lieblingstäter"  :pardon: tatsächlich vorlag und das Zweite das was du erwartest?