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Die Zeugen => Die Zeugen => Allgemeine Diskussion => Thema gestartet von: Lestrade am 11.02.2010 14:03 Uhr

Titel: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 11.02.2010 14:03 Uhr
Stride:

Der Zeuge William Marshall sah einen Mann bei Stride mit einer Matrosenmütze. PC William Smith sieht einige Zeit später Stride mit einem ca. 28 Jahre alten Mann der ein Päckchen bei sich trug. Israel Schwartz beobachtet kurz danach zwei Männer bei Stride. Den zweiten Mann der aus der Tür eines Gasthauses kam, beschreibt er als 35 Jahre, Tonpfeife, hellbraunes Haar, dunkle Kleidung, dunkler Hut. In einer zweiten Beschreibung hatte er dann einen roten Schnurrbart und ein Messer bei sich. Den Angreifer von Stride beschreibt er zuerst als 30 Jahre, etwas beleibter aber auch dunkel gekleidet. Dunkler Hut und dunkle Haare sowie einen braunen Schnurrbart. Dabei bleibt er auch bei der erneuten Beschreibung.

Eddowes:

Lawende beschreibt den Mann bei Eddowes als 30 Jahre, schöner Schnurrbart, Kappe und rotem Halstuch. In einer anderen Beschreibung wurde das Alter von 30-35 Jahren angegeben und der Schnurrbart schwerer und “sandiger“ sowie ein Matrosenhaftes Aussehen. Jüdisch.
Joseph Hyam Levy und Harry Harris hielten sich ja vollkommen bedeckt.

Kelly:

Mrs. Cox beschreibt den Mann den sie mit Kelly sah als 35/ 36 Jahre alt. Fleckiges Gesicht, langer Mantel und Melone und einen kupferroten Schnurrbart sowie Bier in der Hand. Schäbiges Aussehen.
Hutchinson sieht Kelly dann mit einem Mann den er als jüdisch, wenn auch nicht schäbig beschreibt. Bleiches Gesicht, dünner Schnurrbart, nach oben gezwirbelt. Dunkle Augen, buschige Augenbrauen, Paket in der Hand, 35 oder 36 Jahre alt. Er überreicht Kelly ein rotes Halstuch. Ist es das gleiche Halstuch, das Mrs. Cox schon vorher bei Kelly gesehen hatte? Sahen Cox und Hutchinson am Ende doch den gleichen Mann? Ihre Altersbeschreibungen würden passen und auch das fleckige bzw. bleiche Gesicht. Und da wäre eben dieses rote Halstuch. Nahm er es beim ersten Mal wieder mit?
Hutchinson will Ihn Tage später wiedererkannt haben.

Es ist also durchaus möglich, das Marshall, PC Smith, Schwartz, Lawende, Mrs. Cox und Hutchinson ein und denselben Mann sahen.
28-36 Jahre alt, rotes Halstuch, Päckchen, dunkle Kleidung mit Hut, Schnurrbart, “aufgehelltes“ Gesicht, jüdisches Erscheinungsbild, Aussehen eines Matrosen. Tonpfeife und die gefundene Pfeife bei Kelly erwähne ich einfach mal mit. Die Behaarung wechselt von dunkel über hellbraun, sandiger bis zu kupferrot. Ordentlich bis schäbig gekleidet. Bei den letzten beiden Punkten muss man zwei Tatnächte bzw. eine größere Zeitspanne zwischen den Sichtungen berücksichtigen und eben auch Lichtverhältnisse oder unterschiedliche Interpretationen.
Ich frage mich nur, warum bei dem “Hauptverdächtigen“ von Nacnaughten, Anderson und Swanson nur ein Zeuge den Mann wiedererkannt haben will bzw. nur er zum Line-up gerufen wurde. Wahrscheinlich Lawende (wobei ich nie sicher sein werde was Levy angeht). Warum die anderen nicht ?
Was könnte der Grund gewesen sein? Was meint ihr?
Außerdem frage ich mich, wenn Schwartz sagt, der zweite Mann bei Stride sei aus einem Gasthaus gekommen, hat man da im Gasthaus nicht nachgefragt?
Ich weiß nicht wer von den drei Ermittlern gesagt hat, der “Verdächtige“ sei zu den Tatzeitpunkten allein in bestimmten Locations gewesen aber es wäre ja durchaus möglich, dass er als Nachtwächter in verschiedenen Gasthäusern fungiert hatte.

Außerdem werde ich den Eindruck nicht los, dass die Öffentlichkeit nicht über die volle Täterbeschreibung informiert werden sollte. Was meint ihr dazu ?

Viele Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Shadow Ghost am 11.02.2010 14:41 Uhr
Durchaus möglich, dass die Behörden versuchten, Zeugenaussagen bezüglich des Aussehens des Täters zu unterdrücken; wenn ich mich recht erinnere trat Israel Schwartz gar nicht beim Inquest auf, die Aussage von Lawende wurde durch durch Henry Crawford abgewürgt, als es über das Aussehen des Mannes gehen sollte. Falls das wirklich der Plan war ging es natürlich mächtig in die Hose, da beide ihre Beschreibungen des möglichen Täters der Presse gegenüber durchaus erzählt haben.

Kann mir jemand vielleicht den Unterschied zwischen handkerchief und neckerchief erklären. Beides kann zwar Halstuch heißen, aber ich kenne handkerchief eher als Taschentuch, und habe es bislang in Bezug auf Mary Kelly und Astrakhan-Mann verstanden (wahrscheinlich hat mit Hutchinsons Aussage ...he then pulled his handkerchief a red one out and gave it to her... auf diese Schiene gebracht. Natürlich bleibt da noch der Unterschied zu klären zwischen Taschentuch und Halstuch  :icon_mrgreen:

Ist auf jeden Fall eine gute Beobachtung, Lestrade. Das rote Tuch scheint sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zu ziehen.

In Bezug auf den Mann mit dem Zeitungspäckchen, den PC Smith gesehen hat, so bin ich neulich auf einen interessanten Gedanken gestoßen, und zwar, dass sich dabei nicht um ein in Zeitung gewickeltes Paket gehandelt haben könnte, sondern wirklich um ein Paket Zeitungen. Vielleicht finde ich den Link zum casebook-Forum noch, in dem das aufkam. Die Versammlungen des Workingmen's Club wurden auch genutzt, um neue Mitglieder zu werben. Die hatten ja auch ihre eigene Zeitung, so kann es gut möglich sein, dass diese Zeitung dann an die Leute, die den Club verließen oder die einfach nur vorbei gingen, verteilt wurden. Das Format dieser Zeitung würde sich wohl auch mit dem des beschriebenen Pakets decken.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Shadow Ghost am 11.02.2010 14:54 Uhr
Hier noch der versprochene Link:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=3682&page=7 (http://forum.casebook.org/showthread.php?t=3682&page=7)

Post #67

Viele Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 11.02.2010 15:36 Uhr
Super interessant Shadow, vielen Dank ! Keine Ahnung ob das jetzt Taschentücher oder Halstücher sind oder irgendetwas zwischendrin.

Bemerkenswert bleibt auch der Bericht eines Star-Reporters, der zu der Schwartz-Geschichte schrieb, dass man einen Verdächtigen aufgegriffen hätte, der auf Schwartz seine Beschreibung des zweiten Mannes passte. Diesen Verdächtigen aber wieder entließ obwohl man dessen Unschuldsgebaren nicht ganz Glauben schenkte. Immerhin könnte Schwartz damit auch jemanden identifiziert haben. Eigentlich. Jener Mann sollte sich aber damals weiterhin zur Verfügung bereithalten. Vielleicht kam man auf diesen Mann durch Zeugenaussagen bei Kelly wieder zurück, weil man Details in den Beschreibungen wiederfand. Möglich wäre es ja. Dann hätte die Polizei allerdings den möglichen Ripper schon gehabt, ihn aber durch die Entlassung Tür und Tor geöffnet für das Verbrechen an Kelly. Es gibt ja die Aussage von Anderson, der sinngemäß sagte: Ich wäre fast bereit den Namen des Täters und des Zeitungsschreibers zu nennen aber meine alte Abteilung würde nur Schaden nehmen.
Naja, alles nur Mutmaßungen.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Shadow Ghost am 11.02.2010 16:24 Uhr
Hast Du zufällig den Bericht aus dem Star parat, oder zumindest das Erscheinungsdatum? Ich kenne diese Geschichte nämlich noch nicht, fände es aber interessant, mehr darüber zu erfahren.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 11.02.2010 18:15 Uhr
Schau bitte in das Casebook Shadow,

http://www.casebook.org/witnesses/schwartz.html

Ziemlich weit unten, es beginnt mit:

He described the man...

Wäre nett deine Meinung dann zu erfahren.

Es grüßt dich,

Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Shadow Ghost am 11.02.2010 23:04 Uhr
Am 1.Oktober schrieb der Star:

The police have arrested one man answering the description the Hungarian furnishes. This prisoner has not been charged, but is held for inquiries to be made.

und an anderer Stelle:

The police have been told that a man, aged between 35 and 40 years of age, and of fair complexion, was seen to throw the woman murdered in Berner-street to the ground. Those who saw it thought that it was a man and his wife quarrelling, and no notice was taken of it.

Am 2.Oktober hieß es im Star:

In the matter of the Hungarian who said he saw a struggle between a man and a woman in the passage where the Stride body was afterwards found, the Leman-street police have reason to doubt the truth of the story. They arrested one man on the description thus obtained, and a second on that furnished from another source, but they are not likely to act further on the same information without additional facts.

Es wurde also scheinbar ein Mann verhaftet, der der Beschreibung Schwartz' entspricht und einen Mann, der der Beschreibung aus einer ANDEREN Quelle entspricht. Dafür würde auch das Those who saw it sprechen, dass es also mehr als einen Zeugen gab.

Es könnte nun sein, dass sie den Pipeman, der aus dem Pub kam, gefunden haben (nach der Beschreibung Schwartz'), und der seine Version der Geschichte erzählte. Schließlich wurde er nicht angeklagt (This prisoner has not been charged, but is held for inquiries to be made.) Mit dieser neuen Beschreibung konnte dann eine zweite Festnahme stattfinden. Hält man sich die Aussage the Leman-street police have reason to doubt the truth of the story. und die Tatsache, dass Schwartz nicht beim Inquest erschien vor Augen, so scheint die zweite Aussage viel Gewicht gehabt zu haben. Aber der zweite Zeuge erschien dort ja auch nicht.
Aber das ist natürlich alles Spekulation. Zumindest scheint auch die zweite Festnahme ins Nichts geführt zu haben, schließlich gilt ja auch der Mord an Liz Stride als unaufgeklärt.

Viele Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 12.02.2010 07:24 Uhr
Danke für deine Ausführung Shadow. Sicherlich war auch Schwartz sein nicht Englisch sprechen, ein kleines Hindernis für Polizei und Presse.
Vielleicht waren aber die Ermittlungen und Festnahmen nach dem Double Event nicht sofort für die Polizei brauchbar, sondern erregten nur einen näheren Verdacht auf eine bestimmte Person. Dies würde erklären, warum man Schwartz und Co. öffentlich nicht anhörte. Weißt du eigentlich wann Lawende befragt wurde ? Könnte er die ANDERE Quelle gewesen sein ? Immerhin haben wir ja zwei, als sehr wichtig einzustufende Zeugen mit Schwartz und Lawende und dazu die unbekannte Größe Joseph Levy. Wann soll denn übrigens die Befragung im Seaside Home stattgefunden haben ? Vielleicht weiß panopticon mittlerweile näheres. Falls man dem möglichen Ripper als Polizei nach dem Double Event sehr nahe kam, könnte dies auch der Grund für dessen Pause im Oktober sein. Dies habe ich seit je her vermutet. Genauso wie noch einen Punkt den ich vertrete, nämlich dass man dem wahren Täter diese Taten nicht wirklich zutraute, da er einfach harmlos gewirkt hat und man einen anderen Typ von Täter erwartet hatte. Aber wie du und ich bereits erwähnten, bleibt dies ja alles nur reine Spekulation.

Lieben Gruß,

Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Shadow Ghost am 12.02.2010 09:46 Uhr
Lawende trat am 11.Oktober in der Inquest auf. Ich glaube nicht, dass er der zweite Zeuge war, denn der soll - so wie ich es verstehe - ja auch beim Stride-Mord dabei gewesen sein, und nicht wie Lawende beim Eddowes-Mord. Von der Polizei wurde er im Zuge der Haus-zu-Haus-Suche nach dem Eddowes-Mord aufgespürt, also wohl am 1.Oktober. Bereits einen Tag später ist seine Aussage in der Times erschienen.
Ich denke nicht, dass Schwartz' mangelnde Englisch-Kenntnisse ein Hindernis gewesen wären, beim Inquest auszusagen, schließlich git es ja Übersetzer. Auch seine Aussage bei der Polizei dürfte mit Hilfe eines solchen entstanden sein.
Dass der Ripper eine Pause nach dem Double Event machte, könnte schon mit der ganzen Aufregung und einer erhöhten Polizeiwachsamkeit zu tun haben. Man müsste mal schauen, ob ähnliche Morde in dieser Zeit an anderer Stelle verübt wurden, die bisher als Copycat behandelt wurden oder als geklärt gelten. Weiß eigentlich jemand, ob die Polizei ihr Personal in Whitechapel vor dem Kelly-Mord wieder reduziert hat, vielleicht auch im Zusammenhang mit der Lord Mayor's-Parade?

Ein möglicher weiterer Zeuge des Mordes an Liz Stride wäre noch Nathan Shine, aber wahrscheinlich ist diese Geschichte nicht mehr als eine Familienlegende:

http://www.mandy-janes.co.uk/SHINE/shines.htm (http://www.mandy-janes.co.uk/SHINE/shines.htm)

Damals ging Nathan Shine nicht zur Polizei, weil die Familie Repressalien fürchtete, oder einfach nichts mit der Sache zu tun haben wollte. Eine Seite, auf der die Geschichte etwas ausführlicher erzählt wurde, existiert leider nicht mehr, wie ich gerade feststellen musste.

Viele Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 12.02.2010 10:34 Uhr
Sehr hilfreich Shadow, wo und wie ihr das alles immer findet... :icon_thumb:

Wer weiß welche unbekannten Zeugen es noch gab. Aber wenn man mal überlegt, welch Risiko der Ripper einging, dann ist das schon sehr bemerkenswert. Allein bei Chapman und dann bei Stride (falls man diese Tat dem Ripper zurechnet) der ganze Trouble, der hatte ja überhaupt wenig Bedenken irgendwie aufzulaufen. Der muss sich ja hervorragend ausgekannt haben und muss überhaupt nicht aufgefallen sein in der Menschenmenge.

Neulich habe ich bei Youtube eine Dokumentation gesehen. Da habe ich zum ersten Mal von einem geographischen Profil gehört. Mal abgesehen von der bekannten Comfort Zone. Man betrachtete dort die Flower and Dean Street + angenzende Straßen als den Wohnort des Rippers. Von denen stammt auch das Phantombild des Rippers, wahrscheinlich von den hier erwähnten Zeugen. Glaube ich...

Sag mal, trifft ihr euch auch manchmal irgendwo? Oder bleibt ihr lieber anonym? Gerade jetzt, wo ich gelesen habe, dass Thomas Schachner für diese Seite eine neue Präsentation vorhat, wären persönliche Gespräche doch recht interessant. Zugegebenermaßen kann ich da nichts zu beisteuern aber ich bin doch recht eingefahren in meinen Vorstellungen und manche eurer Ansichten würde ich gerne einmal vis- a- vis erfahren, um mich weiterzubilden.

Lestrade
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Shadow Ghost am 12.02.2010 12:25 Uhr
Also ich bin ja erst seit kurzem auf dieser Seite dabei, kenne also die Leute hier auch nur aus dem Forum.

Sicherlich hatte der Ripper viel Mut (wenn man das so nennen kann, auf offener Straße über wehrlose Opfer herzufallen. Der Mut bezieht sich nur auf die offene Straße...). Aber wenn man bedenkt, dass der Yorkshire-Ripper Peter Sutcliffe über ein Opfer herfiel, während sein Kumpel ahnungslos (?) im Auto wartete, so ist das auch nicht so einzigartig. Jeffrey Dahmer tötete seine Opfer in seinem Appartement, und bewahrte die Leichen teilweise auch dort auf, aber keiner der Nachbarn will außer dem Verwesungsgeruch etwas mitbekommen haben. Einmal konnte ihm ein Opfer sogar entkommen, aber Dahmer konnte die Polizei davon überzeugen, der junge Mann wäre nur sein schwuler Liebhaber, der etwas zuviel getrunken habe (in Wirklichkeit war er mit Schlaftabletten betäubt). Die Polizisten begleiteten beide dann noch bis zu Dahmers Wohnung!
Ted Bundy sprach seine späteren Opfer auch oft in aller Öffentlichkeit an (Lake Sammamish) und nannte dabei sogar seinen Vornamen, so dass Frauen, die er angesprochen hatte, die aber nicht mit ihm gingen, später ein Phantombild erstellen lassen konnten. Ich weiß nicht, ob die Polizei annahm, dass der genannte Name "Ted" auch wirklich der echte war, aber wenn ich mich richtig erinnere, glaube ich schon (vgl. Robert Keppel, The Riverman: Ted Bundy and I Hunt for the Green River Killer.)
Ich glaube, es war Arthur Shawcross, der verhaftet wurde, als er an einen Leichenablageort zurückkehrte, um sich dort einen ... zu holen.

Du siehst, eine gewisse Risikobereitschaft oder Leichtsinnigkeit ist keine Seltenheit.

Das geographische Profiling ist sicherlich eine interessante Sache, aber eben wie auch das psychologische Profiling noch in den Kinderschuhen. Man darf von beiden auch nicht erwarten, dass sie einen den Täter liefern, sondern nur dass sie einem helfen, Prioritäten bei der Suche zu setzen, nach dem Motto, es ist wahrscheinlicher, dass der Ripper ein Mann aus dem East End Londons war als dass es eine Frau aus Liverpool. Man darf aufgrund des Profilings zwar die zweite Variante nicht ausschließen, aber man KÖNNTE aufgrund des Profilings der ersten Variante bei der Suche eine größere Priorität verleihen.

Viele Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 12.02.2010 13:14 Uhr
Achso, du bist ja auch erst kurz dabei...vergiss es...

Von den anderen Serientätern weiß ich so gut wie nix, kann ich also auch nicht mitreden.

Macht aber insgesamt den Eindruck "Auffällig ist am Unauffälligsten". Nun ja, wieder was gelernt.

Natürlich sind diese Profile unterstützender Natur, ich wollte es nur erwähnt haben.

Bleibt aber dennoch der Eindruck, dass die genannten Zeugen bei JtR nicht zum Zuge kamen.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: panopticon am 12.02.2010 15:59 Uhr
Hallo!

@ Lestrade: Nein, ich habe leider nach wie vor keine Ahnung, wann diese Gegenüberstellung stattgefunden haben könnte. Die Gegenüberstellungen, die es Zeitungsberichten zu Folge gegeben haben soll, lassen sich mit der Anderson/Swanson-Geschichte nicht wirklich in Einklang bringen...

Zu Deinen Ausführungen bezüglich diverser Zeugenbeschreibungen und dem von Dir festgestellten Risiko : Das rote Tuch ist nicht der einzige Faden, den man hier durch die ganze Geschichte konstruieren könnte, sondern noch etwas anderes (wenn man mal von den Personenbeschreibungen völlig absieht): 
Bei Chapman, Stride, Eddowes und Kelly wurde jeweils ein Mann und eine Frau direkt vor dem Ein- bzw Zugang zum jeweiligen Tatort gesehen, und zwar (mit Ausnahme von Kelly, da wir ja nicht wirklich abschätzen können, wann diese nun genau ermordet wurde) kurz vor dem Tatzeitpunkt, in einigen Fällen aber vielleicht sogar genau zum Tatzeitpunkt. Aufgrund der Zeugenaussagen, war die jeweilige Frau womöglich das spätere Opfer, ob dem aber tatsächlich so war, ist nicht beweisbar. Die Zeit, die der Täter für die Verstümmelungen an den Toten benötigte, wurde oft auch als länger eingestuft, als dies dann der Fall gewesen sein müsste. In zweien der Fälle (Stride, Kelly) war da nicht nur ein ´Pärchen´, sondern auch noch ein weiterer Mann, der wohl unbeteiligt war, wobei sich zumindest der Zeuge Schwartz da gar nicht so sicher war, wie wir wissen. Auch bei einem anderen Detail war sich Schwartz wohl nicht ganz so sicher: Wollte der Mann die Frau nun in den Hof ziehen, oder vielmehr verhindern, dass sie diesen betritt, und was könnte im zweiten Fall denn dafür eigentlich der Grund gewesen sein? Um hier noch einen Schritt weiter zu denken, nehmen wir einen weiteren Mord hinzu, und gehen dafür noch weiter in der Zeit zurück, zu einem der möglichen, frühen Anfänge der Mordserie:  Martha Tabram und Pearly Poll waren mit zwei ihnen unbekannten Männern, vermeintlich Soldaten, unterwegs, und zogen sich jeweils mit einem davon an einen ungestörten Ort zurück. Wie lange Pearly sich mit ´ihrem´ Soldaten ´vergnügte´, ist unbekannt, ebenso, ob ´ihr´ Soldat seinen Kollegen in jener Nacht überhaupt wieder traf, und wenn, wo dies geschah. Nach der Untersuchung der Leiche von Tabram hält Dr, Killeen jedenfalls fest, dass seiner Meinung nach in diesem Fall wohl zwei unterschiedliche Waffen verwendet wurden. Polly hat sich um Martha jedenfalls keine Sorgen mehr gemacht und diese deshalb auch nicht mehr gesucht , was ihr im Endeffekt auch ersparte, in jener Nacht noch  eventuell ´Oh Murder!´ oder irgendetwas ähnliches zu rufen. Als Komplizin in einem eventuellen ´Trio Infernal´ scheidet zumindest sie jedenfalls aus. Das Ganze ist jetzt natürlich extremst konstruiert und komplett unwahrscheinlich, aber nachdem ich Shadow Ghosts Ausführungen über Peter Sutcliffe und seinen Kumpel gelesen habe, dachte ich mir, man könnte das hier zumindest einmal andenken. Generell muss ich  festhalten, dass ich von der Einzeltätertheorie nach wie vor nicht 100%ig überzeugt bin, und zwar allein schon aufgrund der Tatorte selbst, wobei mir gerade die Idee kommt, hier im Forum an anderer Stelle einmal eine Umfrage zu starten, welchen Tatort ihr für den haltet, an dem sich der Mörder als Einzeltäter wohl subjektiv am ´unsichersten´ fühlte, und warum. Dutfield´s Yard/Berner Street würde ich dabei allerdings aus auf der Hand liegenden Gründen weglassen, aber ein Ranking der anderen und eine generelle Diskussion darüber fände ich durchaus interessant... Was haltet ihr davon?


Grüße,
panopticon
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Shadow Ghost am 12.02.2010 18:22 Uhr
Ich will hier nur kurz den guten Trevor Birdsall verteidigen, so hieß nämlich der Bekannte von Peter Sutcliffe. Bei zwei Gelegenheiten hat Sutcliffe diesen mehr oder weniger wortlos im Auto zurückgelassen und ist außer Sichtweite verschwunden, kam nach ein paar Minuten aber wieder zurück. Der erste Fall war der sogenannte stone-in-the-sock-Angriff, der zweite Fall war der Überfall auf Olive Smelt. Über diesen Fall hat Birdsall dann in der Zeitung gelesen, und sich vielleicht seinen Teil dabei gedacht. Er war aber keineswegs ein Mittäter und vielleicht nicht einmal Mitwisser Wer bringt schon seinen besten Freund mit einem brutalen Überfall in Verbindung, selbst wenn Ort und Zeit nahezu übereinstimmen? Würde ich wahrscheinlich auch nicht machen); Peter Sutcliffe war definitiv ein Einzeltäter.

Aber zurück zum Thema: ich denke der Whitechapel Ripper was ebenso wie der Yorkshire-Ripper ein Einzeltäter. Eine derartige "Obsession" teilen keine zwei Menschen miteinander, das kann ich mir nicht vorstellen. Die Pärchen in den Fällen Chapman und Eddowes waren wahrscheinlich wirklich die jeweiligen Opfer mit ihrem Mörder. Whitechapel und Umgebung war eben auch zur Nachtzeit noch relativ belebt, und schließlich waren die späteren Opfer bei weitem nicht die einzigen Prostituierten dort. Außerdem mag es ja noch so etwas wie wirkliche Liebespaare gegeben haben, oder schlägt da meine romantische Ader zu stark durch? Man denke doch nur an das Ehepaar Joseph und Elizabeth Mahoney, die eine Stunde vor Martha Tabrams Mord nach Hause im George Yard kamen. Dorset Street (Mary Kellys Zuhause) hatte an jedem Ende ein Pub, also auch nicht verwunderlich, wenn da ein Pärchen unterwegs ist.

Trotz allem sollte man den Gedanken nicht völlig ungeprüft von der Hand weisen, und zumindest einmal die Beschreibungen der Pärchen vergleichen, vielleicht finden sich ja Zusammenhänge.
Sicherlich ist - in meinen Augen - Hanbury Street der risikoreichste Tatort gewesen, denn jederzeit hätte jemand in den Hinterhof kommen können, und es hätte so gut wie keinen Ausweg gegeben. Miller's Court war zwar auch so eine Falle, aber da ließ sich zumindest die Tür verriegeln. Aber das ist auch schon wieder off-topic.

Viele Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: panopticon am 13.02.2010 01:23 Uhr
Vielleicht war das Verhältnis von Trevor Birdsall und Peter Sutcliffe ja so ähnlich wie das zwischen dem Soldaten von Pearly Poll und dem von Martha Tabram: Erwischt hat er ihn vielleicht nicht und war auch kein Mittäter, aber gedacht hat er sich einige Zeit später, als er von dem Mord erfuhr, vielleicht schon seinen Teil, auch wenn der Kollege in diesem Fall vielleicht sogar wirklich unschuldig war...

Ich denke natürlich in erster Linie auch an einen Einzeltäter. Sollten wir uns diesbezüglich jedoch irren, glaube ich auch nicht an eine Obsession als Motiv (zumindest nicht an eine Obsession sexueller Natur). Da wären dann eben andere Gründe wahrscheinlicher.

Auf jeden Fall sollten wir diese ´zwei-Männer-eine-Frau-Geschichte´ zumindest im Hinterkopf behalten, auch aus anderen Gründen. Und insofern ist mir jetzt übrigens noch die Aussage eines inoffiziellen Zeugen aus der Nacht des ´Double Event´ wieder eingefallen, die ich mir, sofern etwas dran ist, überhaupt nicht erklären kann, nämlich die von James Blenkinsop, der ja kurz vor dem Mord an Eddowes und in etwa zur selben Zeit als (bzw kurz bevor) Lawende, Lewis und Harris den Imperial Club in der Duke Street nach eigenen Angaben verließen, am St. James´s Place, also gleich nördlich des Tatortes, von einem respektabel gekleideten Mann gefragt worden sein soll, ob er dort einen Mann und eine Frau vorbeikommen gesehen hat. Also, wenn Blenkingsops Geschichte stimmt – (mal ganz abgesehen von den eher unwahrscheinlichen Möglichkeiten eines Komplizen oder gar eines gemischtgeschlechtlichen ´Mördertrios´, oder der Möglichkeit, dass irgendeine Zeitangabe nicht genau  stimmte, und einer der Herren aus dem Imperial Club nochmals zurückkam, weil ihm das Pärchen doch nicht so egal war: ) Was für Gründe könnte es für so eine Frage gegeben haben? Hat da jemand seine Gesellschaft verloren? Ist da einer zu einer Verabredung zu spät gekommen, und das Pärchen, das er treffen wollte, war bereits weg? War da einer von der Bürgerwehr ursprünglich auf der richtigen Spur bzw fast zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Oder war unser Freund Hutchinson oder ein ähnlich veranlagter Herr mal wieder am ´Pärchen´-Stalken? :icon_mrgreen: Ging der Ripper (ganz unabhängig davon, ob er der Mann war, den Blenkinsop sah, oder nicht) vielleicht generell auf Nummer sicher, dass seine späteren Opfer zuvor mit einem anderen Mann gesehen wurden? Vielleicht heftete er sich aber auch gerade auffälligen Freiern an die Fersen, die überhaupt nicht seinem Aussehen entsprachen und schlug zu, als diese sich gerade von einer Prostituierten verabschiedet hatten? Was war da also los, am St. James´s Place, und vor allem: Warum wurde Blenkinsop nicht zur gerichtlichen Untersuchung geladen? War sich die Polizei bei dem ´Seemann´, den Lawende beschrieb, so sicher, dass nur dieser der Mörder gewesen sein könnte, oder gab es andere Gründe? - Womit wir auch wieder bei einer von Lestrades ursprünglichen Fragen, nämlich der nach zurückgehaltenen Täterbeschreibungen, wären. ´Respektabel gekleidet´, wie Blenkinsop dem Star über den Mann mitteilte, ist ja nicht gerade eine sehr genaue, öffentliche Beschreibung,... Um Andersons und Swansons Zeugen dürfte es sich allerdings bei Blenkinsop, zumindest dem Namen nach zu urteilen, auch nicht gehandelt haben, zumal deren Zeuge ja jüdischen Glaubens war. Dennoch wäre hier zumindest klar gewesen, warum die Polizei nur einen einzigen Zeugen zur Gegenüberstellung geladen hatte, und dass eine solche in den Zuständigkeitsbereich der City Police gefallen wäre. Ach ja, @ Lestrade: Ob nur ein Zeuge zur Gegenüberstellung im ´Seaside Home´ geladen war, wissen wir ja eigentlich nicht, sondern nur, dass der Verdächtige dabei letztendlich von einem Zeugen identifiziert worden sein soll.

Auch wenn ich Stride und Eddowes nach wie vor zwei verschiedenen Tätern zuordne, hätte mich jetzt irgendwie schon interessiert, ob der Mann vom St. James´s Place eine Pfeife oder ein Messer dabeihatte, bzw, ob ein alter, schwarzer Lederhut  mit weiter Krempe für Blenkinsop noch unter ´respektabel gekleidet´ gefallen wäre. ;) Wobei: Wie war das noch mal mit der Polizei und den Festnahmen nach dem Double-Event? ´They arrested one man on the description thus obtained, and a second on that furnished from another source, but they are not likely to act further on the same information without additional facts.´? Hm.... :icon_rolleyes: Fielen  Gegenüberstellungen von Zeugen und Verdächtigen von zwei verschiedenen Tatorten vielleicht unter den Begriff ´additional facts´?

Praxis waren solche aufgrund einer ähnlichen, optischen Erscheinung von Verdächtigen angeblich schon, zumindest etwas später, und wenn man den betreffenden Zeitungsberichten glaubt: Sowohl im Fall Frances Coles, als auch im Fall Alice Graham soll es ja jeweils eine Gegenüberstellung mit einem Zeugen vom Fall Caherine Eddowes gegeben haben. (Ich fasse das mal kurz zusammen, für alle, die diese Berichte nicht kennen): Als wahrscheinlicher Zeuge gilt in beiden Fällen Joseph Lawende, und der Grund dafür wäre dann vermutlich seine Beschreibung des ´seemännisch´ aussehenden Mannes. Diese Beschreibung trifft auf den Gegenübergestellten im  Fall Coles, Thomas Sadler, sowohl optisch, (wie man diversen Zeitungsillustrationen entnehmen kann), als auch auf Grund seines Berufes zu. Der Zeuge soll jedoch nicht in der Lage gewesen sein, Sadler zu identifizieren. Im Fall Graham ist meines Wissens nach nicht wirklich überliefert, wie der Täter, William Grant Grainger, den man ´red handed´, also ´in flagranti´ gefasst hat, ausgesehen hat, Tatsache ist aber, dass er wohl nach einem abgebrochenen Medizinstudium als Feuerwehrmann auf Schiffen tätig war. Das Interessante dabei ist, dass die Pall Mall Gazette berichtete, dass ihn der Zeuge von einem der Morde im Fall JtR positiv identifiziert haben soll, obgleich das Blatt selbst die Möglichkeit einer tatsächlichen Identifizierung in Frage stellt - allein schon deshalb, weil die Whitechapelmorde ja bereits fast 7 Jahre her waren. Mittels Suchfunktion habe ich übrigens hier im Forum noch nichts über Grainger gefunden,  ich stelle demnächst einmal seinen Fall herein, derweil aber nur noch soviel in Kürze: Grainger erhielt im Endeffekt 10 Jahre Haft für den Mordversuch an Graham. George Kebell, sein eigener Anwalt, hielt ihn für Jack the Ripper, und wohl auch für den Anderson-Verdächtigen und lieferte sich diesbezüglich heftige Kontroversen mit Dr. Forbes Winslow. Abschließend noch etwas Spannendes zum Thema ´Heimlichtuerei´: Wie jemand aus dem Forum im Casebook festgestellt hat, ist im File von Grainger im Online-Archiv von Old Bailey in erster Linie nur folgender Eintrag zu finden: ´The evidence is unfit for publication – GUILTY.´ (´Die Beweisführung ist für eine Veröffentlichung nicht geeignet – SCHULDIG.´)
Was ich merkwürdig finde, ist die Tatsache, dass ein Zeitungsbericht über die Sadler-Gegenüberstellung etwas von Lawendes bekannter Täterbeschreibung abweicht, und sogar ´dressed respectably´ darin vorkommt. Überhaupt gibt es da scheinbar die unterschiedlichsten Beschreibungen, die Lawende zugerechnet werden...

Um nun auch kurz noch mal komplett off-topic zu werden: Auch ich bin der Meinung, dass der Hinterhof der Hanbury Street der riskanteste Tatort mit Ausnahme des Dutfield´s Yard war. Wie ein Einzeltäter da im Falle einer Entdeckung wieder rauskommen hätte wollen, ist mir ein Rätsel. Selbst über den Zaun zu klettern wäre, wie der Zeuge Cadosch beweist, eine ziemlich riskante Angelegenheit gewesen. Zudem konnte der Täter dort eben aufgrund der vielen Fenster kaum Vorkehrungen gegen ein etwaiges, zufälliges Entdecktwerden treffen....


Grüße,
panopticon
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 13.02.2010 07:13 Uhr
Guten Morgen panopticon, Guten Morgen Shadow !

Super- superinteressant eure Beiträge. Sehr informativ und aufschlussreich eure Meinungen, vielen Dank.

Mir fehlt aber gerade die Zeit detallierter zu antworten.

Hanbury Street halte ich auch für den risikoreichsten Tatort. Unglaublich wie er vorging.

Grainger ist bemerkenswert, ohne Zweifel und sein abgebrochenes Medizinstudium und seine Tätigkeit bei der Feuerwehr machen Ihn sehr verdächtig. Allerdings wissen wir auch, dass der Ripper nicht der einzige Mörder war, der unterwegs gewesen ist. Ich zähle mindestens zwei weitere Männer dazu, deren Opfer in Verbindung mit den Rippermorden gebracht werden. Dann gab es ja auch noch offenbar Gangs die Frauen angriffen. Dazu noch Leather Apron, wo ich spekuliere das einige seiner Aktivitäten dem Ripper zugeordnet werden könnten, als erste Versuche. Zu dieser Geschichte wäre natürlich interessant zu erfahren, wer Der oder Die Zeugen waren.

Ich bin eben immer noch erstaunt wie der Ripper vorging. Der muss gedacht haben, ihm passiert garnix. Ich glaube Anderson hat sich einmal zu seinem Hauptverdächtigen geäußert, dass er den Constablers und Ermittlern aus seinem Bereich gut bekannt war. Sollte er während der Serie tatsächlich einmal von der Polizei interviewt worden sein, dann muss er sich ganz gut aus der Affäre gezogen haben, trotz seiner möglichen Vorgeschichte. In einem meiner ersten Postings habe ich einmal erwähnt, dass ich nicht glaube, dass die Polizei solch einen Mann als Ripper vermutet hätte, selbst wenn sich Beweislast ergeben hätte. Aber wie könnte dieser Mann überhaupt gelebt haben ? Ich weiß es nicht...

panopticon, eine schöne Idee mit Stride und dem Mann, der sie wohlmöglich eher aus der Gefahrenzone bringen wollte. Wäre mir nie eingefallen.

Vielleicht war diese Art von Serienkiller in 1888 doch nicht ganz so wie die in 1960er,1970er oder 1980er Jahren oder heute zu vergleichen. Immerhin sind die gesellschaftlichen Bedingungen wandelbar...

Klar, vielleicht wurden all die genannten Zeugen ja doch zu Gegenüberstellungen geladen aber nur einer konnte wirklich sicher sein bei der Erkennung.

Es grüßt euch,

Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 13.02.2010 07:43 Uhr
By the way...

Ich habe noch einen Mann gefunden, dessen Namen ich noch nie gehört habe in diesem Fall. Er wurde auch am Tatort von Stride gesehen. Interessant dabei ist, dass man diesen Namen, der völlig bei der Rippergeschichte unterging, heute mit einem Familienmitglied aus dem Kosminski Clan in Verbindung bringen kann. Dann hätten wir in einer Nacht, bei zwei Morden, zwei Zeugen dessen Sichtungen sich mit dem Namen "Kosminski" verbinden lassen, nämlich Levy und eben dieses anderen Zeugen. Finde ich bemerkenswert, da ja der Anderson Verdächtige eben genau diesen Namen "verliehen" bekommen hat.

Mach ich aber ein andermal ausführlicher...
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 13.02.2010 08:42 Uhr
So, bevor ich mich jetzt wirklich ausklinke...

Noch ein Gedanke, zwar vom Thema weg aber noch eine Idee zu der möglichen Lebensart des Rippers.

Und zwar betrifft es die Päckchen und/ oder Taschen die der Täter mitgeführt haben sollte. Mal daran gedacht, dass er mit irgendetwas Handel getrieben hatte, was ihn möglicherweise unverdächtig machte ? 

Bis dann...

Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Aeneas am 14.02.2010 14:47 Uhr
jüdisches Erscheinungsbild

was ist "jüdisches Aussehen"?? und worin liegt der unterschied zu "normalem Aussehen"???
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: zwo am 14.02.2010 15:38 Uhr
Das hatte ich mich auch schon des Öfteren gefragt, als ich so gelesen habe.
Eine Kippa (hier schauen: http://de.wikipedia.org/wiki/Kippa ) als Erkennungszeichen wird damit wohl kaum gemeint sein. Oder andere traditionelle Kleidungsstücke.

Vielleicht war damals damit ein grundsätzlich dunklerer Typ gemeint. Dunkle Haare, dunkler Schnurri, vielleicht kleiner als der Durchschnitt = jüdisches Aussehen?
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 15.02.2010 10:02 Uhr
Denke ich auch...

"Osteuropäisches" Aussehen (Polnisch, Russisch) vermute ich... Vielleicht noch eine Hakennase, die Klischees halt...
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Aeneas am 15.02.2010 11:28 Uhr
naja, wenn "Jüdisches Aussehen" gleich "Osteuropäisches Aussehen" ist, wie sahen dann die Osteuropäer (Polen und Russen) eben aus????

Es muss doch einen gravierenden unterschied geben den manche Leute sogar im dunkeln sahen??????
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 15.02.2010 12:21 Uhr
So, um auf meine Geschichte zurückzukommen...

Im Falle Stride gab es noch eine Zeugin, Fanny Mortimer. Sie sah im Falle Stride, um den Tatzeitpunkt herum, einen Mann mit einer Tasche. Dieser Mann war Leon Goldstein (Cigarette Maker), der aber wohl selber umgehend zur Polizei ging und auch nicht von der Polizei verdächtigt wurde der Ripper zu sein. Er lebte in der 22 Christian Street, nahe der Berner Street.

Irgendwann stellten Nachkommen einer Familie Otterstedt (wohl deutschstämmig) fest, dass Vorfahren einmal in der 22 Christian Street in London lebten. Unter dieser Adresse findet man in der Volkszählung 1881 auch eine Rebecca Goldstein. 1891 lebten Goldsteins dann aber einen Block weiter. Also kann also durchaus richtig sein, das 1888 ein Leon Goldstein unter dieser Adresse gemeldet war. Otterstedts behaupten, das in 1895 ein Maurice Kosminski (Master Baker, 32 Jahre in 1895) mit Familie ( Frau Rebecca 30 sowie die Kinder Israel 6, Betsy 5) zu dieser Adresse zog. Paul Begg sagt aber es wäre die Nummer 36 statt 22. Hierbei ist auch interessant, dass der Vorname Rebecca auch der gleiche war wie bei Frau Goldstein.
Über Maurice Kosminski ist wenig bekannt, auch nicht ob er verwandt ist mit Martin Kosminski. Martin Kosminski war ja dem Zeugen Joseph Hyam Levy bekannt, einem Zeugen aus dem Fall Eddowes aus der gleichen Nacht des Double Events. Maurice Kosminski stammte aber aus der Nähe von Kalisz, Martin Kosminski ja direkt aus diesem Ort in Polen.

1891 findet man den Maurice Kosminski und Familie noch unter der Adresse 70 Berner Street. 1888 wird noch unter dieser Adresse ein Louis Freedman geführt, er betrieb einen Backshop. 1889 ist er allerdings nicht mehr verzeichnet, möglich, das Maurice Kosminski schon in 1888 den Backshop übernahm. Auch hier wieder ein interessanter Aspekt, den ein Freedman lebte in der Volkszählung von 1881 noch in der 1 Black Lion Yard. Martin Fido, der ja "Kosminski" in Verbindung gleichsetzt mit David Cohen und Nathan Kaminsky sagt, Nathan Kaminsky lebte 1888 in 15 Black Lion Yard. 1881 gab es diese Nummer wohl noch nicht im Census.

In 45 Boyd Street lebte 1881 an der Ecke zur 70 Berner Street wo der Backshop lag ein Woolf Abrahams (Schneider,damals 18 Jahre, in 1888 also 25 Jahre), wohnte dort mit Moses Abrahams (?) zusammen. Möglicherweise mit Maurice Kosminski verwandt. Woolf könnte später eine Betsy Kosminski geheiratet haben. Zu den anderen Kosminskis findet wir ja Beziehungen zu dem Namen Abrahams.
Waren also Martin und Maurice verwandte Kosminskis ?

Welche Beziehungen könnte also unter den Goldsteins, Maurice Kosminski, Freedmans und Abrahams gegeben haben? Polizeibeamte behaupten Jahre später, sie hätten einen Tatverdächtigen in der Reihe von Schlächtern (Butchers) observiert. Könnte es auch unter der Reihe von Bäckern (Bakers) gewesen sein? Butcher´s Row/ Baker´s Row?

Leon Goldstein war Cigarette Maker. Lawende sah einen Mann mit Pfeife, bei Kelly wurde wohl auch eine gefunden. Dies ist ja ersteinmal nicht ungewöhnliches und ich möchte auch nicht Leon Goldstein verdächtigen, er war wohl auch über jeden Zweifel erhaben aber es bringt mich auf eine Idee. In den Kosminski- Beziehungen und Verwandschaft findet man, wenn ich mich recht entsinne, auch Tabakhändler. Möglich wäre es ja, dass der Ripper wie ein Hausierer durch die Gegend zog, in Pubs oder Logierhäusern sein Produkt anbot. So etwas wäre doch ein gute Tarnung, wer verdächtigt schon einen mit ´nem "Bauchladen"? Falls er in einer Bäckerei gearbeitet hätte, würde das auch die Zeitpunkte seiner Verbrechen erklären können. Wenn er um die Monatsmitte herum in einer Bäckerei beschäftigt gewesen wäre, so wie es vielleicht der Arbeitsplan hergab. Dies kann man natürlich auf alles mögliche konstruieren. Es sind nur Gedanken und Überlegungen meinerseits...

Es läßt sich auch wohl auch heute nicht mehr nachvollziehen ob Maurice Kosminski oder Louis Freedman Brüder hatten. Und wie sie miteinander verbunden gewesen sein könnten. Hatte Maurice Kosminski schon vorher bei Freedman gearbeitet? Warum gab Louis Freedman in 1888 oder danach sein Geschäft auf? War dieses Haus, das Haus des "Bruders", wie von Swanson beschrieben? Aber warum hätte dann die City Police hier observiert anstelle der MET?

Ich wollte es euch nur mitteilen, falls noch nicht bekannt.

Ich finde es halt bemerkenswert, dass man über beide Opfer des Double Events über die Zeugen Joseph Levy (Martin Kosminski) und Fanny Mortimer (Maurice Kosminski), wenn auch über Umwegen, Verbindungen entdeckt. Im Bezug zu einem der Hauptverdächtigen der Polizei mit Namen "Kosminski".

Es grüßt euch Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 15.02.2010 12:23 Uhr
naja, wenn "Jüdisches Aussehen" gleich "Osteuropäisches Aussehen" ist, wie sahen dann die Osteuropäer (Polen und Russen) eben aus????

Es muss doch einen gravierenden unterschied geben den manche Leute sogar im dunkeln sahen??????

Wie Juden !

Ach, was weiß ich Aeneas...
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 17.02.2010 10:38 Uhr
Um beim Thema der Zeugen weiterzumachen und auch auf KvN seine Meinung in einem anderen Thread einzugehen, möchte ich erwähnen, dass man Hutchinson nicht allzu schnell abstempeln sollte. Genau wie Matthew Packer, will auch Hutchinson den Verdächtigen Tage später wiedererkannt haben. Packer, dem man noch weniger Glauben schenkt als Hutchinson, könnte aber dennoch eine interessante Beobachtung gemacht haben, die in ähnlicher Weise auch Hutchinson widerfuhr.
Packer (und auch Hutchinson) könnte einen Mann gesehen haben, der unter vielen Namen bekannt gewesen war. Einer davon war “LeGrand of the Strand. In 1888 ca. 40 Jahre alt. Dieser Mann war Polizeibekannt und galt als sehr gewalttätig und mit einigen diversen kriminellen Delikten (Feuerlegen war wohl noch harmlos) ausgestattet. Es war bekannt, dass er Prostituierte verfolgte und schlug und ihnen die Schuld für alles Mögliche gab. Er gehörte wohl zu den Führern einer Art “Sicherheitsvereins“. Dieser Verein hatte wohl seinen Sitz unweit der Berner Street. Es war üblich, um Mitternacht herum zu zweit “auf Streife“ zu gehen und den alteingesessenen Prostituierten das Leben schwer zu machen und um “seinen Mädchen“ mehr Spielraum zum Geldverdienen zu geben.
In solch einer Einrichtung würden wir, für einen Mann wie Jack the Ripper, hervorragende Bedingungen vorfinden. Dort wäre ein Nährboden für Hass und Verfolgung gegenüber Prostituierten quasi legal. Dort hätte er offiziell agieren können ohne sofort in Verdacht zu geraten. Es wäre gut gewesen für Alibis. Möglicherweise wäre ein solcher Club auch ein gutes Versteck gewesen. Die bekannten Ermittler behaupteten ja über einen Hauptverdächtigen, dass er “allein in bestimmten Einrichtungen zu den Tatzeitpunkten herum“ genächtigt hätte.
Der Ripper hätte dann quasi um Mitternacht, mit Mitgliedern des Vereins und z.B. auch mit LeGrand, sich auf in die Straßen gemacht haben können. Aufgelockert mit Alkohol und ausgestattet mit einem Messer und einer Menge Hass. In der Nacht des Stridemordes eben mit jenem LeGrand. Dieser könnte ja der erste Stride- Angreifer gewesen sein. So wie dieser laut Schwartz auf die Frau zuging und Gewalt anwendete, wäre das ein passendes und bekanntes Verhalten für LeGrand gewesen. Möglicherweise haben sich die “Streifengänger“ dann getrennt und der Ripper konnte allein fortfahren mit seinen eigentlichen Absichten. Es wäre interessant zu erfahren, wann dieser Verein aktiv war. Nur Anfang und Ende eines Monats oder an Feiertagen, also dann wenn auch die Mitglieder nicht arbeiten müssen? Eddowes könnte bei diesem Vorgehen die Ausnahme gebildet haben. Da der Ripper bei Stride seine eigentlichen Absichten nicht ausführen konnte. Weder wusste er wo er schnell dieses Opfer findet oder sie sind Eddowes vorher in der Nacht oder überhaupt schon vorher begegnet.
Deswegen ist panopticon seine Theorie gar nicht so abwegig, dass der Ripper nicht gar ganz so allein agierte und die Begleiter vielleicht gar nicht ahnten wer da bei ihnen Mitglied ist. Die Taten führte er alleine aus, ganz klar aber auf dem Weg dahin, wäre ein solches Szenario ja möglich. Die Polizei vermutete ja eh Mitwisser oder Leute, die das Geheimnis des Rippers teilten. Dieses zunächst als “zweier Team“ unterwegs sein, könnte auch die unterschiedlichen Täterbeschreibungen erklären. Das vornehme Aussehen (LeGrand, also Hutchinson´s Aussage und Packer´s “Büroangestellten“ Beschreibung) und die Beschreibung eines schäbig- jüdisch- seemännischen Erscheinungsbildes (Marshall, Lawende).
LeGrand war auf jeden Fall bekannt und die Wahrscheinlichkeit von Packer oder Hutchinson wiedererkannt zu werden recht hoch. Solch einen Mann wie LeGrand, der auch vor Gewalt gegen Polizisten nicht halt machte, traue ich auch den Mut zu Packer einen “Besuch“ abzustatten. Auf diese Weise erkannte er ja jenen Mann aus der Nacht des Double Events wieder. Und hinter solch einer “Persönlichkeit“ hätte sich der eher unauffällige Jack the Ripper gut verstecken können.
LeGrand hatte Beziehungen nach Paris und Belgien, behauptet man. Mary Kelly reiste ja einmal unter dem Namen “Marie Jeanette“ nach Paris. Möglich, dass Kelly ein “Mädchen von LeGrand“ war. Falls der Ripper dann tatsächlich zum LeGrand Kreis gehörte, könnte er Kelly gekannt haben. Eine Sache die ich, wie ihr wisst, vertrete.
Genauso wie ich vermute, dass der Ripper in einer Gang war. Nun ja, LeGrand seine Einrichtung war wohl etwas Ähnliches. Hier könnte man denen auch die Aktivitäten von Leather Apron vor der eigentlichen Serie zuordnen.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Stordfield am 17.02.2010 10:51 Uhr
Hallo Lestrade!

Danke sehr für die interessanten Informationen.
Mit dem Privatdetektiv LeGrand hat der von Dir Beschriebene wohl nichts gemein, oder? Immerhin arbeitete der "Schnüffler" ja auch im Auftrag einiger Bürgerwehren, was ja auch so eine Art "Sicherheitsverein" ist.

Gruß Stordfield
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 17.02.2010 11:37 Uhr
Hi Stordfield !

Ich glaub genau dieser LeGrand ist es. Habe diese Sachen aber meist überflogen. Bei seiner Vergangenheit, vor oder nach den Whitechapel- Ereignissen, ist es allerdings bemerkenswert, wie er sich für die Auflösung an Verbrechen gegen Prostituierte einsetzte. Irgendwo hab ich mal gelesen, dass er einen Brief mit roter Tinte, noch vor der Mordserie in 1888, an die Polizei oder so schrieb. Ähnlich einem angeblichen Ripper- Brief. Wenn er allerdings mit seinem Kollegen als "Detektiv" im Einsatz war und Packer interviewt haben will (wie ich gerade gelesen habe), dann könnte er aber nicht der Mann gewesen sein, den Packer wieder erkannt haben will. Das heißt nicht, dass LeGrand nicht am Tatort war. Verbindungen kann man deshalb trotzdem nicht ausschließen. Alles in allem könnte das jedoch ein paar Aspekte bei den Ripper- Briefen erklären, falls er den Täter kannte oder schützte. Es sind ja halt nur Überlegungen...weit hergeholt...
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: panopticon am 17.02.2010 14:39 Uhr
Hallo Lestrade!

Zu Le Grand:

Wenn wir jetzt einfach alles, was gerade zufälligerweise in irgendwelchen Threads erwähnt wird, übereinandertürmen, bringt uns das, fürchte ich, nicht weiter. Wenn wir Le Grand als möglichen Täter aufgreifen, könnte ihn jeder Zeuge in jedem Fall gesehen haben – dazu müssten wir schon wissen, wie Le Grand ausgesehen hat. Also lassen wir Hutchinson mal weg. Auch, dass Packer Le Grand in der Nacht des Double Event in der Berner Street sah, halte ich für eine sehr gewagte Vermutung:

Matthew Packer hat ja, wie Du bereits erwähnt hast, Le Grand und seinen Kollegen Batchelor auf jeden Fall gesehen, aber eben nicht in der Mordnacht, sondern einige Tage später: Während Packer bei seiner Befragung durch Sergeant Stephen White am 30. September 1888 um 9h morgens ursprünglich angegeben hatte, nichts Auffälliges bemerkt zu haben, hat er es sich später scheinbar anders überlegt. Als White daraufhin (ich glaube am 4. Oktober?) die Order bekam, Packer zum Leichenhaus zur Identifikation der Leiche zu bringen, teilte ihm Mrs. Packer mit, dass ihr Mann bereits von zwei Detectives zu diesem Zweck abgeholt wurde, woraufhin sich White zum Leichenhaus begab, wo er die drei Herren antraf: White verlangte die Amtsbefugnis der beiden zu sehen, worauf sie ihm ihre Ausweise zeigten, ihm aber nicht gestatteten, diese in die Hand zu nehmen. Packer selbst erzählte plötzlich eine andere Geschichte, nämlich, dass die Tote wohl die Frau war, die in der Mordnacht in Begleitung eines Mannes Weintrauben bei ihm in der Berner Street gekauft hat. Als White Packer abermals in der Berner Street aufsuchte, fuhren Le Grand und Batchelor erneut vor und erklärten, Packer zu Charles Warren zum Scotland Yard zu bringen. Der Zeitung entnahm White, dass die beiden Detectives auch den Abfluss im Dutfield´s Yard untersucht haben, und dabei Weintrauben (bzw -stiele) gefunden haben sollen. Er erinnerte sich, dass einer der beiden einen Brief in der Hand hatte, der an ´Le Grand & Co, Strand´ adressiert war, und erstattete Bericht. Das ist ja der eigentliche Ursprung der ´Traubengeschichte´, und zu Recht steht die Vermutung im Raum, Le Grand und Batchelor hätten diese fingiert.

Le Grand ist natürlich eine interessante Figur, denn er war, wie Stodfield ja schon geschrieben hat, beim Mile End Vigilance Commitee (also einer der  Bürgerwehren), dort aber nicht einfach nur irgendwer: Er wurde  von diesem in seiner Funktion als angeblicher Privatdetektiv zur Supervision und Organisation (vermutlich einschließlich der Koordination der Routen) dieser Amateurtruppe engagiert. (Siehe dazu z.Bsp. Philip Sugden) Diese Bürgerwehr traf sich des Nächtens in der ´Crown´ in der Mile End Road, teilte dort die Routen zu und  machte sich dann, als das Lokal schloss, um 00.30h auf den Weg. Es ist also wenig bemerkenswert, wie stark sich Le Grand für die Auflösung des Falles einsetzte, er wurde dafür ja eigentlich bezahlt, wenngleich er diese ´Anstellung´ wohl umso länger gehabt hätte, je länger die Mordserie angedauert hätte...(Soviel kurz dazu.)

Szenen und Zeitwechsel: 1891 wurden Frauen im West End durch Briefe in farbiger Tinte bedroht, und schließlich wurde als Urheber dieser Briefe ein gewisser ´Charles Grant´ aufgespürt, der dafür 2 Jahre Schwerarbeit ausfasste, und eben mit Le Grand, der bereits vor seiner ´Karriere´ als ´Detective´ in erster Linie kriminell gewesen sein dürfte, identisch war. Als weiterer Hinweis, der heute als Belastung gegen Le Grand im Fall der Whitechapelmorde angeführt wird, soll ein Satz im ´Dear Boss´- Brief dienen : ´Grand work the last job was.´ Naja, da wäre vielleicht ein Schriftvergleich interessant, das macht Le Grand dann aber maximal zum Briefeschreiber, und nicht gleich zum Mörder. Le Grand war sicher eine der Personen, die von den Morden persönlich profitierten, und auch einer der am besten informierten über die ´Beats´ der Bürgerwehr. Das mit den Briefen war aber wohl von den ´Ripper-Briefen´ inspiriert, zumal er sich darin auch nicht als der Ripper ausgab, sondern diesen wohl nur einmal in der dritten Person erwähnte, um darauf hinzuweisen, dass man ihn genauso wenig erwischen werde, wie den Whitechapelmörder.

Also wenn einer Le Grand (und Batchelor) in der Mordnacht gesehen hat, dann eben, wie Du schreibst, am ehesten Schwartz – Aber mal so gesehen: Hätten die beiden sich dann in den kommenden Tagen wirklich so augenscheinlich selbst ins Spiel gebracht? Packer hätte sie ja auch in der Mordnacht in der Berner Street gesehen haben können, und sie dann wohl wiedererkannt. Das wäre schon eine sehr riskante Sache gewesen!


Zu der Theorie mit mehreren Tätern:

Ich habe nicht die ´Theorie´, dass der Täter ´gar nicht so allein agierte´, ich schließe es nur (noch) nicht aus. Übrigens: Noch was zu Fanny Mortimer: Soweit ich mich erinnere, will sie doch auch nicht nur den Mann, der vermutlich Leon Goldstein war, gesehen haben, sondern eben zusätzlich ebenfalls auch noch ein ´Pärchen´ – und zwar vor der Entdeckung der Toten, und danach (!)... oder irre ich mich da jetzt? Vielleicht waren ja auch das die zwei, die Schwartz gesehen hat, und gar nicht Stride und ihr Mörder?


Zu ´Kosminski´:

Dieser Maurice Kosminski ist übrigens ein interessanter Fund, ich fürchte nur, dass den ganzen Kosminskis allmählich niemand mehr wirklich folgen kann - mittlerweile tue ich mir da ja fast selbst schon etwas schwer... Eigentlich müsste man das alles mal unter ´Kosminski´ genau aufschlüsseln, inklusive Quellennangaben und chronologisch geordnet, und nur auf die Infos reduziert, die wirklich wichtig und tatsächlich nachvollziehbar sind. Apropos Quellenangaben: Woher kommt das mit den Otterstedts und wie ist der genaue Wortlaut?

Wenn ich Dich jetzt diesbezüglich richtig verstanden habe, wird dadurch möglich, dass die Polizei eigentlich durch den Mord an Stride, oder konkreter gesagt, durch Leon Goldstein auf die Spur eines ´Kosminskis´ kam, und nicht, wie man bisher am ehesten hätte vermuten können, (eventuell allein) durch den Fall Eddowes, und den Zeugen Joseph Hyam Levy, beziehungsweise die Haus-zu.Haus-Befragungen in der Goulston-Street, wo angeblich noch ein Kosminski wohnte?

Das liefert dann aber wieder eine komplett andere Möglichkeit zur Sicht der Dinge:
Erstens, weil Stride ja womöglich gar kein Opfer der Mordserie ist.
Zweitens, weil der Dutfield´s Yard der naheste Tatort zu Aaron Kosminski´s vermuteten Aufenthaltsort bei seinem Schwager Woolf Abrahams am Sion Square war.
Und Drittens, weil viele (Serien-)Mörder angeblich ihren ersten Mord in der Nähe einer Zufluchtsmöglichkeit begehen, der Fall Stride aber sicher nicht der erste Mord in dieser Serie war.

Das Ganze macht dann einen ´Kosminski´ als Täter im Falle Stride womöglich zwar wahrscheinlicher, in den anderen Fällen aber vielleicht gerade eben dadurch wiederum unwahrscheinlicher....  :icon_rolleyes:

Wäre es außerdem nicht denkbar, dass sich Anderson/Swanson aufgrund der langen Zeitdistanz (bewusst oder unbewusst) irrten, und es bei der  von ihnen ins Spiel gebrachten Gegenüberstellung damals vielleicht gar nicht primär um die Identifizierung des Täters ging, sondern in erster Linie einmal darum, rein die Anwesenheit einer Person bzw eines Zeugen an einem Tatort zu verifizieren?


Grüße,
panopticon
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 17.02.2010 14:41 Uhr
Hallo panopticon !

Bevor ich deinen Beitrag jetzt lese, poste ich schnell noch meinen. So können wir zu noch mehr Konfusion beitragen... :icon_thumb:

Packer hin- oder her, seine unterschiedlichen Aussagen und dann noch im Zusammenhang mit diesen eigenartigen Detektiven, ist mit Vorsicht zu genießen. Aber es hat mich zumindest auf eine Idee gebracht, dass eine Art von Bürgerwehren eine Rolle spielen könnte aber nicht muss.

Wir erinnern uns auch an die Begegnung des Wachmannes James Blenkinsop, kurz vor der Entdeckung von Eddowes, mit einem ordentlich gekleideten Mann, der Blenkinsop fragte, ob er einen anderen Mann mit einer Frau vorbeikommen gesehen hat. Ob all diese Vorkommnisse immer stimmen sei dahingestellt aber es fällt mir seit jeher auf, dass diese zwei unterschiedlichen Täterbeschreibungen immer wiederkehren.

Das Joseph Hyam Levy sehr merkwürdig und ängstlich im Falle Eddowes reagiert hatte, würde auch zu so einer Geschichte passen. Angenommen er kannte einen Kosminski, den er auch bei Eddowes gesehen hätte und wusste von dessen Verbindung zu einem Mann ähnlich wie LeGrand und ihre Einstellung zu Prostituierten und überhaupt zu kriminellen Machenschaften, so wäre sein Verhalten erklärbar. Man behauptet, er hätte Tür an Tür mit einem Jacob Koski gewohnt. Martin Kosminski (um die 44 Jahre), den er bei der Einbürgerung behilflich war, hatte zwei Brüder, Samuel (um die 32 Jahre) und Jacob. Es wird gemutmaßt, das Jacob Koski auch Jacob Kosminski (ca.43 Jahre) gewesen sein könnte.

Eigentlich gibt es für mich nicht nur zwei Verbindungen in der Nacht des Double Events zu diesem Namen sondern drei. Und zwar an allen “drei“ Tatorten. Die erste Verbindung, dass möglicherweise Maurice Kosminski (25 Jahre) schon im Backshop in 70 Berner Street tätig war. Der Ort des Stride Verbrechens. Die zweite, Joseph Hyam Levy kannte Martin Kosminski (um die 44 Jahre) und er war Zeuge bei Eddowes. Nummer drei, Isaac Kosminski (40 Jahre) könnte bereits in der Goulston Street gelebt haben.

Bemerkenswert bleiben auch die Polizeizeugen. Auch hier wieder der Double Event. Zwei PC, nämlich PC Harvey und PC Long (wohl gelernter Bäcker) werden im Juli 1889 aus dem Dienst entlassen. Harvey aus unbekannten Gründen, Long wegen Trunkenheit während seiner Pflichtausübung. Zwei PC, die dem Täter sehr nahegekommen sein müssen. Dies ist schon recht merkwürdig, wie ich finde. Long findet in der Goulston Street den Stofffetzen von Eddowes und ordnet diesen bereits hohe Aufmerksamkeit zu ohne bereits zu wissen, dass Eddowes ermordet wurde. Dazu das Graffiti. Ich will Long nicht unterstellen, ob er es schon vorher oder erst in jenem Moment gemeinsam mit der Entdeckung des Schürzenteiles bemerkt hatte aber merkwürdig bleibt sein Eifer schon. Oder hatte er andere Gründe so besonnen vorzugehen?

Warum man allerdings LeGrand so viel Vertrauen entgegenbrachte, ist mir schleierhaft. Oder man wusste wie viel Macht und Kenntnisse er hatte um zur Auflösung beizutragen.

Man kann sich aber hier auch immer etwas neues zusammenspinnen...

Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 17.02.2010 15:06 Uhr
Ach panopticon !

Genau wie meine Ex-Frau, kannst du mich aus allen Träumen reißen... :icon_verwirrt:

Ich denke, wenn ein Serientäter quasi die Möglichkeit erhält  im Verein "zu morden", dann würde ich die "erstes Opfer in der Nähe des Wohn- oder Arbeitsortes" Annahme beiseite schieben. Außerdem war das Gebiet nicht gerade riesig und in einem geographischen Profil von Amerikanern und Engländern neuerer Zeit wird die Flower and Dean- Street als möglicher Ripper- Wohnort angegeben. Somit scheint mir das Chaos diesbezüglich perfekt.

Und wer sich schon "LeGrand" nennt, dem traue ich alles zu. Den halte ich allerdings auch nicht für den Ripper. Aber wie du erwähnst, hatte er Kontrolle über die Einteilung der Streifengänger. Interessant. Dieser Mann war wohl alles, der Whitechapel- Übermensch der sich mit jedem anlegen konnte. Und selbstverständlich finden er und sein Kollege im Dutfield´s Yard eine entrappte Traube und fangen an wie die Weltmeister zu kombinieren. Und auf einmal hat Packer doch was gesehen. Na ich weiß nicht, ganz schön eifrig gewesen der gute LeGrand und sein Freund...

Otterstedt schicke ich dir gleich...

Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 17.02.2010 15:43 Uhr
Irgendwann fertige ich extra für dich einen "Kosminski" Überblick an ! :icon_lol:

Hier schon mal die männlichen Kosminski (mit einer Ausnahme), die ich in all der Zeit im Zusammenhang mit dem Fall gefunden habe bzw. wichtig sein könnten:

Mrs. Kosminski "Mutter"
Einen Friseurladen "Kosminski"

Aaron (Friseur)
Isaac (Schuhmacher)
Maurice (Bäckermeister)
Martin (Pelzhändler ?)
Samuel (Pelzhändler ?)
Jacob (Schneider) siehe Jacob Koski möglich auch Jacob Cohen...

Daniel (Friseur)
Wolf (Scheider)
George (Friseur)

Phillip

"Isaacs"
Mark
Abraham
Joseph
Simon

Ich vervollständige das irgendwann mal mit Altersangaben, Beziehungen zueinander und deren Beziehungen zu Lubnowski, Cohen, Abrahams und Konsorten.

Ist eben nur mal schnell aus dem Kopf...
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 17.02.2010 16:23 Uhr
Wenn ich Dich jetzt diesbezüglich richtig verstanden habe, wird dadurch möglich, dass die Polizei eigentlich durch den Mord an Stride, oder konkreter gesagt, durch Leon Goldstein auf die Spur eines ´Kosminskis´ kam, und nicht, wie man bisher am ehesten hätte vermuten können, (eventuell allein) durch den Fall Eddowes, und den Zeugen Joseph Hyam Levy, beziehungsweise die Haus-zu.Haus-Befragungen in der Goulston-Street, wo angeblich noch ein Kosminski wohnte?

Das weiß ich nicht panopticon.

Es wäre natürlich möglich, wenn die Polizei über Fanny Mortimer zu Leon Goldstein kam (oder der zur Polizei), dass dort Beziehungen zu Maurice Kosminski zum Vorschein kamen. Es gab ja die Rebecca Goldstein unter der gleichen Adresse wie von Leon. Keine Ahnung ob die verheiratet oder anders verwandt waren. Ich weiß nur, dass Maurice Kosminski und seine Frau Rebecca später in die gleiche Straße zogen, wo die Goldsteins einmal lebten. Jetzt Rebecca mit Rebecca zu verbinden wäre sehr übertrieben und vollkommen beweislos.
Ich sehe momentan kein Grund, warum man über Goldstein zu Maurice Kosminski hätte kommen können außer es wurde ein Verdacht geäußert. Vielleicht waren die House-to-House Befragungen da für die Polizei nützlicher, weil man möglicherweise im Haushalt von Isaac Kosminski in der Goulston Street Verdächtiges feststellte. Sollte man in der Berner Street, bei der normalen Polizeibefragung, einen Maurice Kosminski gefunden haben, so hätte die Polizei diese Auffälligkeit bemerken können. War der Polizei dann noch das merkwürdige Verhalten von Joseph Levy verdächtig, so hätte man über entsprechende Ermittlungen erfahren können, dass dieser Martin Kosminski bei der Einbürgerung behilflich war. So hätte der Name "Kosminski", nun wirklich für einige Ermittler, einen Hauptverdächtigen entstehen lassen können.

Aber das hört sich alles nur gut an. Helfen tut es keinem.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Shadow Ghost am 17.02.2010 23:41 Uhr
Der Name Maurice Kosminski ist mir bisher noch nicht begegnet, zumindest nicht bewußt. Guter Fund und gute Idee, Lestrade  :icon_thumb:

Uns ist heute geläufig, dass Joseph Hyam Levy einem gewissen Martin Kosminski bei der Einbürgerung geholfen hat; doch ich bezweifle, dass dies der Polizei damals ebenso geläufig gewesen ist. Sie hätte dazu schon den Hintergrund von Levy durchleuchten müssen, und warum sollten sie das tun? Bei einem Zeugen?

1891 findet man den Maurice Kosminski und Familie noch unter der Adresse 70 Berner Street. 1888 wird noch unter dieser Adresse ein Louis Freedman geführt, er betrieb einen Backshop. 1889 ist er allerdings nicht mehr verzeichnet, möglich, das Maurice Kosminski schon in 1888 den Backshop übernahm.

Hast Du das mit Freedmans Backshop aus einem Handelsregister oder so? Wenn da 1889 dann nichts mehr verzeichnet ist, war der vielleicht einfach nicht mehr da. Soweit ich das jetzt überschaue, können wir über Maurice Kosminski nichts aussagen, was er vor 1891 trieb, oder habe ich etwas übersehen? Bezüglich des Backshops in der Berner Street, so hat - glaube ich - Louis Diemschutz an einer Uhr der Bäckerei die Uhrzeit seiner Heimkehr festgestellt. Hat Maurice denn überhaupt die Bäckerei übernommen? Der hätte ja auch sonst wo backen können.

Aber falls Maurice tatsächlich schon 1888 die Bäckerei übernommen haben sollte, so wäre es eine weitere Möglichkeit, wie der Name Kosminski in die Notizbücher der Polizei gekommen sein könnte.

Ich persönlich bevorzuge diesbezüglich aber eher die Isaac Kosminski-Spur. Der lebte in der Goulston Street, wurde also bestimmt befragt. Dabei kam sicherlich auch seine Tochter Betsy mit dem Rest der Familie in die Notizbücher. Jahre später attackierte dann ein gewisser Aaron Kosminski seine Schwester Betsy mit einem Messer. Und dann dachte sich ein eifriger Polizist: "Betsy? Betsy Kosminski?" und blätterte in seinem alten Notizbuch; und siehe da: es gab da eine Betsy Kosminski, die zur Tatzeit auch noch in dem Häuserblock wohnte, an dem der Täter auf jeden Fall nach dem Mord an Eddowes gewesen sein muss (wegen der Schürze). Die Familie Isaac Kosminski wohnte mittlerweile nicht mehr in Goulston Street, um die Namensverwirrung aufzuklären, vielleicht lässt sich Aarons Schwester auch nicht mehr so leicht auftreiben (von Aarons Angriff auf sie, erfuhren die Behörden erst nachdem Aaron in Colney Hatch war durch die Aussage von Jacob Cohen), und plötzlich findet sich der Name Kosminski auf der Liste der Verdächtigen.

Ist auch nur eine Theorie, und vielleicht glaube ich bald schon an eine ganz andere, ...

Zu LeGrand sage ich nur, dass er mir auch höchst suspekt ist, mehr dazu vielleicht in einem anderen Thread (um hier die Konfusion einzudämmen  :icon_mrgreen:)

Viele Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: panopticon am 18.02.2010 01:59 Uhr
Ach Du meine Güte, Lestrade, das sind ja noch viel mehr mögliche ´Kosminski´-Verwandte, als mir bisher (zumindest bewusst) bekannt waren...!!!  Gute Arbeit jedenfalls, und Danke für die Otterstedt-Quelle!  :icon_thumb:


Wenn da 1889 dann nichts mehr verzeichnet ist, war der vielleicht einfach nicht mehr da. Soweit ich das jetzt überschaue, können wir über Maurice Kosminski nichts aussagen, was er vor 1891 trieb, oder habe ich etwas übersehen?

Dazu habe ich jetzt mal auf Casebook nachgesehen: Louis Freedman war scheinbar in den Post Office Directories 1888 noch auf 70 Berner Street vermerkt, 1889 residierte dort aber angeblich bereits dieser Maurice Kosminski. Die Frage wäre nun, wann Maurice den Shop genau übernahm, bzw dort einzog, und ob das im Herbst 1888 bereits stattgefunden hatte. Auf Casebook hat auf jeden Fall jemand spekuliert, dass der ´erste Mann´, dem Schwartz ja bereits einige Zeit auf der Westseite der Straße hinterher ging, ehe dieser seine Auseinandersetzung mit der Frau (vermutlich eben Stride) vor dem Dutfield´s Yard hatte, vielleicht Maurice Kosminski oder ein Verwandter von ihm gewesen sein könnte, zumal sich 70 Berner Steet ebenfalls auf dieser Straßenseite befand. Schwartz lebte nur 50 yards davon entfernt auf 22 Ellen Street nahe der Backchurch Lane, und könnte ihn dadurch wieder gesehen und erkannt haben. Natürlich auch eine Möglichkeit, wie der Name ´Kosminski´ letztendlich in die Akten gekommen sein könnte.

Ich würde aber auch eher die Goulston Street als Quelle für den Namen ´Kosminski´ vermuten – zwar auch auf dem Gebiet der Metropolitan Police, durch die Schürze bzw das Graffiti aber eng mit dem Mord an Eddowes in der City verknüpft, und Swanson´s Anmerkungen lässt sich ja entnehmen, dass bei der Gegenüberstellung von Andersons Verdächtigen, den Swanson eben als ´Kosminski´ bezeichnete, die City Police involviert war. Das Problem bleibt aber eigentlich, dass Macnaghten ja etwa März 1889 als Datum für die Einlieferung seines ´Kosminski´ in ein Asylum angibt, und dass auch den Schilderungen der anderen Ermittler zu entnehmen ist, dass die Einlieferung des jeweiligen Verdächtigen kurz nach dem Mord an Kelly stattgefunden hat. Und dadurch scheinen alle (zumindest mir) bisher bekannten ´Kosminskis´, inklusive Aaron, eigentlich nicht in Frage zu kommen.

Um aber zum eigentlichen Thema ´Zeugenaussagen´ zurückzukehren: Irgendjemand müsste den wie auch immer eruierten ´Kosminski´ eben an irgendeinem Tatort  gesehen haben, da sonst eine Gegenüberstellung ja gar keinen Sinn gemacht hätte. Insofern ist da auch noch dieses Gerücht von dem Polizisten, der den Mörder (möglicherweise am Mitre Square) ´in Aktion´ gesehen haben soll, wobei die von Lestrade bereits erwähnten Entlassungen eventuell ganz gut passen könnten...


Grüße,
panopticon
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 18.02.2010 02:56 Uhr
Liebe Freunde !

Danke für euer Lob.

Die Kosminski Möglichkeiten sind ja reine Spekulation. Ob sie in der Goulston Street (Isaac) oder der Berner Street (Maurice) tatsächlich im Herbst 1888 wohnhaft waren, läßt sich nur erahnen, die Wahrscheinlichkeit ist allerdings hoch. Vielleicht können wir uns aber, durch solche Art von "Modellen", neuen Überlegungen öffnen.

Zu allen oben aufgeführten Kosminskis könnte ich immer wenigstens einen Satz sagen. Die letzte Reihe könnten eher Kinder von Isaac und Co. sein, müsste ich nochmal nachschauen.

Zu Phillip weiß ich nichts. Vielleicht findet jemand von euch noch etwas heraus.

Allerdings hätte ich zu Phillip Kosminski noch etwas zum schmunzeln für euch.

Nimmt man die jeweils 3 letzten Buchstaben seines Vor- und Zunamens, dann erhält man aus Phillip Kosminski den Namen LIPSKI

Bei aller Tragik der Ereignisse dürfen wir auch mal nach fast 122 Jahren lachen können. "Aus einem traurigen Arsch, kommt selten ein fröhlicher Furz", pflegte mein Vater immer zu sagen.

Ich wünsch euch was,

Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 18.02.2010 12:44 Uhr
Ich habe jetzt ewig versucht den Phillip Kosminski wiederzufinden. Leider Erfolglos. Ich lese solche Sachen immer und dann weiß ich nicht mehr wo es gewesen war. Ich habe nur einen Vermerk auf einem Schmierzette auf dem steht, Martin, Samuel, Phillip, Daniel irgendwas aus 1881... Tut mir leid...

Genauso sieht es aus mit einer Familie Abrahams, die einige mit der Kosminski Familie in Verbindung bringen. Wie ich mich recht erinnere, heirateten zwei Abrahams- Brüder in eine Familie hinein, die Tabakhandel betrieben und Gluckstein hießen. Irgendwie ging das mit diesen Familien so weit, das man annehmen könnte, sie vermehren sich nur noch untereinander. Diese beiden Brüder hießen Lawrence und Abraham Abrahams. Lawrence hatte wohl keine Kinder. Abraham aber drei Söhne, Lawrence, Solomon und Isaac und eine Tochter Francis. Ein Barnett Solomon heiratete eine andere Tochter der Glucksteins und betrieb dann zusammen mit Vater Gluckstein den Tabakhandel. Dessen Sohn Alfred heiratete dann ausgerechnet die Tochter Francis von Abraham Abrahams. Abrahams Sohn Isaac wurde Zigarrenhersteller, was nicht verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass in der Familie Tabakhandel betrieben wurde. Er wiederum heiratete genau wie sein anderer Bruder Salomon, eine Levy. Hierbei sei erwähnt, dass dies schon eine weitere Tochter der Glucksteins (waren wohl acht Kinder) tat und eine Levy heiratete. Hier gibt es neben der Abrahams- Verbindung nun auch eine weitere Levy- Verbindung, bekannt aus der Kosminski Geschichte. Isaac wiederum hatte zwei Söhne. Phillip und auch wieder einen Lawrence. Letzterer heiratete auch wieder Verwandtschaft, irgendeine Elizabeth. Interessant ist noch, dass Phillip und Alfred Solomon sich zur Zeit der Morde, für ein erhöhtes Polizeiaufgebot einsetzten.

Ich erzähle euch das aus zwei Gründen. Einmal wegen den Namen Abrahams und Levy und das diese Familien im relevanten Bereich existierten und weil Isaac Abrahams mit dem Mann identisch sein könnte, der als Zigarrenhersteller benannt im Whitechapel Vigilance Committee aktiv war. Sein Sohn Phillip war ja, wie erwähnt, schon mit Alfred Solomon für mehr Polizeipräsenz. Hier zu folgender Link:

http://en.wikipedia.org/wiki/Whitechapel_Vigilance_Committee

Ihr findet dort auch wieder unseren LeGrande…

Noch etwas zu Leon Goldstein. Er war ja auffällig geworden, weil er eine schwarze glänzende Tasche bei sich trug. Angeblich mit Zigarettenschachteln oder so.
Der Tabakhandel von Gluckstein und Barnett Solomon lag wohl neben den Three Nuns Hotel.
Eine Stunde vor dem Stride Mord gab es genau dort eine merkwürdige Begegnung von einem Albert Bachert, der in 1889 Vorsitzender des Whitechapel Vigilance Committee werden sollte. Er wollte gerade das Three Nuns Hotel betreten. Dabei traf einen ähnlichen Mann, wie ihn Frau Fanny Mortimer beschrieb:

There, he met a man of a dark complexion, height about 5 feet 6- or 7-inches tall, who was carrying a black shiny bag.

Dieser Typ erkundigte sich bei Bachert nach lokalen Prostituierten und suchte eine ältere von ihnen, die wohl Streichhölzer verkaufte. Könnte er Eddowes gemeint haben?

Eine ähnliche Beobachtung könnte Mrs. Paumier in Falle Kelly gemacht haben. Sie sah diesen Mann am 8. und 9. November 1888 und sprach wohl auch mit Ihm. Genau wie noch drei andere junge Damen.

Mrs Paumier said the man had a black moustache, was about 5ft. 6in. high, and wore a black silk hat, a black coat, and speckled trousers. He also carried a black shiny bag about a foot in depth and a foot and a half in length.

Drei mal Shiny Black Bag finde ich interessant. Bachert, Mortimer und Paumier.

Wenn es immer Goldstein war, und er auch in der Nähe zweier Whitechapel Vigilance Committee gesehen worden wäre, dann könnte er etwas über die Verbrechen gewusst haben. Und er könnte einer der Männer gewesen sein, die Schwartz gesehen hatte.

Im Falle Schwartz wurde berichtet, ich erwähnte es vor kurzem schon mal, dass ein Mann in Polizeigewahrsam kam, der zwar wieder entlassen wurde, dem man jedoch seine Ausführungen nicht voll glauben schenken konnte. Goldstein wäre solch ein Kandidat.

Und es ist möglich, dass Goldstein Maurice Kosminski kannte. Das haben wir schon festgestellt.

Um den Faden weiterzuspinnen, Goldstein hätte mit einem Kosminski unterwegs gewesen sein können.

Viele Grüße, Lestrade.








Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: JohnEvans am 18.02.2010 20:52 Uhr
@Lestrade, @panopticon,

so faszinierend sich eure Beiträge lesen, so sehr frage ich mich jedesmal, WOHER stammt eigentlich euer detailliertes Wissen? Kann man das nach lesen doer forscht ihr das höchstpersönlich selbst aus?

JE

Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: KvN am 19.02.2010 08:50 Uhr
Na und der Mitre Square? Wo er jede Minute einem Polizisten ins Aug schauen hätte können? Und wie wäre er aus Kellys Wohnung entwischt? Ich bin zwar überzeugt dass es sich um einen Einzeltäter handelte, aber Nerven muss der schon ghabt haben...

Greez
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: KvN am 19.02.2010 08:53 Uhr
Sorry, beziehe mich auf Seite 1...Hab übersehen dass es noch 2 Seiten gibt, hatte noch keinen Kaffee heut...
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 19.02.2010 09:01 Uhr
Jetzt wach KvN ? :icon_wink:

Hallo John !

panopticon und ich forschen höchstpersönlich vor Ort nach. Deswegen wurden wir, wegen groben Unwegs, schon mehrmals in Gewahrsam genommen. Ein britischer Richter hat uns bereits für verrückt erklärt. Deswegen habe ich jetzt eine Freundin nach London geschickt, die eigentlich in Whitechapel Informationen sammeln sollte. Ihr ist es aber da zu nass und deshalb ging sie lieber Mäntel kaufen, sich Depeche Mode in der Royal Albert Hall anschauen, den FC Liverpool im TV beobachten und chinesisch Neujahr feiern. Morgen werde ich sie vom Flughafen in Bonn abholen und um mich zu beschwichtigen, werde ich garantiert mit einer Reihe kleiner Geschenke überhäuft werden...

Das Internet hilft halt heutzutage. Gott sei Dank. Ich habe von ganz klein an viel gelesen, alles Mögliche. Natürlich auch Sherlock Holmes. Irgendwann kommt man dann zu Jack the Ripper. Der war aber lange Zeit für mich nur so eine Art "Hollywood"- Film. Ich hatte kein Interesse an wahren Verbrechen. Mich hatte das immer sehr abgestoßen. Tatsachenberichte und Bücher mit wahren Begebenheiten anderer Metiers haben mich aber immer sehr fasziniert. Mich hat auch immer das "große, geheimisvolle" bei Jack the Ripper abgeschreckt. Dies lag daran, weil ich nie wahrhaben wollte,  dass die Londoner Polizei erfolglos gewesen war. Dies gehörte zu meiner Vorstellung von Menschen aus Großbritannien. Sie geben niemals auf. Ich liebte den englischen Fußball und war stets beeindruckt wenn dessen Teams, die trotz eines 0:3 Rückstandes in der 89min., weitergekämpft hatten. Eine kindliche, naive Vorstellung…

Vor 14,15 Jahren fing ich mehr und mehr an Bücher oder Artikel über diesen Fall zu lesen. Eigentlich war das nur ein Sammeln von Informationen. Vor ca. 4 Jahren fiel mir dann das Buch von Thomas Schachner in die Hand. Es war das Beste was ich jemals bis dato gelesen hatte. Und ich war erstaunt,  wie viel ich selber mittlerweile, trotz großer Pausen, über den Fall wusste. Noch erstaunter war ich, als ich letztes Jahr diese Seite hier fand und erneut bemerkte dass ich ganz gut dabei bin. Aus meiner Sicht natürlich.

Ich vergesse grundsätzlich nichts was ich mal irgendwo aufschnappe. Und es ist erstaunlich, wie viele Links man findet von einem Begriff zum anderen. Den Artikel gestern von mir mit den Tabakhändlern zum Beispiel, da hatte mal jemand Informationen über die Butcher´s Row gesammelt und ist auf diese Leute gestoßen. Dann fallen da Namen wie Levy oder Abrahams. Bei Levy macht es dann sofort klick, weil wir ja Zeugen oder Verdächtige wie Joseph Hyam Levy oder Jacob Levy kennen. Bei Abrahams wusste ich auch, dass dieser Name bereits mit Kosminski- Nachforschungen in Verbindung gebracht wurde. So verbinde ich diese Dinge miteinander. Aber ob sie wirklich relevant sind? Keine Ahnung. Abrahams und Levy gab es sicherlich eine Menge. Aber dann finde ich wieder Informationen über das Whitechapel Vigilance Committee und lese dort die Namen Isaacs und Barnett und “Zigarettenhersteller“und erinnere mich dann, dass mir diese Begriffe schon woanders begegnet waren. Ob tatsächlich Isaac Abrahams und Barnett Solomon damit gemeint sind? Ich weiß auch hier nicht aber ich stelle es einfach in den Raum. Genau zu diesen Begriffen gesellt sich dann der Name LeGrand, eine üble Figur, die sich schon als Detektiv in diesem Fall probiert hatte. Eines ins andere fällt da eben…
Oder dann lerne ich Fanny Mortimer kennen und ihre Aussage. Dann erinnere ich mich wieder an Shiny Black Bag und bin mir sicher diesen Begriff schon mal gelesen zu haben. Also schaue ich nach. Dabei lese ich dann den Begriff “Three Nuns Hotel“ und dann fällt mir ein, hatten Obervater Gluckstein und Lieblingsschwiegersohn Barnett Solomon nicht da ihren geliebten Tabakhandel?
Dabei stolpere ich über die Aussage von Bachert, der kurioserweise kurze Zeit später der Vorsitzende der Bürgerwehr wird und dessen Begegnung mit einem Mann, der sich bei Ihm erkundigt. Irgendwie erinnere ich mich dann, dass ja schon mal jemand in dieser Nacht, jemanden nach ähnlichem gefragt hat. Dann fällt mir der Wachmannes James Blenkinsop ein mit seiner Beobachtung. Dann frage ich mich, könnten tatsächlich jemand ganz speziell nach Catherine Eddowes gesucht haben? Wir wissen, das Sie wahrscheinlich wirklich jemanden mit den Morden in Verbindung gebracht haben könnte. Und dies könnte Ihr zum Verhängnis geworden sein. Da waren diese persönlichen Verletzungen in Ihrem Gesicht. Genau wie bei Kelly. Dann fällt mir dazu wieder LeGrand ein, was Französisches. Nach stundenlangem Überlegen, da ich weiß schon mal was mit Frankreich hier gelesen zu haben, fällt mir Jeanette Marie Kelly (Mary Kelly) ein, dass sie mal in Paris war. Alles irgendwo mal gelesen und zusammengefügt. Bei diesem ganzen Kram habe ich dann immer den sich sträubenden Zeugen Joseph Levy im Hinterkopf. Die Vermutung dass er denn Mann bei Eddowes kannte und daher nichts sagen wollte. Levy hatte ja mit der Butcher´s Row zu tun, da wo Inspektor Sagar ja jemanden observiert haben will. Im Zusammenhang mit der Butcher´s Row sehe ich dann die möglichen Beziehungen von Levys zu Abrahams und Abrahams mögliche Beziehungen zum Kosminski Clan. Joseph Levy selbst kannte einen Martin Kosminski. “Macnaughten, Anderson und Swanson´s Mann“ trug den Namen “Kosminski“. Wir finden an Tatorten noch Isaac und Maurice Kosminski. Die auch tatsächlich in 1888 dort jeweils gelebt haben könnten. So fange ich an zu denken, dass tatsächlich ein Kosminski- Bruder Jack the Ripper war. Eher von einem Maurice als von einem Isaac oder Martin Kosminski.

Aber ganz ehrlich John? Ich glaube alles was ich hier schreibe ist ein riesengroßer Nonsens und nicht wirklich von Bedeutung. Aber vielleicht können 1-2 Sachen doch irgendwie hilfreich sein.

Ich bin ja auch nur ein Mensch und Menschen können sich eine Menge zusammenkonstruieren. Das Leben ist in vielen Dingen eine Illusion.

Es wurde eine Menge über Jack the Ripper geschrieben. Vor allem eine Menge Müll. Und es ist nirgends im Gesetz verankert, dass Lestrade dies nicht darf. Also tue ich es einfach.

Besonders bei Jack the Ripper läuft man Gefahr, sich sehr schnell zu verrennen. Da findet man schnell etwas, was einen sofort Vermutungen anstellen lässt. So habe ich kürzlich etwas zur Black Lion Yard gefunden. Dem angeblichen Wohnort von Nathan Kaminsky. Aber dies wäre ein noch größerer Nonsens als mein bisher geschriebenes.

Es grüßt,

Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: KvN am 19.02.2010 10:50 Uhr
Danke, ja so halbwegs halt...

Als Nonsens würde ich die Überlegungen tatsächlich nicht bezeichnen. Eine Kosminski - Mystifikation ist nicht so unwahrscheinlich...Und dass Eddowes den Täter kannte (und eventuell in der Nacht ihres Todes zu erpressen versuchte) ist eine Theorie die einiges für sich hat. Immerhin: Betrachtet man nicht nur die Tatorte, sondern auch die letzten Aufenthaltsorte der Damen vor ihrer Himmelung, dann kulminieren die Hot Spots noch deutlicher um die Flower/Dean Street, die räumliche Näher wird noch näher. Gut möglich dass frau da etwas mitgekriegt hat, das ihre Lebenserwartung dann verkürzte...

Grüße
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Shadow Ghost am 19.02.2010 11:18 Uhr
Danke, ja so halbwegs halt...

Als Nonsens würde ich die Überlegungen tatsächlich nicht bezeichnen. Eine Kosminski - Mystifikation ist nicht so unwahrscheinlich...Und dass Eddowes den Täter kannte (und eventuell in der Nacht ihres Todes zu erpressen versuchte) ist eine Theorie die einiges für sich hat. Immerhin: Betrachtet man nicht nur die Tatorte, sondern auch die letzten Aufenthaltsorte der Damen vor ihrer Himmelung, dann kulminieren die Hot Spots noch deutlicher um die Flower/Dean Street, die räumliche Näher wird noch näher. Gut möglich dass frau da etwas mitgekriegt hat, das ihre Lebenserwartung dann verkürzte...

Grüße

Warum sollte Catherine Eddowes den Täter erpressen? Ich denke mal, mit den ganzen ausgesetzten Belohnungen wäre doch deutlich mehr Geld zu verdienen gewesen.
Aber natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass das ein oder andere spätere Opfer den Ripper zumindest vom Sehen her kannte, aber wahrscheinlich niemals vermutete
, dass es sich dabei um den gesuchten Serienmörder handeln könnte.

Viele Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: JohnEvans am 19.02.2010 14:37 Uhr
@Lestrade,

danke für deine ausführlichen Erklärungen! Aber sag mal, bist du mit Chris Scott verwandt??  :icon_wink:

Mal Ernst, das Problem mit all den Inforamtionen ist eben leider, daß wir kaum eine Möglichkeit haben, die relevanten von denzufälligen zu unterscheiden. SO verlockend Kosminski auch erscheinen mag, aber selbst McNaughton irrte in den meisten Aussagen über ihn. Was natürlich daran liegen mag, daß er bereits Aaaron mit seinem Bruder verwechselte, wer weiß?
Und Le Grande ist sicher ein heißer Kandidat als ganz schlimmer Finger, aber als Ripper? Jedesmal, wenn ich Stride als Nicht-Ripper.Opfer sehe, ist er der erste, der mir einfällt. Aber mesitens halte ich Stride doch für ein Ripper-Opfer und Le Grand nicht für den Ripper.
Würde der Ripper wirklich so frech sein und ausgerechnet einen Wachmann fragen? Möglich, denn so wie es aussieht, hat anscheinend der mutmaßliche Zodiac Killer sich annähernd gleich verhalten – der paluderte seelneruhig mit genau jendem Polizisten, der nach ihm Ausschau hielt.
Kannte Eddowes den Ripper? Diese Aussage ist, mWn, nei weitem nicht abgesichert. Und gerade ihr Ende als Ripper-Opfer läßt die Frage aufkommen, wieso ging sie mit ihm, wenn sie ihn kannte und soagr für eine Mörder hielt, ganz offenabr ahnungslos in die dunkelste Ecke?
Denn gerade Eddowes weist nicht das geringste Anzeichen eines gewaltsames Angriffes vor dem Kehlschnitt auf. Nicht das kleinste Hämatom (wie Nichols & Chapman) – nichts. Könnte natürlich heißen, sie kannte und vertraute ihm, allerdings bezweifle ich, daß sie ihren Mörder für den Ripper hielt.
Es sei denn, sie wurde bedroht, ruhig zu sein. Oder doch irgendwie betäubt? Auch wenn mandamals keine Spuren eines Giftes fand, heißt das nicht,daß keines verwendet werden hätte können.
Was nämlich gerade bei Stride UND Eddowes auffällt, ist, daß BEIDE MEHLARTIGE Nahrung in ihren Mägen hatten.

Spendierte der Ripper ihnen etwa noch eine letzte Mahlzeit? Ein Mehlsüppchen mit Schalfmittel drin?

JE
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 19.02.2010 17:39 Uhr
Hi John!

Wer ist Chris Scott? Ich google jetzt mal nicht. Klär mich bitte auf. Hört sich an wie ein schottischer Innenverteider von Sheffield Wednesday von 1982 :icon_lol:...

Nein, so möchte ich nicht verstanden werden. LeGrand war keinesfalls der Ripper aber er könnte in dessen Dunstkreis gelebt haben. Genau wie Leon Goldstein. Aber rein hypothetisch nur und das meine ich so, wie ich es schreibe...

Superverdächtig bleibt "Kosminski", wie ich finde, trotz aller Irrungen und Wirrungen, egal von wem. Deswegen widme ich diesem einen großen Teil meiner Aufmerksamkeit.

Nicht alle Aktivitäten des vermeintlichen Rippers, die ich hier aufführe, ordne ich Ihm auch zu. Sondern eventuellen Mitwissern oder ungewollten Teilnehmern bei den Tatabläufen. Aber die Taten an sich dann selber, gingen von einer Einzelperson aus.

An Gifte glaube ich nicht.

Er musste sich in Bruchteilen einer Sekunde entscheiden. Das Werk von Jack the Ripper enstand eher plötzlich und endete genauso abrupt. Da verwandelte sich ein Mann aus dem Nichts, zu solch einem Täter und wandelte sich wieder zu jenem Mann zurück und verschwand wieder ins Nichts. Der fiel überhaupt nicht auf. Ich denke, das Menschen die ihn kannten und ihn eine Stunde vor und eine Stunde nach den Taten getroffen hätten, überhaupt nichts an Ihm bemerkt hätten. Jedenfalls nichts auf dem ersten Blick und auch nichts Ungewöhnliches. So war es auf jedenfall bei Nichols, Chapman und Stride (falls diese tatsächlich ein Opfer war). Bei Eddowes und Kelly differenziere ich. Da gibt es andere Merkmale. Es wurde ja in der Nacht des Double Events, zweimal nach einer Frau gefragt (wobei ich dir absolut beipflichte, was ist nun relevant und was nicht? Ich weiß es eben auch nicht). Falls diese Frau Eddowes war, will ich daran erinnern, dass Sie ja in Polizeigewahrsam war und vielleicht nicht von Menschen dort anzutreffen war, auch zu bestimmten Zeitpunkten, so wie man es vielleicht von ihr gekannt hatte.

Keine Opfer wären dem Täter entkommen. Er wollte vermeiden, von ihnen wiedererkannt zu werden. Dafür hätte er mit einem einzigen Schnitt gesorgt. Falls Eddowes oder Kelly etwas geahnt oder gewusst hätten, dann wären sie unter die gleiche Kategorie gefallen. Er hätte es nicht zugelassen, auch wenn sie vielleicht gar nicht von Ihm von vornherein als potentielle Opfer ausgesucht geworden wären. Ursprünglich (gerade Kelly unterscheidet sich enorm von den anderen). Und wer sagt, dass sie richtig lagen mit ihren Vermutungen aber er sich angesprochen gefühlt hatte? Er war ja schließlich paranoid. Dazu kommt auch Alkohol bei den Opfern. Der lässt leichtsinnig werden. Und vielleicht die eigenen Befürchtungen beiseite schieben.

Der Bereich der Tatorte war auch der Bereich wo er Zuhause war. Da fühlte er sich auch Zuhause. So bewegte er sich nämlich.

Dazu aber später mehr. Mir fehlt gerade wieder die Zeit.

Machet jut.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: KvN am 20.02.2010 00:37 Uhr
Hi zusammen!

@Shadow Ghost: Stimmt schon, aber um eine Belohnung abzusahnen braucht man Beweise, für einen Erpressungsversuch langt das Wissen...Und: Eddowes brauchte sofort Geld (nicht mehr wirklich, aber das wußte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht), nicht erst nach einem Prozess, der sich vielleicht Monate hingezogen hätte...
Aber ich gebe zu dass diese Überlegungen sehr spekulativ sind!

Greeze! 
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 20.02.2010 09:37 Uhr
Heute nur ganz kurz...

Nein, Erpressung never.

Ich gehe davon aus, dass der Ripper keinen "Masterplan" hatte. Alle Opfer waren zufällige Opfer auch wenn er schon einen bestimmten Typ verfolgte. Wenn ich sage er kannte sie, dann meine ich, er kannte sein Gebiet und er wußte alles darüber. Und er könnte viele Prostituierte gekannt haben und die meisten auch wenigstens vom schlichten sehen her.

An den Tagen wo er bereit war, ist es bestimmt ein Russisch Roulette für die Opfer gewesen. Er entschied letztlich ob und wann er zuschlägt. Seine Bedingungen mussten stimmen.

Und bei Eddowes oder Kelly, was ja nur pure Spekulation ist, wären aber auch "persönliche" Motive denkbar. Allein deren Ahnung hätte ausgereicht um sie zu töten, wenn Ihm etwas zu Ohren gekommen wäre. Solche Ahnungen hätten in seine Richtung gehen können ohne dass sie ihn gleich betreffen. Falls es so war, kann man auch nur mutmaßen, wann er davon erfuhr. Und dann wären da keine langen Zeiten zwischen Kenntnis und Tat vergangen. Ich rede da von Stunden oder ganz wenigen Tagen.

Wir sprechen über ein sehr kleines Gebiet. Wenn wir annehmen, der Ripper wäre bei der Bürgerwehr gewesen, mit solchen Menschen  wie LeGrand, dann hätte er über seine ohnehin massiven Kenntnisse seines Gebietes hinaus, Informationen erhalten können die sein Handeln etwas beeinflusst haben könnten. Zusätzlich zu seinem MO. Vorraussetzen tue ich es nicht, es sind lediglich Gedanken zu diesen beiden letzten Opfern.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: JohnEvans am 20.02.2010 14:10 Uhr
Hi, Lestrade,

 

Chris Scott, fleißiger www.casebook.org Forum Poster und unermüdlicher Durchforster Londoner Archive recherchiert seit Jahren nach, wann welche Ripper Protagonisten wo und wie lange gewohnt, gelebt haben, gestorben sind, etc. Außerdem verfasste er ein kleines Büchlein, dessen Umschlag einem uns bekanntem deutschem Ripper Werk frappierend ähnlich sieht, mit dem Titel: Will The Real Mary Kelly ..?

http://www.amazon.co.uk/Will-Real-Kelly-Christopher-Scott/dp/1905277059/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1266618264&sr=1-1-spell

 

Da ich weder den Täter noch sein Motiv kenne, gehe ich auch nicht einfach davonaus, daß er paranoid war.

Und falls du damit auf Kosminskis „geistige Umnachtung“ ansprichst, so steht nicht fest, wann diese ausgebrochen ist.

 

Wer immer diese Taten beging, beging sie im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte oder er hätte mehr Glück als Verstand gehabt.

 

JE

Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: panopticon am 20.02.2010 14:13 Uhr
Hi.

Zur ´Belohnung´:
Gesagt hat Catherine Eddowes ja angeblich schon, dass sie sich die Belohnung für die Ergreifung des Whitechapelmörders holen wollte, aber so weit ich weiß, gab es vor ihrer eigenen Ermordung (welch Ironie des Schicksals!) eigentlich noch gar keine Belohnung! Die City Police hat nach der Ermordung von Eddowes eine Belohnung ausgeschrieben, die Metropolitan hat das, wenn ich richtig informiert bin (?), überhaupt nie getan. Wurden ursprünglich nicht sogar private Belohnungen irgendwie untersagt? Insofern hätte Eddowes also am Tag ihrer Ermordung nur bei einer Person für ihr (angebliches) Wissen Geld herausschlagen können: Beim Täter selbst... (Ob da aber was dran ist, ist eine andere Frage und wäre wieder off-topic, ausschließen würde ich persönlich es aber nicht.)


Wer ist Chris Scott? Ich google jetzt mal nicht. Klär mich bitte auf. Hört sich an wie ein schottischer Innenverteider von Sheffield Wednesday von 1982

:icon_biggrin: Da brauchst Du eigentlich gar nicht zu googeln, ich denke, dass sich ´A Cast of Thousands´ hier in der Rubrik ´Rezensionen´ finden lässt...


Ach ja, @ John :
So wie ich das sehe, können ja sehr viele hier mittlerweile auf ganz beachtliches detailreiches Wissen zurückgreifen, das sich mit der Zeit durch Recherche aus diversen Quellen/Medien (Bücher, Internet, Archive, Zeitungen, etc...) anhäuft bzw angehäuft hat. Wenn ich mir diesen Thread hier ansehe: http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1129.0.html, ist mein MO bei der ´Archivierung´ wie der von Stordfield, nur digital, wodurch ich eigentlich auch sehr schnell auf die jeweiligen Themen, Quellen und dadurch eben auch Details zugreifen, und diverse Bereiche auch getrennt verwalten und dennoch verlinken kann. Zumeist gebe ich bei Details die Quellen dazu aber eigentlich ohnedies an – wenn ich das mal vergessen haben sollte, und jemand dort selbst nachlesen will, gebe ich sie gerne weiter... Um einigen ganz bestimmten Fragen (vor allem aber jenseits von rein Themen-spezifischen Wissens) nachzugehen, recherchiere (´forsche´ wäre hier vielleicht zu viel gesagt) ich aber schon mal mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln selbst und stoße dabei gar nicht selten auch auf Neues, wodurch sich auch manche Details in den Originaltexten wieder anders darstellen, und zu neuen Fragen führen. (So habe ich neulich z. Bsp zum Fall Kelly mir bekannte Modehistoriker und Mediziner kontaktiert.)


Grüße,
panopticon
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 20.02.2010 18:07 Uhr
John, panopticon !

Danke für eure Infos zu Chris Scott. Ich denke, das ist genau was für mich...

John, ich meinte niemals den Aaron Kosminski.

Naja, Frauen waren aus seiner Sicht Schuld an seinen Taten und seinem Leben. Sie hatten Ihm etwas angetan, sonst hätte er nicht an Ihnen diese Greueltaten vollbracht. Und ich bin mir sicher, das er sich von ihnen verfolgt gefühlt hatte. Er wird immer ein Messer bei sich getragen haben. Aber er war nicht in der Lage sich selbst zu reflektieren und festzustellen, das vielleicht nur 1-2 Frauen nicht gut zu Ihm waren und nicht der Rest auf der Welt davon. Letztendlich bestrafte er wohl immer wieder die gleiche Frau. Aber nur in seiner Fantasie. Er tat das mit unschuldigen Opfern. Selbst die Schuldigen hätten solch ein Ende nicht verdient. Aber solche Dinge passieren nur im Kopf kranker Mörder oder Serienkiller.

Ich habe Menschen in meinem Leben kennengelernt und du wirst solche Menschen auch kennen, die Waffen bei sich tragen. Warum tun sie das? Weil sie Angst haben. Dabei gibt es welche, die so etwas aus verständlichen Gründen tun und welche die sich permanent verfolgt sehen. Paranoia, Verfolgungswahn, dadurch können die schon mal verrückt werden. Das in Kombination mit Personen wie Jack the Ripper, da empfehle ich Reißaus zu nehmen...     
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Shadow Ghost am 20.02.2010 23:15 Uhr
Um das off-topic-Thema abzuschließen: Bereits nach dem Mord an Annie Chapman,gabe es Belohnungen durch das Whitechapel Vigilance Committes und durch den Parlamentsabgeordneten Samuel Montague.
Die Regierung und die Metropolitan Police haben 1884 damit aufgehört, Belohnungen auszuschreiben. Dass Belohungen durch private Stellen untersagt werden sollten, habe ich bislang noch nicht gehört (was aber nun auch nicht soviel heißen mag).
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 21.02.2010 18:38 Uhr
Liebe Freunde !

Ich werde in den nächsten Tagen hier nochmal zusammenfassen, die Zeugen und deren Sichtungen, dazu Aussagen von Macnaughten, Anderson und Swanson, die mutmaßliche Bewegung des Rippers usw. Dies alles im Vergleich. Mein Hauptaugenmerk wird abei u.a. auf Schwartz, Lawende und Levy liegen.

Kann allerdings dauern.

Ich brauche dazu noch ein paar Informationen die ich so, wie ich sie benötige, noch nicht habe.

panopticon, ich werd dich diesbezüglich noch einmal anschreiben. Hoffe du bist so frei.

Es grüßt euch,

Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: panopticon am 22.02.2010 02:29 Uhr
@ Shadow Ghost:

Ja, da hast Du recht! Danke für die Richtigstellung!  :icon_thumb: Ich widerrufe Obiges natürlich sofort hiermit!
 
Sorry, ich habe mich da wohl ursprünglich irgendwie verlesen (mit den Belohnungen hatte ich mich bisher noch nicht wirklich auseinandergesetzt) : Die Metropolitan Police  hat private Belohnungen, wenn ich es jetzt nach nochmaligem Nachlesen richtig verstanden habe, nicht untersagt, aber jegliche ´Authorisierung´ von diesen, bzw auch Angebote von Geldern, die sie von Privatpersonen zur Ausschreibung zur Verfügung gestellt bekam, abgelehnt, da sie Belohnungen aufgrund früherer Erfahrungen als kontraproduktiv einstufte. Dadurch dürften aber die Zuwendungen, die zum Beispiel das Mile End Vigilance Committee von Privatpersonen bekam, letzten Endes auch bei weitem nicht so hoch gewesen sein, wie von diesem ursprünglich erhofft. Wenn ich das jetzt richtig eruiert habe, gab es also vor Eddowes Ermordung zumindest Ausschreibungen von jeweils 100 Pfund von Montagu und der ´Illustrated Police News´, 50 Pfund vom Mile End Vigilance Committee und 25 Pfund über den Foreman der ´Nichols Jury´, korrekt? Die Frage wäre jetzt eigentlich, wo sich Eddowes denn das jeweilige Geld überhaupt hätte abholen müssen, wenn denn an der Geschichte was dran war, und sie das tatsächlich vorgehabt hätte – das gehört dann aber eben nicht hierher...


Grüße,
panopticon
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 08.03.2010 14:57 Uhr
Eine weitere "Black Shiny Bag" (Bachert, Mortimer, Paumier, siehe vorherige Posts) aus einem Bericht über ein Beobachtung von Henry Birch, findet ihr im Casebook bei den Zeugen aus dem Nichols- Fall...

Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 10.03.2010 13:37 Uhr
Ich habe einen weiteren Kosminski entdecken können. Und dieser wird auch gleich sehr interessant.

In diesem Faden hier, habe ich bereits über Maurice Kosminski geschrieben. Im Census von 1891 findet man diesen als Master Baker in der 70 Berner Street. Möglich, dass er dieses Geschäft schon in 1888 von Louis Freedman übernahm. In 1895 findet man ihn dann wenige hundert Meter weiter in der Christian Street. Von dort aus etwas mehr als hundert Meter weiter zeigt der Census von 1891 einen Joseph Kosminski in der Langdale Street. Dieser ist 36 Jahre alt zu der Zeit, Maurice 28 Jahre. Joseph lebt dort mit seiner Frau Sarah (30) und den Kindern Nelly (7), Lewis (6), Morris (3) und Abraham (1). Er ist Tailor von Beruf. Er hat einen Untermieter, Davis Finschuller (20), ebenfalls Tailor und eine Schwägerin (19) Fanny Cohen.
Diese Schwägerin ist allerdings ohne Partner verzeichnet. Eher möglich, das Davis Finschuller in 1891 ihr Partner war. Aber da sie die Schwägerin von Joseph oder Sarah gewesen sein muss, fehlt dennoch ein ursprünglich weiterer männlicher Part. Ich kann nicht sagen ob Sie einst liiert war mit einem Bruder von Joseph. Oder ob Fanny, die Schwester von Sarah war und von außerhalb jemand geheiratet hatte, der Cohen hieß. Namenwechsel kamen wohl zu jener Zeit aus verschiedensten Gründen zustande. Zu Freedman schreib ich bereits in diesem Faden, dass es im Census von 1881 den gleichen Namen in der 1 Black Lion Yard gab. Dort, wo Fido, Nathan Kaminsky (David Cohen) entdeckt hatte. In der Nummer 9 und 16 gab es dort jeweils einmal den Namen Cohen.
Ich finde es aber bemerkenswert, dass einst zwei Kosminski, nicht einmal 200m voneinander entfernt, zusammengelebt haben könnten. Wir wissen nicht viel über beide aber sie könnten verwandt gewesen sein. Vielleicht sogar Brüder. Sollte die Adresse in 1888 bei Joseph auch Langdale Street gelautet haben, befänden sich die Tatorte Buck´s Row, Hanbury Street, Mitre Square und Miller´s Court, mal abgesehen von der Berner Street, die ja nur einige hundert Meter von der Langdale Street entfernt lag, sternförmig von eben jener Langdale Street relativ gleich entfernt. Bis auf die Buck´s Row nahezu alle die gleiche Entfernung von diesem Punkt aus auf der Karte wo sich die Langdale Street befindet. Verbindet man diese 4 Tatorte, ergeben sie einen Bogen. Ich erwähne es nur, weil es ja auch geographische Profile gibt… von denen ich allerdings keine Ahnung habe.

Weiter östlich lebte noch ein Marks Kosominski (34) mit seiner Yetta(26). Schuhmacher.

Also wieder mal Informationen zum “Kosminski“ Verdächtigen gesammelt.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: kokablue am 29.07.2011 16:57 Uhr
Ich weiß etwas spät habe es aber gerade erst gelesen:

"Le Grande" würde aber hervoragend in ein heutiges Profil eines Serienkillers passen.
-> Vorstrafen, Zündeleien, Gewalttätigkeiten.

In der Regel  fangen diese Typen "klein" an.

Allerdings scheint Jack eher ein Wutmoerder gewesen zu sein..

Und das von mir oben erwähnte trifft eher auf Triebtäter / Sadisten zu.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Isdrasil am 02.10.2011 14:45 Uhr
Hi Lestrade,

entschuldige die verspätete Reaktion auf einen Post von Dir...ebenso schweife ich vom Thema ab, aber ich war wirklich lange aus der Sache und den Diskussionen hier draußen. Man möge es mir verzeihen...

Naja, Frauen waren aus seiner Sicht Schuld an seinen Taten und seinem Leben. Sie hatten Ihm etwas angetan, sonst hätte er nicht an Ihnen diese Greueltaten vollbracht. Und ich bin mir sicher, das er sich von ihnen verfolgt gefühlt hatte. Er wird immer ein Messer bei sich getragen haben. Aber er war nicht in der Lage sich selbst zu reflektieren und festzustellen, das vielleicht nur 1-2 Frauen nicht gut zu Ihm waren und nicht der Rest auf der Welt davon. Letztendlich bestrafte er wohl immer wieder die gleiche Frau.

Ja, das könnte in der Tat einen Grund, einen Teil des Motivbündels darstellen. Aber man kann die Sache auch ganz anders betrachten: Im Gegenzug zu der Theorie eines Frauenhassers aus eigens bewegten Impulsen heraus (sozusagen ein chiffrierter Mord) könnte es sich bei den Taten auch um die Kompensation eines Vaterkomplexes handeln. Viele spätere Serientäter fühlten sich mit einer übermächtigen Vaterfigur konfrontiert, einem Schläger und Rüppel. Es kommt nicht selten vor, dass Menschen solch ein Verhalten in die eigene Individualität übertragen, um es zu rechtfertigen - und damit selbst zu dem werden, was sie verachten. Es kann sich bei der Frauenhassgeschichte also auch ganz einfach um das Gegenteil handeln: Möglicherweise übernahm der junge Täter den Hass seines Vaters auf Frauen. Sie mussten also nicht zwingend dem Täter etwas angetan haben.
Noch dazu ist jede Empfindung subjektiv - selbst der Vater müsste gar keinen Grund für seinen Hass haben.
Demzufolge kann der Täter auch sehr leicht aus einer Familie stammen, in der es überhaupt keine misshandelnde oder schlechte Mutter gab und er muss auch nicht zwingend besonders schlechte Erfahrungen mit Frauen gemacht haben (außer den üblichen schlechten Erfahrungen wie Trennungen, die wohl jeder irgendwie mal erlebt hat).

Da die Taten eindeutig auf die Ausweidung und Verstümmelung gewichtet sind, kann es sich bei den Opfern auch um zweckmässige Opfer handeln - betrunken, leicht in eine Ecke zu locken, von der Gesellschaft ausgestossen. Ich glaube, der Ripper hat seine Opfer zu Objekten verkommen lassen und sie nicht als Frauen, sondern als Mittel zum Zweck angesehen.

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 02.10.2011 22:01 Uhr
Hallo Isdrasil,

schön deine Meinung zu lesen.

Neben allem, kann ein Täter wie Jack the Ripper, auch einer organischen Erkrankung des Gehirns unterlegen gewesen sein, die auch ohne "schlechte Eltern", zu extremen Problemen hätte führen können. Widrige Umstände können so etwas natürlich noch intensivieren, ohne dass die Eltern dabei gleich als "grausam" zu bezeichnen wären. Wobei ich immer davon ausgehe, dass bestimmte Täter, einer bestimmten Kombination von organischen und nichtorganischen Ursachen und Faktoren unterlegen sein dürften. Egal zu welchen Anteilen. Manchmal mag es in diese oder auch in die andere Richtung, an die 100 Punkte Grenze kommen aber sie nie voll erfüllen. Da gilt es auszubalancieren. Da ist ganz vieles möglich. Am Ende bleibt auch jeder Täter für sich zu betrachten, jeder ist letztendlich ein Einzelfall. Grobe Skizzierungen sind natürlich nötig und auch nützlich.

Nach wie vor glaube ich daran, dass die Ausführung und die Art und Weise von solchen Verbrechen, viel über den Täter erzählen können. Ich sehe mir derartige Probleme immer sehr dimensional an und verteile dann prozentual die Anteile bestimmter Tätertypen, die dafür in Frage kämen. Ich bin kein Freund knallharter Kategorisierungen sondern sehe die Übergänge fließend. Dadurch sehe ich den "Normalo" genauso in Frage kommend, wie den "Schwachsinnigen".

Aber dennoch erzählen uns die Opfer etwas über den Menschen, der diese Taten vollbracht hat.

Die Eltern, die Kindheit sind der Schlüssel. Die Figur der Mutter, die Figur des Vaters. Das Trauma, die Störung und körperliche Ursachen. Aber vorallem auch die Interaktion zwichen den Eltern, die Balance, die vielleicht den Bereich der Waage aufrechterhalten können oder eben auch nicht.

Und jetzt liegt es an uns aus allem zu lesen. Ich muss aus den Dingen lesen, die mir bekannt sind. Und im Falle des Rippers, habe ich da viel Material, viele Informationen.

Gerne lese ich deine Meinungen Isdrasil. Und sie sind stets sehr anregend. Am Ende teile ich hier aber meinen Standpunkt mit, wie ich es sehe. Aufrichtig in meiner Meinung und durchdacht, soweit es mir möglich ist. Eben so wie ich es "lese". Und das teile ich dir auch gerne mit. Ich befasse mich mit deinen Posting hier sehr ernsthaft, wie ich es immer tue. Es ist mir wichtig, dich darin zu verstehen. Genauso möchte ich verstanden werden und ich weiß, dass dies sicherlich nicht immer einfach ist.

Aaron Kosminski ist ein gutes Beispiel. Du erwähnst ihn heute schon in einem anderen Posting. Da gab es die früh verschwindene Vaterfigur von der wir nicht wissen, wie stark oder schwach oder gewalttätig er war. Da gibt es aber wohl keine alkoholkranke oder sich prostituierende Mutter. Es geht in diese Richtung aber wissen oder beweisen kann ich es nicht. Möglicherweise gab es aber andere Probleme. Aaron´s Mutter wurde sehr alt für damalige Verhältnisse. Sie gebar Aaron in einem hohen Alter, was für ihre Gesundheit spricht aber eben auch für ein größeres Risiko etwäiger Schäden für das Kind. Sie heiratete nicht noch einmal, was vielleicht auf eine halbwegs vormalige intakte Familiensituation hindeuten könnte. Da sind Figuren wie die Geschwister von Aaron Kosminski, die wie Ersatz für die Eltern gewirkt haben können, was oftmals bei Serientätern anzutreffen ist. Es gibt es ständiges, unsicheres Pro und Contra für diesen Mann. Wie (organisch) geistigkrank war er? Es machte den Anschein als ob sein Bruder Woolf lange instabil lebte, der andere Bruder Isaac jedoch sehr stabil. Auch daraus läßt sich einiges ableiten. Genau wie -zig andere Sachen. Aber nichts weiß man genau. In Kombination mit andere Imformationen die wir haben, muss ich für mich einfach feststellen, Aaron Kosminski käme als Verdächtiger und möglicher Ripper in Frage. Ich habe mich bekannterweise viel damit befasst. Habe vieles aufgeführt was für ihn spricht. Was mich stört, ist meine Intuition zu Aaron Kosminski´s Mutter. Einen entscheidenen Aspekt, wenn ich mir die Tatorte und das Vorgehen ansehe. Und sie sagt mir, er war nicht der Täter. Aber damit kann ich vollkommen falsch liegen oder auch vollkommen richtig. Hätte er ein Verhalten wie ein David Cohen an den Tag gelegt und wären bestimmte Angaben identisch (Swanson und Co.), wäre ich mir auch sicherer. Aber auch das ist in meiner Vorstellung irgendwie blank. Ich selbst verziehe das Gesicht, wenn ich sage, dass wir den falschen Kosminski betrachten. Andererseits glaube ich an die Identifizierung im Seaside Home. Andere halt nicht. Wenn du mich heute fragst, dann sage ich dir, dass Aaron Davis Cohen also David Cohen der Mann war, der dort identifiziert wurde und uns heute als Kosminski bekannt ist. Vielleicht spielen Daten eines Aaron Kosminski dabei eine Rolle und vielleicht auch die eines Hyam Hyams. Dann gibt es ein anderes Ende meiner Vorstellung, die eine Rückkopplung erlauben und Aaron Kosminski beeinflußt sehen durch einen Cohen und evtl. eines Hyams. Das kann ich dir dazu mitteilen. An diesen Themen arbeite ich.

Wenn ich die Verbrechen betrachte, dann sehe ich folgendes:

Einen absolut hilflosen Täter, was seine Wut und Rage anbelangt. Hier dürfte der biologische Vater absolut inaktiv gewesen sein aber ich denke eher, er war niemals im Leben des Rippers vorhanden (was AK eigentlich e r s t e i n m a l ausschließt). Ich sehe eher "Vater-Ersatzfiguren", die ihn schlecht behandelt haben dürften (kommt also deiner Idee nahe, was den "Vater" angeht, gehörte vielleicht auch zum Motivbündel, wie du erwähnst). Ergo, eine Mutter mit regelmäßigen wechselnden Beziehungen zu Männern (sieht nicht bei AK´s Mutter so aus). Alkohol dürfte immer im Leben dieses Täters eine Rolle gespielt haben. Vielleicht bereits auch zu Schäden im Mutterbauch geführt haben. Er dürfte seine Mutter als schwach empfunden haben, der er sich aber nicht erwähren konnte (weil er war ja Kind bzw. Jugendlicher, wem von uns würde das in dem Alter schon gelingen). Aber gegenüber der Umwelt war Sie schwach und von der auch steuerbar. Das finden wir in einer ähnlichen oder genauen Form bei Prostituierten wieder. Entweder war JtR Mutter selbst Prostituierte oder sie lebte und verhielt sich ähnlich wie diese. So oder so, hätte dieser Mann Kontakte zu Prostituierten gesucht, denn er wollte ja "reparieren". Aber die Opfer von JtR entsprachen seiner Mutter: Prostitution, Alkohol und absolut schwach. Dies waren seine Zielpersonen. Und die fand er im EastEnd zu genüge. Hier wäre er so oder so "heimisch" geworden aber er dürfte dort so oder so gelebt haben. Von solch einer verzweifelten Mutter konnte er nur Bestrafung/ Gewalt/ Qüälerei/ Not und Elend erwarten. Sadismus. Er dürfte nur Angst und Bedrohung ihr gegenüber gefühlt haben. Das prägte sein Bild von Frauen. Er konnte gar kein positives Gefühl gegenüber Frauen erlernen. Da war nichts. Eiseskälte. Sie waren ihm egal, keine Menschen, Müll, nichts weiter. Was er fühlen konnte war Hass gegenüber Frauen. Bedrohung und Angst dürften ihn als Erwachsenen noch weiter belastet haben als ohnehin schon vorher. Da er es nicht händeln konnte, wird sein Selbstwertgefühl extrem niedrig gewesen sein. Einer seiner Fanatsien war sicherlich die Vernichtung dieser Ängste und Bedrohungen, sprich "Ausrottung" dieser Frauen. Und dadurch wollte er die Kontrolle wiedererlangen bzw. sie das erste Mal spüren. Er war Gott, weil er das Schicksal dieser Frauen in den Händen hielt. Da kontrollierte er, da dominierte er, da hatte er die Macht. Kontrolle, Dominanz und Macht waren seine obersten Ziele. Das erregte ihn, so wurde er natürlich geprägt. Die einzige wirkliche Frau in seinem Leben, war seine Mutter und in seinen Augen war sie ein Monster. Das eigentlich Ziel war sie. Er instrumentalisierte nur seine Opfer und tötete eigentlich immer wieder seine Mutter. Die Wut, der Hass, all die angestauten Aggressionen die er ihr gegenüber hatte, kamen doch sichtbar zum Vorschein. In seinem Vorleben gab es natürlich auch eine sexuelle Prägung aber die dürfte nur mit der Mutter zusammengehangen haben. Da gab es sicherlich nicht viel anderes. Und wenn der Mensch nichts positives erfühlen kann im Bezug zur wachsenden Sexualität, da nur Verbindungen zu Grausamkeiten bestehen, dann entsteht ein pervertierter Sadismus und auch den sehen wir bei JtR. Wir sehen, aus was seine Fantasien bestanden. Das alles richtete sich gegen die Geschlechtsorgane der Opfer. Demzufolge war er eben auch ein sexuell motivierter Täter. Die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse waren aber eben nicht zu vergleichen, mit denen eines normalen Menschen. Logisch. Die Gesichtsverstümmelungen waren "Entpersonifizierungen". Eigentlich wollte er diesem "Gesicht" ja nichts tun, denn es tat ihm ja nichts. Aber es musste als Ersatz erhalten. Immer und immer wieder. Also hast du Isdrasil, mit deinen Objekten und deinem Mittel zum Zweck, schon recht.

Bei allem war kein Vater der ihm half. Deshalb:

Jack the Ripper hasste seine Mutter, weil sie grausam zu ihm war und er "rächte" sich an ihr auf eben diese Art. Sein Vater fehlte "nur" an allen Ecken und Kanten.

So ähnlich dürfte es zu betrachten sein oder aber:

Jack the Ripper wurde schon als "Tier" geboren und ihm gingen aus organischen Ursachen einige wichtige Prozesse flöten. Gepaart mit sehr unglücklichen Lebensumständen. Chance allerdings gering.

Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Isdrasil am 03.10.2011 09:50 Uhr
Hi Lestrade

Immens viele Ausführungen deinerseits, vielen Dank dafür - natürlich versuche ich auch immer, mich so gut wie möglich mit den Ansichten anderer Mitglieder auseinanderzusetzen und den Ton zu wahren. Oftmals vergreife ich mich darin oder wirke etwas forsch. Aber Du wirst dich dran gewöhnen, da bin ich mir sicher.  ;)

Du hast unheilmlich viele Punkte angesprochen, denen ich zum Teil zustimme und zum Teil eine völlig entgegengesetzte Meinung vertrete. Eine gefährliche Sache in diesem Zusammenhang ist auch, dass ich eigentlich beim Thema des Threads bleiben möchte, jetzt aber schon dran vorbeirede...muss jetzt eben mal so sein.

Craddock hat in einem anderen Tread erwähnt, dass viele "Nachtodverstümmler" (wie er sie nannte) sogar etwas wie Mitleid mit ihren Opfern empfanden und es bedauern würden, einen Menschen zur Befriedigung ihrer Fantasien zu benötigen. Tatsächlich ist dies so der Fall, wobei man natürlich zwischen einer versuchten Erklärung und Rechtfertigung seitens des Täters und einer ernsthaften Selbstreflexion abgrenzen müssen. Leider wurden uns die meisten Informationen zur Gefühlswelt der Serientäter von eben jenen selbst zugetragen, tragen also stets eine subjektive Note in sich. Was man aber konkret behaupten könne: Die wenigsten ähnlich gelagerten Verstümmelungsfälle (ich denke meist an Gust, Kroll oder Kürten) wurden vom Täter als Feldzug gegen die Frauen erkannt bzw. bezeichnet. Wenn man zum Beispiel an Kroll denkt, dann müssten seine Taten eigentlich gegen Mutterfiguren gerichtet sein - doch seine ultimative Fantasie verwirklichte er sich mit einem jungen Mädchen.
Der chiffrierte Mord ist nicht selten, jedoch auch nicht üblich, und bei den Ripperopfern könnte es sich wie bei Kroll um dem Zweck dienende Opfer handeln: Körperlich unterlegen und kein großer Aufwand bezüglich des Modus Operandi.
In diesem Sinne kann ich für mich persönlich deine Frauenhassausführungen zwar für möglich halten, aber nicht für zwingend. Die Frage nach der Jugend des Täters bleibt nach wie vor nebulös.

Ebenso beschäftigen mich die relativ regelmäßigen Zeitabstände, die absolut gegen eine Geisteskrankheit im Sinne einer Handlungs- und Geistesstörung sprechen. Ein Beispiel wäre Fritz Honka, der aus einem unbeherrschbaren Impuls heraus auf seine Opfer losging. Dies ist das typische Bild eines geisteskranken Täters, die nebenbei erwähnt die Minderheit der Serientäter darstellen. Meist handelt es sich bei den Serientätern um – heute würden wir sagen – Borderlinepersönlichkeiten, die einer disozialen oder nicht intakten Persönlichkeitsstruktur unterlegen sind, jedoch noch Herr über ihre Gedanken sind. Die von Dir bereits angesprochene Stirnlappenanomalie wirkt begünstigend aus und ist bei 9 von 10 Tätern zu finden. Geisteskrank jedoch im Sinne von „der Teufel hats mir befohlen“ sind ein paar wenige Ausnahmen. Solche Menschen sind meist zu handlungsunfähig, um derartige Taten zu vollbringen. Denn wir können es drehen und wenden wie wir wollen: Ob bewusst oder unbewusst, der Täter ist mit jeder weiteren Tat einen Schritt weiter in die Sicherheit gegangen, auch wenn wir es persönlich anders empfinden würden. Nichols Mord auf offener Strasse. Chapman Mord in einem Hinterhof. Dann das Doubleevent. Dann ein Innenraum-Mord. Wir haben darüber schon diskutiert, in der Welt eines Täters jedoch kann es sich dabei auch um Tatmodifikationen zugunsten einer steigenden Sicherheit handeln.
Dieser Täter wusste genau, was er tat. Möglicherweise scherte er sich nicht um so manches Risiko, möglicherweise handelte er manchmal nicht so intelligent wie wir es gerne hätten – aber er war sich seiner Taten stets zu 100 Prozent bewusst und bei geistigem Bewusstsein, schlug nur dann zu, wenn es ihm passte und wusste um die Umgebung, in der die Taten stattfanden (da stimme ich Dir zu).

Und dies sind – neben einigen anderen Punkten – für mich alles Zeichen gegen einen geisteskranken Täter ala Kosminski und auch keine Anhaltspunkte, dass der Täter aus dem East End stammen müsse.

So, jetzt bin ich wahrscheinlich auf die Hälfte deiner Punkte nicht eingegangen und habe wieder ganz andere Dinge ins Spiel gebracht…hier geht`s ja schließlich um die Zeugenaussagen und die Ermittler, und da zählt immer noch meine Grundaussage: Ich denke, dass die Polizei damals einige Regeln und Methoden noch nicht kannte und halte daher von ihren Verdächtigungen nicht sonderlich viel. Mir ist klar, dass sich Researcher natürlich auf die wenig verbliebenen Verdächtigennamen stürzen, mir wäre es aber manchmal lieb, wenn man sich bewusst wäre, dass diese Verdächtigungen vor über 120 Jahren ausgesprochen wurden und alles andere als dem aktuellen Stand der Kriminologie entsprechen. Trotzdem verstehe ich die Nachforschungen.

Grüße, Isdrasil    
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 03.10.2011 11:47 Uhr
Hallo Isdrasil,

es ist schwer zu sagen, ob er so etwas wie Mitgefühl oder gar Reue empfand. Jedenfalls nicht mit dem Maßstab, mit dem wir messen würden. Ich kann mir eher vorstellen, dass er ganz spontan mal einen "Blitz" hatte, der von einer positiven Erfahrung herrühren könnte, sei sie auch noch so klein gewesen. Mehr nicht.

Ich denke auch, dass der Ripper eigentlich den Köpfe seiner Opfer abtrennen wollte, was aber stets mißlang. Ihm fehlte lediglich das Werkzeug dafür, dass er nicht bei sich führen konnte. Und deswegen schließe ich daraus, dass er sein Hauptaugenmerk auf die Genitalien legte, was aussagt, dass er absolut sexuell orientiert war und das er seine Opfer als Personen vollkommen entpersonifizieren wollte. Der Körper war sein Ziel und der Kopf, den er als Symbol für den Geist oder der Seele sah, spielte keine Rolle. Die Gesichtsverletzungen könnten bei Eddowes allerdings auch beim Kampf entstanden sein, was ihm "half" oder entgegenkam und bei Kelly schien er sehr frustriert gewesen zu sein und macht sie vollkommen unkenntlich. Möglicherweise wollte er einfach auch nicht angeschaut werden. Im wahren Leben, wird er es als alles andere als angenehm empfunden haben, von Frauen angeschaut zu werden. Der aufmerksame Beobachter hätte bemerkt, dass er Frauen nie wirklich in die Augen schaute. Für seine Fantasien hat er sich schlicht und einfach geschämt, weil er wußte, wie abartig sie waren. Desweiteren vermiet er es direkt in seine Wohnung Opfer mitzunehmen, wo er in Ruhe seine Fantasien ausleben hätte können. Eines der Gründe war, dass er dies als seine Sicherheitszone ansah. Sollte er genau dort, während der House-to-House Durchsuchungen angetroffen worden sein, hätte er dies als sehr unangenehm empfunden, da dieser Zonenbereich nun verletzt worden war. Alles in allem, hätte ihn das vorsichtiger werden lassen können. Die längere Pause und ein veränderter Modus Operandi hätten die Folge sein können. Es gäbe aber auch andere Gründe, er hätte nicht vollkommen alleine leben müssen, bzw. er war nie ganz sicher ob weitere Personen nicht noch auftauchen könnten. Aber viel wichtiger und die Nummer 1, wohin mit der Leiche? Er machte sich also wenig Mühe. Er nahm keine weiteren "Werkzeuge" mit, er versteckte die Leichen nicht, ließ sie an Ort und Stelle liegen. Die Reinigung seiner Kleidung und Hände machte ihm aber sicherlich Sorgen. Dies alles war desorganisiert und so war auch sein Leben, er mordete so wie er lebte. So ein Täter nimmt keine Reisen auf sich, geht nicht in ein Gebiet das er nicht kennt, alles findet im vertrauten Umfeld statt.

Ich weiß, dass du einen besser situierten Täter aus dem West End erwartest. Ich sehe einen Täter aus dem EastEnd, der genauso arm wie seine Opfer selbst war und viel Zeit in Pubs und in der Nähe von Prostituierten verbrachte.

Er war ein Jäger der durch das EastEnd streifte, durch die Pubs zog, die Gesellschaft von Männern suchte, die ebenfalls Hass auf Frauen fuhren und mit denen er nach ein paar Drinks in´s Gespräch kam. Ansonsten dürfte er, trotz einiger Kontakte, als einzelgängerisch betrachtet worden sein. Alkohol enthemmte ihn, natürlich auch bei den Prostituierten. Vielleicht spendierte er denen auch mal einen Drink o.ä., wie z.B. Weintrauben. Sicherlich begegnete er der einen oder anderen Prostituierten auch mehrmals oder suchte sie erneut auf. Möglich wären hier Stride oder Kelly. Sicherlich kannte er auch bestimmte Standorte (z.B. Eddowes) oder ihre Routen zu bestimmten Zeiten (Nichols, Chapman). Er wirkte sicherlich die meiste Zeit, sehr selbstbeherrscht, was allerdings eine Qual für ihn dargestellt hätte. Alkohol, aufwiegelnde Gespräche gegen Frauen oder Rasse bzw. Religion schürten das Feuer, die Chancen nun zu triggern stiegen, er wurde impulsiver, wollte alles "rauslassen". Danach musste es schnell nach Hause gehen. Die nächsten Tage galt es, nochmals alles in Gedanken nachzuspielen, bis es nicht mehr ausreichte und dass nächste Opfer gesucht werden musste, bei passender Gelegenheit.

Eine wachsende Vorsichtigkeit beobachte ich nicht. Nur eine plötzliche. Nichols auf dem Gehweg,Chapman im Hinterhof bei Tageslicht in einem Haus mit über 20 Mietern, Stride neben einem Club wo gefeiert wurde und eine Menge Betrieb war. Eddowes in der Mausfalle, wo er an zwei Ausgängen PCs in die Arme gelaufen wäre und am dritten einem Nachtwächter. Und vielleicht war der Tatort bei Kelly eben auch nur Zufall oder aber er suchte es gezielt auf jedenfall, war dieser Tatort plötzlich sicherer. Ich meine aber, diese Veränderung beruhte auf dem Ereignis der Hausdurchsuchungen. Die eben im EastEnd stattfanden. Und da wissen wir eben, dass "Kosminski" bemerkt wurde.

Grüße.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: kokablue am 15.11.2011 15:15 Uhr
Sehr interessante Ausführungen! Ich bin gerade "emotional" nicht nah genug am Thema dran aber ich werde später auch noch was dazu loswerden.

Zu den letzten Erwähnungen:
Die Frage stellt sich natürlich immer uner immer wieder warum er die anderen Frauen quasi direkt an Ort und Stelle ermordete während Kelly in Ihrer Behausung..
Es liesse sich eventuell daraus schliessen das Sie ihn kannte - also die Tatsache das Sie ihn mitnahm.

@Lestrade:
Wenn ich dich richtig verstanden haben sprichst du erst von einer "schwachen" Mutter, dann aber wieder von einer "brutalen sadistischen"?
Und erst von einer quasi "redlichen" dann aber von einer "Protituierten/Alkoholikerin"?

Ist das Erste das was bei deinem "Lieblingstäter"  :pardon: tatsächlich vorlag und das Zweite das was du erwartest?
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 15.11.2011 16:58 Uhr
Hallo kokablue!

Unter "schwache" Mutter verstehe ich eine überforderte Mutter, die kaum in der Lage ist sich selbst, geschweige denn eigene Kinder vernünftig zu behandeln. "Starke" Menschen sind ja nicht als tendenziell sadistisch einzustufen, eher versuchen ja schwache, hilflose Menschen andere zu dominieren, die Kontrolle zu gewinnen. Der "Starke" neigt wohl eher zum Masochismus. Eine schwache, überforderte Mutter, hätte ihren Sohn (JtR), durchaus sehr strafend gegenüberstanden haben können. Sie wollte ja mit ihren Konflikten klarkommen, das eigene Kind könnte ihr ersteinmal egal gewesen sein. Entweder war kein anderer in der Nähe oder Sie war anderen gegenüber eben nicht "mächtig" genug, ihren Hang freien Lauf zu lassen. Solche Menschen neigen auch zum "sich betäuben" (Alkohol) und fallen im Überlebenskampf auch schon mal in die Prostitution. Der schwache Mensch ist nicht automatisch gut...

Die "redliche" Mutter sehe ich eher bei Aaron Kosminski. Golda Kosminska/Abrahams/Lubnowoski wurde ca. 1820 geboren und verstarb 1912. Ein biblisches Alter damals will ich meinen. Ihr Mann, AK´s Vater, verstarb bereits 1874. Golda heiratete nicht noch einmal, hätte sie gesoffen und wäre in die Prostitution gefallen, hätte Sie dann solange überlebt? Wäre Sie rund 92 Jahre alt geworden? Im EastEnd? Ihr Sohn Isaac brachte es gar zu etwas. 7 Kinder brachte diese Frau auch noch zur Welt. Aber wie war Sie drauf? Alt zu werden, nicht zu trinken und nicht als Prostituierte zu arbeiten, heißt noch lange nicht (logisch), keine strenge, strafende Mutter gewesen zu sein. Aber bei Jack the Ripper sehe ich eine starke Tendenz, dass die Mutter eine Prostituierte gewesen war. Aaron Kosminski´s Mutter macht nicht den Eindruck so gelebt zu haben aber da kann ich nur spekulieren. Aber hier muss man sich die Frage stellen, wie lebte diese Familie? Wie waren die Rollen verteilt etc.? Gab es da vielleicht eine andere mütterliche Figur? Aaron Kosminski hatte die Schwestern Hinde, Matilda und Blima. 17, 11 und 8 Jahre älter. Prägte ihn Hinde vielleicht? Wir wissen es nicht. Die Frauen seiner Brüder Isaac und Woolf gab es ja auch noch. Bertha und Betsy, 15 und 9 Jahre älter. Betsy war sogar geheiratete Verwandschaft. Aaron Kosminski wurde von einer 45jährigen geboren und gezeugt von einem Vater ca. gleichen Alters, welcher starb als Aaron Kosminski 9 Jahre alt war. Das Aaron Kosminski geisteskrank war, dürfte uns allen klar sein. Ob der Grund dafür das hohe Alter seiner Eltern gewesen sein dürfte, gepaart mit Inzucht in dieser Familie oder einfach eine Laune der Natur oder gar gewisse Umstände, kann jeder für sich selber entscheiden. Er war der jüngste, in dieser vielleicht eigenartigen Familie und somit auch das schwächste Glied von allen.    

Aaron Kosminski ist einer meiner zwei "Lieblingstäter". Eine ähnliche Person würde ich erwarten. Die Nummer 1 bleibt bei mir aber irgendwie David Cohen. Er könnte ja auch ein Kosminski gewesen sein, vielleicht gar weitläufig verwandt mit u n s e r en Aaron Kosminski.

Ich hoffe, ich konnte dir helfen.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: Lestrade am 15.11.2011 17:00 Uhr
...
Titel: Re: Zeugenaussagen
Beitrag von: kokablue am 16.11.2011 08:03 Uhr
Ich denke jetzt habe ich dich verstanden ;)