Autor Thema: Jacob Levy  (Gelesen 308419 mal)

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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #285 am: 16.09.2016 11:19 Uhr »
Hallo Lestrade!


Zitat
Wir wissen eben sehr wenig über die Verdächtigen Druitt und Kosminski, so, wie sie sich zu der Zeit darstellten und auch gesehen wurden. Ich denke, wenn wir die Akten einsehen könnten, wenn es sie denn noch gäbe, wären wir sehr, sehr und wirklich überrascht. In solch einem Falle, würden dann wohl auch die Meinungen der einzelnen Beamten aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen sein.

Möglich, aber wir können eben nur mit der Info arbeiten, die uns vorliegt und versuchen, daraus plausible Schlüsse zu ziehen. Angesichts der vielen Ungenauigkeiten in Macnaghtens Memorandum ist es schwer einzuschätzen, welche Info darin nun brauchbar ist oder nicht, er bezeichnete Druitt z.B. irrtümlicherweise als einen Doktor, dabei war er Lehrer.

Kozminski passt mit dem, was wir wissen, ganz gut als ein ernstzunehmender Verdächtiger, auch wenn es noch ein paar Ungereimtheiten und Lücken gibt - aber jedenfalls viel besser als der Großteil aller anderen derzeit diskutierten Verdächtigen.
Druitt hingegen ist m.E. als Verdächtiger genauso Banane wie z.B. Gull oder der Elefantenmensch: Er wohnte nicht im East End, kam aus einer anderen sozialen Schicht, hatte keinerlei bekannt gewordene kriminelle Vorgeschichte oder einschlägige Verbindungen zum East End, sondern dürfte einfach aufgrund einer Depression und aus der Angst heraus, so wie seine Mutter zu enden, Selbstmord begangen haben.
Und Ostrog war zwar ein notorischer Dieb und Betrüger, aber fiel nie durch Gewalt gegen Frauen auf, war mit über 50 deutlich zu alt und mit über 1,80 deutlich zu groß, außerdem ist gar nicht klar, ob er zur fraglichen Zeit überhaupt in London war.


Zitat
Sims erwähnte, dass auch jener Verdächtige noch Zeiten unter seinesgleichen verbrachte, immer wieder. Macnaghten sprach von einer Einweisung um März 1889. Er lag da richtig, vermute ich aber wenn der Verdächtige entlassen wurde, war er eben wieder daheim. Man geht ja nicht automatisch lebenslang in eine Anstalt, sondern meistens ja nur begrenzt.

Da gebe ich dir recht, ich vermute ja auch, dass unser Verdächtiger bis zu seiner endgültigen Einweisung vorübergehend schon zeitweise in Anstalten untergebracht war ("from time to time he became insane and was forced to to spend a portion of his time in an asylum in Surrey").
Leider haben wir bisher bei unseren Kandidaten keine Belege dafür. Von Kozminski ist nur bekannt, dass er vom 12. Juli 1890 bis 15. Juli für drei Tage in einem Workhouse war, bevor er im Februar 1891 endgültig nach Colney Hatch kam. Über Jacob Levy wissen wir bis zu seiner endgültigen Einweisung im August 1890 überhaupt nichts über vorübergehende Unterbringungen.


Zitat
In gewisser Weise, waren ja nicht nur Anderson/ Swanson von Kosminski überzeugt sondern auch Cox/Sagar von ihrem/ihren Verdächtigen. War das bei letzteren nicht Kosminski, könnten wir in diesem Jacob Levy aber eine gute Alternative sehen. Verwechslungen würde ich eher vermuten im Falle von David Cohen und Aaron Kozminski. Bei Jacob Levy könnte sich das anders darstellen. Er könnte gesehen worden sein mit Eddowes durch seinen Cousin Joseph Hyam Levy, der sich vielleicht gegenüber der Polizei doch noch outete. Das wäre schwerwiegend. Gleichzeitig wird aber auch Kosminski von jemanden identifiziert. An welchem Tatort oder in welchem Zusammenhang auch immer. Dazu kommt evtl. ein Constabler vom Mitre Square. Dort wäre aber auch Jacob Levy gesehen worden. Beide Männer entsprechen vielleicht dem psychologischen und geographischen Profil eines solchen Killers. Der eine ist Butcher, der andere stammt aus einer Familie mit Butchern (Opa und Cousin Jacob Cohen). Einer lebt nahe am Goulston Street Grafitto (deine Anmerkung zu Sampson), der andere am Stride Tatort. Beide Männer liefen mit Sicherheit nachts durch die Gegend. Und dann steht man da als Polizist und soll diesen Fall lösen.

Du wirst es nachvollziehen können...

Und ob ich das nachvollziehen kann. Das Problem ist ja, dass wir wissen, es standen mehrere Personen unter Beobachtung:
Aberdeen Weekly Journal, 16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."
London Evening News And Post, 13. September 1889: "The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion."
North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889: "A Detective's Views: We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel."
Dummerweise können wir nur Vermutungen anstellen, welche der recht allgemein gehaltenen Andeutungen unserer Polizisten sich auf welchen Verdächtigen bezieht und wo es vielleicht wegen der erst Jahre später gemachten Aufzeichnungen vielleicht zu Irrtümern oder Verwechslungen kam.

Aber ich finde, wir haben trotzdem ganz gute Indizienketten dafür, dass zwei der Observierten Aaron Kozminski und Jacob Levy gewesen sein können.


MfG, Arthur Dent

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Re: Jacob Levy
« Antwort #286 am: 16.09.2016 12:55 Uhr »
Hi Arthur!

Möglich, aber wir können eben nur mit der Info arbeiten, die uns vorliegt und versuchen, daraus plausible Schlüsse zu ziehen. Angesichts der vielen Ungenauigkeiten in Macnaghtens Memorandum ist es schwer einzuschätzen, welche Info darin nun brauchbar ist oder nicht, er bezeichnete Druitt z.B. irrtümlicherweise als einen Doktor, dabei war er Lehrer.

Aber das ist es ja! Ich habe damit größere Schwierigkeiten, weil wir aus unserer Perspektive urteilen müssen aber nicht genau wissen, aus genau welchen Unterlagen oder Gesprächen dieses Memorandum zustande kam. Wir unterstellen dabei jemanden Fehler und Ungenauigkeiten und dabei wissen wir sehr wahrscheinlich viel, viel weniger über diese Verdächtigen und jenen Ereignissen als Macnaghten. Da bleibe ich einfach vorsichtiger.

Erinnere dich an unsere Diskussion hier letztes Jahr, ich kopiere mal:

Ob Macnaghten ansonsten ein guter Beamter war, kann ich nicht beurteilen. Meine Schlussfolgerung ergibt sich aus seinem Memorandum, und das strotzt wie du weißt vor Fehlern und Ungenauigkeiten.
Wenn jemand zwei Jahrzehnte später als Privatmann seine Memoiren schreibt und sich dabei nicht mehr korrekt an alles erinnern kann, ist das verständlich und nachvollziehbar.
Wenn aber der Leiter einer Behörde ein offizielles Dokument für den Dienstgebrauch erstellt - es ging ja darum, angesichts der Cutbush-Verdächtigungen in der "Sun" die Polizei intern auf eine Linie zu bringen - dann sollte es eigentlich nicht so fehlerbehaftet sein, schließlich standen ihm für das Abfassen die notwendigen Dokumente und fallkundigen Mitarbeiter zur Verfügung.

"ein Doktor, der aus einer angesehenen Familie stammt. Er verschwand zur Zeit des Mordes im Miller's Court"
Stimmt ebenfalls nicht: Druitt war Lehrer, und er verschwand nicht zur Zeit des Mordes, sondern erst Anfang Dezember.

Also entweder war Macnaghten schlampig bei diesem Memorandum, oder sein Zuarbeiter hat ihm fehlerhafte Info untergeschoben - aus welchen Gründen auch immer. Jedenfalls betrachte ich die Infos darin deshalb mit Vorsicht

Ich denke, wir können nicht sagen, was in den Unterlagen stand, welche Macnaghten zu sehen bekam. Er sprach ja auch von privaten Informationen und auch hier wissen wir nicht, wie diese zustande kamen. Ich bin kein Druitt Fachmann aber mir ist, als ob er aus einer Doktoren- Familie stammte. Die Informationen aus der Familie könnten beinhaltet haben, dass er als Doktor tätig war, sei als nur als Assi oder Kräuterdoktor. Hier sollte man vorsichtig sein, dass einfach als falsch zu bewerten. Kenntnisse als “Arzt“ waren für das Täterprofil ja auch wichtig. Und denke daran, Tumblety war auch kein richtiger Arzt. Ich weiß auch nicht, was unter den Kollegen bei der Polizei so erzählt wurde. Vielleicht dachte Nacnaghten, in der mündlichen Überlieferung, das ein Doctor T. (Tumblety) ein Doctor D. (Druitt) war. Als Macnaghten antrat, war der Fall gerade etwas abgekühlt änderte sich aber einen Monat später, als Mackenzie ermordet wurde. Macnaghten galt als eifrig, interessiert, man konnte auf ihn zählen. Es kommt immer darauf an, wie das Verständnis all dieser Dinge für ihn aussah. Ganz sicherlich trug er für dieses Memorandum die verschiedensten Informationen zusammen, die Fehler müssen nicht unbedingt bei ihm (allein) zu suchen gewesen sein. Ich meine, da gab es auch einen gemeinsamen Punkt in der Vergangenheit zwischen seiner Familie und der Familie von Druitt. Ich glaube, es könnte sich an dieser Stelle lohnen, sich der Arbeit von Jonathan Hainsworth zu widmen. Man muss sich aber auch einmal fragen, wie viel Bock er hatte, dieses Memorandum zu schreiben. Natürlich muss er in seiner Position professionell arbeiten aber ist das immer gewährleistet und scheitert es nicht manchmal dann genau bei etwas, offensichtlich, ganz wichtigem? Nacnaghten hat eine Menge im Leben erlebt und wer weiß, was gerade in diesem Moment wichtiger für ihn war… wir vergessen oft den menschlichen Faktor, Arthur…

Aber ich kann dir auch nur meine Gedanken dazu sagen… vielleicht sind diese aber auch falscher als falsch…


Hier ein paar Beispiele dafür (die du ja sicher auch kennst):

"Bezugnehmend auf den Doppelmord welcher am 30. September begangen wurde, gibt es keinen Zweifel, dass der Mann von einigen Juden gestört wurde, die auf dem Weg in einen Club waren (in der Nähe wo der Körper von Elizabeth Stride gefunden wurde)"
Dies ist nicht korrekt: es waren nicht "einige auf dem Weg in einen Club", es gab Diemschütz auf dem Weg in den Hof, ansonsten gab es Schwartz, der aber nur vorbeiging.

Möglicherweise verwechselte er hier die Tatorte und sprach über Lawende, Levy und Harris, die aus einem Club in der Duke Street kamen. Wir müssen aber auch in Betracht ziehen, dass Diemschütz, Schwartz und Pipeman diese drei Juden waren, welche in den Club in der Berner Street wollten. Bei Diemschütz ist es definitiv, Piepman könnte die Absicht gehabt haben und das könnte auch für Schwartz gelten. Ich glaube, der Übersetzter von ihm, bei der Polizei am nächsten Tag, war jemand aus dem Club in der Berner Street. So könnten alle drei Männer den Ripper kurz hintereinander gestört haben. Diesen Fehler von Macnaghten würde ich gerne offen lassen.

"Niemand sah jemals den Whitechapel Mörder"
Auch nicht ganz korrekt: Einige Zeugen sahen einen Mann mit den Opfern unmittelbar vor den Morden, er konnte nur nicht offiziell identifiziert werden.

"es sei denn der PC vom Mitre Square" (Macnaghten)...

Ich denke auch, dass er das meinte, keine Identifikation, egal welcher Verdächtiger, durch z.B. Long, Schwartz, Lawende und Hutchinson etc. und der City PC wird gesagt haben: Ich sah nicht sein Gesicht aber seine ganze äußere Erscheinung erkenne ich wieder… er sagt ja selber, da waren drei Juden die ihn störten... das sollte man ihm vielleicht auch nicht entgültig als Fehler anschreiben...

"Der Körper von Martha Tabram (...) war mehrmals durchbohrt worden, vermutlich mit einem Bayonet."
Ebenfalls nicht korrekt: Nur die Herzwunde sah so aus, als sei sie mit etwas anderem, stabilerem als einem normalen Messer verursacht worden.

"Diese Frau war am frühen Abend zusammen mit einer befreundeten Prostituierten in Begleitung von 2 Soldaten gewesen: diese Männer wurden verhaftet, aber die zweite Prostituierte versagte, oder weigerte sich, diese zu identifizieren und die Soldaten wurden letztendlich freigelassen."
Ebenfalls nicht korrekt: es gab Gegenüberstellungen in den Kasernen, aber kein Soldat wurde verhaftet und wieder freigelassen.

In all, there were thirty-nine stab wounds including:

5 wounds (left lung)
2 wounds (right lung)
1 wound (heart)
5 wounds (liver)
2 wounds (spleen)
6 wounds (stomach)

According to Killeen, the focus of the wounds were the breasts, belly, and groin area. In his opinion, all but one of the wounds were inflicted by a right-handed attacker, and all but one seemed to have been the result of an "ordinary pen-knife." There was, however, one wound on the sternum which appeared to have been inflicted by a dagger or bayonet


Ich lese 39 Stichwunden, die "Bajonett- Wunde" war im Brustbein, also die Herzwunde und alle anderen wurden verursacht durch ein eher gewöhnliches Messer. Da liegt er wirklich falsch. Aber wir sollten nicht vergessen, dass er sagte, dass der Körper wiederholt durchbohrt wurde, vermutlich von einem Bajonett. So falsch ist das ja nicht, der Körper wurde 39 mal mit einem Messer attackiert und ein Bajonett spielte möglicherweise auch eine Rolle. Es ist nicht korrekt aber auch nicht etwas total falsches. Ich weiß nicht, welche Quellen du kennst aber er sagte halt: Vermutlich. Für ihn war Tabram ja auch kein Ripper Opfer, er sagte, es gab fünf Opfer und nur fünf (die K5). Das soll aber nicht als Entschuldigung gelten. Verhaftete Soldaten? Sicherlich nicht aber bevor ich da was schreibe, mache ich mich noch einmal schlau.

Vielleicht gibt es für all diese “Fehler“ auch einfache Erklärungen, die wir einfach nicht kennen.

[/quote]

Mal abgesehen, von Schwartz, Pipeman, Diemschütz gab es ja auch noch BS Man am Stride Tatort. Via Sims (von Macnaghten) arbeitete Kosminski mal in einem Krankenhaus in Polen. Ostrog posierte wohl auch mal als Arzt, Tumblety wurde schon erwähnte. Druitt´s Vater war wohl offenbar Landarzt. Die Mutter psychisch krank, Druitt selber auch. Diese kränklich Menschen interessieren sich oftmals sehr für Krankheiten, vielleicht auch kein Zufall mit einem Arzt als Ehemann, sie sind Hypochonder und warum sollte ein Teilzeitlehrer sich nicht mit Medizin befassen und Vater zur Hand gehen. Der Vater ermöglichte ihm das vielleicht als er noch lebte. 1885 starb er und vielleicht hätte es besser bei Druitt heißen sollen, genau wie bei Kosminski via Sims, er "arbeitete" mal als Doktor. Nun zu sagen, dass dies Memorandum nur vor Fehler strotzt, ist mir zu einfach. Wir wissen ja gar nicht, ob die Polizei ermittelt hatte, ob Druitt seinen Vater in der Praxis zwischen 1883 und 1885 geholfen hatte und dort vielleicht sogar recht nützlich war. Macnaghten greift das auf, etwas, über das wir gar keine Kenntnisse haben.

Da gebe ich dir recht, ich vermute ja auch, dass unser Verdächtiger bis zu seiner endgültigen Einweisung vorübergehend schon zeitweise in Anstalten untergebracht war ("from time to time he became insane and was forced to to spend a portion of his time in an asylum in Surrey").
Leider haben wir bisher bei unseren Kandidaten keine Belege dafür. Von Kozminski ist nur bekannt, dass er vom 12. Juli 1890 bis 15. Juli für drei Tage in einem Workhouse war, bevor er im Februar 1891 endgültig nach Colney Hatch kam. Über Jacob Levy wissen wir bis zu seiner endgültigen Einweisung im August 1890 überhaupt nichts über vorübergehende Unterbringungen.

Bei Aaron Kozminski wurde 1891 die Dauer der Probleme von 6 Monate auf 6 Jahre geändert. Er war also ab seinem 20. Lebensjahr heftiger psychisch erkrankt. Sehr wahrscheinlich, dass er medizinische Hilfe in all den Jahren erhalten hatte und auch in Anstalten gewesen war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies nicht stattgefunden hat. Das gleiche sollte aber auch für Levy gelten.   

Und ob ich das nachvollziehen kann. Das Problem ist ja, dass wir wissen, es standen mehrere Personen unter Beobachtung:
Aberdeen Weekly Journal, 16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."
London Evening News And Post, 13. September 1889: "The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion."
North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889: "A Detective's Views: We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel."
Dummerweise können wir nur Vermutungen anstellen, welche der recht allgemein gehaltenen Andeutungen unserer Polizisten sich auf welchen Verdächtigen bezieht und wo es vielleicht wegen der erst Jahre später gemachten Aufzeichnungen vielleicht zu Irrtümern oder Verwechslungen kam.

Aber ich finde, wir haben trotzdem ganz gute Indizienketten dafür, dass zwei der Observierten Aaron Kozminski und Jacob Levy gewesen sein können.

Cox sprach ja selber davon, dass sie eine Menge Leute unter Beobachtung hatten.

Bemerkenswert im Memorandum ist eher die Bezeichnung "Kosminski" ohne Vornamen! Aber wir wissen ja, dass Aaron Kozminski im Dezember 1889 bei seiner Anhörung darauf hinwies, dass er "Kosminski" heißt aber manchmal eben auch unter Abrahams läuft. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Mann in seinem Leben nur verloren hatte. Seine Geschwister änderten ihre Zunamen von Kozminski/Lubnowski in Abrahams oder Cohen. Wenn er abwechselnd bei ihnen lebte und danach sieht es aus, änderte sich bei ihm die Angaben hin- und wieder. Von Aaron Kozminski zu Aaron Abrahams oder Aaron bzw. Mordke Cohen oder gar Lubnowski- Cohen. Auf all diese Namensänderungen und Verluste hatte er vielleicht keinen Bock mehr und alles was ihm blieb war, dass er auf "Kosminski" bestehen konnte. Macnaghten bekam sehr wahrscheinlich unterschiedliche Angaben zu sehen und zu hören, was diesem Verdächtigen anging. Am Ende bezeichnete er ihn so, wie der Verdächtige es selber wollte und forderte als es auch die leitenden Beamten taten, nämlich einfach als "Kosminski".

Arthur, ich bin jetzt wirklich mal für ein paar Tage raus, es geht leider nicht anders. Falls Du weiterschreibst, ich reagiere ggf. mit ein paar Tagen Verzögerung.

Hab dich wohl,

Lestrade.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #287 am: 16.09.2016 13:26 Uhr »
Einen hab ich nun doch noch! Du lagst richtig. Hyman Samspon starb im April 1887 in der 35 Middlesex Street. Seine Frau machte 10 Monate später Werbung für das Geschäft in der 67 Middlesex Street. So sollten die neuen Nummern zwischen April 1887 und Februar 1888 vergeben worden sein. Werden ja nicht beide Frauen/Familien umgezogen sein...

Aber es ist interessant, dass zwei Schlachtergeschäfte nebeneinander mehr oder weniger von zwei Frauen betrieben wurden, von Elizabeth Sampson und von Sarah Levy.

Tracy Ianson Februar 2011:

Hi all

Just an update on the Hyman Sampson information.

Chris Phillips kindly sent me an advertisement he came across from Hyman Sampson's wife advertising the butcher business. Also a clipping showing Hymans burial details. Sorry won't let me paste the information - I will type it out the way it is worded.

MRS SAMPSON
Widow of the late Hyman Sampson
KOSHER BUTCHER
67 (late 35) Middlesex Street
Aldgate
Supplies families with the best meat at lowest possible prices. A large stock of
Smoked beef .....Wholesale..... 1s per 1lb
Salt Beef " 9d "
Worscht " 8d "
and tongues always on hand.
EARLY DELIVERY TO ALL PARTS.

You will notice she has moved from 35 Middlesex Street to 67 after the death of her husband. However she seems to have kept the business running herself. Chris found the advert published on 10 and 17 February, 20 April, 11 and 25 May, 1, 13 and 29 June and 27 July 1888.

Also the notice of his funeral -:

THE TOMBSTONE in memory of the late HYMAN SAMPSON, out of 35 Middlesex Street will be set at West Ham Cemetery on SUNDAY, the 15 inst, at 8 o'clock - friends will kindly accept this, the only intimation.


Nun aber wirklich weg...
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #288 am: 16.09.2016 17:20 Uhr »
Hallo Lestrade!


Zitat
Einen hab ich nun doch noch! Du lagst richtig. Hyman Samspon starb im April 1887 in der 35 Middlesex Street. Seine Frau machte 10 Monate später Werbung für das Geschäft in der 67 Middlesex Street. So sollten die neuen Nummern zwischen April 1887 und Februar 1888 vergeben worden sein. Werden ja nicht beide Frauen/Familien umgezogen sein...

Super, vielen Dank! Ich denke, damit können wir das Tea Warehouse 36 formerly Petticoat Lane endgültig abhaken. Du hattest recht, dass ich mich ursprünglich in der Adresse geirrt hatte.
Levys Shop war offensichtlich der auf der Westseite unterhalb der Stoney Lane, und nach dem letzten London Business Directory Eintrag für 1888 (der natürlich Ende 1887/Anfang 1888 erstellt wurde) mit der Nr. 36 für Levy wurden die Hausnummern in diesem Straßenabschnitt geändert, so dass im Census von 1891 die Levys dann Nr. 69 hatten und Sampsons Witwe die 67.

Klasse Zusammenarbeit - auch wenn Tracy Ianson es längst vorher gewusst hat, und ich Dödel es auch schon längst hätte wissen können, wenn ich ihre Threads nur genauer gelesen hätte. Sollte ich mal nachholen, vielleicht finde ich ja noch was, das ich bisher übersehen hatte.


Damit gäbe es eine elegante Erklärung dafür, warum JTR - wenn Jacob der Ripper war - nach dem Mord an Eddowes die Schürze in der Goulston Street deponiert hat:
Wegen des knappen Zeitraums bis zum erneuten Auftauchen von PC Watkins dürfte JTR gerade noch rechtzeitig aus dem Mitre Square verschwunden sein, vermutlich hatte Watkins ihn nur um Sekunden verpasst, und JTR merkte, dass er beim Verlassen des Tatortes Richtung Osten gesehen wurde. Er wird auf der Flucht durch die Stoney Lane die Polizeipfeifen gehört haben und es hallten die schweren Polizeistiefel durch die Straßen - auch in seine Richtung.
Wenn er bemerkt hatte, dass man ihm so dicht auf den Fersen war, musste er befürchten, dass an allen Häusern auf der Fluchtroute Polizisten auftauchen würden. Und falls er beim Betreten seines Shops gesehen worden wäre, hätte man ihn gehabt, mit Eddowes Schürze als Beweis. Er hatte zu nahe an seinem Zuhause zugeschlagen und musste also die Polizei von seinem Heim direkt an der Stoney Lane ablenken und die Schürze loswerden.


MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 16.09.2016 17:55 Uhr von Arthur Dent 2 »

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #289 am: 17.09.2016 01:04 Uhr »
Mir ging nun doch noch etwas durch den Kopf, Arthur!

Lady Anderson, die Frau von Robert Anderson, gab ja mal an, dass der vermeintliche Ripper in der Nähe von Stone interniert wurde. Ihr Mann wird mit ihr also über die Mordserie gesprochen haben.

Wenn wir uns nun vorstellen, dass die City Police mehrere Verdächtige hatte und Jacob Levy einer davon war, dann hat das auch Robert Anderson gewusst. Vielleicht waren die Umstände bei Jacob Levy so überzeugend, dass er ihn tatsächlich ganz oben auf seiner Liste hatte. Zumindest zu der Zeit, als Jacob Levy in das City of London Asylum in Stone, Kent eingeliefert wurde (15. August 1890).

Jacob Levy könnte ja durchaus der Verdächtige von Sagar und/oder Cox gewesen sein. Sagar sagte ja, seine Freunde dachten, es wäre klug ihn einzuweisen. Jacob Levy wurde ja unter Adressen von Freunden eingeliefert. Ein Name wurde eingetragen und das war der von Isaac Barnett, 37 Middlesex Street. Vielleicht war Joseph Hyam Levy in der Tat ein im Nachhinein wichtiger Zeuge der City Polizei im Fall seines Cousins Jacob Levy. Sagar sagte ja auch: “Identification being impossible“. Meines Erachtens zog auch Joseph Hyam Levy aus seiner Adresse weg, so um 1890/91 (ähnlich wie die Geschwister von Aaron Kozminski).

Am 29 Juli 1891 starb Jacob Levy. Bisher dachte ich immer, Swanson´s Irrtum mit dem Sterben von Aaron Kozminski kurz nach seiner Einweisung nach Colney Hatch, könnte etwas mit David Cohen zu tun haben, der ja tatsächlich im Oktober 1889 in Colney Hatch starb.

Aber was, wenn Aaron Kozminski, als weiterer City Police Verdächtiger, im Seaside Home identifiziert wurde, während Jacob Levy bereits in Stone weggeschlossen worden war? Geschehen zwischen dem 15 August 1890 und Ende 1890/ Anfang 1891. Major Smith war ja nicht so begeistert von Robert Anderson´s “Ausländischen Juden“. Weil er einen ebenso guten Verdächtigen hatte, den auch er “irgendwie“ identifizieren konnte (Jacob Levy/ Joseph Hyam Levy)?   

Aaron Kozminski gehörte vielleicht zu den “vielen Leuten, die die Polizei unter Beobachtung hatte“ (Cox). Aaron Kozminski kam dann schlussendlich im Februar 1891 nach Colney Hatch. Am 29 Juli stirbt dann aber Jacob Levy in Stone. Kein halbes Jahr nach Aaron Kozminski´s Einweisung nach Colney Hatch. Was auch immer dann geschah, ob nun im Austausch zwischen der City Polizei und Swanson oder Swanson mit Anderson etc., sie mussten sich vielleicht über mehrere Verdächtige austauschen und dazu gehörten wohlmöglich Jacob Levy und Aaron Kozminski. Zum Beispiel: Swanson hört von dem Tod von Jacob Levy und verbindet das fälschlicherweise mit Aaron Kozminski. Bereits 1895, via Pall Mall Gazette, wird behauptet, dass Swanson nun daran glaube, dass die Jack the Ripper Morde das Werk eines Mannes waren, der nun bereits schon tot ist.

Macnaghten erwähnte nur einen dieser beiden City Police Verdächtigen, Kosminski, weil er eben ein Angehöriger der MET Police ist und weniger über Jacob Levy weiß, als über Kosminski. Und das, obwohl Jacob Levy ein weit besserer Kandidat gewesen wäre als Druitt oder Ostrog.

Falls nun wirklich ermittelt werden konnte, dass Joseph Hyam Levy seinen Cousin Jacob Levy mit Eddowes sah, dann wäre das der Hammer. Aber es wäre auch vollkommen klar, dass er damit zumindest ein (wenn nicht gar der) Hauptverdächtiger der City Polizei gewesen wäre. Möglicherweise war das aber vielleicht auch das einzige was sie hatten, auch wenn das schon eigentlich sehr viel wäre. Ich vermute jedoch, dass es bei Kosminski viel mehr weitere Umstände gab (Macnaghten) als bei Levy. Diese Konstellation, Levy/ Kosminski, könnte jedoch auch ein Grund dafür sein, dass sich bestimmte Polizeiangehörige jahrelang mit ihren Meinung zurückhielten.

Die MET Polizei, mit Anderson und Swanson, gingen vielleicht am Ende davon aus, dass es gut möglich war, dass Eddowes mit Jacob Levy an der Church Passage zum Mitre Square gesehen wurde aber sie danach sofort Kosminski in die Arme lief.

Zu deinem letzten Post:

Ja, der Levy Shop lag an Stoney Lane. Wir beide wissen jetzt aber, bei Tracy bin ich mir nicht sicher, dass die Levys nicht den Shop wechselten, er bekam nur eine neue Nummer. Und Scott wird nun wissen, dass der Teehandel von Paget & Piggott (neue 36) nicht den Shop von Levy ersetzte. Das ist doch schon mal was. Davon abgesehen, man überliest immer ordentlich was, auch beim zehnten Mal oder vergisst es im Nachhinein aber wir sind ja auch nur Menschen.

Es ist mir ein wahres Vergnügen mit dir, Arthur aber nun muss ich endlich mal durchhalten und mich weiter den anderen Aufgaben widmen.

Yours, Lestrade.

   
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Re: Jacob Levy
« Antwort #290 am: 17.09.2016 11:56 Uhr »
Hallo Lestrade, hallo allesamt!


Was die Belegung der Häuser in der Middlesex Street angeht, das hat mir keine Ruhe gelassen, und ich musste es mir nochmal genauer ansehen.
Ist ein Mordstext geworden, aber ich bin noch auf einiges gestoßen, was mich zu interessanten Überlegungen führte.


Ich habe im Online-Katalog der University of Leicester eine große Sammlung von eingescannten
alten Postverzeichnissen gefunden, dummerweise für London nur die Jahre 1882 und 1895, dazwischen kein weiterer Jahrgang.

Hier der Post Office London Directory, 1882. [Part 1: Official & Street Directories],
Page 493 mit der Middlesex Street:
http://cdm16445.contentdm.oclc.org/cdm/compoundobject/collection/p16445coll4/id/8865/show/38722

Und hier Post Office London Directory, 1895. [Part 2: Street Directory],
Page 368 mit der Middlesex Street:
http://cdm16445.contentdm.oclc.org/cdm/compoundobject/collection/p16445coll4/id/8845/rec/79


Die Theorie, dass wohl keiner unserer Leute innerhalb der Straße umgezogen ist, sondern einfach nur die Hausnummern geändert wurden, bestätigte sich wieder:
Das Verzeichnis von 1882 hat noch die alten Hausnummern, da findet man unseren alten Bekannten Bolam George, dairyman, in  Nr 13A, in dem Verzeichnis von 1895 ist er dann unter Nr. 27 als Bolam George, cow keeper, eingetragen: Auch hier wieder Verdoppelung der Zahl durch Wegfall der geraden Hausnummern auf der Westseite.


Aber jetzt wurde es für mich erst interessant:

1. Wir hatten ja darüber diskutiert, ob die Middlesex Street von unserem Polizisten Sagar vielleicht noch als Teil der "Butcher's Row, Aldgate" angesehen worden sein könnte.

2. Außerdem hatten wir darüber diskutiert, inwieweit die ehemalige Petticoat Lane außer den Marktständen noch genügend Bekleidungsindustrie enthielt, dass die Aussage von Cox auf sie zutreffen könnte: Weil ihre Observation von einigen jüdischen Einwohnern bemerkt worden war, behaupteten sie, sie seien Factory Inspectors, die die illegale Beschäftigung von Minderjährigen in der Bekleidungsindustrie überwachen sollten.


Zu 1:
Schauen wir uns die u.a. Verzeichnisse an, so fällt auf, dass es 1882 noch jede Menge jüdische Butcher in der Middlesex Street gab (insgesamt 11 - von mir mit "B" gekennzeichnet). Das ging zwar bis 1895 stark zurück, aber unter den Einheimischen könnte die Westseite der Middlesex Street - zur Abgrenzung gegen die östliche noch immer im Volksmund als Petticoat Lane bezeichnete Seite - durchaus als Teil oder Verlängerung der Butcher's Row in der Aldgate High Street angesehen und so genannt worden sein. 
Vielleicht war es auch nur ein Missverständnis von Sagar, dass er glaubte, diese Metzgereien würden im Volksmund noch zur "Butcher's Row, Aldgate" zählen.
Meine These ist jedenfalls, dass Sagar somit durchaus auch einen Verdächtigen in der Middlesex Street selbst überwacht haben könnte.

Zu 2:
Was die Aussagen von Cox betrifft, finden wir hier ebenfalls Übereinstimmungen:
Schon die Firemap von 1887 zeigte neben den Lagerhäusern der Clothiers in der ehem. Petticoat Lane auch Clothing Factories.
Das Verzeichnis von 1895 listet zusätzlich in der Straße eine ganze Reihe von Clothiers, Tailors und Furriers auf (insgesamt 13 - von mir mit "C" gekennzeichnet). Dazu auch noch sog. "wardrobe dealer" - den Begriff kannte nicht mal leo.org, daher weiß ich jetzt nicht, ob das wortwörtlich Kleiderschrank-Verkäufer (also Möbelgeschäfte) oder Garderoben-Händler im Sinne von Bekleidungsgeschäften waren... Egal.
Jedenfalls kann man m.E. durchaus sagen, dass es in der Middlesex Street nicht nur den Kleider-Markt, sondern auch noch eine ansehnliche Bekleidungsindustrie gab, und die Aussage von Cox mit den Factory Inspectors sich durchaus auf die Middlesex Street bezogen haben kann.
Und was sagte Cox noch: Wir tranken ihren Kaffee und rauchten ihre exzellenten Zigarren...
Es gibt außerdem Kaffeehäuser und Tabakhändler, sogar eine tobacco manufacture.


Kurz: Sowohl die Aussagen von Sagar als auch von Cox treffen m.E. auf die Middlesex Street zu und könnten sich darauf beziehen.


Hier die Verzeichnisse:


Post Office London Directory 1882:

Middlesex at. 148 Whitechapel.
(E.) .MAP P9.

2    SolomonsAbraham T., hatter               C
4    Levy Moses, confectioner               
5    Solomon Philip, clothier               C
6    Defries Hy. & Son, gasfitters
7    Weil Joseph, butcher                  B
8    Weil Samuel, dining rooms
9    Woolf lsaac, dealer in playing cards
10   Vanleer Marks, picture frame maker
13A    Bolam George, dairyman
15    Levy Joshua, chandler's shop + Lyons John, butcher   B
16    Davis Woolf, bootmaker               
17    Wittich John Henry, baker
18    Weil Simon, butcher                  B
20    Costa Raphael, butcher               B
21    Nathan Michael, trimming seller
26    Myers Israel, butcher                  B
28    Horns, Abraham Abrahams
29    Green Michael Levy, baker
30    Gold Levy, grocer
31    Abrahams John, sausage maker
32    Ball John, baker
33    Cohen Abraham, confectioner            
34    Robinson Abraham, bootmaker
35    Hyams Solomon, fruiterer
40    Assenheim Judah, pickle dealer
41    Lazarus Eleazer, poulterer
43    Hamis David, gingerbeer maker
44    Stein William, baker
45    Earnett Henry, butcher               B
46    Abrahams Solomon, grocer
47    Lyons David, butcher                  B
49    Barnett Samuel, coffee rooms
.... here is Harrow alley ...
6    Wermann William, baker
5    White Lewis, butcher                  B
4    Joseph Lazarus, chandler's shop
1    Blue Anchor, Judah Green
... here is Wentworth street...
97    Harris Michael, baker
106    Bell, Judah Green
109    Solomon Jonas, butcher               B
116    White Jacob, butcher                  B
123    Phillips Zeley, fishmonger
132    Sampson Nathan,who. boot maker
134    Levy Moses, butcher                  B
135    Roos Maykel, dealer in job lots


Post Office London Directory 1895:

Middlesex Street. 148 Whitechapel High Street 
(E.) .MAP P9.

EAST SIDE,
4    Taylor Edward, writer on glass
6    Beere Gershion, hair dresser
   Toplis Edward, tobacco manufr. (Boar's Head yard)
   Hollington Bros. who. clothiers            C
18&32 Weber Woolf & Sons, bootmakers
20    Suggars & Sturrock, packing case makers
22    Hambloch Hermann, cigar manufacture
26    Green John, boot manufacturer
28    Ceylon Tea Growers Limited
30    Dickinson Chas. & Co., merchants
32&18 Weber Woolf & Sons, bootmakers
34    Lion Alfred & Samson, who. clothiers         C
36    Paget & Pigott, tea merchants
38    Tubular Lock Syndicate Lim
38    Joseph Samuel, ladies' tailor               C
40 to 46 Menhinick, White & Co. limited, wholesale clothiers   C
46    Mortimer Walter Hall & Co., tea merchants
48    Dubowski Barnett & Sons, wholesale grocers
48    Doidge & Co., packing case makers
50    The Bell, Mrs. Sarah Rose
...here is New Goulston street...
52     Isaacs Lammy, chandler's shop
54    Prince Louis, piece broker
56    Jenkins John, dairyman
58    Siegenberg Emanuel, ironmonger
60   Joel Zuse, fishmonger
62    Nathan Mrs. Polly, fried fish shop
64   Littman Fishel & Co., woolln.drprs
66   Hyams Syckerman, butcher               B
68    Joseph Henry, confectioner
70    Cohen Noah, tin plate worker
...here is Wentworth Street...

WEST SIDE
5    Silver Mrs. Fanny, confectioner
7    Defries Henry, gasfitter
   Hollington Bros., who. clothiers            C
11   Bayley Benjamin, coffee rooms
13   Cohen Isaac & Asher, who. clothiers            C
15    Woolf Isaac, stationer
17    Simmons Simon, wardrobe dealer
19    Simmons Lewis, clothier               C
21   King Henry, tailor                  C
23   Harbor, Mrs. Sarah, milliner
25    Alexander & Co. warehousemen
27    Bolam George, cow keeper
...here is Hutchison Street...
29   Klein Jsph. & Sons, who.clothiers            C
31    Levy Joshua, grocer
33    Levy Benjamin, tailor                  C
35    Christmas Mrs. Nora, shirt &.c.dresser         C
37    Nordheim Charles, baker
39&49 Valentine Alfred, clothier               C
41    Zimmerman Harris & Son, Manchester warehousemen
43    Nathan Cushman, wardrobe dealer
...here is Ellison street...
45    Bendon Napthali, tobacconist
47    Levy Samuel, eating house
49&39 Valentine Alfred, tailor               C
51    Hyams David, pickle maker
53   Horn, Joseph Aarons
55&75 Cohen Mrs.Annie, wardrobe dealer
57   Levy Henry, furniture dealer
59    Abrahams John, sausage maker
61    Harris Godfrey, baker
63   Cohen Isaac, confectioner
65    Isaacs Abraham, greengrocer
67    Krotoski Aaron, butcher               B
69   Bodgerhart Daniel, fried fish shop
71   Green Aaron, pickle maker
... here is Stoney Lane ...


Und zum Schluss jetzt noch ein ganz besonderes Schmankerl:

Der Butcher Shop von Sampson (Nr. 67) direkt neben Levys Laden wurde zwischen 1891 und 1894, als auch Sarah Levy ihren Laden aufgab und wegzog, schließlich von einem jüdischen Metzger namens Aaron Krotoski übernommen.
Aaron Krotoski - Aaron Kosminski, zwei für Engländer ungewöhnliche Namen, die ähnlich klingen, könnte da etwas in den Erinnerungen unserer Polizisten durcheinander geraten sein?

Zwei jüdische Verdächtige, die kurz nacheinander im Irrenhaus landeten, der eine ist ein Butcher, dem ein Aaron Krotoski nachfolgte, der andere heißt Aaron Kosminski - und dort in der Middlesex Street, wo wahrscheinlich eine der Observationen stattfand, war nach dem Wegzug von Sarah Levy nicht viel später nur noch ein jüdischer Metzger namens Aaron Krotoski angesiedelt.

Macnaghten schrieb sein Memorandum 1894 und war an den Ermittlungen im Ripper-Fall nicht beteiligt, er hatte seine Informationen also von seinen Kollegen, vermutlich von Swanson, und der wiederum hatte sie vielleicht von den Kollegen der City Police, denn die Butcher's Row Observationen hatte ja die City Police betrieben.
Den Shop der Levys gab es nicht mehr, dort oben an der Ecke Stoney Lane war jetzt nur noch der Laden eines Aaron Krotoski.
Könnte es bei Swanson und infolge davon beim von Swanson fehlerhaft informierten Macnaghten daher vielleicht zu einer Verwechslung bzw. Vermischung von Kosminski mit Levy gekommen sein?
Immerhin glaubte Swanson ja auch, der Verdächtige sei nicht lange nach seiner Einweisung verstorben, aber Kosminski lebte noch bis 1919, während Levy schon 1891 in der Anstalt starb (danke für den Hinweis, Lestrade). Da wurden womöglich auch Daten zweier Verdächtiger vertauscht.

Klingt vielleicht etwas weit hergeholt, aber wir haben im Ripper-Fall ja einige Aussagen, die wie von verschiedenen Verdächtigen zusammengestückelt erscheinen.


MfG, Arthur Dent



P.S. Falls noch jemand Adressen-Listen der Middlesex Street aus den Jahren um 1888 bis 1891 haben sollte, wäre es nett, wenn er sie posten würde, damit wir sie mit den vorhandenen vergleichen können.
« Letzte Änderung: 17.09.2016 14:20 Uhr von Arthur Dent 2 »

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #291 am: 17.09.2016 15:15 Uhr »
Du machst mich fertig, Arthur...  :shout:

Nun schreibe ich doch schon wieder! Kam gerade völlig durchgeschwitzt aus unserem Grundstück gekrochen, zünde mir eine Pfeife an und wollte Sky 2. Bundesliga schauen... via Sky Go... durch unseren Umzug habe ich Sky erst wieder auf dem TV ab Oktober... Silverlight Programm lief jedoch nicht und ich musste neu installieren, nichts funktionierte zunächst und als es ging, war die 2 Bundesliga vorbei... aber gleich genieße ich die Bundesliga Konferenz... und dann lese ich dein Post und muss natürlich antworten... purer Stress...

Zunächst erst einmal vielen Dank für deine Recherche, sehr interessant.

Du fragst nach den Middlesex Street Adressen u.a. für 1891. Damit kann ich natürlich dienen, weil ich ja ständig bestimmte Adressen schon gepostet habe... hier alle, die ich mir notiert habe, sortiere aber bitte selber... habe gerade keinen Bock...  :flag_of_truce:

Baker:

Wm. Wermann 86
John Hy. Wittich 37

Clothier:

Judah Joseph 76 Middlesex Street
Alfred & Samson Lion 34
Isaac & Asher Cohen 13
Isaac Hyman 97
Hollington Bros. ?

Coffee Rooms:

Samuel Levy 47

Confectioners & Pastry cooks:

Mrs. Fanny Silver 5

Cowkeepers:

George Bolam 27

Dairyman:

Isaac Barnett 87
John Jenkins 56

Feather Merchants:

Aaron Hartog Blitz 85

Fried Fish Shop:

Samuel Barnett 95
Michael Joseph 80

Fish Sauce & Pickle Makers:

J.Assenheim 77

Fishmongers:

David Hyams 51

Fried Fish Shops:

Mrs. Polly Nathan 62

Furriers:

Samuel Levison 21
Benjamin Hyam 70

Gasfitters:

Henry Defries 7

Greengrocers:

Brothers Levy 65
Christopher Luck 93

Hairdressers & Perfumers:

Joseph Hanreck 74
Wm. Wright 4 Cobb´s Yard

Ironmongers:

Emanuel Siegenberg 58

Oil & Color Men

Jacob Joseph 41

Packing Case Maker:

James Doidge 48

Piece brokers:

Louis Prince 54
Fishel Littman 64

Publicans:

Joseph Aarons “Horns” 53
Rose William

Tailors:

Benjamin Levi 33
Isaac Valentine 49

Tea Merchants:

Paget & Piggott 36

Tobacconists:

Napthali Benton 45

Wardrobe Dealers:

Nathan Cashman 43
Simon Simmons 17

Boot & Shoemakers-Wholesale

Wolff & Sons Weber 18
Simon Cohen 9

Butchers:

Joseph Joseph 39
Jacob Levy 69f
Hyman Sampson 67
Hyams Syckerman 66 Aldgate
David Nussbaum 91 Aldgate
Abraham White 84

Chandlers Shops:

Godfrey Marks 52
 
Card & Cardboard Makers:

Isaac Woolf 15

Cigar & Tobacco Importers & Manufacturers:

Hermann Hambloch 22
Wm. Paul Hudden & Co 28

Merchants West India:

Chas. Dickinson & Co 30

Military Store Dealers:

Solomon Berlinski 88

Poulterers:

Emanuel Barnett 79

Soda Waters & Ginger Ale Makers:

Hyam Hyams 83

Carpenter/ Packing Case Maker:

Suggars Mather & Sturrock 20

Clothier:

Henry Cooper 23
Simon Simmons 19

Coffee Room:

Emily Haas 11

Fishmonger:

Aaron Green 71

Furniture Dealers and Brokers:

Henry Levy 57

Grocer and Tea Dealer:

John Abrahams 89

Lock Makers:

Tubular Lock Co 38

Oil & Color Man:

Jacob Joseph 41

Publican:

Abraham Judah Green 78

Tailor:

Benjamin Levy 33

Wardrobe Dealer:

Annie Cohen 75
Nathan Cushman 43

M.J. Singer 8a Stoney Lane


Singer in Stoney Lane hatte ich für mich notiert, weil eine von Aaron Kozminskis Schwestern verheiratet Singer hieß, 8a Stoney Lane war ja um die Ecke bei Levy, in der Mitte dieser kleinen Straße.

Bei dir sehe ich zwei Moses Levy:

4    Levy Moses, confectioner 
134    Levy Moses, butcher   

Einer der Brüder von Jacob Levy hieß ja auch Moses Levy. Könnte sein, dass dieser Confectioner war, da war auch noch ein Onkel, glaube ich, Moss und der war Butcher. Vielleicht kannst du das noch genauer bestätigen. Bruder Abraham sollte der mit dem Selbstmord gewesen sein.

Bodgerhart übernahm also den Levy Shop.

Zu Krotoski/Krokoski siehe Tracy Ianson:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=10323&page=12

Hi all

Hyman Sampson was who Jacob was caught stealing meat from in 1886, and sent to an asylum, Hyman lived at 58 Goulston Street until it was knocked down in 1886/7.


I posted this last year and have since realised that it is not quite correct.

Hyman Sampson lived at 58 Goulston Street in 1871 (classed as Thomas but is clearly Hyman when you look at the original). He is classed as a butcher 48 born in Poland Russia living with him is
Elizabeth Sampson 44 born Poland Russia
Sarah 14 born in Poland Russia
Leah 9 born in Whitechapel Middlesex
Hannah 4 born in Whitechapel Middlesex
Samuel Brawer 25 Servant Butcher Poland Russia
David Fordonsky 19 Servant Butcher Poland Russia
Kate Daley 30 domestic servant Poland Russia

In 1881 he is still at 58 Goulston Street he is classed as a master butcher employing 2 men and 2 boys.
Elizabeth Sampson 56 Poland Russia
Leah 18 Butcher's daughter Whitechapel Middlesex
Annie 13 Scholar Whitechapel Middlesex
Julia Welch 30 General Servant Whitechapel Middlesex
Phillip Ellisberg 18 Butcher ????Russia
Abraham Krokoski 18 Butcher New York USA
Elias Talouias 14 Butcher ????? Russia
John Sampson 12 Butcher Whitechapel Middlesex

I am not sure if John is part of his family or just has the same last name. Would seem a little strange if he was part of the family to be placed last on the census sheet.

I stated above that Hyman was living at 58 Goulston Street at the time of the theft of meat by Jacob, this is in fact incorrect. (Sorry!!) According to the Old Bailey transcript of the theft of meat by Jacob, Hyman lived at 35 Middlesex Street (Jacob at 36). It is possible that he did indeed move from Goulston Street because of the demolition to make room for the Wentworth buildings but he could have moved before that.

A little further digging shows that Hyman died 2 April 1887. However things are a little confusing (for me anyway) as there seems to be 2 probate records.

First one - 20 May Administration of the personal estate o Hyman Sampson late of 35 Middlesex Street Aldgate in the City of London. Butcher who died 2 April 1887 at 35 Middelsex Street was granted at the principal Registry to Betsy Sampson of 35 Middlesex street widow the relict. Personal estate £437.

Also - Hyman Sampson Middlesex street Aldgate London died 2 April 1887 Administration, London. 6 July to Hannah Kratoski (wife of Aaron Kratoski) Effects £130. Former grant May 1887.

Probate date 6 July 1898.

Does this mean for some reason Elizabeth had to pay Hannah Kratoski £130 for some reason?




Lestrade.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #292 am: 17.09.2016 19:01 Uhr »
Hallo allesamt!

Lestrade, dich lass ich mal außen vor, damit du dich nicht von mir gehetzt fühlst. ;-)
Vielen Dank, dass du trotzdem so schnell die anderen Adressen gepostet hast.


Hier die noch unvollständige, aber doch schon gut gefüllte Adressliste für 1891:


Middlesex Street 1891,
Westseite von Nord nach Süd:

97      Clothier: Isaac Hyman                    C
95      Fried Fish Shop: Samuel Barnett
93
91      Butcher: David Nussbaum                   B
89      Grocer and Tea Dealer: John Abrahams
87      Dairyman: Isaac Barnett
85
83      Soda Waters & Ginger Ale Maker: Hyam Hyams
81
79      Poulterer: Emanuel Barnett
77      Fish Sauce & Pickle Maker: J.Assenheim
75      Wardrobe Dealer: Annie Cohen
73
---   Einmündung Stoney Lane
71      Fishmonger: Aaron Green
69      Butcher: Jacob und Sarah Levy                B
67      Butcher: Sampson / danach Aaron Kratoski             B
65      Greengrocer: Brothers Levy
63      (1895 Cohen Isaac, confectioner)
61      (1895 Harris Godfrey, baker)
59      (1895 Abrahams John, sausage maker)            B
57      Furniture Dealer and Broker: Henry Levy
55      (1895 Cohen Mrs.Annie, wardrobe dealer)
53      Publican: Joseph Aarons "Horns"
51      Fishmonger: David Hyams
49      Tailor: Isaac Valentine                   C
47      Coffee Rooms: Samuel Levy
45      Tobacconist: Napthali Benton
---   Einmündung Ellison Street
43      Wardrobe Dealer: Nathan Cashman
41      Oil & Color: Jacob Joseph
39      Butcher: Joseph Joseph                   B
37      Baker: John Hy. Wittich
35      (1882 Davis Woolf, bootmaker)
33      Tailor: Benjamin Levi                   C
31      (1895 Levy Joshua, grocer)
---   Einmündung Hutchinson Street
01       (Hutchinson Street) Butcher: Joseph Hyam Levy         B
29      (1887 Ruins - 1895 Klein Jsph. & Sons, who.clothiers)      C
---   Einmündung Garden Place
27      Cowkeeper: George Bolam
25      (1895 Alexander & Co. warehousemen)
23      Clothier: Henry Cooper                    C
21      Furrier: Samuel Levison
17-19      Clothier: Simons Simmons                   C
15      Card & Cardboard Makers: Isaac Woolf         
13      Clothier: Isaac & Asher Cohen                C
---   Einmündung Black Horse Yard
11      Coffee Room: Emily Haas
09      Boot & Shoemaker: Simon Cohen
07      Gasfitter: Henry Defries
05      Confectioner: Mrs. Fanny Silver
03      (1882 Solomons Abraham, hatter)               C
01
---   Einmündung Aldgate High Street



Middlesex Street 1891,
Ostseite (ehem. Pettycoat Lane), von Nord nach Süd:

134      Butcher: Levy Moses                      B
...
86      Baker: Wm. Wermann
84      Butcher: Abraham White                   B
82
80      Fried Fish Shop: Michael Joseph
78      Publican: Abraham Judah Green
76       Clothier: Judah Joseph                   C
74      Hairdressers & Perfumers: Joseph Hanreck
---   Einmündung Wentworth Street
72
70      Furriers: Benjamin Hyam                    C      
68      Cook & Confectioner: Harry    Joseph         
66      Butcher: Hyams Syckerman                   B      
64      Piece brokers: Fishel Littman          
62      Fried Fish Shops: Mrs. Polly Nathan       
60      Fishmonger / Fish Frier / Coffee: Zuss Joel   (ab 1891 - zuvor vac.)   
58      Ironmongers: Emanuel Siegenberg          
56      Dairyman: John Jenkins             
54      Piece brokers: Louis Prince             
52      Chandlers Shops: Godfrey Marks          
---   Einmündung New Goulston Street
50      The Bell Public House: William Rose      
48      Packing Case Maker: James Doidge (ab 1891 - zuvor vac.)               
40-46      Tarling, Bagg & Co. Clothiers Warehouses + Manufactory      C
38      Joseph Samuel, ladies' tailor                  C
36      Tea Merchant: Paget & Piggott
34      Alfred & Samson Lion, WHO Clothiers            C
32      (1887 als "vac." markiert)
30      Merchants West India: Chas. Dickinson & Co
28      Cigar & Tobacco: Wm. Paul Hudden & Co
26      (1887 Jam Factory + Furriers)               C
24      
22      Cigar Manufactory: Hermann Hambloch
20      Carpenter / Packing Case Maker: Suggars Mather & Sturrock
18       Boot & Shoemakers-Wholesale: Wolff Weber & Sons   
16      Wardrobe Dealers: Simon Simmons                      
6-14      Hollington Brothers, WHO Clothiers            C
4      Confectioner: Levy Moses
2      (1887 Chemist)
---   Einmündung Aldgate High Street


Obwohl ich noch nicht alle Lücken füllen konnte, komme ich für das Jahr 1891 in der Middlesex Street immer noch auf mindestens 8 Butcher und 12 Adressen der Bekleidungsindustrie vom Clothier über Tailor bis zur Manufaktur.

Ich würde mal sagen: Sowohl Sagar als auch Cox können sich bei ihren Aussagen über die Observationen auf die Middlesex Street bezogen haben.



Zu Tracy Iansons Census Daten über die Sampsons:

Interessant ist, dass der Butcher Aaron Krotoski schon 1881 als 18-Jähriger bei Hyman Sampson in der Goulston Street 58 gemeldet war als einer seiner Angestellten. Diese Hannah, die er heiratete, war offenbar Sampsons Tochter. Er machte wohl bei Sampson seinen Metzgermeister, zog dann mit ihnen in die Middlesex Street um, und als Hyman starb, übernahm er schließlich irgendwann nach dem Sommer 1888 endgültig den Shop von seiner Schwiegermutter Elizabeth.
Also war der Metzger Aaron Krotoski während der Phase der Ripper-Observationen der unmittelbare Nachbar des Metzgers Jacob Levy - und kurz darauf der einzige jüdische Butcher an der Ecke zur Stoney Lane.
Der eine war Sampsons Angestellter, Schwiegersohn und Nachfolger, der andere hat bei Sampson geklaut - und war Sampson nicht auch zuvor Levys Meister gewesen (ich glaube, ich hatte das mal irgendwo gelesen)?
"He, wer war noch mal dieser jüdische Metzger in der Middlesex Street oben bei der Stoney Lane, der beim alten Sampson, den die City Police beobachtet hat?" - "Das muss dieser Aaron Kosdingsda gewesen sein." ;-)

Klingt jetzt gar nicht mehr so weit hergeholt mit einer möglichen Namensverwechslung bezüglich der Verdächtigen Aaron Kosminski und dem Butcher aus der Middlesex Street.
Danke, Lestrade.


MfG, Arthur Dent



Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #293 am: 18.09.2016 11:24 Uhr »
Hallo allesamt!

Angesichts der recht fruchtbaren neuen Erkenntnisse der vergangenen Tage habe ich die Jacob-Levy-These aktualisiert.


MfG, Arthur Dent

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Re: Jacob Levy
« Antwort #294 am: 18.09.2016 11:37 Uhr »
Jack the Ripper – Tatverdächtiger Jacob Levy



Jacob Levy wurde 1856 als Sohn des Metzgers Joseph Levy im Londoner Eastend geboren, lebte und arbeitete im Viertel und wurde 1890 aufgrund der Folgen einer fortschreitenden psychischen Erkrankung in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, wo er 1891 starb. Als Todesursache wurde in den Anstaltsakten ein fortschreitender Verfall infolge einer Syphilis angegeben.
Seine Frau Sarah soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe sie und ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.

Zu einem Verdächtigen im Fall der Whitechapel-Morde wurde Jacob Levy durch die Recherche zeitgenössischer Ripperologen in den Unterlagen der Nervenheilanstalten in und um London. Sie suchten darin nach jener Person, die in den Texten der hochrangigen Polizeibeamten Chief Constable Mcnaghten, Assistant Commissioner Anderson und Chief Inspector Swanson als der mutmaßliche Ripper erwähnt werden, und dessen Leben in einer Irrenanstalt geendet haben soll. Vier Verdächtige wurden gefunden: Aaron Kosminski, David Cohen, Hyam Hyams und Jacob Levy. Auf Levy treffen zahlreiche Aussagen der Polizisten und Zeugen sowie des modernen Profilings zu. 


Beruf Metzger:
Im Census und im London Business Directory ist als Beruf von Jacob Levy Metzger angegeben.

Für moderne Profiler ist das Töten von Tieren am Anfang der mörderischen Karriere typisch für die Biographie von Serienkillern, ein Metzgerjunge wächst damit auf und kann seine pathologische Veranlagung durch seine Berufswahl zugleich entwickeln, ausleben und kaschieren. 
Angesichts der Art der Verletzungen bei den Opfern gehen Gerichtsmediziner und Polizei damals wie heute davon aus, dass JTR zumindest grundlegende anatomische Kenntnisse besaß und auch bei schlechtem Lichtverhältnissen sicher mit einem Messer umgehen konnte. Kenntnisse über Anatomie und das Zerlegen von Körpern hatten damals vor allem beruflich damit beschäftigte Gruppen wie Chirurgen oder Schlachter - demnach könnte JTR also Metzger gewesen sein. Dies war z.B. die Meinung von Dr. Frederick Gordon Brown, der Catherine Eddowes untersuchte, und auch von Dr. George Bagster Phillips, der Annie Chapman obduzierte.
Die Tatwaffe soll Gerichtsmedizinern zufolge eine lange, schmale, gerade Klinge gehabt haben, wie sie typisch zum professionellen Zerlegen von Körpern ist, z.B. sog. Amputationsmesser von Chirurgen oder ähnliche Metzgerklingen wie z.B. ein Tranchiermesser.
Der Kehlenschnitt deutet ebenfalls auf einen Metzger hin, der es gewohnt ist, so das Schlachtvieh zu töten. Das Töten geschah schnell und effizient, die Verstümmelungen wurden post mortem zugefügt und von Opfer zu Opfer umfangreicher - womit das Töten vor allem Mittel zum Zweck, das eigentliche Ziel hingegen offenbar das Eröffnen und Ausweiden des Unterleibs der Opfer war. Organentfernungen unter Zeitdruck und bei sehr schlechten Lichtverhältnissen, ohne sich total mit Blut zu versauen, spricht für Erfahrungen im Schlachterhandwerk.
Ein Indiz dafür ist auch, dass der Ripper seine Opfer i.d.R. bis zur Bewusstlosigkeit bzw. zum Kreislaufkollaps würgte, bevor er das Messer ansetzte. Offenbar wusste er aus Erfahrung, dass ansonsten das Blut aus den Arterien kräftig spritzen würde, es so aber relativ langsam aus den Wunden rann. Dies verhinderte, dass er selber allzusehr vollgeblutet wurde und erleichterte die Entnahme der Organe, die ansonsten in ein Meer von Blut getaucht gewesen wären.


Motiv Syphilis:

Irgendwann vor 1886 muss sich Jacob Levy mit Syphilis angesteckt haben, die dann 1891 als Todesursache diagnostiziert wurde - vermutlich hat er sie sich wie viele Männer bei einer Prostituierten eingefangen.
Der Zeitraum ergibt sich zurückgerechnet aus dem statistischen Verlauf der Erkrankung: Da er im August 1890 in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert wurde, wo er ein Jahr später an den Folgen der Syphilis starb, dürfte die Krankheit spätestens im ersten Halbjahr 1890 in ihr letztes Stadium eingetreten sein, wobei Levy aber schon die beiden Jahre zuvor unter den Auswirkungen der Krankheit gelitten haben dürfte.
 
Die Infektion mit Syphilis durch eine Prostituierte wird von modernen Profilern als plausibles Motiv für die Morde von JTR angesehen: Es erklärt die Wahl der Opfer und die Verstümmelungen im Unterleib.
Darüber hinaus führte unbehandelte Syphilis zu einer chronischen Hirnentzündung. Sensitive oder psychische Veränderungen wurden von den Ärzten damals oft beschrieben, so u.a. auch Gewaltausbrüche, eine übermäßige Steigerung der Libido und verschiedene Arten von Wahrnehmungsveränderungen.
Gut möglich, dass der Ripper sich zuerst gar nicht bewusst dafür entschieden hatte, auf Prostituiertenmord zu gehen, sondern dass die erste Tat eine Affekthandlung war, als er zufällig erneut auf eine Prostituierte traf, die ihn an die Überträgerin erinnerte, und seine ganze Wut über die Infektion wieder hochkam. Weil ihm diese erste Tat Befriedigung verschaffte, zog er danach dann regelmäßig los. Somit könnte zum Beispiel Martha Tabram sein erstes Mordopfer gewesen sein, auf die "nur" eingestochen wurde, noch ohne sie auszuweiden (s.u.). 


Auswahl der Opfer:
Es gab weit über 1200 Gelegenheitsprostituierte in Whitechapel, die ohne Schutz durch einen Zuhälter nachts auf den Straßen nach Kunden suchten - und sie waren eine häufige Ansteckungsquelle für Syphilis.

JTR hatte damit nicht nur eine große Auswahl an potentiellen Opfern. Prostituierte vom Straßenstrich sind auch leichte Opfer, weil sie für das Sexgeschäft freiwillig mit fremden Männern an Orte gehen, wo sie mit ihnen allein sind, und dem Mörder damit auch noch unbeabsichtigt helfen, einen geeigneten Tatort zu finden. Eine zeitaufwendige und vor allem riskante Ausspähung und Verfolgung potentieller Opfer ist nicht notwendig, da sie in der Öffentlichkeit auf Freier warten und oft sogar selber auf potentielle Kunden zugehen.


Nähe zu Opfern:
Die Adresse von Jacob Levys Eltern lautete Middlesex Street 111, er selbst war im Jahr der Morde laut Kelly's London Business Directory von 1888 in der Middlesex Street 36 gemeldet.
Alle kanonischen fünf Opfer von JTR waren verarmte Gelegenheitsprostituierte, die alle in Armenunterkünften in einem kleinen Umkreis nur etwa 300-400 Meter nordöstlich von Levys Adresse übernachteten und in einem fußläufigen Oval um seinen Lebensmittelpunkt herum getötet wurden. Martha Tabrams letzte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street etwa 300 Meter östlich von der der Middlesex Street (s.u.).

Jacob Levy ist in der von modernen Profilern ermittelten Comfort Zone von JTRs Aktivitäten aufgewachsen und wohnte auch als Erwachsener noch dort. Er kannte sich also seit Kindertagen bestens in Whitechapel aus, fiel dort nicht auf und wusste sich angemessen zu verhalten.
Sowohl für die zeitgenössischen als auch die modernen Ermittler war JTR mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Einheimischer mit guter Ortskenntnis, was es ihm ermöglichte, sich schnell und unauffällig zu bewegen und die Polizeistreifen zu meiden, um bei seinen Taten und auf der Flucht nicht erwischt zu werden und relativ schnell von der Straße zu verschwinden.
Als einheimischer Metzger hatte Levy nahegelegene Rückzugsmöglichkeiten, die ein Versteck für blutverschmierte Kleidung und Messer boten. Blut an seiner Kleidung und Messer waren wegen seines Berufes alltäglich und erklärbar, nicht schon per se verdächtig. Organe der Opfer konnten unter Metzgerware getarnt werden.
Außerdem gab es in der Middlesex Street den Petticoat Lane Street Market der Schneider, der eine große Auswahl an günstiger Second-Hand-Kleidung zum Wechseln bot - und genau dort will der Zeuge George Hutchinson den Verdächtigen vom Kelly-Mord erneut gesehen haben (s.u.).


Verbindung zu Zeugen:
Im Census der Jahre 1851, 1861 und 1871 ist für eben diese Middlesex Street 36 der Metzger Hyam Levy eingetragen, der dort mit seiner Frau Frances und seiner Familie wohnte, 1881 ist dann seine Witwe Frances als Haushaltsvorstand und Metzger eingetragen. Die beiden sind laut Casebook die Eltern jenes Joseph Hyam Levy, der später als Zeuge zum Mord an Catherine Eddowes vernommen wurde. Joseph Hyam Levy arbeitete 1888 selbst als Metzger kaum 50 Meter von Jacob Levy entfernt in der Hutchinson Street 1, einer Gasse, die in die Middlesex Street mündet.

Mehrere Levys, die sich nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft befanden und der gleichen Branche angehörten, sondern nacheinander auch dieselbe Metzgerei betrieben: Es ist so gut wie sicher, dass sie sich zumindest gekannt haben. Folgt man den Familiendaten des Census, so ein Beitrag im Ripperologist, könnten Jacob und Joseph sogar verwandt gewesen sein - wahrscheinlich waren sie Cousins. Machte der Zeuge Joseph bei der Vernehmung zum Mordfall Eddowes deshalb so merkwürdige Andeutungen und den Eindruck, er wisse mehr als er zugeben wollte (s.u.)?


Kriminelle Vorgeschichte:

Am 10. März 1886 wird Jacob Levy laut Eintrag beim Central Criminal Court zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er zusammen mit zwei anderen Männern dem Metzgermeister Hyman Sampson Fleisch gestohlen hatte. Als Sampsons Adresse wird im Polizeibericht Middlesex Street 35 genannt, seine Metzgerei lag zwei Jahrzehnte lang in der Parallelstraße Goulston Street 58.

Eine kriminelle Vorgeschichte ist modernen Profilern zufolge typisch für Serienmörder.
Der Ort des Diebstahls liegt in JTRs Comfort Zone, zwischen den Tatorten des Double Event.
Zudem wurde ein Stück von Eddowes blutverschmiertem Rock in der Tatnacht am Hauseingang des Gebäudes Wentworth Buildings 108-119, Goulston Street, gefunden, unter dem berüchtigten antisemitischen Graffiti (von dem allerdings unklar ist, ob es von JTR stammte).
Falls Jacob Levy der Ripper war, so könnte die Platzierung ein Versuch gewesen sein, die Polizei in die falsche Richtung weiter nach Osten zu lenken - weg von ihm in der Middlesex Street.
Auch Rache an seiner Gemeinde, die sich wegen des Diebstahls von ihm abgewandt hatte, könnte möglich sein, denn laut Superintendent Thomas Arnold wohnten viele Juden dort.

Im Ripperologist stand einmal, dass es strenge Regeln in der jüdischen Gemeinde für den geschäftlichen Umgang miteinander gab, und dass ein solcher Diebstahl wohl dazu geführt hätte, dass ihm der Jewish Council die Lizenz entzogen hätte. Damit hätte seine Frau Sarah, um die Familie zu ernähren, auch nach Jacobs Entlassung 1887 das Geschäft allein weiterbetreiben müssen. In der Tat taucht ja später seine Frau als Geschäftsinhaberin im Census auf.
Für Jacob hätte das nun zur Folge gehabt, dass er gezwungen gewesen wäre, auf andere Art seinen Anteil am Familieneinkommen zu verdienen.

Wenn Jacob den Shop in der Middlesex Street 36 nicht mehr selber betreiben durfte, musste er seitdem offensichtlich bei Bekannten und Verwandten in deren Geschäften oder in den Schlachthöfen arbeiten. Dadurch konnte er seinen Teil zum Familieneinkommen beitragen und stand zugleich wegen seines immer asozialeren Verhaltens unter einer gewissen Aufsicht. Das dürfte eine ziemliche Schmach und Erniedrigung für ihn gewesen sein.

Wenn wir nun betrachten, wo diese Arbeitsplätze gewesen sein könnten, finden wir nicht nur die observierte Butcher's Row, sondern auch noch die beiden Harrison, Barber & Co Slaughterhouses: eins in der Winthrop Street, Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row, und eins im Barber´s Yard nahe Tatort Hanbury Street (Ecke Brick Lane). Dort wurde auch über Nacht gearbeitet, damit die Kunden morgens frisches Fleisch hatten. Diese Metzger zerlegten also routinemäßig Körper unter schlechten Lichtverhältnissen - so wie der Ripper.
Die angestellten Metzger hatten damals i.d.R. ihr eigenes Arbeitswerkzeug (so wie dies auch in anderen Branchen üblich war bzw. bis heute ist), nahmen es zur Arbeit mit und am Feierabend wieder mit nach Hause. Dazu würde passen, dass einige Zeugen den mutmaßlichen Ripper mit einem Päckchen in der Hand gesehen hatten (s.u.).


Anzeichen psychischer Zerrüttung:
Bereits kurz nach seiner Verurteilung begeht Levy im April 1886 einen Selbstmordversuch im Holloway Prison, der jedoch scheitert.
Am 21. Mai 1886 wird er aufgrund des Suizidversuchs und seltsamer Murmeleien für geisteskrank erklärt und in das Essex County Asylum überführt. In den Akten dort wurde festgehalten, er habe gejammert, Irresein sei in seiner Familie erblich, schon sein Bruder habe Selbstmord begangen.
Am 3. Februar 1887 wird Levy dann wieder aus der Anstalt als "geheilt" entlassen.

Offenbar war die Verurteilung so traumatisierend, dass sie zu einem Zusammenbruch führte - vermutlich weil nun sein Ruf in der Gemeinde schwer beschädigt war und die Gefängnisstrafe negative Auswirkungen auf sein Geschäft und seine sozialen Beziehungen hatte.
Diese Entwicklung ist ein deutliches Indiz der beginnenden psychischen Zerrüttung mit der Bereitschaft zu Grenzüberschreitung, kriminellem Verhalten und Gewalt (wenn auch zunächst gegen sich selbst gerichtet).


Möglicher finaler Stressauslöser:

Am 18. Mai 1888 wird Jacob Levys Mutter Caroline beerdigt.

Nachdem seine Verurteilung und Einweisung bereits seine sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen beschädigt haben dürfte, und auch seine Ehe davon und von der Syphilis belastet gewsen sein wird, stirbt nun auch noch eine der wichtigsten Bezugspersonen eines Menschen.
Für moderne Profiler ist dies ein klassischer Stressauslöser zum Start in eine mörderische Karriere. Ziel der Aggression wird diejenige Gruppe, der der Täter die Verantwortung für sein Schicksal gibt: die Prostituierten von Whitechapel, bei denen er sich mit Syphilis angesteckt hat.




Die Mordserie

Dienstag, 7. August 1888: Martha Tabram im George Yard
Tabram wurde im Treppenhaus des George Yard Buildings 37 vermutlich das erste Opfer von JTR.
Tabram war auf einer Kneipentour mit ihrer Bekannten Mary Ann Connely ("Pearly Poll") und zwei Soldaten. Gegen 0 Uhr trennten sich die Pärchen um Sex zu haben, Connely ging mit dem Corporal zur Angel Alley, und Tabram verschwand mit dem Private in den George Yard.
Gegen 1.40 Uhr stieg das Ehepaar Elizabeth und Joseph Mahoney das Treppenhaus zu ihrem Zimmer hinauf und sah nichts. Auch als Elizabeth Mahoney es kurz darauf wieder durchquerte, um in einem Shop in der Thrawl Street etwas zu Essen zu kaufen, lag Tabram noch nicht da.
Tabram wurde mit einem Stich ins Herz getötet und mit insgesamt 39 Messerstichen in Brust und vor allem Unterleib traktiert. Sie lag auf dem Rücken, ihre Kleider waren hochgeschoben und ihre Beine gespreizt, ebenso wie bei den kanonischen Ripper-Opfern.
Gefunden wurde die Leiche auf dem Absatz des ersten Stocks gegen 4.45 Uhr durch Bewohner John Saunders Reeves, nachdem bereits Bewohner Alfred George Crow gegen 3.30 Uhr Tabram für einen schlafenden Obdachlosen gehalten hatte. Damit muss die Tatzeit zwischen 1.45 Uhr und 3.30 Uhr liegen. Reeves suchte eine Polizeistreife und fand Constable Thomas Barrett auf seiner Runde.

Der Soldat dürfte wohl der Letzte gewesen sein, der Tabram lebend gesehen hat, konnte aber weder von "Pearly Poll" noch von Constable Barrett bei Gegenüberstellungen identifiziert werden, obwohl letzterer auf seiner Streife durch die Wentworth Street gegen 2 Uhr einen Private der Grenadier Guard am Nordende des George Yard stehen sah und ihn ansprach. Der Private sagte dem Polizisten, er warte auf einen Kameraden, der mit einem Mädchen unterwegs sei, darauf ging Barrett weiter seine Streife, bis er drei Stunden später von Reeves zum Tatort gerufen wurde.
Der unbekannte Soldat könnte also den Mord verübt haben, dennoch war er aber wahrscheinlich nicht der Täter: Rund zwei Stunden für Sex mit einer älteren, unattraktiven Prostituierten an einem öffentlich zugänglichen Ort erscheint doch ein ziemlich langer Zeitraum. Wenn sie so lange im Treppenhaus von Nr. 37 gewesen wären, wäre wohl auch das Ehepaar Mahoney oder ein anderer Bewohner auf beide gestoßen.
Zudem hätte ein blutbefleckter Mörder wohl kaum in unmittelbarer Nähe des Tatorts auf seinen Kameraden gewartet und so entspannt auf Polizist Barrett reagiert. Barrett jedenfalls kam nichts an ihm und seinem Verhalten verdächtig vor. Wahrscheinlicher ist, dass sich Tabram nach 1.45 Uhr noch mit einen anderen Mann - eben dem Ripper - in den George Yard zurückgezogen hat.

Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge stammt das erste Opfer eines Serientäters oft aus seinem näheren räumlichen Umfeld. Tabrams letzte bekannte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street, und die Kneipentour endete vor den George Yard Buildings.
Levys Heim in der Middlesex Street 36 liegt nur rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg von beiden Orten entfernt.
Der Profiler William Eckert: "Nachdem der erste Mord geschehen war, in dessen Nähe der Mörder wahrscheinlich lebte, zog er weiter." In diesem Fall in die Buck's Row.


Freitag, 31. August 1888: Marie Ann Nichols in der Buck's Row
Nichols übernachtete zuletzt im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56.
Gegen 2.30 Uhr wurde Nichols zuletzt lebend gesehen von ihrer Bekannten Emily Holland an der Ecke Osborn Street / Whitechapel High Street, fast einen Kilometer vom Tatort entfernt, bevor sie betrunken auf der Whitechapel Road weiter Richtung Osten wankte.
Bis ca. 3.20 Uhr kamen nacheinander die Polizisten Neil, Thain und Kirby auf ihren Runden durch die Buck's Row, ohne etwas Verdächtiges zu sehen. Gegen 3.45 Uhr fanden dann Charles Andrew Cross und Robert Paul auf ihrem Weg zur Arbeit die Leiche von Nichols vor dem verschlossenen Tor zu Brown's Stable Yard (vermutlich hatte der Täter vergeblich versucht, mit ihr in den Hof zu gelangen). Die Tatzeit muss also zwischen 3.20 Uhr und 3.45 Uhr betragen.

Cross war als erster und allein am Tatort, bis Paul kurz darauf dazustieß. Somit könnte Cross der Täter gewesen sein, zumal alle Tatorte JTRs auf den Wegen zwischen seiner Adresse in der Doveton Street 22, seiner Arbeit als Fleisch-Auslieferer in der Broad Street und dem Wohnort seiner Mutter in der Nähe der Berner Street lagen.
Allerdings hätte Cross, als er die Schritte von Paul hörte, einfach nach Westen verschwinden können, ohne erkannt zu werden, statt auf ihn zu warten: Es sind rund 100 Meter vom östlichen Ende der Buck's Row bis zum Tatort und es war noch dunkel. Bis zu den Querstraßen im Westen als Fluchtwege sind es nur wenige Meter. Stattdessen wartete er auf Paul, wies ihn erst auf den am Straßenrand liegenden Körper hin und ging mit Paul einen Polizisten suchen. Auch wäre wohl aufgefallen, wenn Cross als erster am Nichols-Tatort auch an den Morgen der Morde von Annie Chapman und Mary Jane Kelly zu spät zur Arbeit gekommen wäre, denn seine Job begann bereits um vier Uhr - jene Tatzeiträume liegen jedoch deutlich später (s.u.).
Außerdem war er nicht nur vor den Morden ein unbescholtener Mann, der 20 Jahre lang zuverlässig denselben Job innehatte, er lebte auch noch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Serie als freier und gesunder Bürger weiter, ohne irgendwie einschlägig aufzufallen. Daher war Cross wohl eher nicht der Ripper.

Was Jacob Levy betrifft: Der Tatort ist zwar rund 1300 bis 1400 Meter und damit etwa 16-18 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Aber Nichols übernachtete im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56, und trieb sich bis 2.30 Uhr in der Umgebung der Hauptverkehrsader Whitechapel High Street herum, beides nur rund 300 Meter von Levys Adresse entfernt.
Es ist auch kriminologisch plausibel, dass JTR auf seiner Jagd die Zentren des Straßenstrichs aufsuchte und beobachtete, ob ein potentielles Opfer in ruhigere Nebenstraßen abbog, um ihr dahin zu folgen. Einer dieser Prostituierten-Treffs war die Umgebung von Whitechapel Station / London Hospital, nicht weit vom Tatort entfernt. Im London Hospital wurde auch Syphilis behandelt, JTR könnte deshalb öfter dort gewesen sein.
Zudem erscheint es vernünftig, diesmal nicht allzu nah beim eigenen Heim zuzuschlagen.

Vielleicht war JTR auch gar nicht auf seine eigenen vier Wände als sichere Zuflucht nach den Taten eingeschränkt, sondern konnte an verschiedenen Orten unauffällig von der Straße verschwinden - Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen im Ripper-Fall: "He occupied several shops in the East End".
Möglicherweise konnte JTR die Straßen schnell verlassen, indem er nach der Tat in Shops von Verwandten oder Freunden verschwand. Im Fall von Jacob Levy und der Buck's Row könnte dies der Zigarrenhändler John Levy gewesen sein, der in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop hatte, und neben dessen Shop nach dem Double Event ein blutiges Messer gefunden wurde (s.u.). Die Adresse des Shops in der Whitechapel Road 254 ist nur etwa 400 Meter oder 4-5 Minuten vom Tatort entfernt. War Levy der Ripper, hätte er also auf dem Weg zum oder vom Cigar Shop auf Nichols treffen und sich nach der Tat dort verstecken können. 

Interessant an der Metzger-Theorie ist zudem, dass sich in der Nähe von mindestens drei Tatorten Schlachthäuser befanden: Zwei Harrison, Barber & Co Slaughterhouses, eines in der Winthrop Street, Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row, und im Barber´s Yard nahe Tatort Hanbury Street, sowie ein Schlachthaus in der Harrow Alley, Eingang von der Butcher's Row, Nahe Tatort Mitre Square. Da in diesen auch über Nacht gearbeitet wurde, hätte ein Metzger dort als Einkäufer für sein Geschäft auftreten oder als Schlachter arbeiten können. Das Tragen seiner Arbeitsgeräte und blutverschmierter Arbeitskleidung wäre dort nicht per se verdächtig.


Samstag, 8. September 1888: Annie Chapman in der Hanbury Street
Chapman verbrachte ihre letzten Nächte in der Crossingham's-Unterkunft in der Dorset Street 35.
Gegen 1.50 Uhr verließ sie das Asyl Richtung Norden in die Brushfield Street.
Gegen 5.30 Uhr am frühen Morgen wurde Chapman zum letzten Mal lebend gesehen, und zwar von der Zeugin Elizabeth Long. Unmittelbar vor dem Tatort in der Hanbury Street 29 soll sie laut Longs Aussage mit einem Freier gesprochen haben: "Willst du?" - "Ja."
Long beschreibt den Verdächtigen wie folgt: Knapp 40 Jahre alt, etwas größer als Chapman, dunkler Mantel und tief ins Gesicht gezogener dunkler Hut, fremdländisches Aussehen.
Etwa zur selben Zeit geht Albert Cadosch aus dem Nachbarhaus Nr. 27 in seinen Hinterhof zur Toilette, als er danach ins Haus zurück will, hört er vom Hof nebenan zunächst ein leises "No" und wenige Minuten später bei seinem Aufbruch zur Arbeit etwas gegen den Zaun stoßen.
Gegen 6 Uhr wurde Chapmans Leiche im Hinterhof vom Bewohner John Davies entdeckt.
Die Tatzeit liegt also zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr, und die Zeugin Long hat damit wohl den Ripper bei Chapman gesehen.

Da die Tatzeit bereits nahe der beginnenden Morgendämmerung und dem wieder einsetzenden "Berufsverkehr" in den Straßen liegt, hatte JTR nicht viel Zeit, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, bevor es richtig hell wurde.
Der Tatort ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.

Interessant ist auch ein bekannt gewordener Zwischenfall im Prince Albert Pub an der Ecke Brushfield Street / Steward Street, etwa 200 Meter südwestlich vom Tatort:
Am frühen Morgen tauchte laut Aussagen der Inhaberin Mrs. Fiddymont ein Mann auf, dessen Erscheinung Mrs. Fiddymont und ihrer Freundin Mary Chappell Angst machte: Er trug einen dunklen Mantel, hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen, sein Hemd war gerissen und er hatte offenbar Blutflecken auf seinem rechten Handrücken. Als er bemerkte, dass er kritisch beäugt wurde, drehte er sich weg, trank sein Bier in einem Zug aus und verließ den Pub sofort wieder. Mary Chappell folgte dem Mann in die Brushfield Street, stellte fest, dass er Richtung Westen ging und wies den Passanten Joseph Taylor auf den Mann hin.
Die drei wurden später von der Polizei zu zwei Gegenüberstellungen geladen, aber unter den vorgeführten Verdächtigen erkannten sie den Mann nicht wieder.
Bemerkenswert daran ist, dass nahe der Brushfield Street die Sandy's Row geradewegs zur Middlesex Street hinunter führt.


10. September 1888: Erster Tatverdächtiger "Leather Apron"
Bei den Befragungen der Polizei erzählten Prostituierte, dass sie Angst vor einem gewalttätigen Mann hätten, der Schutzgeld von ihnen erpresse und sie schlage, und wegen seiner Lederschürze  den Spitznamen "Leather Apron" hätte. Die Ermittlungen führten zu einem polnischen Juden namens John Pizer, ein Schuhmacher, der jedoch für die fraglichen Tatzeiten Alibis aufweisen konnte und später von allen Anschuldigungen freigesprochen wurde.

Interessant sind bei Pizer aber die Übereinstimmungen mit späteren Zeugenaussagen: Er war Jude, mittleren Alters (38 Jahre), knapp 1,70 groß und hatte einen schmalen Oberlippenbart.
Und Lederschürzen trugen nicht nur Handwerker, sondern auch Metzger.

Hinzu kommt, dass Serienmörder den Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge oft schon vor ihren Morden durch andere Straftaten auffällig werden, darunter auch Raub. Es ist daher gut möglich, dass JTR vor seinen Morden bereits Prostituierte bedroht bzw. ausgeraubt hat. 

Jacob Levy war ein verurteilter Dieb, von dem seine Frau Sarah bei seiner Einweisung in die Irrenanstalt sagte, er hätte nicht nur begonnen, das Geld der Familie zu verschwenden, sondern auch fremder Leute Eigentum mitgehen zu lassen (s.u.).
Zwar ist von Jacob Levy kein Übergriff auf eine Prostituierte nachgewiesen, aber es gab vor der Mordserie Überfälle auf Prostituierte, die möglicherweise frühe Taten des Rippers gewesen sein könnten:
Zum Beispiel wurde Ada Wilson in der Nacht vom 27. auf den 28. März 1888 von einem Unbekannten an ihrer Haustür angegriffen: Der Täter verlangte von der Gelegenheitsprostituierten Geld, und als Wilson sich weigerte, zog er ein Messer und stach es ihr in den Hals. Wegen ihrer Schreie, die die Nachbarn alarmierten, flüchtete der Täter - das rettete ihr vermutlich das Leben.
Interessant ist die Täterbeschreibung, die Ähnlichkeiten mit anderen Zeugenaussagen in der Mordserie von JTR aufweist: Etwa 30 Jahre, knapp 1,70 groß, heller Schnauzbart, dunkler Mantel und breiter Hut.

Zudem würde der Zeitraum dieser Taten auf den ersten Bekennerbrief vom 24. September 1888 passen (s.u.). Darin schreibt ein vermeintlicher Schlachter an Polizeichef Warren, er sei verantwortlich für "all die Morde in den letzten sechs Monaten" - die kanonischen Opfer einschließlich Tabram umfassten damals gerade einen Zeitraum von wenigen Wochen. Mit jenen früheren Überfällen wäre es tatsächlich etwa ein halbes Jahr.


24. September 1888: Der erste Bekennerbrief
Durch die Grausamkeit der Morde und die Sensationsberichterstattung der Zeitungen nahm die öffentliche Aufmerksamkeit sprunghaft zu und Hysterie breitete sich in Teilen der Bevölkerung aus.  In der Folge davon erreichten Dutzende angebliche Bekennerbriefe die Polizei und die Presse.
Der erste davon war an Polizeichef Sir Charles Warren selbst adressiert, seine Existenz wurde damals geheim gehalten. Er lautete:
"Dear Sir,
ich würde gerne aufgeben, ich befinde mich in einem Albtraum. Ich bin der Mann, der alle diese Morde in den letzten sechs Monaten begangen hat. Mein Name ist (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht). Ich bin ein Schlachter und arbeite bei (mit zwei Balken unkenntlich gemacht). I have found the woman I would that is Chapman and I done what I called slautered her (?). Aber wenn jemand kommt, werde ich aufgeben. Aber ich werde nicht von selbst zur (Polizei-)Station gehen. Hochachtungsvoll (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht)."
Rückseite:
"Haltet das Viertel sauber, oder ich werde ihm einen Besuch abstatten. (Zeichnung eines Messers) Dies ist das Messer, mit dem ich die Morde begangen habe. Es hat einen schmalen Griff mit einer langen Klinge, beide Seiten scharf."

Die meisten Bekennerbriefe wurden von der Polizei schon damals als geschmacklose Scherze von Trittbrettfahrern abgetan, nur wenige wurden ernst genommen. Selbst die berühmt gewordenen Briefe, in denen der Mörder sich angeblich den Namen "Jack the Ripper" gab (der "Dear Boss"-Brief und die "Saucy Jacky"-Postkarte) werden inzwischen für Fakes gehalten und sollen aus der Feder ebenjenes Sensationsreporters Thomas Bulling von der Central News Agency stammen, welche die Briefe der Polizei übergab.

Jener erste Brief aber erscheint bemerkenswert: Erstens bezeichnet sich der Autor selbst als Schlachter. Zweitens ist er nicht verhöhnend, sondern scheint der Hilferuf eines kranken Menschen zu sein, der in einer tiefen inneren Zerrissenheit gefangen ist - so wie der Zustand Jacob Levys bei der Einlieferung ins Irrenhaus von seiner Frau beschrieben wurde.
Der Satz mit Chapman ist aufgrund seiner Formulierungen und der fehlenden Satzzeichen verwirrend, aber "and I done what I called" könnte bedeuten: "und ich habe getan, was mir befohlen wurde" - was ein Hinweis auf die befehlenden Stimmen sein könnte, die ein Wahnkranker oft hört, und von denen Levys Frau sprach.
Betrachtet man sich die sargförmige Schwärzung an der Stelle, wo der Briefschreiber angeblich zum ersten Mal seinen Namen übermalt hat, so scheint darunter etwas ähnliches wie "leaffray" oder "leadfray" gestanden zu haben - und das würde von der Wortlänge sowie von den Oberlängen und  Silhouetten einiger Buchstaben passen auf unseren Metzger Jacob Levy:
l e  a  d  f r a y
l a co b  l e v y


Sonntag, 30. September 1888: Nacht des Double Event
Mord an Elizabeth Stride in der Berner Street 40/42, etwa 45 Minuten später an Catherine Eddowes auf dem Mitre Square.

Stride übernachtete bis zu ihrem Tod im Armenasyl in der Flower and Dean Street.
Zwischen 0.35 und 0.45 Uhr sahen mehrere Zeugen (Polizist William Smith, Anwohner James Brown, Zeuge Israel Schwartz) Stride mit einem Mann in der Nähe des Berner Street Clubs. Beschrieben wird er übereinstimmend als knapp 1,70 groß, etwa 30 Jahre alt, heller Teint, Schnauzbart, dunkler Mantel und Schirmmütze. Polizist Smith bemerkte zudem ein Päckchen in seiner Hand.
Der aus Norden von der Commercial Road vorbeikommende Israel Schwartz will sogar eine Auseinandersetzung wahrgenommen haben, weswegen er schnell weitergegangen sei, sagte er später der Polizei. Der Mann habe die Frau am Tor zum Dutfields Yard zu Boden geworfen, die Frau habe kurz aufgeschrien. Als er zurückgeblickt habe, sei gerade ein anderer Mann mit einer Pfeife aus dem nahen "Nelson"-Pub gekommen und es habe eine kurze verbale Auseinandersetzung mit dem Verdächtigen gegeben, bis der Verdächtige "Lipski" gerufen habe. Da sei der andere auf Schwartz zugegangen und Schwartz sei aus Angst weggelaufen.
Gegen 1 Uhr dann wurde Strides Leiche vom Verwalter des Clubs, Louis Diemschütz, im Torweg des Dutfield Yard neben dem Club gefunden. Im Gegensatz zu den anderen Opfern wurde ihr nur die Kehle durchgeschnitten, aber offenbar wegen der Störung durch die Zeugen keine Verstümmelungen des Unterleibs mehr vorgenommen.

Als plausibelste Interpretation dieser Szene scheinen Schwartz und der Mann mit der Pfeife mitten in den Angriff des Rippers hineingeplatzt zu sein. Weil Schwartz schon auf der Flucht war, als der Pfeifenraucher auf die Straße kam, tat der Mörder offenbar so, als sei er ein unschuldiger Helfer und konnte den anderen Mann mit dem Ausruf "Lipski" davon überzeugen, dass der nach Süden flüchtende Schwartz der Angreifer gewesen sei, so dass "Pipeman" die Verfolgung von Schwartz aufnahm (leider konnte "Pipeman" nie identifiziert werden).
Lipski war ein Jude aus dem Viertel, der 1887 wegen Mordes verurteilt worden war - und sein Name war in antisemitischen Kreisen zum Schimpfwort gegen Juden im allgemeinen und zum Synonym für Mörder im speziellen geworden.
Indem der Mörder den einen Zeugen so auf den anderen hetzte, konnte er vom Tatort (vermutlich über die Gasse zur Batty Street, wo später blutige Wäsche gefunden wurde) schließlich nach Norden in die Commercial Road fliehen. Er wollte angesichts der Beinahe-Entlarvung mit ziemlicher Sicherheit zu seinem Versteck zurück - und in der Richtung, die er einschlug, liegt die Middlesex Street.
Da JTR aber sein eigentliches Ziel - die Verstümmelung - bei Stride nicht mehr umsetzen konnte, suchte er, als er sich wieder sicher fühlte, schließlich ein weiteres Opfer.


Eddowes und ihr Mann John Kelly lebten überwiegend im Armenhaus "Cooney's" in der Flower und Dean Street 55.
Gegen 1 Uhr wurde Eddowes aus der Ausnüchterungszelle der Polizeistation Bishopsgate Street entlassen und ging Richtung Süden, höchstwahrscheinlich die Houndsditch entlang zurück zur Aldgate High Street, wo sie den frühen Abend verbracht hatte.
Gegen 1.30 Uhr checkte Constable Edward Watkins auf Streife den Mitre Square, ohne etwas  Verdächtiges festzustellen.
Etwa um diese Zeit verließen Joseph Lawende, Harry Harris und Joseph Hyam Levy den Imperial Club, Duke Street, schräg gegenüber der Church Passage zum Mitre Square, und sahen einen Mann und eine Frau am Eingang der Passage in einem leisen Gespräch.
Der Zeuge Lawende beschrieb den Mann wie folgt: Etwa 30 Jahre alt, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, heller Schnauzbart, durchschnittlicher Körperbau, graue Jacke, graue Stoffkappe und rötliches Halstuch, sah wie ein Seemann aus (wobei aber Seemänner selten "blassen Teint" haben).
Gegen 1.35 Uhr ging Constable James Harvey durch die Church Passage und schaute in den dunklen Mitre Square, sah jedoch nichts und kehrte auf seine Runde zurück.
Gegen 1.45 Uhr kam Constable Edward Watkins von der anderen Seite (Mitre Street) wieder durch den Hauptzugang in den Mitre Square und entdeckte beim Herumleuchten mit seiner Lampe die tote Eddowes in der dunkelsten Ecke liegen, vor dem Tor zu einem kleinen Hof (vermutlich hatte der Ripper gehofft, das Tor wäre offen).
Laut Inspector Robert Sagar von der City Police soll ein Polizist kurz zuvor gesehen haben, wie ein Mann aus der Mitre Street in östliche Richtung verschwand. Aufgrund der Sichtung dieses Mannes liefen anschließend Polizisten durch Gravel Lane und Stoney Lane, um Hinweise auf den Fluchtweg des Mörders zu finden - dieser Weg führt in die Middlesex Street und weiter in die Goulston Street.
Einer davon war Detective Constable Daniel Halse, der mit zwei Kollegen gegen 1.55 Uhr an der Ecke Houndsditch bei St. Botolph's Church stand und aufgrund der Alarmierung in den Mitre Square kam. Nachdem Halse Instruktionen zur Befragung der Anwohner gegeben hatte, eilte er zuerst in die Middlesex Street und, weil er dort niemanden sah, weiter in die Wentworth Street, wo er zwei Passanten überprüfte. Gegen 2.20 Uhr checkte er die Goulston Street, um nach vergeblicher Suche zum Mitre Square zurückzukehren.
Gegen 2.55 Uhr fand Constable Alfred Long auf seiner Runde ein Stück der blutigen Schürze von Eddowes im Hauseingang der Wentworth Dwellings 108-119, Goulston Street. Darüber an der Wand stand mit Kreide der Satz: "Die Juden sind die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden." Long zufolge soll die Schürze auf seiner vorherigen Runde gegen 2.25 Uhr noch nicht dort gelegen haben. Ob das antisemitische Graffiti zuvor schon da gewesen war, wusste er nicht.

War Levy der Ripper, wäre er nach der unterbrochenen Tat an Stride in Richtung der Middlesex Street geflüchtet, um schnell von der Straße verschwinden zu können, dann aber mit oder ohne einen Zwischenstopp zuhause weiter Richtung Westen gezogen, wo er in der Houndsditch oder Duke Street den Weg von Eddowes kreuzte.
Die Berner Street ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Die Strecke zwischen Berner Street und Mitre Square beträgt rund 1000 Meter oder etwa 12-15 Minuten Fußweg.
Die Strecke zwischen Mitre Square und Middlesex Street 36 beträgt rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg.
Jacob Levy hätte auch nach dem Mord an Eddowes zuhause einen Zwischenstopp einlegen können, um Blut, Messer, Gebärmutter und Niere loszuwerden und sich umzuziehen, bevor er die Schürze platzieren ging, um eine falsche Spur zu legen - oder er zog direkt weiter, weil er nicht nach Hause zurückkehren konnte, z.B. weil ihm die Polizei zu dicht auf den Fersen war.

Die Strecke vom Mitre Square zur Goulston Street beträgt nur rund 500 Meter oder 6-7 Minuten. Entweder haben die Polizisten Halse und Long die Schürze gegen 2.25 Uhr übersehen, oder JTR hat sich zeitweise in einer Zuflucht versteckt, bevor er sie ablegte. Ein Umweg von rund einer dreiviertel Stunde durch die Straßen voller alarmierter Polizisten ist eher unwahrscheinlich - daher dürfte die Rückzugsmöglichkeit des Rippers in unmittelbarer Nähe gewesen sein. Die Ablage der Schürze könnte dann für ein Ablenkungsmanöver sprechen, das die Ermittler auf eine falsche Fährte locken sollte Richtung Osten, weg von der Umgebung Mitre Square und seiner Zuflucht.
Wenn Levy der Ripper war, hätte er damit aufgrund der Erkenntnis, zu nah an seinem Zuhause zugeschlagen zu haben, bewusst die Spur vom Grenzgebiet der City Police, wo er wohnte, weiter nach Osten in das Territorium der Metro Police gelenkt.
Vielleicht konnte er aber auch einfach nicht in die Middlesex Street 36 zurück, entweder weil er sich verfolgt fühlte, weil seine Frau noch wach oder gerade jemand in der Straße unterwegs war.
Die Strecke zwischen den Parallelstraßen Goulston Street und Middlesex Street beträgt weniger als 100 Meter oder etwa 1-2 Minuten Fußweg.

Daraus ergeben sich zwei interessante Möglichkeiten, wenn Levy der Ripper war:
Zur Zeit der Morde lebte laut Census von 1891 Jacobs Bruder Isaac Levy in der Goulston Street 130, und die Geburt seiner Tochter 1888 ist unter derselben Adresse angegeben - dies ist nur einen Häuserblock vom Schürzenfund entfernt.
Zum zweiten bleibt noch die Alternative, dass Jacob weiter zum Cigar Shop von John Levy in die Whitechapel Road 254 flüchtete, um sich dort zu verstecken - direkt nebenan vor Nr. 253 wurde am Tag darauf von Thomas Coram ein blutiges Messer gefunden (s.u.).

Bemerkenswert ist, dass es am Tatort im Mitre Square sehr dunkel war: Die Streifenpolizisten mussten ihre Lampen verwenden, um in den Ecken überhaupt etwas erkennen zu können. JTR hatte nur etwa 10 Minuten für die Verstümmelungen, die noch umfangreicher als bei den vorherigen Opfern waren. Insbesondere die Entfernung von Gebärmutter und Niere in der Dunkelheit zeugen davon, dass der Ripper offenbar Übung darin hatte, einen Körper bei schlechtem Licht schnell mit einem Messer zu zerlegen. Auch dies deutet auf einen Metzger hin, eine Ansicht, die u.a. Dr. Frederick Gordon Brown vertrat, der Eddowes Leiche untersuchte.

Merkwürdigerweise taucht in den Berichten über die Coroner-Untersuchung zu Strides Tod der wichtige Zeuge Israel Schwartz gar nicht auf.
Und bei der Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod wurde dem Zeugen Joseph Lawende verboten, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben - offenbar aus ermittlungstaktischen Gründen.
Dies deutet darauf hin, dass die Polizei glaubte, eine heiße Spur zu haben.
Zumal Lawendes Begleiter Joseph Hyam Levy bei der polizeilichen Vernehmung den Eindruck gemacht hatte, mehr zu wissen, als er zugeben wollte. So soll er beim Anblick von Eddowes und dem Mann zu seinen beiden Begleitern gesagt haben, wenn er solche Charaktere sehe, wolle er nicht alleine nach Hause gehen, und man solle den Hof beobachten (!). Als er beim Verhör gefragt wurde, ob er denn Angst gehabt habe, antwortete er kryptisch: nicht wirklich um sich.
Frage: "What was there terrible in their appearance?" - Antwort: "I did not say that." - Frage: "Your fear was rather about yourself?"- Antwort: "Not exactly." (!)


1. Oktober 1888: Messer-Fund in der Whitechapel Road
In der Nacht nach dem Double Event fand Thomas Coram gegen 0.30 Uhr vor der Whitechapel Road 253 ein in ein Taschentuch eingewickeltes blutiges Messer, das er der Polizei übergab - jedoch konnten die obduzierenden Ärzte nicht bestätigen, ob dies die Waffe des Rippers war.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber: In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren Ripperologen zufolge wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.

John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort.
Samuel lebte erst in den Häusern Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39 (!). 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück, diesmal in die Nummer 20.
Und Lewis Levy lebte in den 1860ern in Mitre Square 8 - dahinter fand man vor dem verschlossenen Hinterhoftor die Leiche von Catherine Eddowes (!).

War Jacob Levy der Ripper, kannte er sicher den Hinterhof und könnte gehofft haben, er wäre offen. Nach dem Double Event hätte er, weil er sich nicht zuhause verstecken wollte oder konnte, zuerst in Richtung seines Bruders und dann weiter zum Cigar Shop flüchten können, um sich dort relativ weit von den Tatorten weg zu verstecken, und könnte das blutige Messer davor weggeworfen haben.


Polizei-Razzia bei Metzgern im Oktober:
Die Polizei führte in den folgenden Wochen (3.-18. Oktober) in der Umgebung des Mitre Square Haus-zu-Haus-Befragungen durch. Der stellvertretende Polizeipräsident Robert Anderson schrieb, dass man alle Männer des Viertels überprüft habe, die den Zeugenaussagen entsprachen und sich blutbefleckter Kleidung entledigen konnten.
Die Polizei durchsuchte auch 76 Metzgereien und Schlachtereien im Viertel und überprüfte alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren, verschiedene Verdächtige wurden unter Beobachtung gestellt.

Interessanterweise folgte nach dem Double Event die längste Pause zwischen den Ripper-Morden von fast sechs Wochen. Ursache dafür könnte der Ermittlungsdruck durch die Behörden gewesen sein, was für die Annahme spricht, dass die Polizei mit der Untersuchung des Metzger-Milieus rund um Aldgate High Street dem Ripper näher kam, so dass er vorerst pausieren musste, bis die polizeilichen Aktivitäten in seinem Umfeld wieder zurückgingen.
 

Freitag, 9. November 1888: Mord an Mary Jane Kelly im Miller's Court
Kelly verließ in ihrer letzten Nacht mehrmals ihr Zimmer im Miller's Court, Dorset Street 26, und kehrte mit verschiedenen Freiern wieder dorthin zurück, nachdem sie den frühen Abend mit ihrem Exfreund Joseph Barnett verbracht hatte.
Gegen 23.45 Uhr sah ihre Nachbarin Mary Ann Cox, wie Kelly mit einem Kunden auf ihr Zimmer ging. Zwischen 0.30 Uhr und 1 Uhr hörten Cox und Nachbarin Catherine Picket sie singen.
Ihre Nachbarin Elisabeth Prater kehrte gegen ein Uhr zurück, wartete erst 20 Minuten vor dem Eingang zum Court auf ihren Freund und ging, als er nicht kam, noch für zehn Minuten in McCarthys Laden nebenan. Gegen 1.30 Uhr stieg sie die Treppen zu ihrem Zimmer direkt über Kellys hinauf, ohne dort Licht zu sehen oder etwas zu hören, und ging zu Bett.
Der Zeuge George Hutchinson, ein Bewohner des Victoria Home in der Commercial Street, ging am 12. November zur Polizei und sagte aus, dass er seine Bekannte Mary Jane Kelly am 9. November gegen 2 Uhr in der Commercial Street getroffen habe.
Kurz darauf sei sie mit einem Kunden an ihm vorbei zurück auf ihr Zimmer gegangen. Weil der Mann sein Gesicht vor ihm habe verbergen wollen, sei er beiden gefolgt und habe rund eine dreiviertel Stunde den Hof beobachtet, jedoch ohne etwas Verdächtiges wahrzunehmen. Gegen 3 Uhr sei er schließlich gegangen.
Hutchinson beschrieb den Mann als etwa Mitte 30, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, dunkle Augen und Haare, dünner gezwirbelter Schnurrbart, jüdisches Erscheinungsbild, mürrisches Aussehen, dunkler Mantel, dunkler Hut, kleines Päckchen in seiner Hand.
Sarah Lewis, die gegen 2.30 Uhr zu ihrer Bekannten Mrs. Keyler im Miller's Court ging, um dort zu übernachten, sah gegenüber dem Hofeingang einen Mann stehen - dabei handelte es sich vermutlich um Hutchinson.
Zwischen 3.15 Uhr und 3.45 Uhr hörten sowohl Lewis wie auch Elizabeth Prater einen leisen, unterdrückten Schrei vom Hof her: "Mord!"
Gegen 6 Uhr hörte Nachbarin Marie Ann Cox Schritte im Hof.
Gegen 7.30 Uhr klopfte Nachbarin Catherine Picket an Kellys Tür, um sich einen Schal zu leihen, aber nichts regte sich.
Gegen 10.45 Uhr wurde Kellys Leiche von Hausverwalter Thomas Bowyer entdeckt, der die Miete eintreiben sollte.

Theoretisch könnte Hutchinson der Täter gewesen sein, der nach dem Verschwinden des Kunden gegen 3 Uhr selbst zu Kelly ging - nur: warum hätte er dann bei der Polizei auftauchen und sich mit dem Geständnis seines "Stalkings" verdächtig machen sollen? Inspektor Abberline hielt ihn für glaubwürdig.
Plausibel wäre aber, dass der von Hutchinson beschriebene Kunde nach 3 Uhr ging - und dass erst der nächste Besucher Kellys der Ripper war. Dann wäre Hutchinsons Beschreibung unbrauchbar.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Hutchinson aussagte, er glaube denselben Mann später noch einmal gesehen zu haben, und zwar am 11. November in der Petticoat Lane / Middlesex Street - wo Levy wohnte und es den Straßenmarkt mit günstiger Second-Hand-Kleidung gab.
Wenn JTR die Person war, die von Cox gegen 6 Uhr im Hof bemerkt wurde, muss er beim Verlassen des Tatorts unter Zeitdruck gestanden haben, weil es langsam hell wurde.
Falls Levy der Ripper war: Der Tatort in der Dorset Street 26 ist rund 500 Meter oder nur etwa 5-6 Minuten Fußweg von der Middlesex Street 36 entfernt.

Ein merkwürdiger Vorfall ereignete sich etwa eine Stunde nach der Entdeckung von Kellys Leiche:
London Times, 10. November 1888:
"A Mrs Paumier, a young woman who sells roasted chestnuts at the corner of Widegate-street, a narrow thoroughfare about two minutes' walk from the scene of the murder, told a reporter yesterday afternoon a story which appears to afford a clue to the murderer. She said that about 12 o'clock that morning a man dressed like a gentleman came up to her and said, "I suppose you have heard about the murder in Dorset-street?" She replied that she had, whereupon the man grinned and said, "I know more about it than you." He then stared into her face and went down Sandy's-row, another narrow thoroughfare which cuts across Widegate-street. Whence he had got some way off, however, he vanished. Mrs Paumier said the man had a black moustache, was about 5ft 6in, high, and wore a black silk hat, a black coat, and speckled trousers. He also carried a black shiny bag about a foot in depth and a foot and a half in length."

Falls JTR so wie manch anderer Serienmörder das Bedürfnis hatte, zu den Tatorten zurückzukehren oder gar bei der Entdeckung der Morde unter den Schaulustigen zu stehen, um sich einen zusätzlichen Kick zu holen: Die Beschreibung des Mannes als knapp 1,70 groß mit Schnurrbart passt zu anderen Zeugenaussagen.
Und - interessant für die Jacob-Levy-These - der Verdächtige ging nach seiner Provokation die Sandy's Row hinab, die in die Middlesex Street mündet.

Merkwürdig war nach den Coroner-Untersuchungen zum Double-Event auch die Anhörung im Fall Kelly: Sie wurde im Distrikt Shoreditch vom dort zuständigen Richter vorgenommen und nicht in Whitechapel, mit der seltsamen Begründung, zuständig sei der Ort der Aufbahrung, nicht der Tatort. Sie wurde bereits am 12. November eröffnet, mit sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen, in hohem Tempo durchgepeitscht und schon am selben Tag wieder abgeschlossen. Richter Roderick Macdonald sagte: "Wenn die Geschworenen allein zu der Todesursache zu einem Ergebnis kommen, so ist das alles, was sie zu tun haben."
Zeugen oder Beweismittel zur Strafverfolgung sollten nicht weiter öffentlich thematisiert werden - wahrscheinlich aus ermittlungstaktischen Gründen, weil man einen Tatverdächtigen nicht warnen wollte, während er unter Beobachtung stand, um ihn auf frischer Tat stellen zu können.
In H. L. Adam's Serie "The People on Scotland Yard and its Secrets" von 1912 zitiert der Autor  Assistant Commissioner Anderson: "Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him. It was a case of moral versus legal proof. The only chance the police had, apparently, was to take the miscreant red-handed…"


"Butcher's Row Suspect"
Nach dem Kelly-Mord begann die City Police damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen bei der Butcher's Row zu observieren.
In einem Zeitungsinterview (City Press, 7. January 1905) sagte Robert Sagar von der City Police, dass man nach dem Kelly-Mord einen Mann unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.

Butcher's Row war kein offizieller Straßenname, so wurde wegen der vielen Metzger und der dahinter liegenden Schlachterei jener Abschnitt der High Aldgate Street genannt, der an der Einmündung der Middlesex Street liegt, wo Jakob Levy wohnte (sie stellt die Grenze zwischen City of London und Whitechapel sowie zwischen den beiden Polizei-Distrikten dar).

Auch Detective Inspector Henry Cox (City Police) wurde ein Jahr später in einem Zeitungsartikel (Thomson’s Weekly News, 1. December 1906) zu den Observationen zitiert, ohne jedoch den genauen Ort zu nennen. Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months." (beim Hinweis auf Surrey könnte eine Verwechslung mit Ostrog vorliegen).
Cox erzählte auch, er habe den Verdächtigen nachts auf einem Streifzug verfolgt: Nachdem dieser sein Haus verlassen habe, sei er die Leman Street in Richtung St. Georges in the East hinab gegangen - die Straße verläuft nur etwa 100 Meter östlich von der Einmündung der Middlesex Street und der Goulston Street in die Aldgate High nach Süden (!).
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Detective Inspector Cox zur Überwachung des Tatverdächtigen sagte. Zur Verschleierung der Observation, die der jüdischen Gemeinde nicht verborgen blieb, behaupteten die Polizisten, die Schneider auf Beschäftigung von Minderjährigen zu überwachen: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age." Dies könnte sich auf den Petticoat Lane Street Market mit seiner Bekleidungsindustrie oder den "Khazar Mark" in der Parallelstraße Goulston Street beziehen, wo Schneidermeister Arbeitskräfte rekrutierten.

Die Maßnahmen der City Police deuten darauf hin, dass die Indizien sie in dem Verdacht bekräftigten, es bei JTR mit einem einheimischen Metzger in der Umgebung von Aldgate High Street, Middlesex Street oder Goulston Street zu tun zu haben. Vielleicht war es sogar Jacob Levy, der beobachtet wurde - doch leider sind weder die genaue Adresse noch der Zeitraum der Observationen bekannt.
Allerdings schrieb das Aberdeen Weekly Journal bereits am 16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."

Wenn Jacob Levy der Ripper war, könnte dies bedeuten, dass er neben seiner Heimatadresse Middlesex Street 36 und seinem Bruder in der Goulston Street auch bei den Metzgern der Butcher's Row ein und aus ging. Denn sowohl Jacob Levy als auch der Zeuge und mutmaßliche Verwandte Joseph Hyam Levy sollen Geschäftsverbindungen in der Butcher's Row gehabt haben. Vermutlich kauften sie auch in der dortigen Schlachterei ein. Levy könnte sogar wegen seines ruinierten eigenen Geschäfts zeitweise dort oder in einem anderen Shop gearbeitet haben.


Nähe von mutmaßlichen Verwandten zu den Tatorten
Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen: "He occupied several shops in the East End."

Zusätzlich den möglichen Verbindungen Levys mit anderen Metzgern in der Butcher's Row gab es im Eastend noch die Shops der Levy-Familie aus der Mitre Street, mit denen Jacob und Joseph Hyam Levy laut Casebook verwandt gewesen sein sollen:
Darunter der Orangenhändler Samuel Levy in der Mitre Street 20 (Tatort Mitre Square) und der Zigarrenhändler John Levy in der Whitechapel Road 254 - nahe den Tatorten Buck's Row und Berner Street sowie unmittelbar neben dem Messer-Fund von Thomas Coram nach dem Double Event vor Whitechapel Road Nr. 253.
In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy, dessen Vater vor Jacob die Metzgerei in der Middlesex Street 36 hatte - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.

John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort. Samuel lebte erst in Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39. 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück.

Nicht vergessen werden sollte schließlich noch Jacobs Bruder Isaac Levy, der zur Zeit der Morde  in der Goulston Street 130 lebte - nur einen Gebäudekomplex entfernt von dem Hauseingang, in dem das blutige Teil von Eddowes Schürze gefunden wurde.

Fazit: Waren die Levys von Mitre Street tatsächlich mit Jacob Levy verwandt, so rückt der verrückt gewordene Metzger durch die Adressen seiner Verwandten in die unmittelbare Nähe zu mehreren Tatorten und den Funden von Schürze und Messer. War Jacob Levy der Ripper, kannte er sich dort besonders gut aus, hätte für seine Anwesenheit in den Straßen eine plausible Erklärung gehabt und Möglichkeiten, nach den Taten schnell aus der Öffentlichkeit verschwinden zu können, indem er bei ihnen Unterschlupf suchte. 


Mittwoch, 17. Juli 1889: Mord an Alice McKenzie in der Castle Alley
Police Constable Walter Andrews entdeckte gegen 0.50 Uhr in der Castle Alley den leblosen Körper von Alice McKenzie, etwa eine halbe Stunde, nachdem er das letzte Mal auf seiner Runde dort gewesen war. Zeugen der Tat gab es keine. Ihre linke Halsschlagader war durchtrennt, ihr Rock war hochgeschoben und der Unterleib mit einem Messer traktiert worden, allerdings waren die Verletzungen eher oberflächlich.

Die Polizisten und die untersuchenden Ärzte waren uneinig darüber, ob es sich um ein weiteres Ripper-Opfer handelte. Einiges passte ins Schema: McKenzie übernachtete in einem Armenhaus, war rund 40 Jahre alt, Prostituierte und Trinkerin - und wurde im Zentrum von JTRs Aktivitäten getötet. Allerdings wurde ein anderes Messer benutzt, und zudem wurde sie nicht gewürgt, es gab auch keinen vollständigen Kehlenschnitt, die Wunden waren nicht so tief und der Unterleib war nicht ausgeweidet.
Der Täter hätte wahrscheinlich durchaus genug Zeit für weiterreichende Verstümmelungen gehabt, denn er war wohl diesmal nicht gestört worden. Indiz dafür: Obwohl es kurz geregnet hatte, war der Gehweg unter McKenzies Körper trocken, was bedeutet, dass sie wohl schon vor dem Schauer getötet wurde und somit einige Zeit unentdeckt dagelegen hatte. Möglicherweise war es ein Nachahmungstäter, der dem Ripper diesen Mord in die Schuhe schieben wollte.

Falls es doch JTR war, deutet alles darauf hin, dass er nicht mehr auf der Höhe seiner physischen und/oder psychischen Kräfte war - Folgen der fortschreitenden Syphilis?
Auch der große zeitliche Abstand zu den übrigen Taten fällt auf: JTR hatte eine sehr kurze Abkühlphase, so dass längere Pausen wohl nur durch widrige Umstände wie Krankheit, Einweisung oder Ermittlungsdruck der Polizei zu erklären sind.
Falls Jacob Levy der Täter war: Der Tatort ist nur 100-200 Meter oder 1-2 Minuten Gehweg von Butcher's Row und Middlesex Street entfernt.


"The crazy jewish Butcher"
Spätestens nach diesem Mord machte die Ripper-Theorie vom "verrückten jüdischen Metzger" die Runde, die von verschiedenen Presseorganen aufgegriffen wurde.

London Evening News And Post, 13. September 1889:
"The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion. He has a business, to which he scarcely ever personally attends. He goes about drinking, and is to be met at all hours of the night in the streets all over the neighborhood. He enters his house at hours when his wife and family have long been at rest. No member of his family dare question him as to his ramblings. He knocks about among the lowest class of women at unearthly hours, although, according to general report, their very appearance is hateful in his sight. His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible. His habits are such as to give one the notion that he is not altogether in a fit position to be allowed to roam at will. Whether he has anything to do with any crime, it is, of course, impossible to say, but he is kept in view."

Offensichtlich war der Observierte ein im East End lebender Metzger, der sein Geschäft vernachlässigte, so wie auch Jacob Levys Frau beklagte. Er fing an zu trinken und streifte nachts umher, so wie Levys Frau gesagt hat. Er trieb sich bei Prostituierten herum, obwohl er sie hasste.
"His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible." - Und sein Hass kam von einer Syphilis-Infektion, wofür er die Schuld nicht bei sich, sondern bei anderen suchte.

Rochester Democrat And Chronicle, 16. September 1889:
"The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."

North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889:
"A Detective's Views: We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel. One man created some stir during the last murders under circumstances which I need not say anything about. He is a curious sort of fellow; in business, but not doing much to keep it going. His wife and daughter see to it, and he is out at all hours of the night. He says he is a member of the vigilance committee, but I can't answer as to that. No, I won't tell you his name, even if you do want to find out if he is a member or not. This man is out at all hours of the night, and he lets himself in some quietly that his wife does not know what time he really arrives home. She generally finds him in the shop when she comes down the morning. He is being watched, but we can't arrest him only on the suspicious we have. We must wait further developments."

Der Observierte vernachlässigte sein Geschäft, streifte nachts umher, und seine Frau wusste nicht, wann er zurückkam - das passt zu den Aussagen von Jacob Levys Frau bei seiner Einweisung.
"She generally finds him in the shop when she comes down the morning." - Die Erklärung dafür, warum seine Frau nichts bemerkt haben könnte: Sie schlief in der Wohnung, er im Shop. Auch das passt: Wenn JTR tatsächlich Familie hatte, dann muss er wohl woanders genächtigt haben als seine Frau, vermutlich wegen ehelicher Differenzen.
Seine Frau und Tochter kümmerten sich um das Geschäft - zwar war Levys Tochter Hannah 1889 erst vier Jahre alt, aber dafür wohnte laut Census von 1891 Sarahs jüngere Schwester Flora Abrahams mit im Haus, die vielleicht irrtümlicherweise als Tochter im Artikel auftaucht.

Sunday Chronicle, October 15, 1905:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety.
Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."

Der Observierte war in einer großen Geschäftsstraße tätig, und zwar in der City of London, nicht in Whitechapel (!). Dies klingt nach dem Butcher's Row Suspect, denn die Butcher's Row (und auch die einmündende Middlesex Street) gehörten bereits zur City of London. Er war verheiratet und hatte Familie, wie Jacob Levy. Er wurde seltsam und seine Eskapaden bereiteten seinen Freunden Sorge - auch das erinnert an den Verfall Levys mit Diebstahl, psychischer Erkrankung, Geschäftsvernachlässigung und schließlich dem nächtlichem Umherstreifen.



Fortsetzung s.u.
« Letzte Änderung: 18.09.2016 13:25 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jacob Levy
« Antwort #295 am: 18.09.2016 11:41 Uhr »
Das Ende

15. August 1890: Einlieferung ins Irrenhaus

Jacob Levy wird als geisteskrank in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert.
In der Krankenakte wird als Einweisungsgrund "Manie" eingetragen, an der er schon seit längerem leide. Er soll bei seiner Einlieferung noch in guter körperlicher Verfassung gewesen sein, seine Größe wird mit knapp 1,70 Meter und sein Gewicht mit 60 Kilo angegeben.
Seine Frau soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein sehr guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.
Merwürdigerweise soll Levy gesagt haben, dass schon sein Bruder Abraham Selbstmord begangen habe, indem er sich selbst die Kehle durchgeschnitten (!) habe. In den Akten steht: "Whether any near relative has been afflicted with insanity: Yes. Elder brother cut his throat." - Dabei hat er sich laut Casebook erhängt: Im Mai 1875 nahm sich Jacobs Bruder Abraham das Leben, weil er angeblich bei Pferderennen enorme Summen verloren hatte. Einem Zeitungsbericht nach fand Jacob selbst den erhängten Leichnam seines zwei Jahre älteren Bruders.
In den Akten heißt es über Jacob:
"Known patient several years: formerly shrewd business man, now quite incapable of carrying on the same, giving wrong change & money back for things bought. Says he feels a something within him impelling him to take everything he sees. Feels that if he is not restrained he will do some violence to some one. Complains of hearing strange noises.
Wife (Sarah Levy, 36 Middlesex St.) deposes that he has nearly ruined her business being quite incapable of taking care of money. Makes away with every penny he can put his hand on, orders goods indiscriminately & is continually taking other peoples goods carrying them off.
Wanders away from home for hours with out any purpose. Does not sleep at night raves and is continually fancying someone is going to do him bodily harm. (...) Has delusions as to his own importance, such as - it being in his power to give great grants of land & money."

Dass Levy sein Geschäft vernachlässigte, nachts umherstreifte und zugab, von inneren Stimmen zu Gewalttaten getrieben zu werden, ist ein gutes Indiz für eine mögliche Täterschaft. Ebenso die Größenwahnphantasien über seine eigene Bedeutung. 
Hinzu kommt die seltsame Aussage zum Tod seines Bruders: Hat Levy vielleicht in seiner psychischen Zerrüttung hier seine Vorliebe fürs Kehlenschlitzen verraten?
Dass er auch 1890 noch in guter körperlicher Verfassung war, legt jedenfalls nahe, dass er trotz seiner Erkrankung physisch zu den Morden fähig gewesen wäre.

In ihren Memoiren nannten die hochrangigen Polizeibeamten Macnaghten und Anderson beide als einen der Hauptverdächtigen im Ripper-Fall einen Juden, der in nächster Nähe zu den Opfern lebte und nach den Morden in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde. Auch Major Arthur G.F. Griffiths schrieb in seiner Reihe "Mysteries of Police and Crime" 1898 von "a Polish Jew, a known lunatic who was at large in the district of Whitechapel at the time of the murders and who (...) was confined to an asylum" (das "polish" könnte eine Verwechslung mit Kosminski sein)
Chief Inspektor Swanson schrieb persönliche Anmerkungen in sein Exemplar von Andersons Memoiren, die den grundsätzlichen Sachverhalt bestätigten. Allerdings fügte er noch hinzu, dass der Verdächtige in einem "Seaside Home" von einem Zeugen erkannt worden sei und es ihm auch bewusst gewesen sei, dass die Polizei ihn identifiziert habe. Danach habe man ihn vorübergehend zu seinen Verwandten zurückgebracht, wo die Polizei ihn Tag und Nacht beobachtet habe, bevor er dann endgültig in eine Irrenanstalt gebracht worden sei, wo er schon bald verstorben sei.
Dies würde erklären, warum die Morde aufhörten.

Damit würde der von Ripperologen in den Akten von Colney Hatch gefundene gewalttätige Irre David Cohen als Verdächtiger ausfallen, denn nach bisherigen Erkenntnissen hatte er keine Verwandten. Eine weitere Diskrepanz: Die Zeugen beschrieben alle einen Mann mittleren Alters - David Cohen war damals aber erst 23 Jahre alt. Zudem wurde er bereits am 7. Dezember 1888 per Gerichtsbeschluss erst ins Whitechapel-Arbeiterkrankenhaus eingewiesen, und dann wegen seiner Unkontrollierbarkeit am 21. Dezember direkt weiter ins Irrenhaus Colney Hatch, wo er am 20. Oktober 1889 verstorben sein soll - die erste offiziell "Seaside Home" genannte Einrichtung wurde aber erst 1890 eröffnet.
(Allerdings vermuten einige Ripperologen, dass "David Cohen" auch ein Alias wie "John Doe" gewesen sein könnte, da es noch andere Namens-Unklarheiten in dem Fall gibt.)

Jabob Levys Einlieferungsdatum in die öffentliche Anstalt passt jedenfalls zum Zeitpunkt der angeblichen Identifikation von JTR in einem "Seaside Home" (s.u.), welche von Ripperologen auf Sommer 1890 angesetzt wird, da das Convalescent Police Seaside Home in Hove (bei Brighton) in diesem Jahr eröffnet wurde und in seinen Akten zwei Besucher ohne Namensnennung auftauchen.
Zwar wurde von Chief Inspektor Swanson als öffentliche Anstalt Colney Hatch ins Spiel gebracht, aber dies bezog er explizit auf Kosminski. Laut Researcher Steward Hicks soll Lady Anderson, die Ehefrau von Assistant Commissioner Robert Anderson, hingegen gesagt haben, der Ripper sei in einer Anstalt bei Stone gewesen.

Da Levy schon "seit längerem" an seiner Krankheit gelitten hatte, könnte er zuvor bereits in familiärer Betreuung und/oder einer privaten Einrichtung gewesen sein - so wie dies später von hochrangigen Polizisten über den Ripper-Verdächtigen erzählt wurde (s.u.).
Die Polizei soll jedenfalls schon Ende 1888 alle privaten Sanatorien überprüft haben:
"The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted." (The Bristol Mercury, 29. Dezember 1888)

War Jacob Levy der Ripper, würde dies den Zeitraum von eineinhalb Jahren zwischen dem Kelly- Mord und seiner offiziellen Einweisung im August 1890 erklären.
Über Levy ist leider nur bekannt, dass er in Stone eingeliefert wurde, es gibt bisher keine Hinweise auf vorübergehende Unterbringungen woanders. Jedoch wäre es plausibel, dass sich zunächst seine Angehörigen um ihn kümmerten, bis sich sein Zustand so weit verschlechterte, dass er für sie nicht mehr zu bewältigen war, worauf sie ihn unter falschem Namen in ein privates Sanatorium steckten, bevor er von der Polizei entdeckt und identifiziert wurde.


Freitag, 13. Februar 1891: Mord an Frances Coles in Swallow Gardens
Gegen 1.45 Uhr traf eine Bekannte, die Prostituierte Ellen Callagher, in der Commercial Street auf Coles. Sie liefen gemeinsam Richtung Minories und begegneten einen "brutalen Mann mit einer Baskenmütze", an den Callagher sich als einen früheren Kunden erinnerte. Sie will Coles gewarnt haben, dass der Mann ihr vor einiger Zeit ein blaues Auge geschlagen habe, und sie solle sich nicht mit ihm abgeben. Coles befolgte den Rat ihrer Freundin allerdings nicht und unterbreitete dem Mann ein Angebot, worauf die beiden ohne Callagher in Richtung Minories gingen.
Carmen Friday und die Brüder Knapton gingen kurz nach 2 Uhr morgens durch die Eisenbahn-Unterführung Swallow Gardens. Sie sahen eine Frau und einen Mann, die an der Ecke der Royal Mint Street standen. Gegen 2.15 Uhr dann entdeckte Police Constable Ernest Thompson auf seiner Runde unter der Eisenbahnbrücke die Prostituierte Frances Coles mit durchschnittener Kehle.
Die Justiz klagte später Coles gewalttätigen Freund Thomas Sadler an, der jedoch freigesprochen wurde, weil er ein Alibi hatte.
Verdächtigungen wie im Automn of Terror mit den Gerüchten um "Lether Apron" verbreiteten sich unter den Bewohnern des Eastends, laut Mundpropaganda sollte ein gewisser jüdischer Metzger namens "Jacobs" (!) der Mörder gewesen sein.
Benjamin Leeson schrieb in "Lost London: The Memoirs of an East End Detective" (1934):
"... a story circulated that the Ripper was a butcher, who wore blue overalls and a leather apron, and an English Jew named Jacobs, a perfectly harmless man, somehow attracted suspicion to himself. Possibly because, working in a slaughter house, he always wore a leather apron. People would point Jacobs out in the street as a suspected man, and more than once he had to run for it. I myself was often obliged to take him to the police station for protection. The thing so preyed on the poor fellow's mind that it finally caused him to lose his reason." 

Coles war zwar auch eine Prostituierte, der die Kehle aufgeschlitzt wurde, allerdings wurde sie nicht zuvor gewürgt, sondern einfach zu Boden gerissen, das Messer soll ebenfalls ein anderes gewesen sein - der obduzierende Dr. Phillips hielt jedenfalls JTR nicht für den Täter.
Interessant ist allerdings, dass in gewissen Teilen der Bevölkerung Gerüchte über einen Metzger namens "Jacobs" die Runde machten, was doch sehr nach "Jacob" klingt.
Könnte vielleicht in bestimmten Kreisen schon länger der Verdacht bestanden haben, dass der Metzger Jacob Levy möglicherweise der Ripper war? War hier etwas durchgesickert und kursierte nun unter Leuten, die nicht wußten, dass der echte Verdächtige bereits in einer Anstalt war?


29. Juli 1891: Jacob Levys Tod
Levy stirbt an den Folgen der Syphilis in der Nervenheilanstalt Stone in Kent.
In den Akten steht als Todesursache: "General paralysis of the insane brought on by the serious sexually transmitted disease syphilis".

Macnaghten und Swanson bezeichneten ihren Verdächtigen in der Anstalt zwar als "Kosminski", jedoch enthalten die Erinnerungen der Polizisten nachgewiesenermaßen einige Ungenauigkeiten, so dass sie sich mit dem Namen geirrt haben könnten, denn der in medizinischen Akten gefundene Aaron Kosminski war damals erst 23 Jahre alt und starb erst 1919 in der Anstalt, nicht schon bald nach der Einweisung, so wie Swanson glaubte.
Zudem schrieb Robert Sagar von der City-Police von einem Metzger, der observiert worden war, und Kosminski soll Haarschneider gewesen sein.
Vermutlich wurden einfach die Namen von ein paar verdächtigen Anstaltsinsassen durcheinander geworfen. Der nie an den Ermittlungen beteiligte Mcnaghten schrieb sein internes Memorandum 1894 und veröffentlichte seine Memoiren "Days of My Years" erst 1914 - Jahre nach den Ripper-Morden. Robert Anderson veröffentlichte seine Memoiren "The Lighter Side of My Official Life", in die Swanson seine privaten Anmerkungen machte, erst 1910.

Interessanterweise hatte Jacob Levys unmittelbarer Nachbar, der Butcher Hyman Sampson (den Jacob 1886 bestohlen hatte), seit 1881 einen angestellten Metzger namens Aaron Krotoski. Der heiratete Sampsons Tochter und betrieb schließlich nach Sampsons Tod 1887 den Butcher Shop zuerst mit Sampsons Witwe Elizabeth weiter, bevor er ihn irgendwann nach 1888 ganz von der Schwiegermutter übernahm. Als Sarah Levy schließlich ihren Butcher Shop aufgab, war Aaron Krotoskis Metzgerei die einzige an der Ecke Stoney Lane.
Aaron Krotoski - Aaron Kosminski: zwei für Engländer ungewöhnliche Namen, die ähnlich klingen, könnte da etwas in den Erinnerungen unserer Polizisten durcheinander geraten sein?
Zwei jüdische Verdächtige, die kurz nacheinander im Irrenhaus landeten, der eine war ein Butcher, dem ein Aaron Krotoski nachfolgte, der andere hieß Aaron Kosminski.
Macnaghten schrieb sein Memorandum 1894 und war an den Ermittlungen im Ripper-Fall nicht beteiligt, er hatte seine Informationen also von seinen Kollegen, wahrscheinlich von Swanson, und der wiederum hatte sie vermutlich von den Kollegen der City Police, denn die Butcher's Row Observationen hatte ja die City Police betrieben.
Den Shop der Levys gab es nicht mehr, dort oben an der Ecke Stoney Lane war jetzt nur noch der Laden eines Aaron Krotoski. Könnte es bei Swanson und Macnaghten daher vielleicht zu einer Verwechslung bzw. Vermischung von Kosminski mit Levy gekommen sein?
Immerhin glaubte Swanson ja auch, der Verdächtige sei nicht lange nach seiner Einweisung verstorben, aber Kosminski lebte noch bis 1919, während Levy schon 1891 in der Anstalt starb. Dies deutet darauf hin, dass zwei Verdächtige verwechselt wurden. 

Eine weitere plausible Erklärung der Namens-Irritationen könnte im Verhalten der Verwandten des mutmaßlichen Mörders liegen: Wenn er von den Angehörigen zuerst in eine private Anstalt gesteckt wurde, als sie seinem Irrsinn und seiner Gefährlichkeit nicht mehr Herr wurden, wäre es gut nachvollziehbar, dass sie ihn unter einer falschen Identität irgendwo eingewiesen hatten, um ihn und die Familie zu schützen.
Das wäre dann so lange gut gegangen, bis es zur Überprüfung aller neuen Anstalts-Einlieferungen durch die Polizei und der erwähnten Gegenüberstellung mit Identifizierung im "Seaside Home" gekommen war. Die spätere endgültige Einweisung in ein staatliches Institut wäre dann zwar unter dem richtigen Namen erfolgt, aber die Namensverwirrung könnte immer noch in Polizeikreisen und -Berichten präsent gewesen sein und so zu den Irrtümern geführt haben.

Robert Anderson jedenfalls schrieb in seinen Memoiren: "Die einzige Person, die jemals einen guten Blick auf den Mörder werfen konnte, identifizierte ihn, aber als er erfuhr, dass der Tatverdächtige ein Glaubensbruder war, weigerte er sich, gegen ihn auszusagen."
Swanson bestätigte in seinen privaten Anmerkungen diesen Aspekt.
Bei diesem Zeugen könnte es sich somit um Joseph Hyam Levy, Joseph Lawende (beide Fall Eddowes) oder Israel Schwartz (Fall Stride) gehandelt haben.

Da Macnaghten schrieb, dass der Verdächtige der Beschreibung jener Person entsprach, die am Mitre Square gesehen wurde, dürfte der Zeuge tatsächlich entweder Joseph Hyam Levy oder Lawende gewesen sein. Joseph Hyam Levy machte bei der Befragung kaum Angaben zum Verdächtigen und gab sich verschlossen, vermittelte aber den Eindruck, als wisse er mehr als er sagen wollte, während Lavende zunächst eine detaillierte Beschreibung abgab. Lawende war ein Handelsreisender aus Dalston, kein Bewohner Whitechapels, und dürfte JTR nicht gekannt haben, so dass er vermutlich bedenkenlos eine erste Aussage machte, zumal er den Mann anfangs nicht für einen einheimischen Juden, sondern für einen Seemann gehalten hatte.
Eine Erklärung für den Rückzieher des Zeugen könnte somit sein, dass Joseph Lawende schließlich von seinem Begleiter Joseph Hyam Levy bearbeitet worden war, nicht gegen den Glaubensbruder auszusagen, um ein Pogrom gegen die jüdische Gemeinde zu verhindern.
Dass die Polizei tatsächlich die konkrete Möglichkeit sah, über die Zeugen Lawende und Joseph Hyam Levy den Ripper zu überführen, belegt auch die Vorgehsweise bei der öffentlichen Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod, bei der Lawende verboten wurde, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben (s.o.).


1892: Ermittlungs-Ende

Die Akte Jack the Ripper wird von der Polizei offiziell geschlossen.

Dies würde zeitlich besser zu Jacob Levy passen als zu dem in den Memoiren erwähnten Kosminski, da Aaron Kosminski erst lange nach seiner Einweisung und seiner Verlegung nach Leavesden im Jahr 1919 starb. Auch der von Ripperologen in den Akten der Colney Hatch Nervenheilanstalt gefundene mögliche Verdächtige Hyam Hyams starb erst am 22. März 1913.



Fazit

Die Theorie, dass JTR ein jüdischer Metzger war, der im Irrenhaus starb, erklärt den ansonsten merkwürdigen Schluss im Ripper-Fall: Nach dem Ende der Mordserie laufen die Ermittlungen angeblich ergebnislos aus, die Akte wird geschlossen - aber Jahre später erklären hochrangige Polizisten in ihren Memoiren oder Zeitungsartikeln, der Ripper wäre eigentlich identifiziert worden.

Nach dem Mord an Mary Ann Nichols verdichteten sich im Eastend schnell Gerüchte, dass die Morde von einem Juden mit dem Spitznamen "Leather Apron" verübt worden sein sollten, was so auch in den Zeitungen verbreitet wurde und schon zu ersten antisemitischen Aufwallungen und Kundgebungen führte.
Superintendent Thomas Arnold ordnete daher nach dem Double Event mit Erlaubnis von Polizeichef Charles Warren an, das Goulston Street Graffiti auf der Stelle zu entfernen, explizit aus dem Grund, um mögliche Pogrome gegen Juden zu verhindern. In seinem Bericht vom 9. November 1888 schreibt Arnold: "Ich bitte darum berichten zu dürfen, dass am Morgen des 30. September, dem Letzten, meine Aufmerksamkeit auf eine Aufschrift an der Wand des Eingangs zu Behausungen in der Goulston Street 108, Whitechapel gerichtet wurde, welche aus folgenden Worten bestand: 'Die Juwes sind [nicht] die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden'.
Ich wusste, dass aufgrund der Verdächtigung eines Juden namens John Pizer, genannt ‚Leather Apron‘, der beschuldigt wurde, den kürzlich in der Hanbury Street verübten Mord begangen zu haben, ein starkes Gefühl gegen die Juden im Allgemeinen aufkam. Da das Gebäude, auf dem sich die Aufschrift befand, mitten in der Lokalität liegt, die hauptsächlich von dieser Religions-gemeinschaft bewohnt wird, war ich besorgt darüber, dass wenn die Aufschrift verbleibt, diese für einen Aufstand verantwortlich sein könnte. Daher habe ich erwogen, dass es wünschenswert sei, sie aufgrund der Tatsache zu entfernen, dass sie sich an einer Stelle befand, die gut von den Menschen einsehbar war, die dort hinein- und hinausgehen."

Falls man den Ripper tatsächlich durch einen Zeugen als verrückt gewordenen jüdischen Metzger identifizierte, hätte die Bekanntgabe demnach zu schrecklichen Übergriffen bis hin zum Pogrom gegen die jüdische Gemeinde in Whitechapel im Allgemeinen und seine Familie im Besonderen führen können. Denn an die Eröffnung eines Prozesses wäre schon wegen des Gesundheitszustands des Tatverdächtigen nicht zu denken gewesen. Und selbst wenn: Ob die dünnen Beweismittel für eine Verurteilung ausreichend gewesen wären, darf bezweifelt werden - ein Freispruch aus Mangel an Beweisen wäre aber verheerend gewesen.
Wegen der sowieso schon explosiven sozialen Lage, einem weitverbreiteten Antisemitismus und der aufgestauten Wut durch den Ripper-Terror wäre wohl zu erwarten gewesen, dass viele Menschen dann ihre Aggressionen an Sündenböcken ausgelassen hätten.
Die Behörden könnten daher zu dem Schluss gekommen sein, es sei angesichts der explosiven Situation im Eastend sicherer, den todkranken Irren stillschweigend in einer Anstalt verrotten zu lassen und lieber weiter zähneknirschend vor der Öffentlichkeit wie Versager in diesem Fall dazustehen, als eine Katastrophe im Viertel zu riskieren.



Geographisches Profil von Jacob Levy:
« Letzte Änderung: 18.09.2016 13:06 Uhr von Arthur Dent 2 »

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #296 am: 18.09.2016 17:28 Uhr »
Ich denke, mit der endgültigen Zusammenfassung von Jacob Levy, wir sehen einen würdigen Verdächtigen, wo es sich lohnen könnte, weiterhin am Ball zu bleiben. Ich werde auf jeden Fall bei Jeff Leahy anregen, bei der Durchsuchung bestimmter Anstaltsunterlagen in Surrey, nach Jacob Levy mit zu suchen.

Im Prinzip war der bereits im Februar 2012 erschienene Artikel über Jacob Levy im Ripperologist 124 von Neil und Tracey  I´anson schon maßgebend genug und ihn erneut zu lesen bzw. die entsprechenden Fäden im Casebook oder JTRForums gründlich zu durchforsten, hätte sicherlich einiges an Arbeit erspart. Es hat aber auch etwas für sich, die bereits gemachten Erkenntnisse zu bestätigen und damit letztendlich sagen zu können: Jacob Levy könnte ein Verdächtiger bezüglich der Jack the Ripper Morde gewesen sein. Für mich persönlich war es recht spannend zu erfahren, wie über Jahre die ehemalige Petticoat Lane auf einer Hälfte zur Middlesex Street wurde und später dann nur noch Middlesex Street hieß. Auch der Umbau der Goulston Street um 1886 mit den dann neuen Wentworth Blöcken wurde mir gewahr.

Es fällt mir leichter, den von Macnaghten, Anderson und Swanson beschriebenen Kosminski auf den Verdächtigen von Cox und Sagar zu beziehen (beide könnten ja auch separate Verdächtige beschrieben haben) als Jacob Levy auf die “Kosminski“ Umstände selber. Falls Levy und Kosminski tatsächlich Verdächtige der City Police waren, würde das angebliche schnelle Dahinscheiden von Kosminski in der Tat verwechselt worden sein können mit Levy´s Tod im Juli 1891.

Was mir ebenfalls ungewöhnlich vorkommt, aus meiner Sicht der Persönlichkeit des Ripper Mörders, ist, dass Jacob Levy einst erwähnte, dass er Angst habe, Gewalt gegen andere ausüben zu können. In jenem Alter sind Gewalt- und Tötungsfantasien bereits mehr als ausgeprägt und ein potentieller Killer würde sich, rein psychologisch gesehen, eher so nicht ausdrücken. Nicht dass es unmöglich wäre aber es wäre zumindest ungewöhnlich. Außerdem war er lange verheiratet, hatte acht Kinder und schien einst auch etwas erfolgreich.  Auch scheint bei ihm ein Vater in prägender Phase und darüber hinaus vorhanden gewesen zu sein. Ein fehlender oder inaktiver Vater ist oft ein Merkmal bei Serienkillern. Man könnte jetzt sagen inaktiv aber diese Familie schien doch recht agil aber man weiß ja nie, wie die Dinge tatsächlich abliefen.

Auch wenn er aus einer Butcher Familie stammte und selber ein solcher war, er wäre damit schon recht früh in seinem Leben mit allen Fähigkeiten für dieses Handwerk ausgerüstet gewesen. Er musste sein Handwerk während der Mordserie nicht lernen und Tabram als auch Nichols wären intensiver verletzt und verstümmelt worden. Man könnte auf Störung am Tatort hinweisen aber bei Tabram hatte er genug Zeit um zahlreiche Messerstiche durchzuführen und bei Nichols sahen die Wunde so aus, als ob der Täter sich noch nicht ganz sicher war, wie er nun agieren soll. Für einen Butcher ungewöhnlich. Man könnte aber auch hier anmerken, dass es etwas anderes ist einen Menschen zu töten anstelle von Schlachtvieh. Für mich sieht es eher nach jemanden aus, der sein “Handwerk“ erst noch lernen musste, dessen Erfahrung mit solchen Dingen länger zurücklag oder er sie gerade erst frisch machte.

Cox von der City Police in die Middlesex Street zu stellen ist möglich, es bleiben jedoch noch Fragen diesbezüglich offen. Der Bericht von Cox lässt eher auf eine Straße schließen, die von tatsächlichen Schneidern und Mützenmachern geprägt war, eher im Stile größerer Produktionen. Und die gab es tatsächlich im East End Bereich. Ich vermute eher einen Shop der auch mit diesem Berufszweig verbunden war. Auch sprach Cox von einem Shop, welcher Wohnung und Laden zugleich war. In einem Schlachtershop hätte man eher nicht direkt gelebt sondern darüber, vielleicht mit einem separaten Zugang. Nun wäre es aber möglich, per Hintereingang eines Shops in die obere Etage zu gelangen, vielleicht auch in einen seitlichen Trakt. Viele Schneider u.ä., wir wissen das via Booth, nutzten ihren Wohnraum gleichzeitig als Werkstatt. Man kann, muss nicht, die Angaben von Cox auf einen Schneiderladen o.ä. beziehen. Hier sehe ich die Chance 70:30 für einen Schneidershop. Cox Größenangabe für seinen Verdächtigen von 5' 6" tall im Vergleich zu Levy´s 5' 3" tall aus der Anstalt, lasse ich mal außen vor. Da habe ich mich von Arthur überzeugen lassen, ein paar Zentimeter unterschied nicht überzubewerten.

Bei Sagar sehe ich das etwas anders. Hier ist eindeutig von einem Butcher Shop die Rede. Er erwähnt, dass die Freunde vom Verdächtigen es für ratsam hielten, den Mann in eine Anstalt zu bringen. Unter der Adresse von Freunden, z.B. Isaac Barnet, wurde Levy in Stone eingetragen. Hier machen Arthur´s Erklärungen besonders viel Sinn, dass es vielleicht für Levy wieder schwierig war, beruflich Fuß zu fassen als auch mit Frau und Kindern dauerhaft zusammen zu leben. So könnte er Jobs in der Aldgate High Street/Butchers Row als auch noch woanders angenommen haben und bei Freunden zeitweise gewohnt haben (Barnett).  Allerdings macht Sagar´s Bemerkung über eine Umsiedlung nach Australien und den dortigen Tod des Verdächtigen keinen Sinn mit Jacob Levy (aber das tut es in Fällen anderer Verdächtiger auch nicht). Eine von Sagar´s Observationen in der Butchers Row fanden im Dezember 1890 statt, als Jacob Levy schon in Stone eingewiesen war. Cox und Sagar waren bereits im Oktober/November 1890 an einer Ermittlung beteiligt, die sich auf einen Mann in der Greenfield Street bezog. Dieser lebte nur sechs Türen von Isaac Abrahams (Bruder von Aaron Kozminski) entfernt. Sagar´s Observation in der Butchers Row bezog sich auf ein Bordell. Ich sehe durchaus eine Möglichkeit bei Sagar und Cox, dass sie beide von einem Verdächtigen sprachen und bei dessen Observation auch auf weitere kriminelle Handlungen stießen, wie auf das betreiben eines Bordell (Sagar) oder auf Fälscherei (Greenfield Street). Die Greenfield Street war in der Tat eine Straße mit größer produzierenden Schneidern und dafür bekannt. Dennoch gebe hier eine 50:50 Chance für Jacob Levy als Sagar´s Verdächtigen in der Butchers Row.

Letztendlich muss ich jedoch sagen, dass Arthur´s Gedanken zu Jacob Levy mit den anderen bekannten Fakten durchaus sehr viel für sich haben und alles andere als unmöglich sind. Dem sollte man weiterhin viel Aufmerksamkeit schenken. 

Lestrade.
 
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #297 am: 19.09.2016 10:33 Uhr »
Hallo Lestrade,

ich weiß jetzt gar nicht, ob meine PN angekommen ist, denn ich sehe sie nicht im Postausgang... Könnte das daran liegen, dass ich NoScript verwende?


Jedenfalls bin ich dir dankbar für all die Tipps und Infos, wo dein Schwerpunkt doch Kosminski ist.
 

Allerdings sehe ich das mit Levy noch nicht als endgültige Zusammenfassung - das war nur schnell aktualisiert.

Z.B. bin ich ja der Schlachthaus-Frage in der Hanbury Street noch nicht weiter nachgegangen und habe sie im Text noch nicht geändert (hatte nur auf der Karte ein Fragezeichen dran gemacht als Gedächtnisstütze, als ich Jacob richtig positioniert habe). Darüber hinaus habe ich noch einige Holprigkeiten und Doppelungen in dem zusammengestückelten Text.

Auf jeden Fall werde ich, soweit meine Zeit es zulässt, weiter an der These feilen - und warte schon die ganze Zeit gespannt darauf, dass Tracy Ianson ihre Ergebnisse mal als Buch herausbringt.


Aber wir können uns ja demnächst, wenn wir Zeit dazu haben, mal wieder dem Verdächtigen Kosminski zuwenden.

Denn meine Idee war es ja, dass hier im Forum ein paar aktualisierte Zusammenfassungen zu den besten Kandidaten einander gegenüberstehen - so als eine Art Update und Erweiterung von Thomas Schachners Buch.


MfG, Arthur

Offline Phil

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Re: Jacob Levy
« Antwort #298 am: 19.09.2016 10:38 Uhr »
Hey Arthur,

das ist eine tolle Zusammenfassung über Jacob Levy, danke dafür! Ich habe die letzten Tage immer still die Posts von Lestrade und dir verfolgt, muss aber gestehen, dass ich nicht so tief in den Details steckte (Hausnummern etc.), um mitreden zu können. Die Zusammenfassung war jetzt mehr als gelungen und hat nochmal einen guten Überblick verschafft.
Levy zählt für mich definitiv zu einem der heißesten Kandidaten, und das wird hierdurch nur wieder bestätigt. Allerdings gibt es auch immer wieder einige kleine Punkte, die meiner Meinung nach nicht zusammenpassen, aber im Großen und Ganzen werden bei Levy schon viele lose Fäden zusammengeführt. Nur ganz kurz: Ich habe mir zum Beispiel das verlinkte Youtube-Video angeschaut, in dem Levy von der FBI-Profilerin analysiert wird. Wie sie die Verletzungen in Eddowes Gesicht erklärt, finde ich ehrlich gesagt total bescheuert. Da muss man einfach nur die Akten lesen und logisch schlussfolgern können, um zu erkennen, dass die Gesichtsverletzungen NICHT daher stammten, dass sie sich auf dem Boden gewehrt hat und der Ripper mit dem Messer statt des Halses immer das Gesicht traf. Aber das nur nebenbei.
Ich habe das bestimmt schon einmal erwähnt hier, aber ich bin auf Levy durch das PC-Spiel "Sherlock Holmes jagt Jack the Ripper" gekommen. Das Spiel lohnt sich wirklich, unabhängig von der toll eingefangenen Whitechapel-Atmosphäre, wird der Fall hier sehr logisch und wissenschaftlich (mit Levy als Tatverdächtigem) bearbeitet.
Und noch etwas, das mir beim Lesen gerade auffiel: Da Levy mit Vornamen Jacob hieß, kriegt der (natürlich nicht damit zusammenhängende, unbeabsichtigte) von Bulling erfundene Name "Jack, the Ripper" eine viel persönlichere Bedeutung.
Jacob --> Jack

Das war's erstmal mit meinen Gedankengängen dazu  ;)
"Happiness ain't at the end of the road, happiness IS the road" (Zitat aus dem gleichnamigen Lied von Marillion; Lyrics: Steve Hogarth)

Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #299 am: 19.09.2016 11:53 Uhr »
Hallo Phil,

danke für das Lob, aber im Gegensatz zu den "echten" Ripperologen und Researchern, die sich wochenlang durch Archive wühlen, um etwas Neues auszugraben, bin ich nur ein Eichhörnchen, das kreuz und quer herumläuft und einige der Nüsse aufsammelt, die andere bereits gefunden haben. ;-)

Auch wenn ich mich inzwischen auf Levy eingeschossen habe, weil ich ihn neben Kozminski als den heißesten mir bekannten Kandidaten ansehe (und bei Kozminski kann ich gegen Lestrade nicht anstinken), so sehe ich ebenfalls noch einige Punkte, die nicht passen - und manches davon wird wohl auch widersprüchlich bleiben.
Denn angesichts der großen Zahl an Verdächtigen, der Flut von Gerüchten, Vermutungen und sogar Fehlern in den erhaltenen Dokumenten ist es schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Was die Mystery Filers Doku angeht, so stimme ich dir zu: Pat Browns Erklärungsversuch für die Gesichtsverletzungen von Eddowes überzeugen mich auch nicht. Aber derzeit kenne ich keine andere Doku, die sich so intensiv mit Jacob Levy auseinandersetzt, und das meiste andere, was die Profilerin sagt, finde ich plausibel.

Von diesem Ripper-Spiel hatte ich mir übrigens mal den Spielverlauf auf Youtube angesehen - das hatte mich u.a. darauf gebracht, dass die Bewegungsrichtungen beim Double Event einen Hinweis auf seine geographische Verortung geben. War also sehr nützlich für mich.

Wer weiß, vielleicht findet ja irgendwann noch jemand Informationen, die ein ganz neues Licht auf den Fall werfen, und dann können wir alle Theorien von früher in die Tonne treten.


MfG, Arthur Dent