Autor Thema: Jacob Levy  (Gelesen 308431 mal)

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Re: Jacob Levy
« Antwort #60 am: 11.10.2015 17:06 Uhr »
Hallo Arthur,

Ich bin überzeugt, dass wir die Fähigkeiten Jack the Rippers nicht überbewerten sollten. Er hatte sicherlich enormes Glück und wenn wir uns Jacob Levy anschauen, dann sehen wir ja auch, dass er erhebliche mentale Probleme hatte. Sie wissen nicht ganz was sie tun und dann ein solches Schürzenteil zu verlieren, neben dem Hauseingang seines Bruders, sollte nicht allzu überraschend sein.

Wir wissen ja, dass die City Police dem Ripper nach dem Mitre Square Mord dicht auf den Fersen war. Via Gravel Lane, Stone Lane und als nächstes kam schon die Goulston Street in Sichtweite und ich denke, dass er sich im dortigen Hauseingang versteckt hatte. Er könnte dabei die Chance genutzt haben, sich zu reinigen und hatte sicherlich nicht damit gerechnet, dass dieser Stofffetzen jemanden interessieren könnte.

Ich bin der Meinung, dass diese Church Lane jene ist, die gegenüber dem Eingang der Osborn Street lag, wie Du erwähnst, an der Whitechapel Road. Es gab einige "Church" Straßen, auch die Cree Church Lane am Mitre Square. Die Church Lane gegenüber Osborn Street passt gut zur Fluchtaktivität des Rippers zwischen Berner Street und Mitre Square.

Die Batty Street Geschichte stellt sich eigentlich so dar, dass ein Schneider aus der Umgebung regelmäßig Wäsche bei Frau Kuer abgab und sie dann auch stets abholte. Das geschah auch Anfang Oktober 1888. Persönlich denke ich, dass dieser Schneider Isaac Abrahams war, der älteste Bruder Aaron Kozminskis aus der Greenfield Street. Ich habe die Hypothese, dass deren Schwester Matilda, die gegenüber Isaac auch in der Greenfield Street wohnte, Aaron´s Sachen einsammelte und diese dann via Isaac bei Frau Kuer landete. Meine Annahme ist, dass Aaron einen Shop an der Brick Lane hatte, wo er tagsüber arbeitete und andere Shops oder Adressen, in denen er nachts aktiv war. Brick Lane wäre dann nahe den Tatorten Hanbury Street and Dorset Street, die Greenfield Street nicht weit von der Bucks Row und ebenfalls nicht weit von der Butchers Row der Mitre Square. Der andere Bruder von Aaron, Woolf, lebte unmittelbar am Tatort Dutfield Yard in der Berner Street und hatte neben diesem Yard in 1881/82 selber gewohnt. Dazu passen auch die Aussagen von Cox, Anderson und Macnaghten.

Mir fiel bei Recherchen auf, dass nach dem Double Event, am 1. Oktober (später am Tag), ein Mann von einem Konstabler nicht weit vom Mitre Square aufgefunden wurde und zur Leman Street Polizeiwache verfrachtet worden ist. Er trug einen violetten Schal (vermutlich mit langen Frauenhaaren darauf) um den Hals und als man den Zeugen Lawende am 30. September 1888/ 1. Oktober 1888 fand, sagte dieser ja aus, dass er einen Mann mit einem roten/ rötlichen Halstuch gesehen haben wollte. Violett sieht bei Dunkelheit vielleicht rötlich aus...

Diese Konstabler ist vielleicht der PC near Mitre Square, den Macnaghten meinte. Ich habe die Vermutung, dass es sich um den gleichen PC handelt, der Eddowes in der Aldagte High Street, gegenüber der Butchers Row, betrunken aufgefunden hatte und Sie mit einem Kollegen Richtung Ausnüchterungszelle brachte. Die Nacht überlebte Eddowes ja nicht... Ich glaube Sims sagte über diesen PC, dass er später über die Leiche stolperte und man konnte immer meinen, er meinte PC Watkins aber vielleicht hatte er das falsch verstanden und meinte den PC, der über die betrunkene Eddowes vor ihrem Tod "gestolpert" war. Jener PC könnte auch der "Watchboy" gewesen sein, der eine Frau mit einem Mann in Richtung Mitre Square gesehen hatte, wobei der Mann kurze Zeit später alleine zurückkam. Sims meinte ja auch, dass der Konstabler "den Polen kurze Zeit später wiedersah"... Der PC der Eddowes fand war PC Robinson von der City Police... ich habe das ganz penibel herausgearbeitet und reiße das hier nur kurz an. Dennoch glaube ich, dass Lawende den Mann nicht identifizieren konnte, dass konnte Schwartz sicherlich auch nicht, denn wenn der Mann, den der Konstabler fand, Kosminski war, dann hatte Schwartz nicht Stride´s Mörder gesehen... auch glaube ich nicht, dass Hutchinson in Kosminski den Mann erkannte, den er mit Kelly gesehen hatte... ich bin mittlerweile wirklich überzeugt, dass der Zeuge im Seaside Home erst im Jahre 1890 gefunden wurde und er aus der Dorset Street stammte...

Beste Grüße, Lestrade.


 
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #61 am: 11.10.2015 20:44 Uhr »
Hallo Lestrade,

ich halte JTR auch nicht für ein kriminelles Genie, sondern für einen Mann, der einfach die nötige "Bauernschläue" eines Menschen hatte, der in einem schwierigen Umfeld aufgewachsen ist und lernen musste, sich dort durchzuschlagen - und dem dazu bei seinen Verbrechen noch eine gute Portion Glück zuhilfe kam.


Meine Interpretation der Batty Street Geschichte (wobei ich im Vergleich zu dir allerdings nur wenig darüber weiß) sah bisher so aus:

JTR wird beim Angriff auf Stride gestört. Er kann zwar Schwartz und Pipeman vorerst loswerden, indem er sie aufeinander hetzt, aber er weiß, er muss jetzt verschwinden. Er schneidet Stride schnell die Kehle durch (ohne Zeitverschwendung durch vorheriges Würgen), damit sie ihn nicht identifizieren kann, und flüchtet durch die enge Passage schräg gegenüber, die durch die Hinterhöfe an Mrs. Kuers Haus vorbei zur Batty Street führt. Dort im Hinterhof sieht er (z.B. bei einem Waschtrog oder an einem offenen Fenster) den Wäschestapel liegen, den ein Kunde abgegeben hat. Er benutzt eines der Kleidungsstücke oder wechselt es gar - denn diesmal hat es ja heftiger gespritzt - bevor er in die Batty Street hinaus tritt. 

Die zentrale Frage ist, ob Mrs. Kuer die Wäsche bereits blutig bekam, oder ob sie erst bei ihr versaut worden ist - und darauf habe ich in den widersprüchlichen Infos im Casebook bisher keine klare Antwort gefunden. Nach allem, was ich bisher gelesen habe, hat sie scheinbar erst einige Zeit nach der Übergabe der Wäsche gemerkt, dass Blut an einem Kleidungsstück war.


Deiner Interpretation nach könnte also Kosminski das Pech gehabt haben, dass seine Angehörigen seine Klamotten am nächsten Tag zur Reinigung mitgenommen haben.
Das wäre zwar möglich, aber m.E. wäre es doch ein sehr großer Zufall, dass die Wäscherin der Familie ausgerechnet direkt gegenüber des letzten Tatorts wohnt.
Was für deine These einer Verbindung sprechen könnte, ist jedoch der von Schwartz ausgesagte "Lipski"-Ruf: Lipski wohnte 1887 doch in der Batty Street. Irgendwoher musste JTR wissen, dass der Lipski-Mord nach einem Jahr in der Gegend noch präsent war und als Ablenkung funktionierte.


Vielleicht interpretieren wir beide auch einfach in die blutige Wäsche zuviel hinein, es ging in der damaligen Zeit recht blutig zu:
Systematischen Unfallschutz gab es noch nicht und Verletzungen bei der Arbeit oder zu anderen Gelegenheiten kamen häufig vor, auch private Schlachtungen von kleinen Nutztieren wie Hühner oder Hasen.
Vielleicht stimmt die harmlose Auflösung im Casebook ja:
"The police then called on Mrs. Kuer and took possession of the shirt and set up surveillance on the house for when the man returned. The matter was considered of considerable importance by Inspector Reid, Inspector Abberline and other senior officers.
The man returned on Saturday, 13 October, and was promptly taken into custody where he was held for about 36 hours until the morning of the 15th. The blood was explained by a friend had who got it on the shirt while cutting his corn. It obviously took quite a while to satisfy the police, but eventually they believed the incident had an innocent explanation."
http://forum.casebook.org/showthread.php?p=339051


Aber deine Kosminski-Recherchen find ich sehr interessant: Wenn die Familie tatsächlich so viele verschiedene Shops im Viertel hatte, konnte Aaron wohl recht flexibel von der Straße verschwinden. Dies würde genau zu der Äußerung von Henry Cox (CID) passen: "He occupied several shops in the East End".
Und diese "Watchboy"-Geschichte kannte ich bisher auch nicht, die muss ich mir mal näher ansehen.
Da habe wohl noch einiges zu lesen.  :good:

MfG, Arthur Dent

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #62 am: 11.10.2015 21:36 Uhr »
Erinnere dich was Anderson sagte:

"During my absence abroad the Police had made a house-to-house search (es gab zwei, nach Stride/Eddowes und dann vom 3-18 Oktober) for him, investigating the case of every man in the district whose circumstances were such that he could go and come and get rid of his blood-stains in secret".

Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Batty Street Geschichte wahr gewesen ist. Rob House hatte dazu erstklassige Arbeit geleistet und ich habe das damals hier dargestellt:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1488.0.html

Beachte aber, dass die Adresse von Woolf Abrahams in der 25 Providence Street damals noch nicht bekannt war. Es sollte mit der Batty Street nicht weniger Zufall gewesen sein als mit der Adresse von Woolf Abrahams in 1881 in der Berner Street neben dem Dutfields Yard als auch mit seiner Adresse in der Providence Street in 1888. Verließ er diese kleine Straße Richtung links, dann sah er den Tatort Stride in der Berner Street und ging er rechts heraus, konnte er in die Batty Street einbiegen. Vielleicht war er auch der Schneider, welcher die Kleidung brachte und dann war Frau Kuer direkt vor seiner Haustür. Greenfield Street lag aber auch nicht weit weg. Hier findest Du zahlreiche Bilder:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1648.30.html

Bei Stride könnte es dennoch sein, dass er mit großer Kraft auf den Oberkörper eingewirkt hatte. Es gibt eine Geschichte in der Familie Shine, wo damals ein gewisser Nathan Shine den Ripper gestört haben könnte. Er gab im Prinzip die gleiche Beschreibung wie Schwartz ab mit dem Unterschied, dass der Mann mit einem langen Messer über Stride stand und nach einem Face-To-Face mit Shine den Tatort verließ. In dem Moment haute dann auch Shine ab... Man muss vorsichtig sein, er könnte die Geschichte von Schwartz auch nur weitergesponnen haben oder er war z.B. eben jener "Pipeman". Vielleicht gab er auch nur die Beschreibung von Schwartz aus der Presse weiter und hatte tatsächlich den Ripper gestört. Was mir dabei auffällt ist aber folgende Sache: Den Mann den er sah, bei ihm konnte er Haare unter der Kappe an beiden Seiten vorstehen sehen. Das ist interessant, da Cox von der City Police einen Mann mehrer Monate observierte, welcher lockige Haare hatte...

Ich weiß nicht, was da passiert war aber es ist auch möglich, dass Schwartz als auch BS Man den Ort verließen und Shine einen Moment später in den Dutfields Yard ging und den wahren Täter sah, welcher Stride tötete. Dann war dieser Mann bereits im Dutfields Yard als BS Man Stride vor dem Eingang bedrohte. Oder es war Diemschütz, der am Ende störte... Schwartz sein Mann hatte ein rundes Gesicht und der Mann, den der PC nicht weit vom Mitre Square am 1 Oktober fand hatte ein ausgemergeltes Gesicht... Wie gesagt, es ist möglich, dass Shine sah was er sah aber die Beschreibung ähnelt der von Schwartz, wobei mir dabei auffällt, dass Shine es so hätte von Schwartz nicht wissen können, da der Bericht in der Presse nicht identisch war mit den Polizeiaufzeichnungen. Oder er kannte Schwartz... im Report in der Presse spielte dann bei Schwartz doch plötzlich ein Messer eine Rolle... wer weiß... Und wie gesagt, Woolf lebte einst neben dem Dutfields Yard und somit sicherlich auch Aaron, sie kamen ja zeitgleich aus Polen, Aaron lebte ja mehr bei diesem Bruder als bei den anderen... Der Ripper war ein Gelegenheitskiller und falls er Aaron Kozminski hieß, dann kannte er mit Sicherheit diesen Yard und hätte sich darin aufhalten können als Stride den Hof betrat als sie den BS Man losgeworden war...   



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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #63 am: 11.10.2015 23:04 Uhr »
Hallo Lestrade,

wahrscheinlich stecke ich gedanklich noch zu sehr im Butcher's Row Suspect und damit in der Ecke Aldgate. Du hast natürlich recht, dass Wohnungen von Kosminskis Familienmitgliedern in Greenfield Street und Providence Street es plausibel machen, dass sie ihre Wäsche bei Mrs. Kuer in der Batty Street abgegeben haben.

Das Problem der blutigen Kleidung habe ich bisher eben vor allem unter dem Metzger-Aspekt betrachtet:
Wenn JTR Metzger war, konnte er die Mordkleidung einfach mit der übrigen Arbeitskleidung mitwaschen (lassen). Oder er könnte sie, wenn der Zustand zu schlimm war, im Ofen/Kamin verbrannt und dann auf dem Second-Hand-Markt in der Petticoat Lane günstigen Nachschub gekauft haben.

Die Geschichte von Shine werde ich mir noch näher ansehen, bisher kannte ich den noch nicht.

Aber dank deiner Ausführungen habe ich bereits wegen Eddowes, Aldgate High Street und Watchboy nochmal im Casebook nachgesehen - und in Scott Nelsons Artikel zum Butcher's Row Suspect tatsächlich noch etwas zu meiner Levy-Hypothese gefunden, das mir beim ersten Mal durchgerutscht ist:
Die These schwächelte ja bisher daran, dass von Levy nur sein Aufenthalt in Stone bekannt ist, während von Swanson (allerdings in Bezug auf den Verdächtigen namens Kosminski) Colney Hatch als des Rippers Irrenanstalt ins Spiel gebracht wurde.
Doch laut Researcher Steward Hicks soll Lady Anderson, die Ehefrau von Assistant Commissioner Robert Anderson, sich erinnert haben, JTR sei in einer Anstalt bei Stone gewesen...

MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 12.10.2015 00:41 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jacob Levy
« Antwort #64 am: 12.10.2015 00:23 Uhr »
Doch laut Researcher Steward Hicks soll Lady Anderson, die Ehefrau von Assistant Commissioner Robert Anderson, sich erinnert haben, JTR sei in einer Anstalt bei Stone gewesen...

Das ist auch eines dieser Rätsel...

Forscher Steward Hicks hatte seinen Verdächtigen: Dr. John Hewitt

http://www.casebook.org/ripper_media/book_reviews/non-fiction/cjmorley/82.html

Stan Russo über diesen Verdächtigen:

http://www.casebook.org/dissertations/rn-drhewitt.html

Hier schrieb Paul Begg: "It was actually Steward Hicks who said that Lady Anderson once said the Ripper was in an asylum near Stone but he couldn't recall his source."

und Tracy Ianson:

"If memory serves me right Hicks could not state (remember) where he got the information from with regards to Lady Anderson visiting Stone and as far as I am aware it has never been corroborated, so while it is a nice theory so far that is all it seems to be."

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=15522&page=2

Jacob Levy starb im City of London Asylum Stone/ Dartford in Kent.

Scott Nelson schrieb:

"It is curious that the A-Z cites researcher Steward Hicks as stating that Lady Anderson, the wife of Robert, once remembered that the Ripper was interred in an asylum near Stone."

"Interred" also begraben, wurde Jacob dort also auch beerdigt? Ich weiß es gar nicht...

Leavesden, wo Kosminski starb, liegt ja in Hertfordshire und hat keine Verbindung zu Kent. Außerdem wurde Aaron in London begraben, ich meine nicht weit vom (noch) heutigen West Ham United Stadion, auf dem East Ham Friedhof. Colney Hatch grenzt dann auch noch an Hertfordshire...
 
Marc King schrieb über Jacob Levy im Ripporologist 26 und 27 in 1999/2000 lese ich gerade im A-Z, ich meine da war noch einmal was, ich habe die ja und werde mal hineinschauen. Falls Du sie nicht hast, die gibt es ja für Umme...

Es scheint, dass Hicks nicht mehr wusste, wo diese Quelle bezüglich Lady Anderson und Stone zu finden war. Mir geht es ähnlich. Ich las mal einen Bericht über einen jüdischen Kutscher, der Innereien Abfälle im East End sammelte und als verrückt galt und dafür sehr bekannt war. Sie nannten ihn wohl auch "Der verrückte Jude". Seine Route zog sich wohl von Aldgate bis zur Hanbury Street. Denkste ich finde das wieder? Keine Chance bis jetzt.

Gute Nacht...
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Re: Jacob Levy
« Antwort #65 am: 12.10.2015 00:46 Uhr »
Danke für die Info, Lestrade!
Schade, solange es keine vernünftige Quelle zu der angeblichen Äußerung gibt, ist sie wertlos...

Gute Nacht


Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #66 am: 12.10.2015 13:32 Uhr »
Nun Arthur,

vielleicht wäre es sinnvoll, Steward Hicks noch einmal ausfindig zu machen. Vielleicht ist er in der Lage heute mehr darüber zu sagen. Auch Ripperologen sind über längere Zeiträume inaktiv oder ändern ihre Meinungen...

Das wäre doch wirklich wichtig, falls Lady Agnes das so behauptet hätte. Für Anderson war Kosminski der Täter aber dieser wurde nicht in Stone beigesetzt, eher dann wohl Levy, zumindest war er in der dortigen Anstalt und verstarb auch dort (Kosminski starb ja eh erst in 1919). Man weiß natürlich nicht, wann das Lady Agnes erfahren hatte und wieviele Verdächtige Anderson in petto gehabt hat. Wie gesagt, mich würde es nicht wundern, wenn Jacob Levy tatsächlich ein Verdächtiger im Fall gewesen war...

Lestrade.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #67 am: 13.10.2015 17:22 Uhr »
Hallo zusammen, Hi Lestrade!

Ich habe mir jetzt einiges zur Batty Street Geschichte durchgelesen und muss feststellen, dass ich sie bisher recht stiefmütterlich behandelt hatte. Nun ja, ich bin ja auch nur ein interessierter Anfänger im Ripper-Fall.

Aber sag mal, Lestrade, hat Anderson tatsächlich irgendwo einmal explizit Kosminski als Verdächtigen genannt? Soweit ich weiß, hat er doch in seinen Memoiren auf Namensnennung bewusst verzichtet, und es war erst Swanson, der in seinen Anmerkungen dazu schrieb, der Verdächtige sei Kosminski gewesen. Damit wäre er lediglich Swansons Interpretation der Textstelle bzw. Swansons Ansicht dazu - und muss nicht unbedingt Andersons Meinung entsprochen haben.
 :scratch_one-s_head:
 

Was die "Ripper in Stone" Story angeht, so konnte ich dazu bisher leider in der Tat nicht viel mehr eruieren, und bei Hicks kann man bedauerlicherweise nicht mehr nachfragen:

Leider wird schon 2008 bei einer Diskussion im Casebook angemerkt, dass Hicks verstorben sei und die entsprechende Quelle für die Lady Anderson Geschichte nicht mehr aufzufinden sei:
"The claim was made by Steward Hicks, now deceased, and the source seems to be untraceable [A-Z, 1996 edn, p. 162]."
wie "chris" am 09-26-2008, 05:59 PM schrieb.

Im Thread erwähnt "dougie" am 09-26-2008, 04:19 PM allerdings, es gebe in der Gegend eine mündliche Überlieferung, dass der Ripper in Stone eingesperrt gewesen sei:
"I lived in Dartford Kent for several years,and Stone house mental hospital ,just outside dartford , has its own oral history regarding the 'fact' that jack the ripper had been confined there at some time..."

http://forum.casebook.org/archive/index.php/t-1455.html

Bisher offenbar also nicht mehr als eine Legende - wer weiß, bei wie vielen Irrenanstalten ähnliche Gruselgeschichten die Runde mach(t)en.
So ist das mit Schauermärchen: Die einen enthalten einen wahren Kern, die anderen sind frei erfunden und halten sich trotzdem über Generationen. Die Schwierigkeit besteht nur darin rauszufinden, welcher Kategorie jene nun angehört...
  :unknown:

MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 13.10.2015 19:30 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jacob Levy
« Antwort #68 am: 13.10.2015 18:47 Uhr »
Hey Arthur,

Ja, da gab es auch noch eine Anstalt, welche:

…had a door on which was scrawled graffito 'Jack the Ripper's Room.' The room was supposed to be slightly below ground level and illuminated mainly by daylight through a grille in the ceiling.

Eine Lady aus Ascot hatte das erzählt, da ihr Vater wohl in jener Nervenklinik Regie führte. Man geht davon aus, dass es sich um das Holloway Asylum in Virgina Water, Surrey handelte.

Da gab es, wie bei Levy und Stone, tatsächlich einst einen Verdächtigen, nämlich John Sanders. Keine Ahnung ob er damit gemeint war oder jemand anderes. Jeff Leahy und ich setzten unser Augenmerk zunächst genau auf diese Anstalt, dem Holloway Sanatorium in Virgina Water in Surrey. Es war ja auch Detective Cox von der City Police, der angab, dass sein Verdächtiger bestimmte Zeiten in einer Anstalt in Surrey verbrachte. Außerdem hatte diese Anstalt in Surrey ein Seaside Home in Brighton, das man eben zeitweise (oder auch ganz) im Jahr für die Patienten nutzte:

"In June 1891 the Committee of the Sanatorium (Holloway) purchased Hove Villa, with 2 acres of grounds, in Brighton..."

Eröffnung dann im October 1891 aber eben 1891 und nicht 1890. Davor hatten sie ein Seaside Home in Poole. In Brighton gab es neben dem Polizei Seaside Home auch noch ein Jüdisches Seaside Home. Alle lagen dort dicht beieinander. Nun ist es natürlich möglich, dass die Seaside Home ID in Poole stattfand aber vielleicht auch schon in Brighton, bevor die Anstalt das Haus kaufte, ich weiß es nicht. Ich vermutete eigentlich, dass diese Sommerresidenzen nur so von Mai- September/Oktober genutzt wurden. Beim nachlesen entdecke ich jetzt jedoch: “The first patients arrived in October 1891.“

Das muss aber nicht bedeuten, dass dort zu diesen Zeiten High Life herrschte. Gut möglich, dass der Patientenbesatz in den Sommermonaten höher war. Es ist jedenfalls klar, dass solche Anstalten Seaside Homes führten und somit muss zwangsläufig nicht das Polizei Seaside Home in Brighton gemeint sein. Nutzte Holloway schon in der zweiten Hälfte von 1890 ein Seaside Home in Brighton, so hätte man allerdings einen Insassen dort per Fuß zum Polizei Seaside Home bringen können. Vielleicht hatte Holloway schon 1890 einen Draht zu ihrem späteren Seaside Home in Brighton oder aber waren in Kontakt mit dem schon vorhandenen Polizei Seaside Home dort. Oder aber, ein Verdächtiger wurde von der Holloway Anstalt in Surrey nicht nach Poole, sondern “versehentlich“ nach Brighton gebracht. Man kann viel spekulieren. Keine Ahnung…

In Holloway fehlen jedoch Unterlagen, für männliche Insassen im relevanten Zeitraum. Ich müsste nachschauen, wie weit wir kamen… ist jetzt schon eine Weile her…

Also diese Schauergeschichten könnten ein Stückchen Wahrheit enthalten…

Zu Anderson und Swanson: Gerade bin ich mir nicht sicher aber es wäre möglich, dass Abberline Swanson das Buch von Anderson schenkte. Swanson machte sich zu bestimmten Dingen im Buch Anmerkungen. Mein Eindruck ist, dass er Anderson in einigen Dingen “verbesserte“. Zu dem Briefeschreiber merkte er an, dass dieser der Führung von Scotland Yard bekannt war, er machte weitere Angaben zum Jüdischen Zeugen und nähere Angaben über die Identifikation und er benannte den Verdächtigen von Anderson mit Kosminski. Ich denke, wir sollten davon ausgehen, dass auch Anderson Kosminski meinte.

Zu Hicks: Ich dachte schon beim schreiben, hoffentlich lebt er noch und dann das… da erfahren wir nun leider nichts mehr. Danke für deine Aufklärung, ich habe nur das Complete A-Z in einer Ausgabe von 2010.

Beste Grüße an Dich, Lestrade.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #69 am: 14.10.2015 19:18 Uhr »
Hallo Lestrade!

Dass Surrey selbst ein Seaside Home hatte, ist ja eine äußerst interessante Info! Könnte das zu einem grundlegenden Durchbruch führen?
Wenn dies das nämliche wäre, dann würde die Seaside Home Geschichte endlich etwas schlüssiger, denn einen Verdächtigen extra für eine Gegenüberstellung in so eine Einrichtung zu verfrachten, erschien ja immer etwas unnötig umständlich und erklärungsbedürftig.
Aber wenn der Verdächtige schon in der Institution selbst war, und nur an einen anderen Ort derselben Einrichtung gebracht wurde, z.B. um die Gegenüberstellung dort in Ruhe und Abgeschiedenheit durchzuführen ohne Aufmerksamkeit zu erregen, wäre das viel plausibler.

Die Frage wäre also jetzt: Kann man irgendwo in den erhalten gebliebenen Unterlagen von Surrey zu einem solchen Vorgang etwas finden? Vielleicht sogar mit einem uns bekannten Namen?
Ist da jemand der englischen Ripperologen aktuell dran?


Was den Punkt zu dem Namen "Kosminski" des Verdächtigen in den Memoiren und dem Memorandum angeht:

Dass Macnaghten nicht besonders viel Ahnung vom Ripper-Fall hatte, darüber dürften wir uns wohl beide einig sein. Macnaghten war erstens nie selbst in den Fall eingebunden, und scheint zweitens ja auch nicht gerade eine große kriminalistische Leuchte gewesen sein.
Höchstwahrscheinlich hat sich der auf der Verwaltungsebene befindliche Macnaghten die Informationen für sein Memorandum daher entweder von Anderson oder Swanson zusammenstellen lassen, und der Name Kosminski dürfte wohl durch einen der beiden dort hinein geraten sein - ich bin mir nur noch nicht klar von wem, und aus welchem Grund.
Wenn die Infos an Macnaghten von dem leitenden Ermittler Swanson stammten, hat der ebenfalls auf der administrativen Ebene stehende Anderson vielleicht selbst nur eine durch Macnaghten offiziell abgesegnete Position seines Chefs und damit der Behörde in seine Memoiren übernommen, ohne dass er persönlich dieser Meinung gewesen sein müsste - dafür aber seine persönliche Meinung mit seiner Frau geteilt (Ende der Spekulation zum Lady Anderson-Gerücht).

Wieviel Macnaghten nun tatsächlich von seinen Ermittlern eins zu eins übernommen hat oder wieviel an eigenen Schlussfolgerungen und Interpretationen zu den genannten Verdächtigen im Memorandum steckt, kann ich nur schwer einzuschätzen.
Das Unerfreuliche für uns heute ist ja, dass in Macnaghtens drei bekannten Versionen des Memorandums noch nicht einmal die Daten zu seinem "Topverdächtigen" Druitt übereingestimmt haben - was für mich ein Indiz dafür ist, dass Macnaghten etwas schlampig in seinem Job war, und/oder dass seine Untergebenen ihn nicht ernst nahmen bzw. nicht leiden konnten und ihn deshalb nicht anständig mit Fakten fütterten, womöglich um ihn mithilfe seiner eigenen Inkompetenz zu demontieren.

Die Infos darüber, dass ein gewisser Verdächtiger überwacht wurde, der offenbar "insane in the brain" war und in einer Anstalt landete, stammen allerdings unabhängig voneinander von mehreren Polizisten, die an den Ermittlungen unmittelbar beteiligt waren - daher halte ich diese Infos für valider als die Namensnennung, die möglicherweise nur auf eine einzige Quelle zurückgeht.
Erschwerend kommt ja noch hinzu, dass in der jüdischen Gemeinde ein Namenswechsel aus verschiedenen Gründen gang und gäbe war.

Worauf ich hinaus will: Wenn es diese Unklarheiten nicht gäbe, könnten wir die Täterdiskussion praktisch darauf konzentrieren, weitere Quellen und Indizien in Bezug auf einen "Kosminski" als Ripper zu suchen, weil sowohl der Polizeichef als auch der leitende Ermittler ihn genannt haben.
Aber durch die Ungereimtheiten bleibt die Namensnennung eben leider nur ein Indiz unter anderen, und man müsste auch überprüfen, auf welche andere Personen die bekannten Beweise und Indizien rund um die Taten ebenfalls zutreffen könnten.
Für mich ist und bleibt Aaron Kosminski angesichts dessen, was inzwischen über ihn ausgegraben wurde, zwar einer der besten Verdächtigen - ein viel besserer z.B. als Druitt. Aber ich fände es nachlässig, nicht auch weiter den Faden der anderen "guten" Verdächtigen zu verfolgen.
Zu dem "schon seit längerem" unter den Folgen der Syphilis leidenden Jacob Levy z.B. gibt es auch noch diese Lücke bis zur Einweisung in Stone.


MfG, Arthur Dent

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Re: Jacob Levy
« Antwort #70 am: 14.10.2015 22:03 Uhr »
Arthur,

Habe dir eben eine Menge geschrieben, ausgeschnitten, nicht eingefügt, was anderes kopiert, Datei geschlossen… alles weg… das hat Spaß gemacht…

Daher nun eine Kurzversion:

Macnaghten war ein guter Beamter (nach intensiven Studium Erkenntnis erlangt)
Als er seinen Posten übernahm, Kosminski war in einer oder seiner Anstalt
Er informierte sich oder wurde von anderen über Kosminski informiert
Keine Ahnung ob er zu den Heads gehörte, die Swanson im Buch von Anderson erwähnte, als es um den Briefeschreiber ging, “known tot he heads of Scotland Yard“
Macnaghten sagte, dass nie jemand den Ripper sah, d.h. Lawende, Schwartz und Hutchinson etc. konnten niemanden identifizieren, Lawende sagte ja selber, er war zu weit weg und hatte nur einen kurzen Blick auf den Mann, Astrachan Mann (Hutchinson) könnte auch der vorletzte Freier gewesen sein, der Angreifer von Schwartz nicht der Ripper. Lawende stand aber dem Ripper gegenüber…
Neulich gelesen, dass die Polizei noch ordentlich Dampf machte im Ripper Fall im Oktober 1890
Möglicherweise einen neuen Zeugen gefunden, vielleicht auch schon vor Oktober 1890, dieser war der Seaside Home Zeuge
Denke daran, es gab nach dem Double Event eine riesige Ermittlung bezüglich Befragungen aber nicht nach Kelly
Vielleicht später einen Zeugen vom Kaliber eines Mannes wie Lawende gefunden, dann wohl aus dem Kelly Fall. ID im Seaside Home dann auf jeden Fall geheim
Wenn, war das ein Riesending und vielleicht wieder nur den Heads of SY bekannt
Vielleicht hörte Macnaghten dazu, vielleicht nicht oder sie erzählten ihm nur: Nö, wieder nicht geklappt, hat ihn auch nicht erkannt. Wer weiß
Kripobeamten Swanson (MET), Cox and Sagar (beide City Police) überzeugt, dass Kosminski der Ripper war, auch der Vorgesetzte Anderson (MET), Macnaghten: many circumstances

Wenn wir heute alles sehen könnten, was die Polizei über Kosminski in Erfahrung brachte, dann würde wohl fast alle sagen: Puh, sieht nicht gut aus für ihn.
Problem war, dass kein bekannter Zeuge Kosminski identifizieren konnte, erst recht spät ein unbekannter Zeuge aber der zog zurück, warum auch immer, muss nicht nur die jüdische Konstellation der Grund gewesen sein. Beispiel: Zeuge sah Kosminski um 6 Uhr am 9. November im Miller´s Court aber ihre Leiche wird erst über 4 Stunden später gefunden. Komische Situation für diesen Zeugen, diesem Mann dem Galgen zu überlassen. Die Polizei hatte natürlich noch andere Beweise, den PC vom Mitre Square : Ich glaube er war es, ich sah nicht sein Gesicht aber vom Typ her + blutige Wäsche + Verdacht durch die eigene Schwester + gesehen noch an anderen Tatorten aber ohne mit späteren Opfern…

Überzeugt, dass Kosminski echt schwer belastet war, der Whitechapel Mörder Jack the Ripper gewesen zu sein. Einige Beamten könnten ganz fest daran geglaubt haben (Swanson, Cox, Sagar, Anderson, Macnaghten könnte ins Boxhorn gejagt worden sein, Kollegen sind ja manchmal eine echte Scheiße und so wurde es bei ihm, aus Trotz, Druitt)

Jacob Levy aber ähnlicher Typ wie Kosminski
Auch möglich, dass Jacob Levy ein Verdächtiger war, also er untersucht wurde, wenn dem so, dann wäre das ein Stück Jack the Ripper Geschichte, die ich absolut spannend finden würde.

Ripperologe Jeff Leahy und seine Frau Catrin kümmern sich um die Anstaltsdinge, ob andere, weiß ich nicht. Wird uns wohl auch niemand erzählen
Wir erfinden nichts Neues, betrachten nur alles neu. Kommt bei einigen Ripperologen auch an, wir sind zufrieden.

Sorry Arthur, dass es nur Steno gibt aber nach meinem Fauxpas fehlte mir die Zeit für ein nochmaliges Formulieren. Bitte um Vergebung.

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Re: Jacob Levy
« Antwort #71 am: 17.10.2015 17:12 Uhr »
Hallo Lestrade,

da bin ich ja froh, dass ich nicht der einzige bin, dem solche Missgeschicke passieren. Nachdem mir früher in anderen Foren/Kommentarbereichen auch schon mal Posts verlorengingen, weil es beim Speichern abschmierte, schreibe ich meine Texte inzwischen offline vor und mache dann copy&paste. (Ich habe übrigens so meine Probleme damit, hier einzelne Zitate aus einem früheren Post einzufügen, es wird immer der komplette O-Text des Vorposters eingefügt... Was mache ich falsch?)


Zum Fall Macnaghten-Memorandum:
 
Ob Macnaghten ansonsten ein guter Beamter war, kann ich nicht beurteilen. Meine Schlussfolgerung ergibt sich aus seinem Memorandum, und das strotzt wie du weißt vor Fehlern und Ungenauigkeiten.
Wenn jemand zwei Jahrzehnte später als Privatmann seine Memoiren schreibt und sich dabei nicht mehr korrekt an alles erinnern kann, ist das verständlich und nachvollziehbar.
Wenn aber der Leiter einer Behörde ein offizielles Dokument für den Dienstgebrauch erstellt - es ging ja darum, angesichts der Cutbush-Verdächtigungen in der "Sun" die Polizei intern auf eine Linie zu bringen - dann sollte es eigentlich nicht so fehlerbehaftet sein, schließlich standen ihm für das Abfassen die notwendigen Dokumente und fallkundigen Mitarbeiter zur Verfügung.


Hier ein paar Beispiele dafür (die du ja sicher auch kennst):

"Bezugnehmend auf den Doppelmord welcher am 30. September begangen wurde, gibt es keinen Zweifel, dass der Mann von einigen Juden gestört wurde, die auf dem Weg in einen Club waren (in der Nähe wo der Körper von Elizabeth Stride gefunden wurde)"
Dies ist nicht korrekt: es waren nicht "einige auf dem Weg in einen Club", es gab Diemschütz auf dem Weg in den Hof, ansonsten gab es Schwartz, der aber nur vorbeiging.

"Niemand sah jemals den Whitechapel Mörder"
Auch nicht ganz korrekt: Einige Zeugen sahen einen Mann mit den Opfern unmittelbar vor den Morden, er konnte nur nicht offiziell identifiziert werden.

"ein Doktor, der aus einer angesehenen Familie stammt. Er verschwand zur Zeit des Mordes im Miller's Court"
Stimmt ebenfalls nicht: Druitt war Lehrer, und er verschwand nicht zur Zeit des Mordes, sondern erst Anfang Dezember.

"Der Körper von Martha Tabram (...) war mehrmals durchbohrt worden, vermutlich mit einem Bayonet."
Ebenfalls nicht korrekt: Nur die Herzwunde sah so aus, als sei sie mit etwas anderem, stabilerem als einem normalen Messer verursacht worden.

"Diese Frau war am frühen Abend zusammen mit einer befreundeten Prostituierten in Begleitung von 2 Soldaten gewesen: diese Männer wurden verhaftet, aber die zweite Prostituierte versagte, oder weigerte sich, diese zu identifizieren und die Soldaten wurden letztendlich freigelassen."
Ebenfalls nicht korrekt: es gab Gegenüberstellungen in den Kasernen, aber kein Soldat wurde verhaftet und wieder freigelassen.


Also entweder war Macnaghten schlampig bei diesem Memorandum, oder sein Zuarbeiter hat ihm fehlerhafte Info untergeschoben - aus welchen Gründen auch immer. Jedenfalls betrachte ich die Infos darin deshalb mit Vorsicht.

Was nicht heißt, dass der Name "Kosminski" falsch sein muss, sondern nur, dass man eine gewisse Skepsis gegenüber dem Namen bewahren sollte - zumal nach bisherigen Erkenntnissen kein Kosminski im Frühjahr 1889 in eine Anstalt eingeliefert wurde, und wir von Aaron Kosminski erst von seiner Einweisung 1891 nach Colney Hatch wissen.

Was ich mich allerdings schon seit längeren frage: Könnte die Verlegung von Kosminski von Colney Hatch nach Leavasden im April 1894 vielleicht eine Folge der Erwähnung im Memorandum gewesen sein?


Aber was mich vor allem interessieren würde: Du hast nun mehrmals angedeutet, dass du eine These zu dem ominösen Zeugen bei der Indentifizierung im Seaside Home hättest.
Willst du die Katze noch nicht aus dem Sack lassen, weil du da noch etwas Größeres dazu ausarbeitest?

MfG, Arthur Dent



P.S. Ich hänge nicht am Tatverdacht gegen Jacob Levy - ich finde ihn nur einen besseren Verdächtigen als die meisten der "Klassiker".
Ich wollte an Levys Beispiel ein Profil erstellen, um mal hier wieder eine Diskussion zu entfachen und vielleicht den ein oder anderen zu ermuntern, auch mal ein Gesamtbild anderer guter Verdächtiger zusammenzustellen, so dass wir eine Übersicht über die Verdächtigen-Profile bekommen (gewissermaßen eine erweiterte Version von Thomas Schachners Übersicht).
Leider sind wir beiden hier immer noch etwas einsam unterwegs...
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Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #72 am: 17.10.2015 19:21 Uhr »
Hallo Arthur,

Hallo Lestrade,

da bin ich ja froh, dass ich nicht der einzige bin, dem solche Missgeschicke passieren. Nachdem mir früher in anderen Foren/Kommentarbereichen auch schon mal Posts verlorengingen, weil es beim Speichern abschmierte, schreibe ich meine Texte inzwischen offline vor und mache dann copy&paste. (Ich habe übrigens so meine Probleme damit, hier einzelne Zitate aus einem früheren Post einzufügen, es wird immer der komplette O-Text des Vorposters eingefügt... Was mache ich falsch?)

Vor den Zitaten im Zitat- Status setzte ich immer das quote author=Arthur Dent 2 link=topic=1038.msg25872#msg25872 date=1445094728 und das /quote vor oder nach den Sätzen, natürlich mit den Klammern. Vielleicht weiß es aber noch jemand anderes besser. Ich habe auch offline vorgeschrieben aber nur kopiert, nichts eingefügt. Ich war abgelenkt und kopierte danach etwas anderes und schloß die Schreibdatei ohne Speichern.


Zum Fall Macnaghten-Memorandum:
 
Ob Macnaghten ansonsten ein guter Beamter war, kann ich nicht beurteilen. Meine Schlussfolgerung ergibt sich aus seinem Memorandum, und das strotzt wie du weißt vor Fehlern und Ungenauigkeiten.
Wenn jemand zwei Jahrzehnte später als Privatmann seine Memoiren schreibt und sich dabei nicht mehr korrekt an alles erinnern kann, ist das verständlich und nachvollziehbar.
Wenn aber der Leiter einer Behörde ein offizielles Dokument für den Dienstgebrauch erstellt - es ging ja darum, angesichts der Cutbush-Verdächtigungen in der "Sun" die Polizei intern auf eine Linie zu bringen - dann sollte es eigentlich nicht so fehlerbehaftet sein, schließlich standen ihm für das Abfassen die notwendigen Dokumente und fallkundigen Mitarbeiter zur Verfügung.

"ein Doktor, der aus einer angesehenen Familie stammt. Er verschwand zur Zeit des Mordes im Miller's Court"
Stimmt ebenfalls nicht: Druitt war Lehrer, und er verschwand nicht zur Zeit des Mordes, sondern erst Anfang Dezember.

Also entweder war Macnaghten schlampig bei diesem Memorandum, oder sein Zuarbeiter hat ihm fehlerhafte Info untergeschoben - aus welchen Gründen auch immer. Jedenfalls betrachte ich die Infos darin deshalb mit Vorsicht

Ich denke, wir können nicht sagen, was in den Unterlagen stand, welche Macnaghten zu sehen bekam. Er sprach ja auch von privaten Informationen und auch hier wissen wir nicht, wie diese zustande kamen. Ich bin kein Druitt Fachmann aber mir ist, als ob er aus einer Doktoren- Familie stammte. Die Informationen aus der Familie könnten beinhaltet haben, dass er als Doktor tätig war, sei als nur als Assi oder Kräuterdoktor. Hier sollte man vorsichtig sein, dass einfach als falsch zu bewerten. Kenntnisse als “Arzt“ waren für das Täterprofil ja auch wichtig. Und denke daran, Tumblety war auch kein richtiger Arzt. Ich weiß auch nicht, was unter den Kollegen bei der Polizei so erzählt wurde. Vielleicht dachte Nacnaghten, in der mündlichen Überlieferung, das ein Doctor T. (Tumblety) ein Doctor D. (Druitt) war. Als Macnaghten antrat, war der Fall gerade etwas abgekühlt änderte sich aber einen Monat später, als Mackenzie ermordet wurde. Macnaghten galt als eifrig, interessiert, man konnte auf ihn zählen. Es kommt immer darauf an, wie das Verständnis all dieser Dinge für ihn aussah. Ganz sicherlich trug er für dieses Memorandum die verschiedensten Informationen zusammen, die Fehler müssen nicht unbedingt bei ihm (allein) zu suchen gewesen sein. Ich meine, da gab es auch einen gemeinsamen Punkt in der Vergangenheit zwischen seiner Familie und der Familie von Druitt. Ich glaube, es könnte sich an dieser Stelle lohnen, sich der Arbeit von Jonathan Hainsworth zu widmen. Man muss sich aber auch einmal fragen, wie viel Bock er hatte, dieses Memorandum zu schreiben. Natürlich muss er in seiner Position professionell arbeiten aber ist das immer gewährleistet und scheitert es nicht manchmal dann genau bei etwas, offensichtlich, ganz wichtigem? Nacnaghten hat eine Menge im Leben erlebt und wer weiß, was gerade in diesem Moment wichtiger für ihn war… wir vergessen oft den menschlichen Faktor, Arthur…

Aber ich kann dir auch nur meine Gedanken dazu sagen… vielleicht sind diese aber auch falscher als falsch…

Hier ein paar Beispiele dafür (die du ja sicher auch kennst):

"Bezugnehmend auf den Doppelmord welcher am 30. September begangen wurde, gibt es keinen Zweifel, dass der Mann von einigen Juden gestört wurde, die auf dem Weg in einen Club waren (in der Nähe wo der Körper von Elizabeth Stride gefunden wurde)"
Dies ist nicht korrekt: es waren nicht "einige auf dem Weg in einen Club", es gab Diemschütz auf dem Weg in den Hof, ansonsten gab es Schwartz, der aber nur vorbeiging.

Möglicherweise verwechselte er hier die Tatorte und sprach über Lawende, Levy und Harris, die aus einem Club in der Duke Street kamen. Wir müssen aber auch in Betracht ziehen, dass Diemschütz, Schwartz und Pipeman diese drei Juden waren, welche in den Club in der Berner Street wollten. Bei Diemschütz ist es definitiv, Piepman könnte die Absicht gehabt haben und das könnte auch für Schwartz gelten. Ich glaube, der Übersetzter von ihm, bei der Polizei am nächsten Tag, war jemand aus dem Club in der Berner Street. So könnten alle drei Männer den Ripper kurz hintereinander gestört haben. Diesen Fehler von Macnaghten würde ich gerne offen lassen.

"Niemand sah jemals den Whitechapel Mörder"
Auch nicht ganz korrekt: Einige Zeugen sahen einen Mann mit den Opfern unmittelbar vor den Morden, er konnte nur nicht offiziell identifiziert werden.

"es sei denn der PC vom Mitre Square" (Macnaghten)...

Ich denke auch, dass er das meinte, keine Identifikation, egal welcher Verdächtiger, durch z.B. Long, Schwartz, Lawende und Hutchinson etc. und der City PC wird gesagt haben: Ich sah nicht sein Gesicht aber seine ganze äußere Erscheinung erkenne ich wieder… er sagt ja selber, da waren drei Juden die ihn störten... das sollte man ihm vielleicht auch nicht entgültig als Fehler anschreiben...

"Der Körper von Martha Tabram (...) war mehrmals durchbohrt worden, vermutlich mit einem Bayonet."
Ebenfalls nicht korrekt: Nur die Herzwunde sah so aus, als sei sie mit etwas anderem, stabilerem als einem normalen Messer verursacht worden.

"Diese Frau war am frühen Abend zusammen mit einer befreundeten Prostituierten in Begleitung von 2 Soldaten gewesen: diese Männer wurden verhaftet, aber die zweite Prostituierte versagte, oder weigerte sich, diese zu identifizieren und die Soldaten wurden letztendlich freigelassen."
Ebenfalls nicht korrekt: es gab Gegenüberstellungen in den Kasernen, aber kein Soldat wurde verhaftet und wieder freigelassen.

In all, there were thirty-nine stab wounds including:

5 wounds (left lung)
2 wounds (right lung)
1 wound (heart)
5 wounds (liver)
2 wounds (spleen)
6 wounds (stomach)

According to Killeen, the focus of the wounds were the breasts, belly, and groin area. In his opinion, all but one of the wounds were inflicted by a right-handed attacker, and all but one seemed to have been the result of an "ordinary pen-knife." There was, however, one wound on the sternum which appeared to have been inflicted by a dagger or bayonet


Ich lese 39 Stichwunden, die "Bajonett- Wunde" war im Brustbein, also die Herzwunde und alle anderen wurden verursacht durch ein eher gewöhnliches Messer. Da liegt er wirklich falsch. Aber wir sollten nicht vergessen, dass er sagte, dass der Körper wiederholt durchbohrt wurde, vermutlich von einem Bajonett. So falsch ist das ja nicht, der Körper wurde 39 mal mit einem Messer attackiert und ein Bajonett spielte möglicherweise auch eine Rolle. Es ist nicht korrekt aber auch nicht etwas total falsches. Ich weiß nicht, welche Quellen du kennst aber er sagte halt: Vermutlich. Für ihn war Tabram ja auch kein Ripper Opfer, er sagte, es gab fünf Opfer und nur fünf (die K5). Das soll aber nicht als Entschuldigung gelten. Verhaftete Soldaten? Sicherlich nicht aber bevor ich da was schreibe, mache ich mich noch einmal schlau.

Vielleicht gibt es für all diese “Fehler“ auch einfache Erklärungen, die wir einfach nicht kennen.

Was nicht heißt, dass der Name "Kosminski" falsch sein muss, sondern nur, dass man eine gewisse Skepsis gegenüber dem Namen bewahren sollte - zumal nach bisherigen Erkenntnissen kein Kosminski im Frühjahr 1889 in eine Anstalt eingeliefert wurde, und wir von Aaron Kosminski erst von seiner Einweisung 1891 nach Colney Hatch wissen.

Das erhoffen wir uns zu finden, eine Einweisung von Aaron Kozminski in eine privaten Anstalt in Surrey ca. März 1889. Es gab Verbindungen dieser Familie vor und nach 1888 nach Wandsworth/ Surrey.   

Was ich mich allerdings schon seit längeren frage: Könnte die Verlegung von Kosminski von Colney Hatch nach Leavasden im April 1894 vielleicht eine Folge der Erwähnung im Memorandum gewesen sein?

Gute Überlegung! Sollte man im Hinterkopf behalten, denke ich.

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Nichts besonderes Arthur. Ich glaube heute nicht mehr, dass Schwartz oder Lawende der Zeuge im Seaside Home war. In meiner Theorie, Hypothese oder Story, wie man das auch immer nennen möchte, macht das keinen Sinn. Ich muss glauben, dass dieser Zeuge sehr spät gefunden wurde und ihm all die Zeit gar nicht bewusst war, was er eigentlich beobachtet hatte. Er wusste nicht, dass er die einzige Lösung in diesem Fall wäre. Vielleicht stammt er aber auch aus einem fehlgeschlagenen Tötungsversuch als der Ripper seine Schwester attackierte und dabei gesehen wurde. Ich weiß das nicht, dass dürfte selbstverständlich klar sein aber es könnte in diese Richtungen gehen.

P.S. Ich hänge nicht am Tatverdacht gegen Jacob Levy - ich finde ihn nur einen besseren Verdächtigen als die meisten der "Klassiker".
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Das tut mir leid für dich, Arthur. Einseitig Antworten zu erhalten, ist ja auch recht öde. Manchmal machen aber auch Leute wie ich, solch ein Forum "platt", natürlich nicht bewusst. Allerdings sind andere Foren, Casebook/JTRForums, so etwas von buntgemischt, Themenmäßig, das würde selbst ich nicht "verhindern" können. 

Beste Grüße.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #73 am: 17.10.2015 20:01 Uhr »
Achso, wo wir gerade bei Macnaghten, Memorandum, Druitt und Kosminski sind, gibt es auch was Neues von Ostrog! Ich las das heute auf Facebook im H Division Crime Club UK:

Previously unpublished photo of Michael Ostrog in the Crime Museum now in Keith Skinners new book so at last you can all see it!! (Lindsay Siviter)

Dann folgte das Foto.

Dazu sagte Rob Clack: There's another one in the new Crime Museum book.

Was alles noch so gefunden werden kann...
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Re: Jacob Levy
« Antwort #74 am: 18.10.2015 13:24 Uhr »
Zu Jonathan Hainsworth:

Er und seine Theorien werden kontrovers diskutiert, das trifft ja z. B. auch auf Christer Holmgren und Edward Stow (Charles Cross) zu. Ich persönlich finde es aber absolut spannend, mich auf Menschen einzulassen, die eigentlich am anderen Ende meiner Ansichten stehen, vermeintlich, denn da ist auch was für mich zu holen, an Ideen und Informationen. Wer etwas via Jonathan Hainsworth über Macnaghten erfahren will, dem sei, wie bereits erwähnt, seine Arbeit zu empfehlen:

http://www.amazon.de/Jack-Ripper-Case-Solved-1891/dp/0786496762/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1445167321&sr=8-1&keywords=Jack+the+Ripper+case+solved+1891

http://www.jjhainsworth.com/about/

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=22368



 
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