Hamburger Fremdenblatt – 18. September
1888
Über den bisherigen gänzlichen Misserfolg
der Londoner Polizei,
den oder die Mörder in Whitechapel ausfindig zu machen, äußert
sich die „Saturday Review“: „Weder die Polizei
noch ihre Feinde in der Presse können sich beglückwünschen
zu den näheren Umständen, unter denen der letzte Mord
verübt wurde. Es ist absurd, zu erwarten, dass ein Verbrechen,
welches mit einer so seltsamen Mischung von Brutalität und Überlegung
begangen wurde, sofort entdeckt werden sollte. Andererseits ist
es skandalös, dass ein so volkreicher und turbulenter Distrikt,
wie das Ostend, so geringen polizeilichen Schutz erhalten hat.
Die Qualität der englischen Detektives hat sehr abgenommen.
Die Londoner Polizisten haben viele ausgezeichnete Eigenschaften.
Sie sind tapfer, gut diszipliniert und nachsichtig. Bei der Abstraffung
bewaffneter Einbrecher zeigen sie, trotzdem sie selbst unbewaffnet
sind, einen kühnen, entschlossenen, Mut. Nichts ist besser,
als wie sie einen Pöbelhaufen behandeln. Ja der Aufspürung
von Verbrechen aber haben sie sich nicht auf ihrer alten Höhe
gehalten und stehen in ihren Zeitungen unter ihren Kollegen in
anderen Ländern, besonders in Frankreich und Amerika, ja,
selbst unter denen der großen englischen Provinzialstädte.
Die meisterhafte Art, in welcher die Detektives von Birmingham
vor 4-5 Jahren eine Dynamitardenbande zur Haft brachten, kontrastiert
in sehr unangenehmer Weise mit der schnell anwachsenden Liste unentdeckter
Verbrechen in der Metropole. Sind die Morde die Tat eines Mannes,
so liegt ein guter Teil Methode in seinem Wahnsinn. Es ist ziemlich
gut in der Anatomie beschlagen, obwohl er nach dem Mißwert
Lord Bragfield´s deshalb nicht weniger gut zum Säugen
ist. Wir unsererseits können uns dieser Theorie nicht anschließen.
Verbrechen erzeugt Verbrechen. Es gibt Mordepidemien gerade so
gut, wie Masernepidemien, und eine genaue Untersuchung darüber,
wessen Interesse es war, die unglücklichen Opfer aus dem Wege
zu schaffen, ist weit mehr wert, als Scheffel von moralischen Generalisationen."
Jan Schattling
(Dokument
zuletzt bearbeitet am 19.11.04)