
Curriculum Vitae
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ca. 1860/61 (Census von
1871 gibt ihr Alter mit 11 Jahren an) |
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13. Februar 1891 |
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Zum Zeitpunkt ihrer Ermordung war Frances um die 30 Jahre alt, etwa 1,52 Meter
groß und
hatte Berichten zufolge braune Haare und braune Augen (wobei ihr Spitzname „Carotty
Nell“ hier eher an rotbraunes Haar denken lässt). Sie war auch
bekannt unter den Namen „Hawkins“ und „Coleman“, bzw. „Colman“.
Die Legende bezeichnet sie oft als das "hübscheste Ripperopfer".
Wir, die wir nur das Leichenbild einer zerschmetterten Existenz kennen, können
das heute weder bestätigen noch verneinen.
Sie muss – Aussagen von "Kunden" nach – etwa
um 1883 das Gewerbe einer Prostituierten aufgenommen haben, und
angesichts ihres Alters dürfte sie gute Geschäfte gemacht
haben, zumal James Tully vermutet, sie habe auch mit einem oder
mehreren "Mudger" (Anm. d. Red.: Eine Person, die andere bewußt
betrunken macht, um diese dann zu bestehlen) zusammengearbeitet.
Vorher befand Sie sich in Anstellung bei einem Chemikaliengroßhändler.
Ihr Leben als Prostituierte hielt sie vor ihrer Familie geheim.
Ihr Vater James William Coles, den Frances häufig besuchte,
lebte zum Zeitpunkt ihrer Ermordung im Bermondsey Arbeiterhaus.
Als weitere Verwandte wird eine Schwester namens
Mary Ann aufgeführt. Der Vater sah seine Tochter am 06.02.1891,
eine Woche vor ihrem gewaltsamen Tod, das letzte Mal.
Tathergang:
Donnerstag, 12. Februar 1891
19:30 Uhr:
Frances geht in einen Hutladen in der 25 Nottingham Street, Bethnal
Green und kauft dort für sich einen neuen schwarzen Krepphut.
Das Geld hierfür hat sie von Thomas Sadler bekommen. Peter Hawkes,
der Mann der Frances den Hut verkauft hat, gibt später bei der
Polizei zu Protokoll, dass sie ziemlich "durch den Wind gewesen
ist", was sich offensichtlich darauf zurückführen lässt, dass
sich Frances den ganzen Tag in diversen Pubs der Gegend aufgehalten
und getrunken hat.
21:00 - 23:00 Uhr:
In diesem Zeitraum geraten Frances Coles und Thomas Sadler in Streit
und ihre Wege trennen sich kurz darauf. Sadler gibt an, dass
er wenig später in der Thrawl Street überfallen und ausgeraubt
wurde (Anm. d. Red.: Obwohl er es nicht zugibt, fand man später
heraus, dass er hinterrücks von einer Frau mit einem roten Schal
angefallen wurde und ihre zwei Komplizen seine Uhr und sein Geld
stahlen).
23:30 Uhr:
Frances kehrt in ihre Unterkunft in der 8 White's Row zurück, setzt
sich auf eine Bank in der Küche und trinkt fast bis zur Bewusstlosigkeit
weiter. Kurz darauf trifft auch Sadler, blutüberströmt und sehr
aggressiv, in der Unterkunft ein. Er erzählt den Anwesenden
von dem Überfall und prophezeit dass, wüsste er wer die Täter
waren, diese zur Strecke bringen würde. Der Aufseher Charles
Guiver half Sadler sich im Hinterhof zu waschen, musste ihn aber
bald darauf auffordern, dass Gebäude zu verlassen, da er kein
Geld hatte, um ein Zimmer zu zahlen.
0:00 Uhr:
Thomas Sadler verlässt die Unterkunft, während Frances Coles auf
der Sitzbank schläft.
Freitag, 13. Februar 1891
0:30 Uhr:
Ein weiterer Mieter der Unterkunft, Samuel Harris, gibt zu Protokoll,
dass Frances erwachte und das Gebäude verließ, da auch sie kein
Geld hatte ihr Nachtlager zu bezahlen. Der Aufseher Charles
Guiver gibt allerdings an, dass Frances sicher nicht vor 1:30
oder 1:45 Uhr das Gebäude verlassen haben soll.
1:30 Uhr:
Der Angestellte einer Essensstube, Joseph Hassell, serviert Frances
Coles etwas Hammelfleisch und Brot. Sie isst alleine, zurückgezogen
in einer Ecke. Hassell fordert sie dreimal
auf, das Gebäude zu verlassen und Frances antwortet ihm, dass
er sich "um seine eigenen Angelegenheiten kümmern möge". Um ca.
1:45 Uhr verlässt sie die Essensstube und läuft durch die Commercial
Street in Richtung Brick Lane.
1:45 Uhr:
Frances trifft auf eine Bekannte, die Prostituierte Ellen Callagher,
in der Commercial Street. Sie läuft an einem "brutalen Mann mit
einer Baskenmütze" vorüber und Ellen erinnert sich an ihn als
einen früheren Kunden. Sie erzählt Frances, dass er ihr vor einiger
Zeit ein blaues Auge geschlagen hat und warnt Frances, sich nicht
mit ihm abzugeben. Diese allerdings befolgt ihren Rat nicht und
unterbreitet dem Mann ein Angebot. Gemeinsam laufen die beiden
in Richtung Minories.
1:50 Uhr:
Thomas Sadler gerät in den dritten Streit dieser Nacht, diesmal
mit einigen Hafenarbeitern in den St. Katharine Docks, als er
sich seinen Weg zurück auf die S.S. Fez bahnen wollte, von der
er zwei Tage zuvor abgesetzt wurde. Er wurde, aus einer großen
Kopfwunde blutend, zurückgelassen, nachdem er seine Angreifer
als "Hafenratten" beschimpft hatte. Anschließend unternahm er
zwei Versuche in einer Unterkunft in East Smithfield ein Zimmer
zu bekommen, wurde aber beide Male abgewiesen.
2:00 Uhr:
Sergeant Edwards entdeckt Thomas Sadler blutend und sehr betrunken
auf dem Strassenpflaster im Bereich Mint, East Smithfield.
2:00 - 2:12 Uhr:
Carmen "Jumbo" Friday und zwei Brüder namens Knapton gehen durch
die Eisenbahnunterführung Swallow Gardens.
Sie bemerken nichts außergewöhnliches, bis auf eine Frau und
einen Mann, die an der Ecke der Royal Mint Street stehen. Einer
der Knapton Brüder ruft dem Pärchen "Gute Nacht" zu, erhält
aber keine Antwort. Carmen Friday erzählt später, dass der Mann
aussah wie ein Schiffs-Feuerwehrmann und die Frau eine runde
Haube trug.

Royal Mint, London, ca. 1906
2:15 Uhr:
Police Constable Ernest
Thompson hört, wie sich ein "gesichtsloser Fremder" entfernt. Er
dachte sich nichts dabei, bis er kurz darauf, unter der Eisenbahnbrücke
Swallow Gardens, den Körper von Frances Coles entdeckte.
Er leuchtete sie an und entdeckte das Blut, dass aus ihrer
Kehle floss. Frances war noch am Leben, ihre Augenlider zuckten.
Sie verblutete vor den Augen von PC Thompson.

PC Thompson findet die Leiche von Frances
Coles, Le Journal Ilustre, 1. März 1891
Verletzungen:
Sowohl Dr. Oxley, als auch Dr. Phillips
begutachteten die Leiche, der erste am Tatort, letzterer führte
die Autopsie durch.
Anhand von Wunden am Hinterkopf kamen die Mediziner zum Schluss,
Frances sei rücklings auf den Boden geworfen worden, dann
habe man ihr die Kehle von einem Ohr zum anderen aufgetrennt,
mit zwei (Oxley) bzw. drei (Phillips) Schnitten, ausgeführt
mit einem stumpfen Messer. Die Kleidung des Opfers war nicht geöffnet,
und es fehlten auch die, für Jack the Ripper typischen, Verstümmelungen.
Laut Dr. Phillips zeigte der Mörder keine anatomischen Kenntnisse.
Der Tatverdächtige Thomas Sadler
Ein dringend Tatverdächtiger wurde bald ausgemacht – Thomas
Sadler, ein englischer Seemann, der am 12. und 13. Februar zusammen
mit Frances Coles trinkend durch Whitechapel gezogen ist. Scotland
Yard, insbesondere Monro, waren enthusiastisch. Sie sahen
Frances als Opfer von „Jack the Ripper“ und Sadler
konsequenterweise als den gesuchten Serienmörder an. Die Presse überschlug
sich mit Vorverurteilungen.
Sadlers Geschichte ist lang und verwickelt und würde den
Rahmen dieser kurzen Darstellung sprengen. Er hatte jedenfalls
Glück – seine Gewerkschaft fand einen fähigen Anwalt
in Henry Wilson, der etliche Entlastungszeugen beschaffen
konnte, und die gerichtliche Anhörung leitete kein anderer als
Untersuchungsrichter Baxter in gewohnt gründlicher und souveräner
Weise. Vier Tage nach der Voruntersuchung wurden alle Anklagen
gegen Sadler fallengelassen.
Frances Coles – ein Ripperopfer?
Laut Dr. Phillips war Frances Coles kein Opfer des Whitechapel-Mörders.
Ihre Kehle war mit einem stumpfen, nicht mit einem scharfen Messer
durchtrennt worden, und es hatte kein Würgen stattgefunden,
wie es bei den anderen Opfern der Fall gewesen war. Die Kleidung
war nicht in Unordnung, und die Verstümmelungen des Unterleibs
waren ausgeblieben. Auch waren bereits zweieinhalb Jahre seit dem
letzten Mord an Mary Jane Kelly vergangen.
Auf der anderen Seite war ihre Kehle aufgeschlitzt, und
sie ging der Prostitution nach. Die Polizei, allen voran Monro
und Arnold, waren überzeugt davon, ein Ripperopfer vor sich
zu haben. Dr. Phillips kategorischer Aussage muss nicht unbedingt
gefolgt werden, denken wir nur an endlose Diskussionen über „anatomisches
Geschick“ oder „Links- oder Rechtshänder “.
Außerdem hatte er sich bereits vor der Autopsie festgelegt – schwerlich
eine professionelle Vorgehensweise.
Vielleicht hatte Police Constable Thompson, der Frances Coles
in ihren letzten Zügen
vorfand, den Ripper ja ähnlich wie im Falle Liz Stride gestört,
so dass die Verstümmelungen deshalb ausgeblieben waren.
Die Zeitpause (November 1888 - Februar 1891) wiederum wäre
ungewöhnlich,
aber beileibe nicht unmöglich, wie die Forensik mittlerweile
weiß.
Der Mörder von Frances Coles wurde jedenfalls nie gefasst,
der Mord bleibt bis heute ungeklärt.
Colin Benson
(Dokument zuletzt bearbeitet am 16.12.04)