Autor Thema: Glück , Dreistigkeit oder Gleichmut ?  (Gelesen 28658 mal)

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LondonFog

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Re: Glück , Dreistigkeit oder Gleichmut ?
« Antwort #45 am: 10.10.2007 19:12 Uhr »

also mit dem 5 kilometer radius wäre es meiner ansicht damals zutreffender als heute, da man in queen victorias zeiten doch nicht ganz so mobil wie heute war, von dem her könnten man es wahrscheinlich so übertragen, aber wie gesagt ..
alles spekulation und ...

Kann man sicher so sehen. Das war auch mein erster Gedanke.
Wenn man länger darüber nachdenkt, kann man aber aus folgender(der Einfachheit halber stark pauschalisierten) Erwägung zum Gegenteil kommen:

In unserer heutigen Zeit sind soziale, insbesonder familiäre Verhältnisse geringer ausgeprägt, als dies früher der Fall war.
(Ob das auch in Elendsviertel so gelten kann mal dahingestellt)
Wenn sich früher eine Tat im nahen (Wohn)Umfeld des Täters ereignete, war somit die Wahrscheinlichkeit, dass Verwandte
dies mitbekamen und das Verbrechen dem Täter - eben weil sie ihn gut kannten etc.- zuordnen konnten höher.
Das würde dafür sprechen, einen weiter entfernten Tatort zu wählen.

 :icon_idea: Ich glaube allerdings der Grund für den 5 Meter Radius basiert auf keiner der beiden Erwägungen. Ich habe dazu mal was gelesen und meine mich zu erinnern, dass es etwas mit der Vertrautheit der Umgebung und dem Sicherheitsgefühl des Täters zu tun hat. Ich recherchiere das mal nach.
- Alles weitere im neuen topic -

Offline Pathfinder

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Re: Glück , Dreistigkeit oder Gleichmut ?
« Antwort #46 am: 10.10.2007 19:33 Uhr »

@ stordfield

hört sich nicht schlecht an diese übelegung mit dem orgiastischen tätertyp. habe mir darüber auch schon gedanken gemacht und bin zu der erkenntnis gekommen, dass jtr nicht so selbstzerstörerisch gehandelt hat, da er ja wohl zweimal knapp entkommen sein müsste. ergo war es ihm wohl doch nicht so ganz egal, ob er erwischt wurde oder nicht. anderseits würden die spielchen (wie brief, schürze, graffiti, falls alles von ihm inzeniert) mit der dreistigkeit übereinstimmen. auch der vorfall mit dem wachmann (habe ich hier schon mal erwähnt) könnte das ganze abrunden. ob er letztendlich wirklich so cool nach der tat durch die strassen getingelt ist, die zum späteren zeitpunkt von polizisten, bürgerwehr gewimmelt haben müsste, vage ich dennoch zu bezweifeln, schliesse es aber nicht aus, da die tatbegehung ihm ein machtgefühl und somit evtl. auch selbstvertrauen (endorphine?) gegeben haben könnte.


@londonfog

dass mit dem 5 kilometer-radius wäre ja u. a. auch ein interessanter aspekt in sachen torso-morde oder ? kenne die fälle nicht so gut, vllt kannst du mit diesem gedankengang mehr anfangen.

dies mit dem radius wird wohl anhand von belegbaren fällen so ermittelt worden sein, aber wie gesagt, es bleiben 40 % ungewissheit.

UND ER WAR ES DOCH !!!!!!!!

Offline Isdrasil

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Re: Glück , Dreistigkeit oder Gleichmut ?
« Antwort #47 am: 10.10.2007 20:33 Uhr »
Hi Stordfield

Er ist einfach , ohne zu zögern , an allen Polizeistreifen vorbei geschritten . Diese Forschheit hatte niemand von einem Mörder erwartet ; man suchte nach jemandem , der sich klein machte und umherhuschte .
Liege ich da völlig falsch ?

Ob du falsch liegst, kann ich nicht sagen - aber ich kann dir schon mal zustimmen  :icon_wink:
In meinen Augen hat sich der Ripper auch einfach nur "beängstigend normal" verhalten und sich vor und nach den Taten absolut unauffällig durch London bewegt. Keine Schleichereien um Häuserblöcke oder ähnliches. Kein Wegrennen nach der Tat. Er ist praktisch in der Masse untergegangen. Seine größtes Glück war wohl, von keinem Passanten bei seinen Taten gestört worden zu sein. Wie gesagt, mit den Beats konnte man rechnen, sei es nun aus Ripper- oder aus Prostituiertensicht. Aber London`s Strassen sind und waren auch in der Nacht stark frequentiert, und der Ripper kann unmöglich die Passanten "eingeplant" haben.
Deshalb halte ich ihn auch für überaus selbstsicher und größenwahnsinnig. Ich benutze mal wieder mein Lieblingswort: Er hatte einen "Gottkomplex". Er nahm Leben und kam sich mit jeder gelungenen Tat unnahbarer vor.
Das ist jedenfalls meine Meinung (und deine ja auch schon mal).

Grüße, Isdrasil

Stordfield

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Re: Glück , Dreistigkeit oder Gleichmut ?
« Antwort #48 am: 20.02.2008 10:35 Uhr »
Hallo !

Den Begriff " Gottkomplex " finde ich patentierwürdig . Er sagt eine Menge über die Haltung des Rippers aus . Mich interessiert in diesem Zusammenhang jetzt mal , ob so eine Einstellung sich nicht auch auf seinen Grundcharakter auswirken müßte . Ich kann mir nicht vorstellen , daß so ein Hochgefühl keine Spuren im " wirklichen Leben " JtR`s hinterließ . Was ich eigentlich sagen will : Wenn er sich tatsächlich so hochgestellt wähnte , dann könnte man doch darauf schließen , daß er auch ansonsten überheblich und arrogant auftrat .
Dies ist nur eine Überlegung , keinesfalls eine Feststellung .

Gruß Stordfield

LondonFog

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Re: Glück , Dreistigkeit oder Gleichmut ?
« Antwort #49 am: 20.02.2008 18:48 Uhr »

Ich kann mir nicht vorstellen , daß so ein Hochgefühl keine Spuren im " wirklichen Leben " JtR`s hinterließ . Was ich eigentlich sagen will : Wenn er sich tatsächlich so hochgestellt wähnte , dann könnte man doch darauf schließen , daß er auch ansonsten überheblich und arrogant auftrat .
 

Mag sein. Dann mußte man einen Verdächtigen haben, dessen Auftreten mit zunehmender Opferzahl merklich selbstsicherer geworden ist. :icon_idea:

Ich glaube aber eher, dass dieses "Hochgefühl" ein Rausch aus der Befriedigung ist, der durch die Tötung und Verstümmelung verursacht wird. Und genau so wie die Briedigung nach einiger Zeit wieder verfliegt.

Soll heißen: Das der Ripper eventuell  so "forsch" war völlig unauffällig an Polizeistreifen vorbei zu laufen
(m.E. ist das gar nicht forsch oder besonders) muss nichts mit einen hier so bezeichneten Gottkomplex
zu tun haben, sondern könnte schlicht und einfach daran liegen, dass ihn seine Triebbefriedigung risikobereiter
werden ließ.

PS: Soweit ich weiß, ist der Begriff Gottkomplex bereits belegt durch die Chirurgen. ;D
     Das mit dem Patent wird daher wohl nicht hinhauen.




Offline Anirahtak

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Re: Glück , Dreistigkeit oder Gleichmut ?
« Antwort #50 am: 12.09.2012 08:37 Uhr »
Hallo !

Versetzen wir uns  mal in die Situation des Rippers : Seine Mordtriebe , seine unbändige Wut wird übermächtig . Er muß einfach töten , wie ein Alkoholiker seinen Schnaps braucht . Wie das geht , weiß er , denn das hat er vor den " kanonischen Fünf " schon mal getan ( kein Serientäter bringt seinem Opfer beim ersten Mal solche Verletzungen bei ). Er geht hinaus auf die Straße , ohne konkreten Plan . Der Ripper weiß , daß ihm in diesem Teil der Stadt die Opfer selbst entgegenkommen , er braucht sie nicht zu suchen . Um nicht erwischt zu werden , muß er nur schnell sein . Ein paar rasche , befriedigende Schnitte , ein kurzer Blick über die Schulter und ab über den nächsten Hinterhof . Das klappte prima . Keine Komplikationen . Bei den anderen  Morden das gleiche : Schnelle Tatausführung , schnelle Flucht .
Wenn es so war , dann brauchte er sich überhaupt keine Gedanken zu machen . Oder ?

Ja, genau so.

Er dürfte auch keine Alternativen dazu gehabt haben. Diejenigen, die ich mir überlegt habe, ausgehend von unterschiedlichen Wohnsituationen, haben alle schwere Haken. In heutigen Zeiten wäre er vielleicht mit dem Auto umhergezogen, so dass man seine Opfer an etwas entlegeneren Orten gefunden hätte, aber für damals war seine Tatortwahl wohl alternativlos. Eingeplant könnte er allerdings schon haben, dass die Opfer ihn als "Freier" an einen weitgehend ungestörten Ort führen.

... Achtung, ich betrete jetzt ein psychologisch Gebiet, bei dem mir leider der notwendige Sachverstand fehlt. Was folgt ist reine Spekulation. Wenn es jemand besser weiß, nur zu!

Vielleicht hatte der Ripper in der Vergangenheit schon riskante Situationen (z.B. Diebstähle, Körperverletzungen, etc.) mit Glück irgendwie bewätigt. Es könnte doch sein, dass diese Erfahrung ihn stark geprägt hat. So eine Art Aberglaube, welcher die Rationalität
bei einer Risikobewertung überlagerte oder eine solche komplett ersetzte.
(Soll heißen: Er könnte durchaus davon ausgegeangen sein, dass es nicht möglich ist, gefasst zu werden. Aber nicht, weil er sich für besonders clever oder geschickt hielt, sondern allein deshalb weil es bisher auch immer gut gegangen ist.)

Ich breche diesen Gedanken hier mal ab.  Besonders überzeugend finde ich das selbst nicht.

...

Ich finde das einen guten Punkt. Gerade wenn er East-End-Bewohner war, könnte er schon langjährige Erfahrungen mit kriminellen Situationen gehabt haben, also als aktiver Teil. Dadurch könnte er eine Intuition dafür entwickelt haben, ob die jeweilige Situation für ihn mehr oder weniger gefährlich war. Weiter gehört dazu, dass er Punkte wie eine gering ausgeprägte Zivilcourage des ganzen Umfeldes mit einkalkuliert hätte. Gar nicht mal sonderlich bewusst, es war ihm einfach in Fleisch und Blut übergegangen, dass zB die Leute eher nicht auf verdächtige Geräusche reagierten.

Ich bin mir all dessen recht sicher, weil ich mir das Entkommen nicht alleine mit Glück erklären kann, was er aber natürlich auch hatte.