Autor Thema: Emma Smith  (Gelesen 24861 mal)

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Stordfield

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Emma Smith
« am: 29.05.2013 20:05 Uhr »
Hallo!

Warum wird Emma von einigen Experten zu den Ripper- Opfern gezählt?

Gruß Stordfield

Offline Lestrade

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Re: Emma Smith
« Antwort #1 am: 29.05.2013 21:25 Uhr »
Ich denke, sie (die Polizei) haben sie aufgenommen, als es dann auch um Tabram und Nichols geschehen war. Millwood und Wilson kamen nicht auf die Liste, also sollten sie Gründe gehabt haben, Smith mehr Aufmerksamkeit zu schenken. 
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Stordfield

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Re: Emma Smith
« Antwort #2 am: 29.05.2013 21:35 Uhr »
Mit der Antwort bin ich nicht zufrieden.
Es scheint doch festzustehen, dass Emma von einer Gang überfallen wurde; wie kommt man da auf den Ripper? Diese Art Gewalttaten waren doch wohl leider die Realität. JtR`s Handlungen dagegen nicht. Für mich ist der Smith- Mordfall noch weiter von den K5 entfernt als die Torso- Morde.

Gruß Stordfield

Offline Shadow Ghost

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Re: Emma Smith
« Antwort #3 am: 29.05.2013 21:50 Uhr »
Zunächst einmal wurde Emma Smith von der Polizei in die Liste der Whitechapel-Morde aufgenommen. In dieser Liste finden sich auch der Pinchin Street Torso oder Rose Mylett. Diese Zusammenfassung ergibt sich aus geographischen Gründen. Die Jack-the-Ripper-Morde sind eine Teilmenge dieser Liste. Ich denke Millwood und Wilson gehören der Liste der Whitechapel-Morde nicht an, weil es sich um keine Morde handelte.

Aus welchen Gründen nun verschiedene Ripper-Experten Emma Smith zu den Ripper-Morden zählen oder nicht, sollte man jeweils bei diesen Experten nachlesen/nachfragen. Meistens spielt hier der geographische Faktor eine gewichtige Rolle, sowie auch der zeitliche, dass es sich um einen frühen, noch "unausgereiften" Angriff, wahrscheinlich sogar als Mitglied einer Bande, handeln könnte. Oder aber, um sie aus der Liste der Ripper-Morde zu entfernen, der unterschiedliche M.O. Leider spielt wohl oft auch die bevorzugte Theorie eines Experten eine Rolle, ob man sie als Opfer des Rippers sieht oder nicht.

Unglücklicherweise ist die Informationslage zu diesem Mord sehr dürftig, aber nach derzeitigem Kenntnisstand würde ich persönlich sie nicht als Ripper-Opfer sehen, da ich in der Vorgehensweise die Bedürfnisse des Rippers nicht repräsentiert sehe, und ich zudem mir den Ripper nur schlecht als Mitglied einer Bande vorstellen kann, sondern ich ihn mir als Einzelgänger vorstelle. Aber das ist nur meine Meinung.

Offline Lestrade

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Re: Emma Smith
« Antwort #4 am: 29.05.2013 21:51 Uhr »
Um nicht mit der Prostitution aufzufallen, hätten viele Frauen eher angegeben, von einer Gang überfallen worden zu sein, anstelle sagen zu müssen, dass sie mit einem Mann in eine ruhige Ecke gegangen sind (von dem sie angegriffen wurden), was jeder Beamte sofort in Prostitution übersetzt hätte. Die Polizisten hatten bei ihr vielleicht eine Ahnung, dass sie log bzw. ihre Scham verbergen wollte und es sich in Wirklichkeit, um einen Einzeltäter gehandelt hat. Bedenke, dieser Frau hat man brutal etwas in die Vagina geschoben. Wir hatten 1888 und da war es noch schwieriger als auch noch heutzutage, über so etwas zu sprechen. Die Polizei hätte ja Fragen können: Wie konnte er (ein Einzeltäter) ihnen dort etwas reinstecken? Hatten sie nichts an? Da erfindet man schnell drei Männer, wo zwei festgehalten haben und einer die “Penetration“ vornahm. Natürlich kann auch so eine Gang gehandelt haben aber dann wäre es ja eine Vergewaltigung durch mehrere Personen gewesen (mit Todesfolge). Aber mehrere Männer vergewaltigen eine alte Frau und führen ihr nur einen Gegenstand ein? Gibt es alles aber ich weiß nicht, ich denke da intuitiv anders. Es könnte ja auch einfach anders abgelaufen sein als sie es berichtete. Ripper Opfer hin oder her. Etwas merkwürdig bleibt es trotzdem.

Zufriedener? Die Polizei war vielleicht genauso misstrauisch wie du! :empathy:

Grüße, Lestrade.
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Stordfield

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Re: Emma Smith
« Antwort #5 am: 29.05.2013 22:11 Uhr »
Zitat:

"Hängt immer etwas davon ab, welche Opfer man als Ripperopfer ansieht. Da ich Emma Smith und Martha Tabram dazu zähle,"

Warum denn aber Emma? Die Viktomologie ist doch total gegen diese Auffassung.

Gruß Stordfield

Offline Lestrade

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Re: Emma Smith
« Antwort #6 am: 29.05.2013 22:22 Uhr »
Angriff auf den Unterleib! Das gehörte zur Handschrift von Jack the Ripper, genau wie der Angriff auf offener Straße ein Teil seines Modus Operandi gewesen war (oder wie ich manchmal fälschlicherweise sage: Opus Moderandi).

Deshalb zähle ich sie für mich dazu. Die Chance ist somit ja wenigstens da.
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Offline Shadow Ghost

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Re: Emma Smith
« Antwort #7 am: 29.05.2013 22:54 Uhr »
Angriff auf den Unterleib ist sicherlich richtig, aber es war eben eine Penetration der Vagina und kein Eindringen "durch die Bauchdecke" (Sorry, aber anders kann ich es nicht formulieren!). Bei den anderen Opfern ist zumindest nichts von einem Eindringen in die Vagina bekannt.
Außerdem ist der Angriff auf den Hals wohl auch ein Merkmal des Rippers, und das fehlt bei Emma Smith. Vielleicht spielt auch die Wahl der Tatwaffe (bei Smith ein Stock oder ähnliches, sonst ein Messer) eine Rolle.

Ich bin mir nicht sicher, aber wenn ich mich recht erinnere, wurde sie auch nie von einem Polizisten befragt, sondern erzählte ihre Geschichte nur dem behandelnden Arzt im London Hospital (und eventuell ihren Nachbarn, die sie ins Krankenhaus brachten). Von den Nachbarn wäre anzunehmen, dass sie über ihren Lebenswandel Bescheid wussten, und dem Arzt dürfte es erst einmal egal gewesen sein. Ob Emma Smith in ihrem Zustand überhaupt noch in der Lage gewesen wäre, sich eine solche Geschichte auszudenken, kann wohl niemand mehr beurteilen.

Natürlich ist es möglich, dass Emma Smith sich die drei Männer aus den Fingern gesogen hat, um ihre Prostitution zu verbergen, aber das ist eben nur eine Spekulation. Was wir haben, ist ihre Aussage, nicht mehr, nicht weniger. Mit der Annahme, diese wäre gelogen, ließe sich aber so ziemlich alles hineindeuten. Wer das mag, dem sei es gegönnt, das meine ist es eben nicht.

Ich persönlich sehe zunächst nichts, was mich an ihrer Version der Geschichte zweifeln lässt. Eine Vergewaltigung durch mehrere Männer, die sich gegenseitig zu immer neuen Grausamkeiten anstacheln; warum nicht? Bedauerlicherweise kommt so etwas selbst heute noch vor.

Offline Lestrade

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Re: Emma Smith
« Antwort #8 am: 29.05.2013 23:30 Uhr »
Angriff auf den Unterleib ist sicherlich richtig, aber es war eben eine Penetration der Vagina und kein Eindringen "durch die Bauchdecke" (Sorry, aber anders kann ich es nicht formulieren!). Bei den anderen Opfern ist zumindest nichts von einem Eindringen in die Vagina bekannt.

Der Ripper zielte ganz speziell auf die weiblichen Geschlechtsteile, insbesondere auf die Vagina, Nichols/Einschnitte an der Vagina, Chapman/ Gebärmutter mit Teilen der Vagina und der Blase entfernt und die Vagina tief geteilt, Eddowes/ Vaginaverletzungen und Einstiche in die Leiste, zu Kelly muss ich hier nichts schreiben.

Mit der Annahme, diese wäre gelogen, ließe sich aber so ziemlich alles hineindeuten. Wer das mag, dem sei es gegönnt, das meine ist es eben nicht.

Lüge ist ein großes Wort. Egal ob einer oder mehrere Täter, mit einem Penis war wohl nicht eingedrungen worden. Das ein Gegenstand benutzt wurde, könnte auch darauf hin deuten, dass der Vergewaltiger gar nicht in der Lage war, seinen Penis zu benutzten. Jedenfalls nicht für einen “normalen“ Geschlechtsverkehr. Und dafür müssen als Ersatz oftmals Gegenstände herhalten. Dass einer wie Jack the Ripper wenig Verlangen hatte und auch Probleme damit, mit seinem Penis in eine Vagina einzudringen, davon sollten wir beinahe ausgehen.

Vergewaltigungsopfer, und das war Emma Smith, sind auch erst einmal traumatisiert, ganz unabhängig von körperlichen Verletzungen. Ihr hat man einen Gegenstand in die Vagina gerammt. Eine furchtbare Form der Vergewaltigung und Demütigung. Wie sehr erniedrig muss sie sich gefühlt haben, überhaupt darüber zu sprechen? Jemanden, der verzweifelt, traumatisiert und gedemütigt wurde, dann unter Schock und Scham Lügen zu unterstellen, ist eine harte Nummer. Eine Flucht aus der Realität, die verständlich ist, scheint mir angemessener. Ich empfehle, sich auch einmal mit Vergewaltigungsopfern zu befassen. Sonst gibt es immer wieder diese Fälle, an denen man nicht zweifeln möchte, an Opfern, die etwas extrem traumatisches erlebt haben und kaum in der Lage sind darüber zu sprechen…

War ja nur eine Vergewaltigung…
« Letzte Änderung: 30.05.2013 00:07 Uhr von Lestrade »
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Offline Shadow Ghost

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Re: Emma Smith
« Antwort #9 am: 30.05.2013 00:15 Uhr »
Jemanden, der verzweifelt, traumatisiert und gedemütigt wurde, dann unter Schock und Scham Lügen zu unterstellen, ist eine harte Nummer. Eine Flucht aus der Realität, die verständlich ist, scheint mir angemessener. Ich empfehle, sich auch einmal mit Vergewaltigungsopfern zu befassen. Sonst gibt es immer wieder diese Fälle, an denen man nicht zweifeln möchte, an Opfern, die etwas extrem traumatisches erlebt haben und kaum in der Lage sind darüber zu sprechen…

Ich wollte Emma Smith eben nicht unterstellen, dass sie gelogen hätte; da scheint ein Missverständnis vorzuliegen. Ich gehe davon aus, dass sie sogar die Wahrheit gesagt hat, und man ihre Geschichte durchaus glauben kann. Die "Lüge" habe ich eher Deiner Vermutung entnommen, sie hätte mit der Geschichte von den drei Vergewaltigern ihre Prostitution verbergen wollen. Ich dachte, Du wolltest darauf hinaus, sie hätte diese Geschichte bewusst erzählt, um von ihrem Lebenswandel abzulenken. Dann wäre es eine Lüge gewesen. Hätte sie diese Geschichte erzählt, als "Fluchtreaktion" auf ihr traumatisches Erlebnis, dann wäre das ja eine unbewusste Reaktion gewesen, oder sehe ich das falsch?. Aber dann ist es wohl auch nicht richtig, ihr zu unterstellen, mit dieser Geschichte bewusst von ihrem Lebenswandel ablenken zu wollen.

Um nicht mit der Prostitution aufzufallen, hätten viele Frauen eher angegeben, von einer Gang überfallen worden zu sein, anstelle sagen zu müssen, dass sie mit einem Mann in eine ruhige Ecke gegangen sind (von dem sie angegriffen wurden), was jeder Beamte sofort in Prostitution übersetzt hätte. Die Polizisten hatten bei ihr vielleicht eine Ahnung, dass sie log bzw. ihre Scham verbergen wollte und es sich in Wirklichkeit, um einen Einzeltäter gehandelt hat. Bedenke, dieser Frau hat man brutal etwas in die Vagina geschoben. Wir hatten 1888 und da war es noch schwieriger als auch noch heutzutage, über so etwas zu sprechen. Die Polizei hätte ja Fragen können: Wie konnte er (ein Einzeltäter) ihnen dort etwas reinstecken? Hatten sie nichts an? Da erfindet man schnell drei Männer, wo zwei festgehalten haben und einer die “Penetration“ vornahm. Natürlich kann auch so eine Gang gehandelt haben aber dann wäre es ja eine Vergewaltigung durch mehrere Personen gewesen (mit Todesfolge). Aber mehrere Männer vergewaltigen eine alte Frau und führen ihr nur einen Gegenstand ein? Gibt es alles aber ich weiß nicht, ich denke da intuitiv anders. Es könnte ja auch einfach anders abgelaufen sein als sie es berichtete. Ripper Opfer hin oder her. Etwas merkwürdig bleibt es trotzdem.

Zufriedener? Die Polizei war vielleicht genauso misstrauisch wie du! :empathy:

Grüße, Lestrade.

Gehe ich nun recht in der Annahme, dass Du dieses "Erfinden" als unbewusste Reaktion auf das traumatische Erlebnis darstellst? Tut mir leid, aber so ganz habe ich Deine Argumentation noch nicht verstanden.

Egal ob einer oder mehrere Täter, mit einem Penis war wohl nicht eingedrungen worden.

Im Jack the Ripper A-Z (1996) heißt es: She was robbed and raped, and a blunt instrument was forced into her vagina, tearing the perineum.
Im Complete Jack the Ripper A-Z (2010) heißt es:...she was robbed and raped, a blunt instrument being forced into her vagina and tearing the perineum.

Wir könnten jetzt eine Diskussion aufmachen, welche Version des A-Z glaubwürdiger ist, aber ich denke, es ist allgemein bekannt, dass die neuere Version leider etliche Ungenauigkeiten aufweist. Ob dies auch in diesem Fall so ist, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht gab es ja doch eine Penetration mit dem Penis.

Zusammenfassend:
Wenn ich Dich richtig verstanden habe, gehst Du davon aus, dass Emma Smith, während sie der Prostitution nachging, von Jack the Ripper (Einzeltäter) überfallen wurde. Dieser fügte ihr schwerste Verletzungen zu, die letztlich zum Tod führten. Im Krankenhaus erzählte Emma Smith aber die Geschichte von drei Männern, die sie überfallen hätten. War dies Deiner Meinung nach eine bewusste Aussage, um ihren Lebenswandel zu verbergen (also eine Lüge bzw. Erfindung), oder war dies eine unbewusste Aussage infolge der Traumatisierung (vielleicht um sich wenigstens ein wenig Würde zu bewahren und sich nicht gleich als Prostituierte offenbaren zu müssen)?

Sorry, wenn ich gerade etwas auf dem Schlauch stehe...

Stordfield

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Re: Emma Smith
« Antwort #10 am: 30.05.2013 00:25 Uhr »
Sorry, wenn ich gerade etwas auf dem Schlauch stehe...

Mir geht`s auch so, Shadow.
Das von Dir beschriebene Szenario hört sich tatsächlich etwas fragwürdig an.

Gruß Stordfield

Stordfield

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Re: Emma Smith
« Antwort #11 am: 30.05.2013 00:55 Uhr »
Eigentlich erstaunlich, dass es für den Überfall keine Zeugen gab. Ich kann mir vorstellen, dass soetwas nicht lautlos geschieht.
Oder gab es Zeugen?

Gruß Stordfield

Offline Lestrade

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Re: Emma Smith
« Antwort #12 am: 30.05.2013 00:59 Uhr »
Kein Problem,

Ich erkläre es euch gerne.

Um nicht mit der Prostitution aufzufallen, hätten viele Frauen eher angegeben, von einer Gang überfallen worden zu sein, anstelle sagen zu müssen, dass sie mit einem Mann in eine ruhige Ecke gegangen sind (von dem sie angegriffen wurden), was jeder Beamte sofort in Prostitution übersetzt hätte. Die Polizisten hatten bei ihr vielleicht eine Ahnung, dass sie log bzw. ihre Scham verbergen wollte...

Zuerst hielt ich es allgemein, viele Frauen… und dann unterstellte ich der Polizei, dass sie bei Smith vielleicht davon ausgingen (in einer Ahnung), dass Sie log. Durch mein "bzw. ihre Scham "wollte ich das relativieren, dass der Eindruck der Polizei, eine Lüge, ernstere Hintergründe hatte, die ich später noch ergänzte. Inwieweit dies so die damalige Polizei einschätzen konnte, weiß ich nicht, heute wird das viel ernster und verständnisvoller betrachtet. Du hast es richtig verstanden, wenn du schreibst:

“als "Fluchtreaktion" auf ihr traumatisches Erlebnis, dann wäre das ja eine unbewusste Reaktion gewesen“

“Gehe ich nun recht in der Annahme, dass Du dieses "Erfinden" als unbewusste Reaktion auf das traumatische Erlebnis darstellst?“


Genau, du hast es richtig erkannt.

Ich behauptete, dass Frauen unter Umständen ihre Prostitution gegenüber der Polizei verborgen hatten. Bei Überfall, Raub, Erpressung, Trunkenheit, Ruhestörung etc. Da wurde bewusster gelogen. Eine Frau, die schwer vergewaltigt wurde, will das vielleicht gar nicht aber unterbewusst wird sie es doch tun, obwohl ihr Hass sehr groß sein wird. Die Scham und die Demütigung können aber größer sein.

Könnt ihr mir jetzt besser folgen?

Leider haben wir in der Familie Opfer schwerer Vergewaltigungen. Ich weiß, wie schwer es für diejenigen ist, darüber zu sprechen und die Dinge darzustellen, wie sie wirklich waren.
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Offline Shadow Ghost

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Re: Emma Smith
« Antwort #13 am: 30.05.2013 02:43 Uhr »
Hier noch ein Zeitungsartikel über die Vorgänge dieser Nacht:

Lloyd's Weekly Newspaper (London)
Sunday, 8 April 1888

HORRIBLE MURDER IN WHITECHAPEL
Mr. Wynne Baxter held an inquiry yesterday morning at the London Hospital into the terrible circumstances attending the death of an unfortunate, named Emma E. Smith, who was assaulted in the most brutal manner early on Tuesday morning last in the neighbourhood of Osborn-street, Whitechapel, by several men. The first witness, Mary Russell, the deputy-keeper of a lodging-house in George-street, Spitalfields, deposed to the statement made by the deceased on the way to the London Hospital, to which she was taken between four and five o'clock on Tuesday morning. The deceased told her she had been shockingly maltreated by a number of men and robbed of all the money she had. Her face was bleeding, and her ear was cut. She did not describe the men, but said one was a young man of about 19. She also pointed out where the outrage occurred, as they passed the spot, which was near the cocoa factory. The house-surgeon on duty, Dr. Hellier, described the internal injuries which had been caused, and which must have been inflicted by a blunt instrument. It had even penetrated the peritoneum, producing peritonitis, which was undoubtedly the cause of death, in his opinion. The woman appeared to know what she was about, but she had probably had some drink. Her statement to the surgeon as to the circumstances was similar to that already given in evidence. He had made a post- mortem examination, and described the organs as generally normal. He had no doubt that death was caused by the injuries to the perineum, the abdomen, and the peritoneum. Great force must have been used. The injuries had set up peritonitis, which resulted in death on the following day after admission. Another woman gave evidence that she had last seen Emma Smith between 12 and one on Tuesday morning, talking to a man in a black dress, wearing a white neckerchief. It was near Farrant-street, Burdett-road. She was hurrying away from the neighbourhood, as she had herself been struck in the mouth a few minutes before by some young men. She did not believe that the man talking to Smith was one of them. The quarter was a fearfully rough one. Just before Christmas last she had been injured by men under circumstances of a similar nature, and was a fortnight in the infirmary. - Mr. Chief Inspector West, H division, said he had made inquiries of all the constables on duty on the night of the 2nd and 3rd April in the Whitechapel-road, the place indicated. - The jury returned a verdict of "Wilful murder against some person or persons unknown."


Also, Emma Smith appeared to know what she was about, was ich so übersetze, dass sie wusste, was sie tat oder sprach. Außerdem: Her statement to the surgeon as to the circumstances was similar to that already given in evidence. Sie gab also dem Arzt eine Aussage stimmig zu der, die sie ihrer Nachbarin gab. Ich kenne mich mit traumatisierten Menschen nicht aus, von daher weiß ich nicht, ob diese Aussagen von Bedeutung sind, und falls doch, von welcher. Jedenfalls hat sie sowohl der Nachbarin als auch dem Arzt die mehr oder weniger gleiche Geschichte erzählt. Gegenüber ihrer Nachbarin musste sie aber gar nichts erfinden, denn die wusste ja Bescheid über ihren Lebenswandel: Deceased got her living on the streets.(The Echo, 7 April 1888). Somit können wir wohl bewusstes Lügen/Erfinden endgültig ausschließen. Mit den unbewussten Vorgängen kenne ich mich zugegebenermaßen nicht so sehr aus, kann es aber vorstellen, dass es so sein kann. Mit der Polizei hat sie nie gesprochen. Die hat, glaube ich, sogar erst nach ihrem Tod von der Sache erfahren.

Interressant ist eher die Aussage einer zweiten Frau (Margaret Hayes?), die zwischen 12 und 1 Uhr (laut casebook-Wiki um 12.15 Uhr) ebenfalls von ein paar jungen Männern attackiert wurde. Dies war nur wenige Minuten bevor sie Emma Smith gesehen haben will. Es ist also davon auszugehen, dass sich die beiden Damen um 12.15 Uhr ungefähr am selben Ort befanden, d.h. Emma Smith in der Nähe eben jener junger Männer war, die kurz zuvor Margaret Hayes attackiert haben.

Laut Complete Jack the Ripper A-Z war dieser Ort Bethnal Green, laut Zeitungsberichten an der Ecke Farrant-street, Burdett-road. Heute existiert in London eine Ecke Farrance-street, Burdett-road (google-maps), ich weiß aber nicht, ob das die gleiche Ecke ist (das casebook-Wiki spricht von Fairance-street, Limehouse, was wohl auf die gleiche Ecke hinausläuft). Jedenfalls wäre es nicht Bethnal Green. Von letztgenanntem Ort bis zum Tatort wären es ungefähr 2.5 Meilen, von Bethnal Green aus vermutlich weniger.

Der Angriff auf Emma Smith erfolgte um 1.30 Uhr (Times, 9 April 1888). Es wäre also durchaus vorstellbar, dass Emma Smith bis zum späteren Tatort verfolgt wurde. Sie selbst berichtete ja, dass sie ab Whitechapel Church verfolgt wurde (East London Advertiser, 14 April 1888), bzw. ab da wird sie wohl bemerkt haban, dass sie verfolgt wurde (diese Route würde auch für Farrance-street, Burdett-road sprechen), und dann an der Kreuzung Brick-lane, Osborne-street, Wentworth-street überfallen wurde. Nach dem Überfall schleppte sie sich schwer verwundet in ihre Unterkunft in der George-street. Und von dort wurde sie dann zu Fuß(!!!) ins London Hospital gebracht. Ich möchte mir gar nicht erst vorstellen, welche Schmerzen sie erlitten haben muss.

Abschließend will ich nur noch East End Gangland von James Morton zitieren: It is possible that her attackers were members of the Green Gate Gang or the Old Nichol Gang who operated in the area at the time as ponces and extortionists and as street robbers generally.

Es scheint also durchaus möglich, dass die Aussagen von Emma Smith der Wahrheit entsprechen.

Offline Lestrade

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Re: Emma Smith
« Antwort #14 am: 30.05.2013 10:13 Uhr »
Nun ja, man kann bestimmte Sätze auch anders unterstreichen:

The woman appeared to know what she was about, but she had probably had some drink.

Ein vermutlich Alkoholisierter Mensch, der Aussagen machte…

Wir hatten das neulich schon einmal, diese Interpretationssache…

Zufälligerweise wird die zweite Frau auch von Männer attackiert und erzählt dann gleichzeitig von einer Begegnung bei Smith mit einem einzigen Mann Stunden vorher, bedeutend weiter weg vom ganzen Szenario. Warum? Bei so vielen Stunden unterschied? Natürlich waren da Gangs unterwegs, besonders aktiv wohl um die George Street herum, nur scheint Smith als einzige bekannt, so, auf diese Art, angegriffen worden zu sein. Diese Ganggeschichten kamen vielleicht ganz gelegen. Vielleicht weil "Hayes" tatsächlich vorher von ihnen angegriffen wurde. Vielleicht war ja "Hayes" eine Plaudertasche und ihre Geschichten haben auch solche Dinge hervorgebracht, wie jene Fairy Fay.

Auch hier scheinst du wieder leicht an die Wahrheit zu glauben. Mag ja vielleicht sogar stimmen aber ich bin da einfach misstrauischer. Wir interpretieren einfach unterschiedlich und das liegt auch daran, dass wir verschiedene Unterlagen und unterschiedliches Wissen haben. Es ist eben auch nur eine Sichtweise und du kannst auch nicht stärker dagegen argumentieren als ein anderer dafür. Selbst wenn Jack the Ripper nicht für diese Tat verantwortlich war, heißt es noch lange nicht, dass es ein Gangangriff war. Smith (und Hayes) hätten ja auch jemanden decken können, z.B. einen Zuhälter. Konnte Hayes die Männer nicht beschreiben?

Egal ob Jack the Ripper oder nicht, mir und auch anderen, kommt diese Geschichte zu glatt herüber. Da hält man die Augen einfach offen. Vielleicht war es keine Gang und auch nicht Jack the Ripper sondern eine dritte Möglichkeit. Dieses Verbrechen wurde nicht geklärt. Die Polizei hatte Smith in der Liste der Whitechapel Morde und auch Swanson führte sie in seiner privaten Liste. Leute wie ich, sehen mit Smith und auch Tabram eben potentielle Ripper- Opfer. Andere eben nicht. Hier wird es keine Klärung geben, Smith wird immer zu einem bestimmten Prozentsatz als mögliches Ripper- Opfer genannt werden. Sie ist nicht die einzige, über die diskutiert wird. Stride und auch Kelly halten viele nicht für ein Ripper- Opfer, genau wie Tabram. Über Mackenzie und Coles diskutiert man auch sehr oft. Für jede können wir so einen Faden aufmachen. Ändern können wir an den Annahmen nichts, nur zusammenführen, was wir so wissen oder die Dinge zusammentragen.

Der Ripper hätte unter Umständen sein Werk erst lernen müssen. Da wird es bei ersten Verbrechen noch keine endgültige Handschrift geben, keinen endgültigen MO. Die mit Messerstichen übersäte Tabram, was nichts mit den weiteren Ripper-Opfern zu tun hatte, wird dann eher zum Ripper- Opfer gemacht, als die vaginal angegriffen Smith.

Dieses “steht so im A-Z“ kann doch nicht für alles herhalten. Da gibt es ja noch andere Angaben, die ich heute oder morgen hier hineinposten werde. Heute fehlt mir eigentlich die Zeit. Ich bitte um Verständnis. Mal abgesehen davon, ob es überhaupt nötig ist.

Hier nur ein Beispiel:

“seemed unwilling to go into details, did not describe the men nor give any further account of the occurrence to witness“

(Morning Advertiser, London, April 9, 1888)

Seemed unwilling gegen The woman appeared to know what she was about

Diese Konstellation ist ganz typisch für unsere Konversation hier. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich, aufgrund vieler und anderer Unterlagen, einfach einen anderen Blick auf die Dinge habe als andere, die darüber keine Kenntnis besitzen. Nicht nur bei Smith. Dafür kann ich aber nichts. Letztendlich wissen wir ja auch nicht, was so alles in Smith Akte stand. Aber der Vorteil ist, dass man sich gerade hier aktuell informieren kann, gerade diejenigen, die wenig Muse haben, sich in die Dinge hineinzulesen. Informiert haben wir nun hier und werden es auch weiterhin tun. Wichtig ist dabei doch, nicht die Meinung anderer anzueignen, sondern sich eine eigene zu bilden. Von mir aus darf dabei jeder der Meinung von Shadow sein. Ich gebe das freiwillig ab, denn ich benötige keinen Support oder Bestätigung. Ich kann damit für mich alleine gut umgehen. Helfen tue ich dennoch gerne, mit meinen Informationen und Ansichten, mit meiner Interpretationen und mit meiner Philosophie über diese Materie.

Wie geäußert, vielleicht stelle ich alsbald noch Artikel über Smith hier rein.

Beste Grüße,

Lestrade.
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