Autor Thema: Kosminski  (Gelesen 101570 mal)

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Andromeda1933

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Kosminski
« am: 27.01.2013 16:01 Uhr »
Ein Artikel zu Kosminski in englischer Sprache

Offline Lestrade

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Re: Kosminski
« Antwort #1 am: 27.01.2013 17:27 Uhr »
Ist nicht der neueste Stand über Aaron Kozminski! Da gab es in den letzten Jahren/Monaten einige neue und wichtige Erkenntnisse. Interessant dabei ist, dass keine der neuen Erfahrungen Aaron Kozminski als Jack the Ripper Verdächtigen ausschließen (wie es bei anderen Verdächtigen der Fall ist), sondern genau das Gegenteil bewirken. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei Macnaghten und Swanson ihrem “Kosminski“ und Anderson´s Polish Jew um Aaron Kozminski handelt, ist mittlerweile extrem hoch. Auch könnte es sich sehr gut um den observierten Mann handeln, von dem die City Police Beamten Cox und Sagar sprachen. Schaue doch bitte in die anderen Fäden aus dem Bereich des Verdächtigen Kosminski hier im Forum. Interessant dazu sind natürlich die kompletten Ripperologist Berichte in dessen letzten Ausgaben. Es ist in der Tat gut möglich, dass Aaron Kozminski der Hauptverdächtige von Scotland Yard gewesen war.

Woolf Abrahams war der Bruder (und nicht der Schwager) von Aaron Kozminski. Sehr wahrscheinlich, dass Aaron bei Woolf lebte.
Dessen Frau Betsy Abrahams war auch nicht Aaron seine Schwester (obwohl Sie als eine Kozminski geboren wurde), sondern seine Schwägerin.
Jacob Cohen (auch ein geborener Kozminski) war der Bruder von Betsy Abrahams.

Die ganze Familie war mehr oder weniger miteinander verwandt. Schaue dazu z.B. auch in den Faden: Wer war Jacob Cohen?

Der Artikel aus dem Casebook im Anhang gibt das aber noch nicht alles her.

Man kann annehmen, dass nach der Nacht des DoubleEvent, Woolf Abrahams seine eigene Frau und die Kinder in Sicherheit brachte, als Aaron irgendwie in Verdacht geriet.

Der wohl wichtigste Ermittler der MET Police,  Chief Inspector der CID, (=der Kriminalpolizei =Scotland Yard), Donald Sutherland Swanson sagte:

Kosminski war der Verdächtige, der von einem Zeugen identifiziert wurde
Er lebte mit seinem Bruder in dessen Haus in Whitechapel

Melville Leslie Macnaghten, Chief Constable (CID) gab an:

Es gab einige Sachverhalte, die Kosminski zu einem überzeugenden Verdächtigen machten


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Andromeda1933

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Re: Kosminski
« Antwort #2 am: 27.01.2013 18:09 Uhr »
Danke für die ausführliche Antwort und die Hinweise!

Andromeda1933

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Re: Kosminski
« Antwort #3 am: 18.05.2013 13:47 Uhr »
Ich habe wieder einige „Gedankenfetzen“ für Dich, Lestrade. Komme mir manchmal schon vor wie der Lodger....

Das Statement des George Hutchinson gehörte für mich seit langem einfach in den Papierkorb. Seine überpräzisen Aussagen sind auch bei einer Beobachtung bei Tageslicht unglaubhaft. Er wurde auch hier im Forum bereits kontrovers diskutiert, Spinner, Spanner, Wichtigtuer usw. Dennoch könnte seine Aussage und er selbst eine gewisse, eine andere, Bedeutung haben.
Wie Du weisst, halte ich Barnett für den Täter vom Miller's Court (und habe nett vermieden zu sagen, wen er dort ermordete). Natürlich habe ich dafür keinen Beweis und so bietet sich für diese Tat auch unser alter bekannter Kosminski an.
Dieser Hutchinson, was trieb er eigentlich, wovon lebte er wirklich? Einer der Nachts auf der Straße herum lungert, geht keiner geregelten Arbeit nach. Kelly sprach ihn mit den Namen an, also sah sie ihn desöfteren nachts auf der Straße.
Wenn all dies stimmt, (leider haben wir für aber nur die Aussage Hutchinsons selbst, die eventuell  von A-Z erlogen ist) könnten sich Hutchinson und Kosminski nachts in den Straßen begegnet sein. Ich will nicht so weit gehen und behaupten, dass sie sich kannten. Doch vielleicht hat Hutchinson den Kosminski wiedererkannt!
Stand er deshalb so lange vor dem Court herum, um sich dessen Täterschaft hinterher sicher zu sein? Wartete er solange, bis Kosminski wieder davon ging? Ging er sogar nachsehen? Es wusste, wo genau Kelly lebte.
Du sprachst von einer gewissen „Führung und Überwachung“ Kosminskis, womöglich seitens seiner Familie. Das sogenannte „System“ seiner Tattage...Du wirfst die Idee in die Waagschale, er war an gewissen Tagen eben „frei“, weil seine Familie z.B. Verwandte besuchte, also nicht in der Obhut seiner Verwandten war.   Wenn ihn seine Familie schon in Verdacht hatte, lag es nicht nahe, ihn ein wenig überwachen/verfolgen zu lassen? Lag darin vielleicht eine Einnahmequelle Hutchinsons? Oder ging Hutchinson nach dem Mord im Miller's Court etwa zu den Kosminskis, denen es ja nicht so schlecht ging... Die ausgesetzte Belohnung für „Jack „ war zwar riesig, doch er konnte keinesfalls sicher sein, das Geld zu bekommen. Was, wenn man Kosminski die Tat nicht hätte nachweisen können? Aussage gegen Aussage. Wurde Hutchinson zum Erpresser der Familie Kosminski und lieferte ihnen den (letzten) Anlass, sich des Geisteskranken zu entledigen, indem man ihn in ein Asyl brachte?

Offline Phil

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Re: Kosminski
« Antwort #4 am: 18.05.2013 13:56 Uhr »

Gefällt mir gut, der Standpunkt. Ich bin in den letzten Tagen auch ziemlich auf dem "Kosminski"-Trip (auch wenn ich ihm, im Gegensatz zu dir, alle Morde zuschreiben würde). Was hältst du von der Idee, dass Hutchinson der Zeuge war, der ins Seaside Home geholt wurde? Immerhin war er laut eigener Aussage derjenige, der den Mörder am besten sehen konnte. Allerdings wird im Zusammenhang mit dem Zeugen der Mitre Square bzw. die Nacht des Doppelmordes genannt, daher könnte er also wieder ausscheiden. Und wenn er, wie du hier schreibst, Kosminski wirklich kannte, hätte er den Namen auch direkt der Polizei sagen können anstatt das umständliche Getue um das Seaside Home mitzumachen.
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Offline Lestrade

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Re: Kosminski
« Antwort #5 am: 18.05.2013 15:08 Uhr »
Ich tendiere eher dazu, unsere drei Meinungen in einer zu sehen. Es ist eine reine Überlegung bzw. eine Vorstellung.

Andromeda´s Brunnengeschichte, die in die Dorset Street führt, spielt dabei eine ebenso große Rolle wie Phil´s Seaside Home Identification. Jedoch sehe ich in letzterer eher die Möglichkeit, dass Hutchinson den späteren jüdischen Seaside Home Zeugen sah, der Kosminski dort identifizierte.

Wie auch immer das Szenario im Miller´s Court aussah, der Killer (Kosminski) hätte sich bereits dort befunden haben können oder er kam, als Hutchinson nicht mehr gegenüber vom Eingang des Courts wartete. In dem Moment als der Freier Kelly verließ, hätte dieser Kosminski dort gesehen haben können. Am Brunnen herumlungernd zum Beispiel. Kosminski trank dort, wusch sich oder hing dort den Erinnerungen an die Nacht des Double Events nach. Nun wäre es ja möglich, dass Kelly kurz darauf ebenfalls ihr Zimmer verließ und Kosminski mitbekam (ohne vielleicht bemerkt zu werden), als sie wiederkehrte, wie sie ihre Tür öffnete (durch das Fenster, davor lag ja die Wasserpumpe) und er Augenblicke später so vor ihrem Bett stand, als das Licht von ihr gelöscht worden war (um zu schlafen). Oder aber, er bekam es bereits mit, als sie wegging, dass Sie irgendwie, aus welchen Gründen auch immer, durch das Fenster griff und er schon im Zimmer war, als sie wieder zurückkehrte. Oder er beobachte das schon, als Kelly mit ihrem Freier in den Raum ging.

Die Familie sollte spätestens (oder frühestens) ab der Nacht des Double Events gewusst (gewusst heißt nicht glauben) haben, dass Kosminski von der Polizei verdächtigt wird, der Ripper zu sein. Sie werden sicherlich alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, ihm zu helfen, vielleicht auch im Wissen, dass er nicht ganz zurechnungsfähig ist. Es verging mehr als nur der Oktober, bis er wieder zuschlug. Diese ganze Zeit könnte er durch die Polizei (ein paar Tage höchstens) und von der Familie, nicht aus den Augen gelassen worden sein (vielleicht brachten sie ihn einige Zeit auch stationär unter). Wenn dies so war, dann sollte der Familie aber auch aufgefallen sein, dass es nun keine weiteren Morde mehr gab. Ist er ihnen einmal entwischt (nämlich bei Kelly), sollte der Verdacht gegen dieses Familienmitglied wohl erheblich größer geworden sein. Sie müssen es ja nicht mitbekommen haben. Man sollte so denken, aber rein intuitiv würde ich sagen und für viele Familien wohl auch typisch, glaubte man nicht an seine Täterschaft oder verdrängte die Vorstellung. Man sah ihn vielleicht in Not und half, aber der Ripper, dieser Mann? Nein! Aber auch hier, nicht alle hätten so denken müssen. Hängt ja auch immer davon ab, was ein jeder weiß. Weiterhin kann ich mir vorstellen, dass er der Familie (mittlerweile völlig) geistig behindert erschien (was noch schlimmer werden sollte), es ihnen bekannt war, dass er sich herumtrieb und, weil jüdischer Herkunft, natürlich ein gern gesehener Verdächtiger war. Es kann durchaus so gewesen sein, dass man ihm diese Taten nicht zutraute, dass er selbst dazu, zu sehr verblödet war. Möglicherweise dachte dies die Polizei zuerst auch so. In beiden Fällen eine fatale Denkweise aber zur damaligen Zeit verständlich. Selbst wenn so ein Typ nach Kelly einen Zusammenbruch gehabt haben sollte, für ihn und Familie waren solche Krisen durchaus normal und fanden regelmäßig statt.

Ein Wendepunkt in dieser Denkweise, könnte erst zur der Zeit Ende 1890, Anfang 1891 eingetreten sein, als es zur Seaside Home Identifikation kam. Und da würde dann der Mann eine Rolle gespielt haben, den Hutchinson sah. Bei diesem hätte es sich dann um einen Zeugen gehandelt, nicht um den Täter.

Für Kosminski allein hätte ausgereicht, dass er ab einem bestimmten Zeitpunkt, Ende 1888, tatsächlich rund um die Uhr überwacht worden wäre (für Monate). Hätte er mitbekommen, garantiert. Und für einen paranoiden Menschen, könnte es auch nach diesen Monaten der Überwachung weiterhin so ausgesehen haben, dass er sich überwacht fühlte, ohne dass wirklich jemand da ist. Das alles hätte gereicht, um mit dem Morden auszuhören. Familie hin- oder her. Das hätte ihn auch weiter in den Wahnsinn getrieben, dem er ja aber auch so ausgeliefert war.

Robert Ressler war damals nicht einverstanden, wie man mit Richard Trenton Chase umging. Das sind schwer gestörte Täter, die zwar auch wissen was sie tun aber nicht so, wie andere Täter, die mit mehr Plan und mehr Bewusstsein ihre Phantasien umsetzten. Das macht die Sache nicht besser. Aber ein gesünderer Täter versteht am Ende besser, wenn man ihm erklärt was bei ihm abläuft. Einer wie Chase oder Jack the Ripper, die verstehen nicht, was man von ihnen will. Sie leben in einer Welt, die eigentlich nicht zu erreichen ist. Sie leben zwar körperlich neben uns aber sind geistig gar nicht auf unserem Planeten. Kosminski sollte als geistig beeinträchtigt herübergekommen sein aber auch als harmlos wahrgenommen worden sein. Und wie gesagt, das ist sehr fatal an der Geschichte. Weil es das ist, was wir erwarten sollten, wenn wir ihn sehen könnten. Er macht nicht den Eindruck Jack the Ripper zu sein.

P.S.: Heute kann ich nicht mehr antworten. Mir fehlt nämlich gerade eigentlich die Zeit dafür.
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Andromeda1933

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Re: Kosminski
« Antwort #6 am: 18.05.2013 15:50 Uhr »
Hallo Phil!

Im Casebook habe ich mal gelesen, dass man hier mehr an Lawende als den zitierten Zeugen denkt, weil dieser später auch wegen Thomas Sadler als Zeuge gehört wurde. 

Hallo Lestrade!

Kosminski könnte dort herum gelungert haben. Der Eingang zur „Wohnung“ lag noch vor dem kleinen Innenhof und sie hätten ihn dort nicht sehen können. So eine dunkle Ecke würde zu ihm passen.
Sicher hatte seine Familie spätestens seit der Hanbury Street Verdacht gegen ihn, zumal man damals die Rippermorde bereits mit Emma Smith zu zählen anfing.

““Es kann durchaus so gewesen sein, dass man ihm diese Taten nicht zutraute, dass er selbst dazu, zu sehr verblödet war. Möglicherweise dachte dies die Polizei zuerst auch so. In beiden Fällen eine fatale Denkweise aber zur damaligen Zeit verständlich.““

In der 2-teiligen Doku „The Definite Story“ wird er tatsächlich so rübergebracht.
Wir wissen ja, die Polizei suchte zuerst nach einem Doktor oder ähnlichem, außerdem wäre ein Kretin nicht im Stande gewesen, trotz aller Fahndung immer wieder zu entkommen. Erst nach dem sogenannten Double-Event änderte sich dahingehend alles.

Offline Phil

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Re: Kosminski
« Antwort #7 am: 19.05.2013 11:12 Uhr »
Hallo Phil!

Im Casebook habe ich mal gelesen, dass man hier mehr an Lawende als den zitierten Zeugen denkt, weil dieser später auch wegen Thomas Sadler als Zeuge gehört wurde. 

Wobei ich mich hierbei frage, warum Lawende (der wohl gesagt haben soll, er würde den Mann eh nicht erkennen[?]), nachdem er im Seaside Home den Täter idenfiziert hat, noch einmal für Sadler hinzugeholt wurde? Wurde die Polizei plötzlich unsicher, ob Lawende im Seaside Home den richtigen Mann identifiziert hat, als Frances Coles umgebracht wurde? Weil wenn, dann hätten sie ihm doch vermutlich nicht getraut anstatt ihn noch einmal antanzen zu lassen, damit der sich Sadler angucken kann.
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Andromeda1933

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Re: Kosminski
« Antwort #8 am: 19.05.2013 11:22 Uhr »
Ehrlich gesagt, ich habe mir über das ganze noch nie große Gedanken gemacht, vielleicht, weil ich einer anderen Lösung hinterher hinke. Spontan würde ich sagen, die Polizei wollte sich durch seine Aussage  bestätigt wissen, denselben Mann verdächtigt zu haben. Es ging ihr vielleicht weniger um eine Identifizierung an sich.

Offline Lestrade

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Re: Kosminski
« Antwort #9 am: 19.05.2013 11:58 Uhr »
Lawende wurde ja offenbar nicht nur im Falle Kosminski genutzt, sondern auch bei Sadler und Grainger. Sadler und Grainger fanden sicherlich erst nach der Identifikation von Kosminski statt. Gab es Personen, die identifiziert werden mussten, dann waren Zeugen wie Lawende, Schwartz, Long, PC Smith und auch Hutchinson sicherlich dazu genutzt worden und es scheint, dass Lawende ein wirklich wichtiger und glaubhafter Zeuge war. Vertraut man auf Major Smith, so war Lawende eine starke Persönlichkeit und solche Zeugen, solche “Gentleman“, sind gerne gesehen. Schwartz galt als theatralisch, Mrs. Long sah in der Tat nicht viel und Hutchinson vielleicht gar nicht den Mörder. Wieviel PC Smith tatsächlich sah, vermag ich nicht zu sagen aber seinen Aussagen zu folge, fühlte er sich nicht wirklich gewürdigt. Wenn dem so war, dann sollte man sich fragen warum.

Das Lawende immer und immer wieder genutzt wurde, zeigt auch etwas anderes, nämlich dass dort offiziell wirklich kein anderer (glaubhafter Zeuge) gewesen war. Und ich würde es auch nicht verstehen, wenn man einen Zeugen immer wieder holt, wenn man überzeugt war, dass er längst Jack the Ripper identifiziert hatte. Da gab es eben noch weitere und immer wieder Verdächtige, zu die man diesen Zeugen holen musste, weil er der einzige war. Ein bürokratischer Akt, nach dem Motto: Jack the Ripper Verdächtiger= Lawende als Standardzeugen. Wahrscheinlich haben all diese genannten Zeugen, Kosminski zu Gesicht bekommen und ganz sicher Lawende aber er sagte ja selber, er würde den Mann nicht wiedererkennen. Ran musste er trotzdem, immer wieder…

Einen Augenblick könnte man meinen (laut Presse), Lawende hätte in Grainger seinen Verdächtigen wiedererkannt, es kann aber passiert sein, dass jemand plauderte und damals sagte, Lawende hatte bereits (früher) Jack the Ripper identifiziert. Aber können wir wirklich sicher sein, dass man in allen Fällen über Lawende sprach? Tendenziell würde ich sagen ja und auch ich glaube, letztendlich, dass Lawende DER Zeuge war. Wie ich auch glauben muss, dass die Seaside Home Identifikation Ende 1890/Anfang 1891 stattfand. Aber warum sollte man Lawende erst so spät dazu holen, wenn man (laut Anderson) schon im Herbst 1888 JtR ausfindig gemacht hatte? Cox von der City Police sollte zwischen Dezember 1888 und Februar/März 1889 jenen Kosminski überwacht haben, da bin ich mir sicher bzw. ich bin davon überzeugt. Schließlich war die City Police auch die Einheit, die nach Kosminski´s Seaside Home Identifikation, den Verdächtigen bis zur endgültigen Einweisung überwachte. Er (Lawende) wäre schon 1888 Kosminski vorgeführt worden. Vielleicht nur von der City Police. Die Aktion im Seaside Home, ca. 2 Jahre später, war eher eine Aktion der MET Police. Warum konnte Lawende bei der City Police Kosminski nicht erkennen aber dann bei der MET zwei Jahre später? Ich weiß es nicht. Lawende bleibt der Top- Zeuge, vor Schwartz, in meinen Augen. Nun bleibt z.B.eine Möglichkeit offen, warum ein Zeuge erst einmal versagte und beim zweiten Male identifizieren konnte. Und das wäre das Aussehen des Täters. Bart/Schnauzer/glatt rasiert- lange oder kurze Haare- Mütze/keine Mütze- Kleidung- gepflegt/ungepflegt. Aber selbst das kann ich bei diesen erfahrenen Beamten nicht glauben. Es gibt eine Chance, dass es einen weiteren, unbekannten Zeugen gab. Aber solange muss Lawende wohl der wichtigste bleiben.
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Offline Phil

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Re: Kosminski
« Antwort #10 am: 19.05.2013 12:13 Uhr »

Ist es denn sicher, dass es sich bei dem Zeugen um Lawende handelte oder ist das nur Spekulation? Es wird ja über einen Zeugen am Mitre Square berichtet, der den Täter gesehen haben soll und dazu passt Lawende natürlich, da er das Pärchen sah. Allerdings meine ich mal irgendwo gelesen zu haben, dass es sich auch um Levy habe handeln können. Muss das nochmal nachlesen, ich meine mich zu erinnern, dass der nicht gerne aussagen wollte...
Soviel Sachen, die man durcheinanderwirft oder nicht mehr genau weiß  :wacko1:
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Offline Lestrade

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Re: Kosminski
« Antwort #11 am: 19.05.2013 13:53 Uhr »
Hier ein paar Ausschnitte dazu:

Major Smith/Catherine Eddowes:

At the exit leading direct to Goulston Street, opposite the corner where the murder was committed, there was a club, the members of which were nearly all foreigners. One, a sort of hybrid German, was leaving the club-he was unable to fix the hour-when he noticed a man and woman standing close together. The woman had her hand resting on the man's chest. It was bright moonlight, almost as light as day, and he saw them distinctly. This was, without doubt, the murderer and his victim. The inquiries I made at Berners Street, the evidence of the constable in whose beat the square was, and my own movements, of which I had kept careful notes, proved this conclusively. The description of the man given me by the German was as follows : Young, about the middle height, with a small fair moustache, dressed in something like navy serge, and with a deerstalker's cap - that is, a cap with a peak both fore and aft. I think the German spoke the truth, because I could not "lead" him in any way. "You will easily recognize him, then," I said. "Oh no!" he replied ; "I only had a short look at him." The German was a strange mixture, honest apparently, and intelligent also. He "had heard of some murders," he said, but they didn't seem to concern him.

resting on the man's chest, dass war eine Beobachtung von Lawende

Coles/Sadler

Lawende evidently made an unsuccessful attempt to identify James Sadler after the murder of Frances Coles in February 1891. This was reported in the press, with the unnamed witness being described as "Probably the only trustworthy description of the assassin", having seen him with a woman at the corner of the passage leading from Duke Street to Mitre Square on the night of Eddowes's murder.

Graham/Grainger:

"one person whom the police believe to have actually seen the Whitechapel murderer with a woman a few minutes before that woman's dissected body was found in the street"

A story appeared in the Pall Mall Gazette dated 7 May 1895, which reported that Grainger had been unhesitatingly identified by the one person whom the police believe saw the murderer with a woman a few moments before her mutilated body was found. If the witness was Joseph Lawende, he told the police in his original statement that he had only noticed the man's height, and did not think he would recognise him again. It is therefore curious as to why he was expected to identify him several years later.

Neben Lawende gab es da aber auch Levy, wie du bereits erwähntest und natürlich noch Harris.


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Andromeda1933

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Re: Kosminski
« Antwort #12 am: 19.05.2013 15:49 Uhr »
Ich hoffe, Ihr vertragt noch eines meiner Gedankenkarussells. Vielleicht hatte hier im Forum jemand bereits die gleiche Idee, ich konnte aber bei meiner Suche danach nichts finden.

Entschuldigt bitte, dass ich ein wenig ausholen muss, aber so wird’s leichter verständlich. :)

Als wir in meiner Straße noch Knirpse waren, gingen wir praktisch jeden Tag zum Bolzen in den Park gegenüber. Da wurden wir zu den Helden der Wembley-Mannschaft von 1966. Einer von uns nannte sich nur „Uwe“ (wegen Uwe Seeler), er hieß anders,  und schrie nach jedem seiner geschossenen Tore „Uwe Uwe Uwe“. In diesen Augenblicken machte er ein Tor, wie der große Uwe Seeler, war er so gut wie Uwe Seeler. WAR er Uwe Seeler.   Kindliche Spinnerei natürlich.
Kein zufällig Danebenstehender hätte verstehen können, was mit seinem Ruf „Uwe“ gemeint war, wir anderen Jungs wussten es jedoch.

Worauf will ich nun hinaus? Auf „Lipski“!

Den Ablauf des Mordes in der Berner Street kennen wir ja inzwischen, soweit er nachvollziehbar ist. Ich will das hier nicht mehr durchkauen.

Mein Gedanke ist, wenn der Angreifer Kosminski war, dann galt der Ruf „Lipski“ nicht verächtlich Schwartz gegenüber.
Möglich, dass sich Kosminski wie/als Lipski fühlte, als jüdischer Mörder an einer Nichtjüdin.

Von Schwartz wird geschrieben, er hätte ein stark „jüdisches Aussehen“ gehabt. Sah also vermutlich so aus, wie viele der armen Juden aus Polen, der Ukraine usw. die nach England immigrierten. Kosminski erkannte ihn als Juden und mag im Kopf gehabt haben, dass ihn der andere mit seinem Ruf sofort verstand. Dieses „Lipski“ war keine Drohung gegen Schwartz – was dieser jedoch so interpretierte – sondern fast ein stolzes „Schau her, ich bin (wie) Lipski; Ich töte!“


Mich stört nur der zweite Mann, sofern es nicht nur ein unbeteiligter Dritter war.
War es jemand, der Kosminski folgte und überwachte, wie Lestrade es einbringt. Wenn er von der Familie beauftragt war oder von anderen Kreisen, dann schien es ihm nicht darum zu gehen, einen Mord Kosminskis zu unterbinden.
War es ein Polizist in Zivil, hätte er den Ort nicht verlassen dürfen.

Was meint Ihr???

Offline Lestrade

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Re: Kosminski
« Antwort #13 am: 19.05.2013 16:21 Uhr »
Hallo “UnsAndromeda“,

Ich zitiere mich selber:

"Mir ist kürzlich aufgefallen, dass im Census 1891 der Berner Street ein Einwohner mit dem Namen Jacob Luskie erwähnt wird. Er lebte zur Untermiete im Innenbereich des Dutfield´s Yard und wäre 1888 etwa 17/ 18 Jahre alt gewesen. Beruf war Machiner und er stammte aus Osteuropa.

Die Namen Lipski, Lizzie, Luskie oder auch Lohski (jemand der noch in der Nähe wohnte, ich habe den Namen schon früher einmal erwähnt) ähneln sich doch sehr.

Kurioserweise lebte im Haus der Berner Street Nummer 40 1891 noch ein Schwartz. Alec Schwartz, 26 Jahre alt, geboren in Warschau, Schneider.

Unter der Adresse in der die Woolf Abrahams Familie 1882 wohnte, 38 Berner Street, lebte 1881 die Familie Bostoss. Er war Pole und ebenfalls Schneider.

1891 lebten dort die Familien Weiner, Londrosky, Edelstein und Cohen. Allesamt Polen/Russen.

In den Häusern Nummer 40 und 42 Berner Street lebten 1891 ebenfalls nur Polen. Eine Millie Koravitz (Nummer 40 Innenbereich oder hinterer Bereich wie Jacob Luskie) aus Kadish fiel mir noch auf. Ich denke, mit Kadish war Kalisz gemeint. In Nummer 42 wird eine Familie Franstel angegeben. Ebenfalls aus Polen. In einem Census der Black Lion Yard fand ich einmal die Familien Frankel und Steinkel aus Klodawa. Möglich, dass eher Frankel gemeint war anstelle von Franskel. Letzter Name ist mir nicht geläufig."

P.S.: In der Nummer 74 der Berner Street führte 1891 noch ein Jacob Lubin ein Geschäft. Obst- und Gemüsehandel. Es sei erwähnt, dass ein Teil der Familie Lubnowski ihren Namen in Lubin änderte.

In der Nummer 70 lebte spätestens 1891 der bekannte Maurice Kosminski, Bäcker. 1881 waren da noch die deutschen Bäcker Schutz und Hohden.

Den Pub (Nelson´s Beer House) in Nummer 46 führte 1891 Louis Hagens. 1881 waren da noch die Bishop, Vater und Sohn mit zwei Stieftöchtern bzw. Stiefschwestern. Vater John wäre 1888 ca. 51 Jahre alt gewesen, der Sohn John H. ca. 22 Jahre alt."


Ich habe von einer möglichen Observation nach der Nacht des DoubleEvents gesprochen und von da an auch von einem möglichen Verdacht der eigenen Familie von Kosminski. Nicht nach dem Mord in der Hanbury Street oder vor oder am Tage des Double Events. Das bedeutet nicht, dass er schon einmal, sehr früh, während der Ermittlungen zur Whitechapel Mordserie befragt worden sein könnte. War er der Verdächtige aus der Berner Street, dann wurde er nach dem DoubleEvent von der Polizei befragt und auch einige Tage observiert. Griff die Familie daraufhin ein, dann hätten sie für kurze Zeit mehr acht auf Aaron gegeben haben können. Fakt ist, der Verdächtige aus der Berner Street Geschichte verließ nicht mehr das Haus, nachdem er verdächtigt wurde. Aber das war Anfang Oktober 1888.

Beste Grüße,

Ray Clemence
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Stordfield

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Re: Kosminski
« Antwort #14 am: 29.05.2013 00:18 Uhr »
Hallo!

Sion Square und Greenfield Street. Lestrade, welche Wichtigkeit besitzen diese beiden Orte?

Danke.

Gruß Stordfield