Autor Thema: Aberconway Version  (Gelesen 26859 mal)

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Offline Lestrade

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Aberconway Version
« am: 20.02.2012 10:26 Uhr »
Wer einen Blick auf die Original Aberconway Version von Macnaughten werfen möchte, dem sei dieser Link im Casebook empfohlen:

http://forum.casebook.org/showthread.php?p=207679#post207679

Beste Grüße,

Lestrade.
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Stordfield

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Re: Aberconway Version
« Antwort #1 am: 20.02.2012 23:43 Uhr »
Halt! Nicht so schnell!  :flag_of_truce:
Im casebook gibt es Hunderte von Einträgen über die und von der Aberconway- Version, aber nirgends steht, warum es eigentlich zwei Memos gibt und was eine alte Lady damit zu tun hat. Alles kann ich nun auch nicht wissen.  :lol:
Wer hilft mir bitte?

Gruß Stordfield

Offline Shadow Ghost

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Re: Aberconway Version
« Antwort #2 am: 21.02.2012 02:55 Uhr »
Die Aberconway-Version ist quasi die erste Fassung des Memorandums. Nach dem Tod von Sir Melville ging diese Vor-Fassung über in den Besitz seiner älteren Tochter Julia Donner. Seine jüngere Tochter - Lady Christabel Aberconway - fertigte jedoch eine teils maschinengeschriebene, teils handgeschriebene Kopie davon an.
Das Original ist wohl jene Fassung, die der Journalist Philip Loftus im Jahre 1950 zu sehen bekam. Es gilt heute als verschollen.
Die Kopie - die Aberconway-Version - bekam 1959 Danial Farson zu sehen, während er für eine Fernsehsendung recherchierte, in der auch Jack the Ripper behandelt wurde; allerdings wurde ihm die Verwendung des Materials nur zugestanden, wenn er auf Nennung der Namen der Verdächtigen verzichte.

Stordfield

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Re: Aberconway Version
« Antwort #3 am: 21.02.2012 10:23 Uhr »
Vielen, vielen Dank, Shadow. Wieder eine Wissenslücke gefüllt.

Offline Lestrade

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Re: Aberconway Version
« Antwort #4 am: 21.02.2012 11:48 Uhr »
Die offizielle Version, ist die Scottland Yard Version - 1894- des Memorandum von Macnaghten!

Auch auf Casebook anzuschauen und dort sogar mit freundlicher Genehmigung von Thomas Schachner:

http://www.casebook.org/official_documents/memo.html

Die Lady Aberconway Version (Daniel Farson bekam sie in 1959 zu sehen) kann man sich im Link des ersten Post anschauen.

Das sind zwei Versionen, die tatsächlich existieren.

Christabel Mary Maclaren Aberconway, war die jüngere Tochter von Sir Melville Macnaughten. Sie kopierte ein Original Manuscript aus dem Besitz ihrer älteren Schwester Julia Donner. Eben die Aberconway Version.

Gerald Melville Donner war ein Enkel von Macnaughten und der Sohn seiner Tochter Julia Donner. Er hatte einen Freund, Philip Loftus. Der wollte auch eine Version im Hause Donner gesehen haben und zwar in den frühen 1950er Jahren. Davon gibt es aber nichts zu sehen sondern nur zu hören. Es ist die Donner- Version, die dritte Version.

Im Prinzip gibt es Papa´s Version, Tochter Lady Aberconway´s Abschrift von Papa´s Unterlagen und was Mister Loftus im Hause der anderen Tochter Julia Donner gesehen haben wollte. Was letztendlich alles von Papa zusammengetragen  bzw. notiert wurde, außerhalb der offiziellen Scotland Yard Version, wissen wir ja nicht.
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Offline Lestrade

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Re: Aberconway Version
« Antwort #5 am: 21.02.2012 13:40 Uhr »
Die beiden einsehbaren Versionen, die Scotland Yard Version und die Lady Aberconway Version, behandeln ja drei Männer:

Druitt, Kosminski und Ostrog.

Der Grund für die "Veröffentlichung" des Memorandum, lag in der Verdächtigung von Thomas Cutbush als Jack the Ripper. Über Cutbush, kann sich jeder selbst informieren.

In der Donner Version (von Loftus) könnte es Unterschiede wegen der drei oben genannten Männer geben.

Loftus bekam von Donner folgendes zu sehen:

"private Notizen, in der Handschrift von Sir Melville auf offiziellem Papier, ziemlich unordentlich und in grober Form vermerkt. Wenn ich mich recht daran erinnere, gaben sie drei Verdächtige preis: ein polnischer Gerber oder Schuster, ein Mann, bei dem es darum ging, dass er junge Mädchen mit der Nagelschere in den Hintern stach, und MJ Druitt, ein Arzt von 41 Jahren"

In einem Brief an Lady Aberconway, vom 11. August 1972, wies Loftus noch einmal darauf hin, dass der Pole den Spitznamen "Leather Apron" trug, dass der Hinternstecher wahrscheinlich Thomas Cutbush war und dass Druitt den Namen "Michael" verpasst bekam.

Wenn "Leather Apron" nicht Kosminski war, könnte John Pizer damit gemeint gewesen sein. Inwieweit "Michael" überhaupt mit Druitt in Verbindung gebracht werden kann, vermag ich auch nicht zu sagen. Immerhin hieß Ostrog auch Michael.

Ich denke, dass Macnaughten in seinen Notizen die Namen von Druitt, Kosminski, Ostrog sowie Cutbush und Pizer behandelt hatte. Cutbush sollte nicht überraschen, er war der Grund des Memorandum. Pizer wurde als "Leather Apron", als Whitechapel Mörder verdächtigt und verhaftet. Er hätte also auch ohne Überraschung in den Unterlagen von Macnaghten erscheinen können. Die drei Männer, die eher als Cutbush Jack the Ripper gewesen sein könnten, wurden mit den Dreien, Druitt, Kosminski und Ostrog dargestellt. Irgendwie war dies ja auch der Sinn der Sache. Pizer war raus und wie wir heute wissen, Ostrog auch. Aber ob Macnaghten das wußte? Vielleicht war es aber auch nur eine passende "Alibi- Nummer 3".
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Offline Shadow Ghost

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Re: Aberconway Version
« Antwort #6 am: 21.02.2012 15:35 Uhr »
Man darf dabei nicht vergessen, dass Loftus keine Kopie der Donner-Version anfertigte, und daher stets aus dem Gedächtnis schrieb. Da kann dann schon mal aus dem Montagu ein Michael werden, noch dazu wo es ja einen Michael tatsächlich im Schriftstück gab, nämlich Ostrog.
Alles in allem halte ich es für wahrscheinlich, dass es sich bei der Aberconway-Version um die Abschrift der Donner-Version handelt, es letztlich also zwei - und nicht drei - Versionen des Memorandums handelt. Im Endeffekt ist dies wohl auch egal, da es sich sowohl bei der Aberconway- als auch bei einer möglichen Donner-Version, nur um private Aufzeichnungen von Macnaghten aus dem Gedächtnis handelt. Daher lassen sich die Unstimmigkeiten in dieser Version auch erklären, und sollten nicht mit allzu großen Gewicht behandelt werden. Ich würde mich daher - wenn überhaupt - nur auf die Scotland Yard-Version stützen.

Offline Lestrade

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Re: Aberconway Version
« Antwort #7 am: 21.02.2012 20:10 Uhr »
Nun ja, wenn er aus Druitt´s Vornamen Michael John machte, obwohl der ja Montague John hieß, so mag dies tatsächlich mit Michael Ostrog zusammenhängen. Aber Druitt war auch kein Doktor und auch keine 41 Jahre alt. Druitt war 31 Jahre und Ostrog war ein "Russian Doctor", zumindest rannte dieser einst mit chirurgischen Instrumenten durch die Gegend. Ostrog war allerdings 55 Jahre alt (alle Alter in 1888). Er hätte somit mehr, als seine drei selbstangesprochenen Personen in den Unterlagen von Macnaughten erkennen können. Druitt erwähnte er und es hatte den Anschein, er brachte ihn mit Ostrog durcheinander. Auf Cutbush bestand er auch. Aber er hätte dann noch jemanden erwähnt, hat er ja auch...

Thomas Hayne Cutbush war der Neffe von Superintendent Charles Cutbush (MET). Die MET wollte nicht auf solche Art in Verbindung mit den Ripper-Morden gebracht werden. Macnaughten war gefragt... da gab es ja auch noch den ähnlichen Typen wie Cutbush, den Colicott oder so ähnlich...

Um Thomas Cutbush und die Polizei zu entlasten, nannte er drei Männer die eher in Frage kamen: Druitt, Kosminski und Ostrog.

Wenn man so will, zeigen alle drei Versionen vier Männer auf. Neben Druitt, Kosminski und Ostrog den "Verdächtigen" Cutbush. Dies ist eindeutig in der Scotland Yard Version als auch in der Aberconway Version zu lesen. Etwas anderes wird Loftus auch nicht gelesen haben, er haute meines Erachtens aber Druitt und Ostrog durcheinander, was wiederum meines Erachtens kein Wunder ist. Gerade auch noch, wenn man aus der Erinnerung schreibt. Allerdings hätte ihn diese Erinnerung darin täuschen können, dass es Cutbush dabei zu verteidigen galt und dieser eben nicht zu den drei Hauptverdächtigten gehörte.

Wenn letztendlich nur drei Verdächtige in Macnaughten´s Unterlagen waren, dann kann John Pizer nicht

" a Polish tanner or cobbler" bzw. that the Pole was nick-named`Leather Apron`"

gewesen sein. Dann wäre Kosminski der Gerber oder Schuster gewesen und er wäre DER Leather Apron gewesen.

In der Scotland Yard Version, als auch in der Aberconway Version, gibt es keinen Hinweis zu John Pizer. Warum sollte dann in der Donner Version Pizer plötzlich auftauchen? Obwohl ja eh alle daran glauben, alles stammt von einem Schriftstück ab?

Aber wie ernst kann man die Donner Version überhaupt nehmen? Cutbush war kein Hauptverdächtiger. Druitt schon und auch der Gerber oder Schuster, den man Lederschürze nannte. Aber in den Ausführungen zu Druitt, erscheint Ostrog´s Vorname und dessen "Doktortitel". Schon in der Aberconway Version war Druitt 41 Jahre alt. Genau wie in der Scotland Yard und Aberconway Version, war Druitt aber auch ein Arzt. Was nicht unbedingt auf eine Verwechslung mit Ostrog bei Loftus hindeuten muss. Dieser Fehler, war vielleicht von Anfang an drin, "said to be a doctor"...

Mit Druitt als Arzt, dass war auch Major Arthur Griffiths (Inspector of Prisons) bekannt.

Major Arthur Griffiths:

"But the police, after the last murder, had brought their investigations to the point of strongly suspecting several persons, all of them known to be homicidal lunatics, and against three of these they held very plausible and reasonable grounds of suspicion. Concerning two of them the case was weak, although it was based on certain colourable facts. One was a Polish Jew, a known lunatic, who was at large in the district of Whitechapel at the time of the murder, and who, having afterwards developed homicidal tendencies, was confined to an asylum. This man was said to resemble the murderer by the one person who got a glimpse of him - the police-constable in Mitre Court. The second possible criminal was a Russian doctor, also insane, who had been a convict both in England and Siberia. This man was in the habit of carrying about surgical knives and instruments in his pockets; his antecedents were of the very worst, and at the time of the Whitechapel murders he was in hiding, or, at least, his whereabouts were never exactly known. The third person was of the same type, but the suspicion in his case was stronger, and there was every reason to believe that his own friends entertained grave doubts about him. He was also a doctor in the prime of life, was believed to be insane or on the borderland of insanity, and he disappeared immediately after the last murder, that in Miller's Court, on the 9th November, 1888."

Griffiths, der gemeinsam mit dem Journalisten George Robert Sims, gute Kontakte zu Macnaughten und der Polizei hatte, wird auf irgendeine Art und Weise auch mit diesem Memorandum vertraut gewesen sein. Für mich ist dies eine vierte, wenn auch sehr kleine, `Griffiths Version", des Memorandum. Sims unterstützt ihn auf seiner Ebene, zumindest in einem Falle darin.

Schon der "41jährige Arzt Druitt", ist für mich ein Zeichen dafür, das Loftus nichts anderes sah, als das, was für die anderen Versionen auch ausschlaggebend war. Inklusive Griffiths´seiner "Version". Mit dem Unterschied, dass er Druitt, den Polen, dessen Name er wahrscheinlich nicht entziffern konnte und Cutbush als Hauptverdächtige sah. Im Orginal waren dies aber Druitt, sein unlesbarer Pole Kosminski und Ostrog. Die Angaben, die er zur Nummer 2 machte, könnten allerdings genauso richtig sein, wie das gemerkte "Alter" von Druitt.

Manchmal frage ich mich allerdings, ob Macnaughten´s Fehler mit Druitt, nicht einfach darauf zurückzuführen sind, dass er jemanden kannte, der Druitt kannte und er dies zu sehr als ein Art Zeichen gedeutet haben könnte. Vielleicht führte die Erkenntnis dieses unerfüllten Wunschdenkens auch dazu, dass er bestimmte Unterlagen einfach einmal verbrannte.

Ja, auch Loftus sah die gleichen Unterlagen. Seine Aussagen, werte ich genauso wichtig, wie die im offiziellen Dokument, als auch in der Aberconway Version und auch der "Version" von Griffiths.
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Offline Shadow Ghost

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Re: Aberconway Version
« Antwort #8 am: 21.02.2012 21:04 Uhr »
Dass Loftus von Druitt als "Doktor von 41 Jahren" sprach, ist für mich ein Zeichen, dass er entweder die Abenconway-Version oder eben eine dritte (Donner-)Version des Memorandums sah, frühe Entwürfe von Macnagthen, die wir heute eben als solche betrachten sollten. In der endgültigen Fassung hatte er diese beiden Informationen über Druitt herausgenommen bzw. relativiert: "said to be a doctor". Wenn ich mir so anschaue, was bei mir so in den ersten Fassungen von diversen Arbeiten steht, dann wollte ich auch nicht, dass jemand in hundert Jahren sich anhand dessen ein Bild von mir macht. Die Fassung, die in den Unterlagen von Scotland Yard gefunden wurde, war die, die Sir Melville für gut befunden hat und die er mit seinem Namen unterzeichnet hat.
Die älteren Fassungen sind vielleicht in Hinblick auf Sir Melvilles Gedächtnisleistung interessant, mehr aber auch nicht. Es ist dabei ja schön zu beobachten, wie er Fehler aus der Aberconway-Version in der endgültigen Fassung korrigiert hat.
  • In der AV ist Druitt noch ein Doktor von 41 Jahren, in der offiziellen Fassungen, ist Druitt nur noch mutmaßlich ein Doktor ("...said to be a doctor...") und über sein Alter gibt es keine Angaben mehr.
  • In der AV heißt es: "No one ever saw the Whitechapel murderer (unless possibly it was the City P.C. who was on [handwritten] a beat near Mitre Square)", während Sir Melville es in der offiziellen Version bei "No one ever saw the Whitechapel murderer" belässt, und diesen ominösen City PC weglässt
  • Während in der AV bei der Beschreibung von Kosminski der CIty PC wieder auftaucht ("This man in appearance strongly resembled the individual seen by the City P.C. near Mitre Square."), ist in der offiziellen Version der City PC wieder gestrichen
Die offizielle Version mag zwar nicht fehlerfrei sein, aber dennoch eine solidere Grundlage als die Vorfassung.

Offline Lestrade

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Re: Aberconway Version
« Antwort #9 am: 21.02.2012 22:17 Uhr »
Eben!

Die Aberconway-Version und das was Loftus sah, waren die Vorfassung oder auch dazugehörige, ergänzende Unterlagen, die letztendlich zur Endfassung gebracht wurden. Weitere Ergänzungen erfahren wir von Griffiths (Sims). Wie er (sie) auch immer dazu kam(en). Alles in allem sehr spannend.

Aber die Hauptverdächtigen bleiben immer die gleichen, davon können wir auch ausgehen. Es sind Druitt, Kosminski und Ostrog.

Das er den PC vom Mitre Square nicht in der offiziellen Version nannte, mag merkwürdig sein aber jemand der Druitt bevorzugte, wird dann kaum die Nummer 2, mit einer solchen Beobachtung "stärken". Auch wenn man nur von "Ähnlichkeiten" sprach. Griffiths wußte ja auch vom PC. Sims unterstützt ihn darin: "The policeman who got a glimpse of Jack in Mitre Court said...", mit nahezu ähnlichem Wortlaut. Auch Griffiths sprach vom Mitre Court. Einer zitierte den anderen... und kleine Fehler mit...

Auch wenn die offizielle Version maßgeblich ist, immerhin waren die Aberconway- und auch die Donner- Version, die "Grundlagen" dafür. Griffiths und Sims ergänzten weiter. Und es gibt keinen Anlass, dass man den anderen "Versionen" weniger Beachtung schenken sollten. Sie fundieren alle auf Macnaghten´s gesammelte Werke. In welcher Form auch immer.

Und so erfährt man etwas mehr über jeden einzelnen der Hauptverdächtigen. Bei Macnaghten bekommt man den Eindruck, dass er unsicher in seinem Wissen über diese Männer gewesen war. Druitt war kein Arzt und er ließ dann rasch das Alter von 41 Jahren weg. Bei Kosminski nannte er gar keinen Beruf, obwohl Gerber/Schuster evtl. bekannt waren und erwähnte auch nicht Leather Apron und keinen PC in der offiziellen Version. Wegen Ostrog erkundigte er sich noch im Mai 1893 schriftlich in Banstead, wann dieser entlassen werden könnte und ob man dann Scotland Yard informieren würde. Also noch vor dem Memorandum. Die wußten nie wo der im Herbst 1888 gewesen war, obwohl vieles dafür sprach und es wohl auch anerkannt ist, dass er in Frankreich zu jener Zeit von der Polizei festgehalten wurde. Ostrog galt einfach nur als gefährlicher Typ, der dafür bekannt war, mit einer Tasche, wo medizinische Instrumente drinnen verstaut waren, durch die Gegend zu laufen.

Dies war die "schwache" Ausbeute, die er, Sir Melville Macnaughten, in seinen Jobs, zwischen Juni 1889 und dem Februar 1894, zu den Jack the Ripper Verdächtigen einfahren konnte und auch "wagte" zu "veröffentlichen". Vielleicht ist dies aber auch bezeichnend. Oder aber es spricht Bände. Kann jeder wie er mag aus beliebiger Richtung betrachten.
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Offline Shadow Ghost

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Re: Aberconway Version
« Antwort #10 am: 21.02.2012 23:59 Uhr »
Das er den PC vom Mitre Square nicht in der offiziellen Version nannte, mag merkwürdig sein aber jemand der Druitt bevorzugte, wird dann kaum die Nummer 2, mit einer solchen Beobachtung "stärken". Auch wenn man nur von "Ähnlichkeiten" sprach. Griffiths wußte ja auch vom PC. Sims unterstützt ihn darin: "The policeman who got a glimpse of Jack in Mitre Court said...", mit nahezu ähnlichem Wortlaut. Auch Griffiths sprach vom Mitre Court. Einer zitierte den anderen... und kleine Fehler mit...

Oder es lag eben daran, dass es keinen PC gab!
Das Memorandum war ein internes Scotland Yard-Papier. Es war nicht dazu gedacht, jemanden von einer Theorie zu überzeugen, sondern als "Antwort-Vorlage", falls jemand an Scotland Yard wegen der Artikelserie in The Sun herangetreten wäre. Es macht in meinen Augen keinen Sinn, in einem offiziellen Schreiben die Fakten so hinzudrehen, wie man sie für seine Theorie gerade benötigt; schließlich wollte auch Macnaghten einen Mörder fangen und nicht Bücher verkaufen.
Griffith und Sims hatten wohl nur Zugang zu einer Rohfassung (Aberconway-Version?) und haben von dort mangels besseren Wissens die Fehler eben mitübernommen.

Auch wenn die offizielle Version maßgeblich ist, immerhin waren die Aberconway- und auch die Donner- Version, die "Grundlagen" dafür. Griffiths und Sims ergänzten weiter. Und es gibt keinen Anlass, dass man den anderen "Versionen" weniger Beachtung schenken sollten. Sie fundieren alle auf Macnaghten´s gesammelte Werke. In welcher Form auch immer.

Ich sehe nirgends, wo Griffith über die Angaben in der Aberconway-Version hinausgeht. Er wiederholt ausschließlich. In Cassel's Family Magazine 1896 scheint er noch nicht vom Memorandum gewusst zu haben. Zwei Jahre später jedoch in Mysteries of Police and Crime nannte er schließlich die drei Verdächtigen. Sims schrieb darüber 1899; er kann also sowohl von Macnaghten als sogar von Griffith selbst die Information bekommen haben. Aber: falsche Annahmen - wie wahrscheinlich der City P.C. - werden auch nicht wahrer, wenn man sie immer wiederholt.
Loftus gibt über das Memorandum hinaus gehende Informationen gibt. Woran dieser sich nun aber erinnern kann, und was er nur meint zu erinnern, kann nicht mehr geklärt werden.

Offline Lestrade

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Re: Aberconway Version
« Antwort #11 am: 22.02.2012 10:12 Uhr »
Ich kann im offiziellen Memorandum von Macnaughten höchstens erkennen, dass er Dinge weglies. Ein wenig hinbiegen würde ich bei ihm aber nicht ausschließen, warum würde er sonst Druitt und Ostrog darin überhaupt erwähnen? Warum nahm er diese schwachen Verdächtigen mit in seine Liste? Druitt war schwul und spielte zu einer Tatzeit Cricket, Ostrog war damals garnicht im Lande. Irgendeiner von Macnaughten´s Leute drückte mit Druitt mal die Schulbank und schwups, erscheint dieser als Nummer 1 Hauptverdächtiger. Und schon damals war Druitt "komisch". Das nenne ich hinkonstruieren. Was für ein Zufall. Mit Ostrog hatte die Polizei vor 1888 und auch noch tüchtig danach zu tun. Nichts kam dabei heraus. Wenn Macnaughten einen Mordfall lösen wollte, dann präsentiert er jemanden der Druitt mal kannte, welcher wußte, dass er schon als jugendlicher merkwürdig war, weiß nicht wie alt Druitt ist und welche Beruf er ausübte. Aber die eigene Familie hat ja gesagt, Druitt war´s... Ja, dass sieht nach ernsthafter Polizeiarbeit aus... mal abgesehen von in Bildern gerahmten Dokumenten des Falles, die in Macnaghten´s Familie an den Wänden hingen...

Viele Ripperologen unterstützen die Theorie, dass der PC vom Mitre Square, ein Zeuge vom Mitre Square war. Dürfte ja allgemein bekannt sein. Egal ob PC oder "normaler" Zeuge, so ganz ohne jemanden der nichts sah, ist es wohl auch nicht gewesen. Laut Cox von der City Police, war aber sogar ein Kollege dicht dran... Wenn, dann irrt sich Macnaughten oder er war falsch informiert. Das es einen Zeugen gab (egal welcher Art), wissen wir ja...

Griffiths wurde von Anderson und Macnaughten empfangen. So oder so hatte er Informationen aus erster Hand. Inwieweit dort auch nichts neues zu erfahren ist, kann ja jeder selber nachlesen. Griffiths schrieb bereits 1895 über Anderson´s Theorie wegen eines Mannes aus dieser Dreier-Liste. Da nannte sich Griffths Alfred Aylmer.

Macnaughten als auch Anderson vertraten dabei ihre Theorien gegenüber Griffiths.

Griffiths selber zeigt uns einen Macnaghten mit Vorliebe für das sensationelle und blutrünstige, einen sensationlüsternen Menschen. Reißerisch und unverbindlich.

Griffiths zeigt uns einen Anderson der rechtlich genau war und "dachte nur, dass er es wüßte", seine "perfekt plausible Theorie" die Wahrheit war.

Griffiths tendierte zu Macnaughten´s Theorie. Aber egal, wie fähig jeder war, über diese Memorandum-Geschichte erfahren wir viel über den Fall, über die Verdächtigen, über Beamte und andere Menschen.

Macnaughten bekam den Auftrag, so ein Ding zu schreiben. Er tat es, nicht der Swanson, nicht Anderson.

Damals dürfte es sicherlich für einige intern wichtig gewesen sein und möglicherweise auch aufschlußreich. Heute wissen wir, dass diese Memorandum wichtige Hinweise gibt aber die Verdächtigenliste Nonsens ist.

Ich habe hier den Link zur Original Aberconway- Version hineingesetzt. Später noch den Link zur Original Scotland Yard Version. Wir haben die Donner- Version angesprochen und sogar noch eine Version, welche die Meinung von Griffiths wiedergibt. Drei Mal haben wir es nun schwarz auf weiss. Einmal die mündlichen Aussagen überliefert bekommen.

Was da alles drin steht, steht eben so drin. 
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Re: Aberconway Version
« Antwort #12 am: 22.02.2012 12:55 Uhr »
Ich kann im offiziellen Memorandum von Macnaughten höchstens erkennen, dass er Dinge weglies.

Eben, und zwar die Dinge, über die er sich nicht sicher war.

Ein wenig hinbiegen würde ich bei ihm aber nicht ausschließen, warum würde er sonst Druitt und Ostrog darin überhaupt erwähnen? Warum nahm er diese schwachen Verdächtigen mit in seine Liste?

Er schreibt ja selbst, dass dies nur drei Verdächtige sein sollen, die wahrscheinlicher als Cutbush wären. Schwache Verdächtige waren in Sir Melvilles Augen wohl alle drei, da no shadow of a proof could be thrown on any one.

Druitt war schwul und spielte zu einer Tatzeit Cricket, Ostrog war damals garnicht im Lande. Irgendeiner von Macnaughten´s Leute drückte mit Druitt mal die Schulbank und schwups, erscheint dieser als Nummer 1 Hauptverdächtiger. Und schon damals war Druitt "komisch". Das nenne ich hinkonstruieren. Was für ein Zufall.   

Druitt spielte nie zu einer Tatzeit Cricket! Worauf Du anspielst, ist, dass Druitt am 8. September 1888, wenige Stunden nachdem Annie Chapman in der Hanbury Street ermordet worden war, ein Cricket-Spiel hatte. Zeitlich hätte Druitt das sogar schaffen können, nur ist dieser Ablauf eben unwahrscheinlich. Aber das ist eben etwas anderes als die Aussage, Druitt hätte zur Tatzeit Cricket gespielt. Das mag jetzt kleinkariert erscheinen, geht aber nicht gegen Dich, Lestrade, sondern soll nur Verwirrung bei unseren Mitlesern vermeiden.
Wer letztlich die Quelle für Sir Melvilles private info war, ist bis heute nicht geklärt.

Ja, dass sieht nach ernsthafter Polizeiarbeit aus... mal abgesehen von in Bildern gerahmten Dokumenten des Falles, die in Macnaghten´s Familie an den Wänden hingen...

Sir Melville vorzuwerfen, dass seine Nachfahren nach seinem Tod irgendwelche Dokumente an den Wänden haben, finde ich nicht sonderlich fair. Ich nehme an, Du spielst auf die Aussage an, die Philip Loftus von Sir Melvilles Enkel Gerald Meville Donner berichtet, der sich ihm gegenüber 1950 brüstete, einen Original-Ripperbrief an der Wand zu haben.
Von Sir Melville ist mir lediglich bekannt dass er eine Sammlung von mug-shots und Jack the Ripper victim photos under lock and key in his office hatte. Das berichten zumindest Griffith und Adam über ihn, und ich finde dies für einen Polizisten nicht so ungewöhnlich.

Viele Ripperologen unterstützen die Theorie, dass der PC vom Mitre Square, ein Zeuge vom Mitre Square war. Dürfte ja allgemein bekannt sein. Egal ob PC oder "normaler" Zeuge, so ganz ohne jemanden der nichts sah, ist es wohl auch nicht gewesen. Laut Cox von der City Police, war aber sogar ein Kollege dicht dran... Wenn, dann irrt sich Macnaughten oder er war falsch informiert. Das es einen Zeugen gab (egal welcher Art), wissen wir ja...

Es ist richtig, dass es Menschen gibt, die die Theorie vom Mitre Square PC unterstützen. Auch ich bin gerne bereit, zu diskutieren, ob dies nun PC Harvey oder PC Watkins oder vielleicht ein dritter war. Aber nach unserem Kenntnisstand ist diese Geschichte eben nicht mehr als eine Vermutung, ein Gerücht, dass es einen Polizisten gegeben haben könnte, der Zeuge gewesen sein könnte.
Es ist auch richtig, dass Inspector Cox einen Vorfall beschreibt, der dies zu stützen scheint: It was not easy to forget that already one of them had taken place at the very moment when one of our smartest colleagues was passing the top of the dimly lit street. Allerdings sei hier angemerkt, dass nichts von einem Platz (Mitre Square) erwähnt wird, sondern von einer schlecht beleuchteten Straße. Der Zusammenhang zu Mitre Square wird nur  dadurch hergestellt, dass Cox bei der City Police war, und Mitre Square der einzige Tatort in der City war, und dass Cox nur einen anderen City PC als colleague bezeichnen würde. Ob dies so ist, oder ob er nicht auch einen MET Polizisten als colleague bezeichnen würde, kann ich nicht endgültig beurteilen, aber in letzterem Fall würden auch die Tatorte im MET Bereich in Frage kommen.
Aber es ist wohl leicht zu erkennen, dass wir selbst heute nicht genau sagen können, ob es diesen City PC am Mitre Square gab oder nicht. Warum also sollte Sir Melville damals mehr gewußt haben? Sein Zugang zu den Akten der City Police dürfte - zumindest zum Zeitpunkt des Memorandums - doch eher eingeschränkt gewesen sein. Also mag er Gerüchte gekannt haben, mehr aber auch nicht.

Griffiths wurde von Anderson und Macnaughten empfangen. So oder so hatte er Informationen aus erster Hand. Inwieweit dort auch nichts neues zu erfahren ist, kann ja jeder selber nachlesen. Griffiths schrieb bereits 1895 über Anderson´s Theorie wegen eines Mannes aus dieser Dreier-Liste. Da nannte sich Griffths Alfred Aylmer.

Auch hier möchte ich etwas pingelig sein, damit Mitleser nicht verwirrt werden. Griffith - als Alfred Aylmer - beschrieb Andersons "Polish Jew"-Verdächtigen. Dieser wurde später von Swanson als "Kosminski" identifiziert. Bis zur Entdeckung der Swanson-Marginalia hat aber kaum einer (wenn überhaupt einer) der Ripper-Experten Andersons Verdächtige mit dem "Kosminski" aus dem Memorandum gleichgesetzt. Dies wurde erst durch die Swanson-Marginalia möglich. Selbst Griffith erfuhr erst - wie ich bereits dargelegt habe - erst nach 1896 vom Memorandum und den drei Verdächtigen. Ob Anderson vom Memorandum wußte, weiß ich nicht. Es ist aber auf jeden Fall gewagt, zu behaupten, Griffith hätte bereits 1895 über einen Mann aus der Dreier-Liste geschrieben. Er hat über Andersons Verdächtigen geschrieben, und soweit ich weiß, war die erste Identifikation von Andersons Verdächtigen mit "Kosminski" aus dem Memorandum erst 1987 geschehen, als die Swanson-Marginalia veröffentlicht wurde.
Ob Griffith diese Gleichsetzung irgendwann schon gelungen war, kann ich nicht sagen, aber 1895 tat er das noch nicht, da er erst 1896 vom Memorandum erfahren hat.

Griffiths tendierte zu Macnaughten´s Theorie. Aber egal, wie fähig jeder war, über diese Memorandum-Geschichte erfahren wir viel über den Fall, über die Verdächtigen, über Beamte und andere Menschen.

Wir erfahren sicherlich durch die Rohfassungen etwas über die beteiligten Personen, das will und wollte ich nie in Abrede stellen. Wenn es jedoch um die Verdächtigen geht, also um die einzigen Menschen, die nur passiv mit dem Memorandum zu tun hatten, dann kann ich eben nicht zustimmen. Über die Verdächtigen erfahren wir (bestenfalls) nur durch die offizielle Fassung etwas. Wie Du selbst schreibst, Lestrade, sind die Angaben in der Aberconway-Version über Druitt falsch. Was also sollen wir daraus über den Verdächtigen lernen?

Macnaughten bekam den Auftrag, so ein Ding zu schreiben. Er tat es, nicht der Swanson, nicht Anderson.

Ich vermute mal, dass dies einfach in Macnaghtens Zuständigkeit lag. Ob er dazu einen Auftrag bekam, oder einfach vermutete, dass die Artikelserie in The Sun eine Anfrage bei Scotland Yard hervorrufen könnte, und er einfach gewappnet sein wollte, ist wohl ein Thema für sich.

Damals dürfte es sicherlich für einige intern wichtig gewesen sein und möglicherweise auch aufschlußreich. Heute wissen wir, dass diese Memorandum wichtige Hinweise gibt aber die Verdächtigenliste Nonsens ist. 

Das wundert mich jetzt aber, Lestrade. Du als alter Kosminski-Anhänger? Wäre doch toll, wenn man noch herausfinden würde, dass Kosminski im März 1889 schon einmal in einem Asylum gewesen wäre.

Ich habe hier den Link zur Original Aberconway- Version hineingesetzt. Später noch den Link zur Original Scotland Yard Version. Wir haben die Donner- Version angesprochen und sogar noch eine Version, welche die Meinung von Griffiths wiedergibt. Drei Mal haben wir es nun schwarz auf weiss. Einmal die mündlichen Aussagen überliefert bekommen.

Was da alles drin steht, steht eben so drin. 

Finde ich gut, dass Du die Links hier rein gestellt haben, schon allein wegen dieses Threads.

Ich will die ganze Zeit eigentlich nur darauf hinweisen, was eine allgemeine Gefahr in der Ripperologie ist, nämlich "mündliche Überlieferungen" oder "halbgare Aussagen" als Fakten zu nehmen. Und eben solche "halbgaren Aussagen" sind eben manche Stellen in den Rohfassungen des Memorandums. Und diese "halbgaren Aussagen" sind eben einfach daran zu erkennen, dass sie in der Endfassung nicht mehr erscheinen, weil eben Sir Melville seine Bedenken bekommen haben mag. Von daher kann man sich durchaus auf dünnes Eis wagen und den City PC vom Mitre Square diskutieren (haben wir hier auch schon in einer schönen Diskussion gemacht), aber wir müssen uns eben bewußt bleiben, dass wir damit ins Land der Spekulation gehen, und wir dürfen es nicht als Fakt bezeichnen. Vieles was in der offiziellen Fassung des Memorandums steht mag vielleicht auch "halbgar" sein, das will ich gar nicht bestreiten (Kosminski im Asylum 1889), aber umso mehr gilt dieses eben für Behauptungen, die in der Rohfassung auftauchen, in der Endfassung aber nicht mehr.

Offline Lestrade

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Re: Aberconway Version
« Antwort #13 am: 22.02.2012 13:52 Uhr »
Mir bitte aber auch nichts in den Mund legen...

"Druitt war schwul und spielte zu einer Tatzeit Cricket"

Ich schrieb nicht, dass er frühmorgens um 5 Uhr sportlich aktiv war. Zur Tatzeit gehören für mich nicht nur der Augenblick des Tötungsaktes, sondern die Möglichkeit, an einen Tatort zu gelangen und auch wieder zurück. Das sind die Dinge, Ereignisse, die kann man unter Druitt nachlesen. Zugegebenermaßen, war das unglücklich formuliert. Da gebe ich dir recht, nun ist es ja geklärt.

"Das wundert mich jetzt aber, Lestrade. Du als alter Kosminski-Anhänger? Wäre doch toll, wenn man noch herausfinden würde, dass Kosminski im März 1889 schon einmal in einem Asylum gewesen wäre."

Wegen der Verdächtigenliste? Ich schrieb, dass ich die Liste Nonsens finde. Nicht das ich Kosminski Nonsens finde. Und heute können wir Druitt und Ostrog ausschließen, noch mehr Nonsens als damals schon. Also auch hier nicht die anderen irritieren, denn ich habe Kosminski nicht als Nonsens bezeichnet, sondern die Liste in seiner Gesamtheit.

Dein Zitat:

"Es macht in meinen Augen keinen Sinn, in einem offiziellen Schreiben die Fakten so hinzudrehen, wie man sie für seine Theorie gerade benötigt; schließlich wollte auch Macnaghten einen Mörder fangen und nicht Bücher verkaufen."

Eben und dann der Vergleich mit Cutbush. Macnaughten sagte ja selbst, dass sie keine Ahnung hatten, wo sich Cutbush zur Zeit der Morde aufhielt. Das war genauso schwach, wie mit Ostrog oder Druitt. Wahrscheinlich auch mit Kosminski. Wirkt alles in allem sehr hingedreht.

Macnaughten in der Aberconway- Version:

"Ich neige dazu, die letzten 2 zu entlasten  aber ich vertrat stets feste Überzeugungen bezüglich Nummer  1 und je mehr ich über die Sache nachdenke, desto stärker scheinen sich diese Überzeugungen zu verfestigen. Die Wahrheit wird jedoch niemals bekannt werden und sollte sie es schaffen, dann wird sie auf dem Boden der Themse liegen, falls meine Spekulationen sich bestätigen sollten."

Das zu seinem Verdächtigen Nummer 1 in der Aberconway- Version. (Wäre schön zu wissen, was er dann später davon verbrannt hatte.)

Wir erfahren hier etwas über Druitt, nämlich garnichts und dadurch wird er zu DEM Hauptverdächtigen. Das passt jetzt nicht zu deiner Meinung im Zitat, wie bestrebt Macnaughten gewesen sein muss, den Täter zu fangen. Wenn hier einer richtig spekuliert und es auch selber notiert und damit sagt, dann ist es Macnaghten selber.

Die Endfassung ist da. Dies ist hier ein Diskussionsforum und es liegt in der Natur der Sache zu spekulieren, Theorien anzunehmen, sich damit auseinanderzusetzen. Dies kann man hier gut tun im Vergleich mit der Aberconway- Version, der Donner- Version und auch mit Griffiths Aussagen. Für jemanden ist der PC vom Mitre Square Realität, für den anderen existierte er eben nicht. Wenn ich ihn als Fakt annehme, dann ist das eine genauso unbestätigte Sache, als wenn andere behaupten, es gab ihn nicht. Dann wird dies da ja auch schnell zum Fakt, was dann genauso blöd ist. Und Macnaughten hielt ihn zumindest für möglich. Und diese Möglichkeit ist eben auch ein Fakt.

Nochmals, zwei Versionen des Memorandum sind hier einzusehen. Die überlieferte, mündliche Version haben wir auch angesprochen. Die Sätze Griffiths sind hier (zum Teil) auch nachzulesen. 

Wer in der Ripperologie nur die Scotland Yard Version als verbindlich nimmt, der muss wissen, dass Macnaughten in seiner Person unverbindlich war. Das macht ihn nicht zu einen schlechten oder unfähigen Beamten. Das war er garantiert nicht. Auch er war nur ein Mensch und sein "Fehler" lag vielleicht in seiner Passion für Druitt. Was für uns alles schwieriger macht. So wie es sich empfiehlt, Macnaughten kritisch zu betrachten, ohne ihn dabei abzuwerten, so empfiehlt es sich auf andere, beteiligte Personen zu schauen. Auch außerhalb der Verbrechensserie im EastEnd. Sei es ein Anderson, Warren, Reid oder Griffith usw.





Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

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Re: Aberconway Version
« Antwort #14 am: 22.02.2012 14:40 Uhr »
Ich denke niemand wird bestreiten, dass es Sir Melville um die Ergreifung von Jack the Ripper ging. Aber genauso gilt, dass es ihn in seinem Memorandum nicht um die Nennung eines Täters ging, sondern nur um eine mögliche Entlastung von Cutbush ging. Seine Motivation hierfür möchte ich gar nicht erst diskutieren, und ob es ihm mit der Nennung der drei Verdächtigen gelang, gegen die, wie er selbst zugibt, keine greifbaren Anhaltspunkte gab, sei ebenso dahingestellt. Das Memorandum war, wie schon erwähnt, lediglich als eine Vorlage gedacht, falls Nachfragen der Presse bezüglich Cutbush an Scotland Yard gerichtet worden wären. Ob sich die Presse mit dieser Erklärung und den schwachen Verdächtigen zufrieden gegeben hätte, ist fraglich. Aber dieses Ziel hätte er so oder so erfüllen können, ob er nun Fakten hindreht oder nicht. Eine entsprechende Presseerklärung wäre wohl durch die Nennung des City PC (oder eines anderen Augenzeugens) nur stärker geworden. Dass er auf dessen Nennung verzichtet, ist - in meinen Augen - ein Zeichen dafür, dass er wohl selbst große Zweifel bezüglich dessen Existenz hatte. Dass er auf die Nennung verzichtet, ist - in meinen Augen - auch kein Zeichen dafür, dass er seinen "Lieblingsverdächtigen" Druitt stärkeres Gewicht geben wollte, denn darum ging es im Memorandum nicht. Außerdem: Hätte er irgendetwas hindrehen wollen, hätte er wohl kaum geschrieben, dass es auch gegen diese drei Verdächtigen keine Beweise gibt.
Es ist ja schon oft diskutiert worden, woher Sir Melville gerade diese drei Namen nahm. Hatte er sie wirklich als Verdächtige im Kopf oder nahm er einfach drei Namen von einer Liste von Verdächtigen? Dies wäre wirklich interessant zu erfahren.

Letztlich sehe ich den einzigen Wert des Memorandums darin, dass uns ein zeitgenössisches Polizei-Dokument die Namen (!) von drei Verdächtigen gibt. Mehr bedeutet es für mich persönlich eigentlich nicht, denn mir geht es nur darum, den Täter herauszufinden. Das Ganze drumherum ist daher für mich persönlich nur insofern von Interesse als es mich diesem Ziel näher führt. So nehme ich zwar Fährten wie den City PC auf, um zu sehen, wohin mich diese "Spur" führt, genieße es aber auch mit Vorsicht.

Die Endfassung ist da. Dies ist hier ein Diskussionsforum und es liegt in der Natur der Sache zu spekulieren, Theorien anzunehmen, sich damit auseinanderzusetzen. Dies kann man hier gut tun im Vergleich mit der Aberconway- Version, der Donner- Version und auch mit Griffiths Aussagen. Für jemanden ist der PC vom Mitre Square Realität, für den anderen existierte er eben nicht. Wenn ich ihn als Fakt annehme, dann ist das eine genauso unbestätigte Sache, als wenn andere behaupten, es gab ihn nicht. Dann wird dies da ja auch schnell zum Fakt, was dann genauso blöd ist.

Das sehe ich etwas anders. Wenn einer eine Behauptung aufstellt (City PC am Mitre Square), dann muss er es auch beweisen können, damit es Fakt wird. Eine Nicht-Existenz (Kein City PC am Mitre Square) lässt sich prinzipiell nicht beweisen; das ist leider so. Wenn ich die Behauptung aufstelle, es würde ein Nacktbild unserer Kanzlerin in einer Umlaufbahn zwischen Mars und Jupiter um die Sonne kreisen, so liegt es an mir, dies zu beweisen. Dir (und auch keinem anderen) wird es gelingen, dessen Nicht-Existenz zu beweisen, schon allein weil ich immer sagen kann, Du hättest einfach an der falschen Stelle gesucht.
Solange also die Existenz des City PC nicht bewiesen ist, muss man also auch von dessen Nicht-Existenz ausgehen. Und bevor man ihn als Fakt ansehen kann, muss man also seine Existenz beweisen.Das schließt natürlich nicht unsere beliebten Was-wäre-wenn-Spielchen aus, aber man sollte es immer im Hinterkopf behalten.
Realität ist das, was übrig bleibt, wenn man aufhört zu glauben.

P.S. Ich wollte Dir sicherlich nichts in den Mund legen, ich habe lediglich ein anderes Verständnis des Wortes "Tatzeit". Sorry, falls es da Missverständnisse gab.