Autor Thema: Swanson  (Gelesen 121238 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Craddock

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 170
  • Karma: +0/-0
Re: Swanson
« Antwort #45 am: 25.01.2011 21:21 Uhr »
Peace!

Nehmen wir an, ein ganz anderer als die genannten drei Zeugen identifizierte "Kosminski", warum griff die Polizei nicht danach noch auf alle oder wenigstens auf einen davon zurück?

Das ist, neben den widersprüchlichen Aussagen der Beamten, der Punkt, der mich auch am meisten beschäftigt. Es ist ja nicht so, dass ein Mangel an Zeugen bestanden hätte, im Gegenteil. Und es sind ja auch nicht nur Schwartz, Lawende und eventuell Hutchinson. Elizabeth Long hat ja ebenfalls einen Mann mit Chapman gesehen und das, wenn sie sich nicht vertan hat, recht kurz vor der Tat. Genug Zeugen, auf die man, falls einer davon umkippen sollte, zurückgreifen könnte. Aber geschieht dergleichen? Nach allem, was wir wissen, nicht. Das legt natürlich schon den Verdacht nahe, dass der Verdächtige eventuell auf keine Beschreibung gepasst hat, außer auf eine. Oder von einem gewissen Zeugen unbekannter Identität bei etwas beobachtet wurde, das darüber hinausgeht, mit einem Opfer vor der Tat irgendwo gesehen worden zu sein.

Ich wüsste neben all dem auch ganz gerne, welche Polizeieinheit für die Gegenüberstellung denn nun wirklich verantwortlich war. Die MET? Oder doch die City Police, was vor dem Hintergrund, dass der Verdächtige nach der gescheiterten Identifikation von dieser überwacht wurde, mehr Sinn machen würde? Denn wieso sollte die City Police einen Verdächtigen der MET überwachen, überhaupt wenn man bedenkt, wie sehr die in dieser Angelegenheit auf Geheimhaltung bedacht waren? War eine der beiden Seiten eventuell nur Zaungast? Oder wurde hinterher und da auch nur sehr schwammig unterrichtet?

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Swanson
« Antwort #46 am: 25.01.2011 22:58 Uhr »
Na ich denke folgendes: Die City Police observierte jemanden, den die MET dann zur Gegenüberstellung in´s Seaside Home brachte. "Sent by us" schrieb Swanson doch und danach ging es wieder zurück in´s Haus des Bruders, da wo er wohl auch herausgeholt wurde. Die City Police observierte ihn dann danach weiter. Solange, bis er in´s Arbeiterkrankenhaus ("Geschlossene" vermute ich), mit auf dem Rücken gefesselten Händen kam. Doch möglich, dass der Zeuge der MET etwas beschrieb, woran die Beamten erkannten "Moment, so einen hat doch die City Police unter Observation". Die Gründe, warum die City Police diesen Mann genauer observierten, könnten ja doch u.a darin gelegen haben, dass ihr PC vom Mitre Square, da jemanden wiedererkannt hatte. Wie der sich auch immer verdächtigt gemacht hat.
Wäre allerdings sehr skurill, die City Police kommt mit ihrem Zeugen nicht weiter und die MET mit ihren auch nicht. Nur merkwürdig wäre diese Vorgehensweise schon... Oder aber, die City Police erwähnte nichts gegenüber der MET aber irgendeiner hielt nicht dicht und die MET erfuhr es und holte sich einfach den Verdächtigen und mussten ihn reuig wieder zurückbringen. Zur Schadenfreude der City Police Beamten. Wäre eine Farce aber auch dies halte ich für möglich... 
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Swanson
« Antwort #47 am: 25.01.2011 23:16 Uhr »
Ich will PC Harvey ja nicht mies machen aber erlebte seinen Dienst ja auch nur bis Ende Mai 1889 bei der City Police. Aus unbekannten Gründen war er mit einem Mal nicht mehr dabei. Er könnte in solch einem Szenario die Plaudertasche gewesen sein. Und die MET zog ihren "Trumpf" aus dem Ärmel...
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Craddock

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 170
  • Karma: +0/-0
Re: Swanson
« Antwort #48 am: 25.01.2011 23:31 Uhr »
Interessantes Szenario. Muss ziemlich lustig anzusehen gewesen sein. Die sitzen die City-Jungs rum und müssen zusehen, wie die MET Mannschaft aufmarschiert und mal so mir nichts, dir nichts ihren Verdächtigen abholt. Vielleicht war die Zusammenarbeit auch besser, wer weiß es schon. Die City Police könnte es zuerst mal mit ihrem Zeugen versucht haben (Lawende) und, als das nix wurde, der MET vorgeschlagen haben, dass sie ihren Verdächtigen zur Verfügung stellen. Grundsätzlich denke ich mal, wollten beide den Irren von der Straße haben. Wär bestimmt ideal, wenn man selbst derjenige wäre, der ihn überführt, aber hey: Immerhin hat die City den Verdächtigen überhaupt erst aufgetrieben. Eventuell dauerte es auch ein wenig, bis die City sich erweichen ließ, was Swansons "Schwierigkeiten" erklären könnte. Der Verdächte wurde ja auch nicht "brought" sondern "sent". Vielleicht hat die City Police den Verdächtigentransport übernommen, weil sie "ihren Mann" auch nicht so einfach abgeben wollten.

Ich sollte wirklich über einfachere Dinge in dem Fall nachdenken, wo es keine Widersprüche gibt. Wie das GSG zum Beispiel oder MJK´s Todeszeitpunkt...

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Swanson
« Antwort #49 am: 26.01.2011 09:58 Uhr »
Wenn wir so weiter machen, dann liefern wir dem TV noch eine gute Vorlage für eine Daily Soap!

Inspektor Craddock und Inspektor G. Lestrade allein im "Fall". :mocking:

Agatha Christie und Arthur Conan Doyle würden sich im Grabe umdrehen.

Miss Marple und Sherlock Holmes würde man vielleicht eher zusammen sehen wollen aber was soll´s.

Ich schreib gleich noch etwas...
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Swanson
« Antwort #50 am: 26.01.2011 11:05 Uhr »
Bleiben wir ruhig bei diesem Szenario...

Die City Police wurde direkt in der Serie ja durch den Fall Eddowes betroffen. Natürlich werden sie sich schon vorher damit befasst haben, denn die anderen Morde passierten bekanntlich vor ihrer Tür. Wie ich hier kürzlich erfuhr, arbeiteten City Police und die MET doch intensiver miteinander als urprünglich von mir angenommen. Dies war eine wichtige Information.
Nach wie vor denke ich, dass die MET bestimmte Charaktere suchte und vielleicht auch ganz bestimmte Personen, wie einige Irre auf freien Fuss. Davon dürfte die City Police gewußt haben. Nun kam es auf ihrem Gebiet durch Eddowes gar zu einem wichtigen Polizeizeugen, den PC nahe Mitre Square. Er sah in der Nähe des Tatortes und des Tatzeitpunktes möglicherweise einen Mann und gar vielleicht bei irgendwelchen auffallenden Handlungen. Möglich, dass dieser Mann ihm auch bekannt vorkam, vom sehen her etc. So in der Art eben.
Mit dem Fall Eddowes, beginnt nun die City Police damit, intensiver zu ermitteln. Ältere Ereignisse werden noch einmal geprüft, Orte, wo Prostituierte arbeiten genauer unter die Lupe genommen, Befragungen durchgeführt, eben alles auf den Kopf gestellt. Ein gewisser Ehrgeiz entbrennt, damit auch die Fälle, in denen die MET nicht vorankam, mitgelöst werden können. Auf jeden Fall finden sie einen Mann, der dem Muster entspricht, welches die MET verfolgt. Der PC vom Mitre Square wird unauffällig hinzugezogen und bestätigt, dass diese Person diejenige war welche oder zumindest diesen sehr, sehr ähnlich. Dies wäre ein guter Anfang. Die Observation beginnt. An dieser Stelle tritt für mich dann Sagar´s Butcher´s Row Verdächtige auf den Plan. Sagar (City Police) fühlt sich für mich ähnlich sicher an wie Swanson. Und sein Mann kam, genau wie Swanson seiner, in eine Anstalt. Bemerkenswert. Inwieweit diese Observation auf Cox (ja ebenfalls City Police) passt ist schwer einzuordnen, zumindest für mich aber Cox entledigte sich einer sehr interessanten Bemerkung. Er sagte sinngemäß (ich schreibe es mal aus meinen Erinnerungen), dass die Beschreibungen des Ripper´s durch Zeugen, nichts mit seinem tatsächlichen Erscheinungsbild zu tun hatten. Nun ja...
Tatsächlich könnte nun die City Police angenommen haben, ihr observierter Mann könnte Jack the Ripper sein. Vorhandene Zeugen hin oder her, Verdächtigen beobachten und auf frischer Tat ertappen, wäre ein logisches Motto gewesen. Hutchinson könnte angehalten worden sein, seine Ausschau nach dem Täter zu beenden. Dies muss nicht freundlich erfolgt sein, so dass er bestimmte vorsprechenden Herren, für ganz große Nummern hielt und später meinte, die Sache betraf höhere Kreise, was so aber eben nur eine falsche Annahme war. Hutchinson könnte zusätzlich, aufgrund seiner Sichtungsüberzeichnung, als eh vorsichtig betrachtet worden sein. Andere Zeugen, wie Lawende oder Schwartz, blieben vorerst in der Warteschleife.
Trotz aller Zusammenarbeit zwischen beiden Einheiten, könnte es ja auch Geheimnisse gegeben haben oder man machte einander unrichtige Angaben oder war hier und da nicht ganz aufrichtig. Kommt immer darauf an, was man wie formuliert oder ausdrückt. Offiziell könnte die MET garnicht erfahren haben, dass die City Police jemanden observierte, den gar ein eigener PC wiedererkannt haben wollte oder in einer einfachen Variante, die MET wußte nicht genau, wo dieses die City Police nun tat. Wie auch immer. Mißtrauen baut sich immer weiter auf und könnte sogar auf Gegenseitigkeit beruht haben. Man kann nicht gänzlich ausschließen, dass die MET einen wichtigen Augenzeugen der City Police gegenüber nicht nannte. Ich halte viel von der englischen Polizei, damals wie heute aber die Engländer besitzen so ihren eigenen Stolz. Die MET hatte mehr Druck, 4 Morde auf ihrem Gebiet, die City Police hatte "nur" einen Mord und vielleicht zuerst eine heiße Spur, die sie auch richtig angingen. Die MET könnte unter dem Druck versagt haben, wiegten sich mit ihrem Zeugen in Sicherheit und hatten somit auf Sand gebaut. Durch solch eine unüberlegte Handlung hätte man jegliche weitere Ermittlungen zerstören können. Wenn in Wirklichkeit solch ein Szenario stattgefunden hätte, beide Einheiten jeweils einen Zeugen von verschiedenen Tatorten einbringen konnten aber am Ende durch Egoismus gegenseitig über ihre Füsse gestolpert wären, dann könnte dies einige Geheimniskrämerei im Fall erklären. Gerade wenn die City Police nichts von einer positiven Identifikation erfahren hätte, sich lediglich denken konnten, dass es eine Gegenüberstellung gab, die nichts brachte, den der Verdächtige kam ja wieder zurück. Und dann wandert der Verdächtige in eine Anstalt und wird für "Wahnsinnig" erklärt... Eine gewisse Agony und Handlungsunfähigkeit macht sich zu der Zeit breit... Trotz gewisser Unwissenheit über bestimmte Dinge, sind einige City Police Beamte wie Sagar der Meinung, der Täter wurde zumindest weggesperrt, genauso wie Swanson und Anderson es von der MET berichten.
Alles in allem ist es möglich, dass City Police und MET, sich mächtig in die Parade fuhren und die MET, in James Bond Manier, einen Verdächtigen der City Police "entführten". Dies alles könnte nur ganz wenige Personen betroffen haben. Wenn dann dieser gemeinsame Verdächtige, nach solchen Ereignissen, danach innerhalb "ganz kurzer Zeit" geschlossen weggesperrt wird, vielleicht noch auf Anraten von Freunden oder Familie, was bleibt dir da als Beamter an Spielraum? Noch weitere Männer wie Lawende, Schwarz oder Hutchinson mit hineinzuziehen? Wie würde man dem Gericht oder die Öffentlichkeit dies erklären wollen? Dieses hin- und her eben all dies soeben geschilderte? Insgesamt würde ich das in jeglicher Hinsicht, für alle Beteiligten, als "verspekuliert" betrachten. Wie ich schon einmal erwähnte, die Ereignisse könnte sich nach Kelly bei der Polizei überschlagen haben und endeten "nur" mit der sicheren Verwahrung eines Mannes namens "Kosminski", der sich nur dadurch dem Galgen entzog, weil man es nicht fertig brachte, ihn gemeinsam in eine Falle zu locken. Wenn Swanson und mich nicht alles täuscht, dann war dem Ripper wenigstens kein weiteres, längeres Leben mehr geschenkt.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

KvN

  • Gast
Re: Swanson
« Antwort #51 am: 26.01.2011 12:15 Uhr »
Hhhmmm...Alles sehr interessant, aber kompliziert. Vielleicht gab es ja auch keine Notwendigkeit, weitere Zeugen hinzuzuziehen. Die Behörden sind sich sicher über die Identität, als letztes Mosaiksteinchen fehlt nur noch die Bestätigung dass der suspect mit einem Opfer zur Tatzeit am Tatort gesehen wurde. Es kommt zur Identifizierung...Und danach geschieht eben gar nix mehr, wofür auch? In der Klapse kann man den Mörder sicher verwahren, der Ausgang der Gerichtsverhandlung wäre eventuell ungewiß. Man muss nur unter der Hand sicherstellen dass der Typ die Gummizelle nicht mehr lebend verläßt und erledigt. Ist ja bemerkenswert, dass sich der psychische Zustand Aaron Kosminskis so stabilisierte, dass fast 20 Jahre lang keinerlei Maßnahmen gesetzt wurden, keine Verlegung, keine Entlassung, gar nix...

Grüße

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Swanson
« Antwort #52 am: 26.01.2011 13:23 Uhr »
Eben Kurt!

Ich möchte Aaron Mordke Kosminski gerne akzeptieren. Zwei Einlieferungen in´s Workhouse, danach Colney Hatch aber 1894 verlegt in´s Leavesden Asylum, das ja wohl eher harmlosen Verrückten galt. Vielleicht hatte Swanson gedacht, er wäre nun verstorben ist aber in Wirklichkeit nur verlegt worden. Wir wissen nicht, wie sich Aaron Kosminski im Herbst 1888 verhielt und wie damals sein Zustand war. Vor Colney Hatch griff er ja jedenfalls noch seine Schwester an. Keiner weiß , wie der Vorfall wirklich aussah und ob er nicht doch zur Gewalt neigte. Die Behandlungsmethoden von damals kenne ich nicht, keine Ahnung ob man Colney Hatch nach ein paar Jahren und diversen Behandlungenseinheiten, vollkommen geistig tot verlassen hätte können, um in eine 0815Anstalt zu gelangen. Vieles spricht eben doch für Aaron Kosminski, sein geschildertes Leben und Verhalten vor der entgültigen Einweisung. Ähnlich würde ich es erwarten. Dann hätte er seine Serie mit der Ermordung von Kelly auch beendet gehabt (vermutlich). Dann hätte es mit dem Täter aber wirklich auch bergabgehen müssen. Wäre ja bei Aaron Kosminski gut möglich gewesen. Somit hätte die Verantwortlichen in Colney Hatch nicht erkennen können, wie der Mann wirklich einmal drauf war. Vorstellen kann ich mir das nicht aber wer weiß...
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

KvN

  • Gast
Re: Swanson
« Antwort #53 am: 26.01.2011 14:49 Uhr »
Nur noch eine gewagte Spekulation:

Mir geht da panopticons posting bezüglich des Verfahrens wegen des unangeleinten Hundes nicht aus dem Kopf...Der Aaron Kosminski in diesem Verfahren präsentierte sich zeitlich, örtlich und in der Sache orientiert. Wie durchgeknallt war er also wirklich? Oder war da im Hintergrund ein Deal Klapse gegen Galgen? Hätte sich doch für alle Beteiligten angeboten: Die Behörden wissen den Mörder sicher verwahrt und gehen nicht das Risiko ein (das ja lt. Anderson durchaus gegeben war) dass AK nach einem schiefgelaufenen Prozeß als freier Mann herumläuft und Kosminski kann sich sicher sein dass er nicht baumeln muss. Nach einer gewissen Zeit sagt man halt dass er gstorben is, er kommt in eine bequeme Anstalt...Schlecht kann es ihm ja nicht gegangen sein, er hat ja noch recht lang gelebt. Natürlich müsste das diskret behandelt werden, so wie´s ja auch geschah...

Grüße

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Swanson
« Antwort #54 am: 26.01.2011 16:08 Uhr »
Absolut möglich! Wenn nicht gar wahrscheinlich. Aaron Kosminski soll ja klein und schmächtig gewesen sein, sich aber in guter ,körperlicher Verfassung gezeigt haben. Vor der Überführung nach Colney Hatch bezeichnete ihn Maurice Whitfield als keine Gefahr für andere oder selbstmordgefährdet. Dr. Houchin beschrieb eine Art paranoiden Shizophrenen. Man wird allerdings den Eindruck nicht los, das Aaron Kosminski gut Englisch sprach. Eine Ewigkeit schien er noch nicht in London gelebt zu haben und für einen solchen Schwachsinnigen, der es schaffte noch eine neue Sprache zu erlernen, fällt eine totale Schwachsinnigkeit auch wieder raus. Allerdings hat er auch da jemanden plötzlich mit einem Stuhl angegriffen, genauso plötzlich wie er einst ein Messer aufhob um damit seine Schwester zu attackieren. Zuweilen war er aufgeregt und gewaltsam, lautet die Beschreibung. Meistens ruhig, zufriedenstellende Gesundheit. Also gänzlich auf der Straße gelebt haben kann er nicht, da hätte er wohl damals mehr drunter gelitten. Gerade bei seinem Geisteszutand. Scheint doch, dass er versorgt wurde. Spricht ja auch nichts dagegen. Dagegen spricht wieder, dass er wohl niemals Besuch erhielt. Gestorben ist er mit abgemagerten 44kg. Douglas meint, Täter dieser Art seien meist etwas unter oder über dem Normalgewicht. Aber wir wissen nicht, wie sich Aaron Kosminski 1888 präsentiert hatte. Die Zeugenaaussagen zielen meines Erachtens auf einen kräftigeren, untersetzten Typ mit "Round Neck" (wie auch Leather Apron). Nachdem Aaron Kosminski immer weiter in seine eigene Welt abdriftete, konnte man es riskieren, dass er verlegt werden konnte. Aber ich weiß nicht, ob man ihn bis einige Zeit vorher, als wirklich ohne Gewalt betrachten sollte. Ich weiß nicht, ob ein Mann, der soetwas angerichtet hatte, einfach jegliche Zwänge ablegen kann. Keine Ahnung welche körperlichen oder geistigen Erkrankungen, zu solch einer Entwicklung hätten führen können. Aber zugegebenermaßen, Aaron Kosminski ist der Nummer 1 Kandidat...

Dennoch, was weiß man schon über:
Maurice Kosminski, Francois Kozminski, Philip Koshminski, Louis Kosminski (alles schöne französische Vornamen), Joseph Kosminski, Samuel Kosminski, Martin Kosminski, Isaac Kosminski, Daniel Kosminski, George Kosminski, Wolf Kosminski, Abraham Kosminski, Simon Kosminski, Marks Kosominski, Harris Kominsky, Jacob Kominski, Abraham Kominski usw...?
Alles Namen, die man mit Whitechapel in Verbindung bringen kann, sei es nun früher oder später, was den Herbst 1888 betrifft. Natürlich ist dort Isaac Kosminski, der bereits 1888 in der Goulston Street gewohnt haben kann. Philip Koshminski könnte aber auch bereits zu jener Zeit in einer Straße gewohnt haben, um deren Ecke die Dorset Street lag. Andere Wohnorte lagen nahe der Hanbury Street oder Berner Street. Maurice und Louis/Lewis Kosminski lebten gar einmal in der gleichen Straße (Christian Street). Kosminski war nicht so selten wie wir vielleicht annehmen und wer weiß, wie viele noch ihren Namen änderten. In Polen gehört er zu den am weiten verbreitetsten Zunamen. Und viele Polen flüchteten nach England/London.  Klar, Swanson erwähnt Kosminski und man findet auch einen Aaron Kosminski in einer Anstalt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es sich um die gleiche Person handelt. Aber sie ist auch nicht so schwach ausgeprägt, dass es sich nicht um einen Zufall handeln könnte.  In Regionen in Polen, wäre man damit viel vorsichtiger, vermute ich.

Aaron Kosminski, alles in allem ein Rätsel...
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Craddock

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 170
  • Karma: +0/-0
Re: Swanson
« Antwort #55 am: 26.01.2011 17:41 Uhr »
Naja, ein harmloser Schwachsinniger, das ist eigentlich recht genau das Bild, das Jack the Ripper abgegeben haben könnte, wenn er erst einmal von seinen Hassobjekten isoliert war (blöd ausgedrückt, aber ich bin grad nicht in Stimmung für dichterische Höchstleistungen). Ich denke nicht, dass der Ripper grundsätzlich über ein gewalttätiges Wesen verfügt haben muss. Natürlich wird auch er die typischen Phasen mit den dazugehörigen Auffälligkeiten durchlaufen haben, aber ich bin doch eher der Meinung, dass ab dem Moment, da er seine Phantasien ausgearbeitet und beschlossen hat, sie in die Tat umzusetzen, von Auffälligkeit bei ihm keine Rede mehr sein konnte. Eventuell wirkte er auf seine Umwelt verändert, eventuell sogar auf eine positive Art und Weise. Zwar dürfte er unter entsprechenden Dampf gestanden haben, allein schon wenn man bedenkt, in welch kurzem Zeitraum er seinen Terror entfaltete, aber insgesamt dürfte ihn das eher entspannt haben. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass dieser Mann für irgendjemanden, der weder Frau noch Prostituierte war (je nachdem, gegen welche Gruppe sich seine Abneigung oder Obsession, auch hier wieder je nachdem, richtete), in irgendeiner Form gefährlich war. Wenn er während einer der Taten überrascht worden wäre, dann hätte er wohl auch dort nur aggressiv reagiert, wenn er keine Möglichkeit zur Flucht gehabt hätte. Ansonsten hätte er wohl die Beine in die Hand genommen und Fersengeld gegeben. Nach meinem Dafürhalten hätte dieser Mann, wer immer er gewesen sein mag, nie den Mut aufgebracht, irgendjemanden direkt anzugreifen, wenn er nicht vorher gewusst hätte, dass er einen Vorteil oder zumindest das Überraschungsmoment auf seiner Seite gehabt hätte. Klar, man kann jetzt anführen, dass es einiges an Überwindung kostet, eine Frau zu würgen oder mit dem Messer anzugreifen, man kann auch ins Feld führen, dass alle Tatorte recht öffentlich waren und er jederzeit überrascht hätte werden können... Aber ich denke, die Attacken waren doch recht geschickt gesetzt, die Plätze waren zu den Tatzeitpunkten verwaist und recht dunkel und ich nehme an, er hatte seinen Blutrausch doch zumindest so weit unter Kontrolle, dass er auf äußere Einflüsse (das Geräusch sich nähernder Schritte zum Beispiel), doch recht schnell reagieren konnte. Den Stopp nach MJK halte ich auch nicht für ungewöhnlich. Ich kann mir da zwei Szenarien vorstellen:

1. Er wurde bei allen vorangehenden Morden durch irgendetwas gestört (muss nur ein verräterisches Geräusch gewesen sein), weshalb er nie das Gefühl verspürt hat, wirklich das getan zu haben, was er eigentlich tun wollte. Bei Eddowes war er dicht dran, aber perfekt war es nicht. Das gelang erst bei MJK. Dieser letzte Mord könnte seiner Idealvorstellung sehr nahe gekommen sein, weshalb sein Trieb sich eventuell vorübergehend abgekühlt haben könnte. Er konnte endlich mit sich zufrieden sein, musste nicht mehr gehetzt durch die Straßen ziehen mit dem kranken Ideal in seinem Kopf, das es zu erfüllen galt. Die Beine hochlegen. Stolz sein. Päuschen machen.

2. Nach dem letzten Mord hat sich irgendetwas in seinem Leben verändert. Vielleicht zum Negatien, vielleicht zum Positiven. Auch Serientäter sind ihren äußeren Umständen unterworfen und reagieren nur auf sie. Es könnte etwas vorgefallen sein, vielleicht auch nur etwas Banales, das ihn dazu bewog, zu versuchen sich zu kontrollieren. Was weiß man schon.

Nachdem ich das FBI Profil gelesen habe, muss ich ehrlich sagen, interessiert mich nicht mehr sonderlich was John Douglas denkt. Das war in meinen Augen eine solche Ansammlung an Klischees, dass ich schon beim Lesen den Eindruck hatte, das hätte ich auch selbst schreiben können. Ich sehe die Herren Profiler ohnehin etwas kritisch. Allein schon wenn ich Thomas Müller und diese Figuren da rumerklären sehe von wegen Stress und bla, frage ich mich manchmal, ob die sich selbst ernst nehmen. Und irgendwie sagen sie auch zu jedem Täter mehr oder weniger dasselbe. Ich seh das Profiling durchaus als etwas Positives und Hilfreiches, aber gerade bei den Herren, die so eifrig zum Thema publizieren und erklären, welche Sau genau sie zur Ausweitung ihres Wissens interviewt haben kommen mir immer wieder Zweifel...

Wie war das noch mit BTK? Auf jeden Fall ein Einzelgänger! Als er dann verhaftet wurde, erwies er sich als ein gewisser Dennis Rader, seit 30 Jahren verheiratet, Vater zweier Kinder und Kirchenvorstand. Tja, dumm gelaufen... Statistische Wahrscheinlichkeiten sind ja sehr hilfreich, aber sie sind eben letztlich genau das: Wahrscheinlichkeiten. Und ob die auf einen Täter greifen, der vor nun über 120 Jahren operierte, vor allem wenn in keinem der Profile wirklich die Lebensumstände jener Zeit berücksichtigt werden und nur die Erfahrung von heute aneineinander gereiht - nun, da hab doch zumindest ich meine Bedenken.

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Swanson
« Antwort #56 am: 26.01.2011 18:13 Uhr »
Hervorragendes Posting, dem ich jetzt nichts weiter hinzuzufügen habe außer:

Den Begriff Einzelgänger mag ich auch nicht, mir ist Einzelgängerisch lieber. Also jemand, der sich in regelmäßiger Abfolge, extremen Zurückziehen widmet und wo man einen merkbaren Unterschied, zwischen "gerade noch hier und im nächsten Augenblick wie vom Erdboden verschluckt", wahrnehmen kann. Eben noch daheim und vorher in der Kirche und dann 2-3 Stunden weg ohne zu wissen, wo derjenige sich nun tatsächlich aufhält.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

KvN

  • Gast
Re: Swanson
« Antwort #57 am: 27.01.2011 09:11 Uhr »
Ja, das FBI Profil ist eine dünne Suppe, stimme ich zu...

Noch ein Problem: Wenn Swanson DEN Kosminski meinte, wieso reihte er Coles dann unter die Opfer von JtR?

Grüße

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Swanson
« Antwort #58 am: 27.01.2011 11:35 Uhr »
Hallo Kurt!

Tat er dies? Beziehst du dich panopticon´s Posting auf der ersten Seite?

Diese Liste beziffert (1-7), von Emma Smith über Martha Tabram bis zu MJ Kelly, in meiner Interpretation die möglichen Ripper- Opfer, Swanson´s Meinung nach. Interessant dabei ist, was er da noch genaueres über Emma Smith hätte wissen können, um sie da zuzuordnen. Sie schien ja eher Opfer einer Gang geworden zu sein. Rose Mylett und Annie Farmer drückt er weiter weg. Eine Erwähnung von Annie Millwood, Ada Wilson oder Elizabeth Jackson findet nicht statt. Alice McKenzie und Francis Coles ordnet er wieder oben mit ein. Laut panopticon (und darauf können wir wohl vertrauen) wurde die Liste nach McKenzie angefertigt, Coles und die erwähnte Nummerierung später hinzugefügt. Schlußendlich scheint er ja die Aktivitäten des Rippers, Opfer 1-7 zugeordnet zu haben.
Die Identifikation könnte hierbei aber tatsächlich auf Aaron Kosminski zutreffen. Die ursprüngliche Liste endete bei McKenzie. Könnte ein Identifikation einer Person vor ihrer Ermordung ausschließen. Aaron Kosminski wird dann Ende Januar, Anfang Februar 1891 identifiziert, Coles am 13.Februar 1891 ermordet. Also nachdem Aaron Kosminski eingewiesen wurde. Dies ist eine sehr kurze Zeitspanne von wenigen Tagen. Wenn man sich vorstellt, das die Identifizierung von Swanson´s Kosminski gerade stattgefunden hat und es passiert beinahe zeitgleich ein weiteres Verbrechen, könnte dies gerade im Falle unseres Verdächtigen zu einer Art Lähmung in den Ermittlungen geführt haben. Zwei, vielleicht sehr mögliche Tatverdächtige und Sadler als Seemann passte da bestimmt gut, erscheinen plötzlich und das, wo man vorher nicht wirklich welch hatte. Swanson ist gezwungen neu zu überdenken und arbeitet seine Liste noch einmal neu durch und fügt Coles mit dazu. Swanson, Anderson und Macnaughten erschienen ja, wenn ich mich recht erinnere, sehr schnell selber an den Tatort von Coles. Ermittlungen über beide Tatverdächtige ergeben, das Sadler nicht für die Whitechapelmorde verantwortlich sein kann und auch nicht für den Tod von McKenzie und Kosminski nicht für den Tod von McKenzie und Coles. Letztere sowieso nicht, da er da bereits in Gewahrsam war. Die Verdächtigen könnten sich für die betreffenden Verbrechen garnicht in London (Sadler als Seemann) oder vielleicht in einer Anstalt (Kosminski, wer weiß, vielleicht sogar zur Zeit von McKenzie´s Tod) befunden haben. Kosminski aber, als zuerst in Verdacht geratene und identifizierte Person, für Opfer 1-7 verantwortlich gewesen sein, weil da ja auch am Tatort gesehen (PC, Zeuge). Ob man allerdings McKenzie von vornherein als Ripper- Opfer betrachtet hat, muss nicht sein. Die Art und Weise hätte aber die Logik, so wie heute bei uns allen, ihren Namen durchaus in die Hauptliste bringen können. Die Konstellation in Swanson´s Liste belastet meiner Meinung nach wirklich Aaron Kosminski.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Jack the Whopper

  • Gast
Re: Swanson
« Antwort #59 am: 27.01.2011 12:21 Uhr »
Ahoi Craddock!
Zitat
Er wurde bei allen vorangehenden Morden durch irgendetwas gestört (muss nur ein verräterisches Geräusch gewesen sein), weshalb er nie das Gefühl verspürt hat, wirklich das getan zu haben, was er eigentlich tun wollte. Bei Eddowes war er dicht dran, aber perfekt war es nicht. Das gelang erst bei MJK. Dieser letzte Mord könnte seiner Idealvorstellung sehr nahe gekommen sein, weshalb sein Trieb sich eventuell vorübergehend abgekühlt haben könnte. Er konnte endlich mit sich zufrieden sein, musste nicht mehr gehetzt durch die Straßen ziehen mit dem kranken Ideal in seinem Kopf, das es zu erfüllen galt. Die Beine hochlegen. Stolz sein. Päuschen machen.
Er hätte bei Eddowes genauso dicht dran sein können, wie bei MJK denn nur wenige Meter vom Tatort entfernt gab es eine ungenutzte Unterführung, sowie mehrere leerstehende Häuser. Er hätte vor der Tat mit Eddowes dort hingehen können, oder sie direkt nach der Tötung dort hinbringen können - das hätte bloß wenige Sekunden gedauert. Danach hätte er so lange an ihr herumschnippeln können, wie er gewollt hätte. Er wollte offensichtlich nicht, sonst hätte er sie nicht dort getötet, wo man sie fand. Ich denke, er hat genau so getötet, wie er es wollte (wenigstens bei Eddowes und MJK). Tut aber in diesem Thread eigendlich nix zur Sache, woll?
LG, Jörn the Whopper