Gute Nacht die Herren!
Hinsichtlich der Tätermentalität kann man wohl, genauso wie über alles andre in dem Fall, spekulieren bis der Sargschreiner kommt. Möglich ist alles, vor allem, da wir ja noch nicht einmal mit absoluter Sicherheit wissen, wie der Modus Operandi des Typs aussah. Ich tendiere nach wie vor eher dazu, dass er die Wahl des Platzes völlig der Prostituierten überlies und für ihn selbst nur zählte, dass er ein paar Minütchen mit dem Opfer hatte. Man wird da wohl auf keinen grünen Zweig kommen, bis ein anderer außer Maybrick gesteht
Zu der Swanson-Coles Sache hab ich nix gefunden... eventuell hab ichs einfach nur falsch memoriert.
Lestrade, du solltest deinen Ansatz mal an einen der Überripperologen schicken, das sieht sehr interessant aus. Aber vergiss nicht, dir einen Teil der Tantiemen sichern zu lassen. Von den zeitlichen Aspekten her würde es passen. Eventuell war da jemand bei der Recherche schlampig oder hat bewusst ausgeschmückt, um uns eine schöne Legede zu liefern. Die Idee mit dem schimmernden Ritter find ich auch nicht schlecht. Ich frage mich nur, ob Smith den dann wirklich mit einem der Angreifer verwechselt hätte. Immerhin dürften die anfänglichen Aggressoren doch schnell den Rückzug angetreten haben, als Jack der Samarither auf der Bildfläche auftauchte. Anders ist es in der Berner Street, da halte ich so ein Szenario durchaus für möglich... Eventuell hat dann Kosminski später den Preis dafür bezahlt...
Jörns Meinung über die Herren Anderson und Swanson stimme ich zu 50% zu. Anderson geht für mich gar nicht, bei Swanson bin ich aber zu strafmildernden Einwänden bereit. Ich hab irgendwo schon mal erwähnt, dass ich und Donny keine Freunde mehr werden, aber immerhin muss ich Swanson zugute halten, dass er nicht die Art von Dampfplauderer ist wie sein Kumpel Bobby. Mit Andersons kryptischen Hinweisen aus seiner Biografie und dem Blackwood´s Magazine allein wär nicht viel anzufangen, Swanson präzisiert die Sache immerhin ein wenig. Auch wenn aus seinen Notizen nicht hervorgeht, was denn er selbst von dem Verdächtigen hielt. Wahrscheinlich ist, dass er Andersons Meinung teilte, aber vollkommen sicher kann man nicht sein. Swansons Erklärung in der Judenfrage unterscheidet sich aber deutlich von der seines Chefs.
Im Blackwood´s Magazine taucht zum Beispiel der Satz auf:
"And the conclusion we came to was that he and his people were low-class Jews, for it is a remarkable fact that people of that class in the East End will not give up one of their number to Gentile justice."
Ich denke, das dürfte einen ziemlich genauen Einblick in Andersons Betrachtung der Juden allgemein geben ... und ihn zudem nicht unbedingt sympathischer machen. Diese etwas fragwürdige Sicht könnte in Anderson dann auch die Überzeugung festgesetzt haben, dass der Zeuge den Verdächtigen sofort, ohne zu zögern identifizierte und sich dann weigerte, den Mitjuden an den Galgen zu bringen.
Swanson ist da eigentlich wesentich moderater in seiner Beschreibung des Ganzen:
"Because the suspect was also a Jew and also because his evidence would convict the suspect and witness would be the means of murderer being hanged which he did not wish to be left on his mind…"
Er erwähnt zwar, dass dasselbe Religionsbekenntnis eine Rolle spielte, gibt aber auch an, dass ein weiterer Grund - und ich Wahrheit wohl der Hauptgrund - die Tatsache war, der Verdächtige könne durch ihn an den Galgen kommen und der Zeuge sich gar nicht so sicher war, ob es wirklich der Mann war, den er gesehen hat. Dass er ebenfalls Jude war, mag eine Rolle gespielt haben, aber wohl eher keine so große, wie es uns speziell Anderson Glauben machen will.
Mein Lieblinsbulle ist sowieso Edward Reid. Der übrigens recht interessante Sachen über die Juden in Whitechapel gesagt hat:
"During the whole time that I had charge there I never saw a drunken Jew. I always found them industrious, and good fellows to live among."
Wenn ich jetzt mal überlege, ob Reid oder Anderson mehr mit den Leuten auf der Straße zu tun hatte, komme ich zu einem recht klaren Schluss, in wessen Meinung ich da mehr Gewicht lege. Und außerdem:
"It still amuses me to read the writings of such men as Dr. Anderson, Dr. Forbes Winslow, Major Arthur Griffiths, and many others, all holding different theories, but all of them wrong. I have answered many of them in print, and would only add here that I was on the scene and ought to know."
Ob ich da wohl zu viel hineininterpretiere, dass Anderson in der Aufzählung gleich als Erster genannt wurde? Da er weiter oben speziell auf die Juden hingewiesen hat, scheint ihm besonders Anderson ein Dorn im Auge gewesen zu sein und vor allem wohl nicht sein bester Freund. Ich neige dazu, auch in diesem Punkt seiner Menschenkenntnis zu vertrauen...