ESM:
Dessen ungeachtet ist deine Hochrechnung der Einwohnerzahl falsch, du machst es dir da etwas zu einfach, von Statistiken auf eine tatsächliche Menschenmenge in einem Kreis von 100m zu schließen.Falsch. Selbstverständlich ist es möglich, zulässig und korrekt, wenn vom Durchschnitt auf das Spezielle rückgerechnet wird, sofern Spannbreiten einbezogen werden. Den Sozialwissenschaftler, der das verbietet, möchte ich sehen. Ich habe eine Toleranz von 20% (!!!) gegeben, und die Herkunft meiner Zahlen aus offizieller Quelle offengelegt. Es ist das beste Zahlenmaterial, das mir zur Verfügung steht.
Um das zu hinterfragen, brauchts etwas mehr als eine seichte Erinnerung von angeblichen 200 Bewohnern von Miller's Court.
Ich gebe Dir sogar eine Toleranzbreite von 100%, bei einem Schnitt von offiziell 284 also 568, sagen wir 570 pro Acre. Damit sind im fraglichen Gebiet von 1/3 Acre 190 Personen. Und damit bleibt folgendes:
FAKT: 3 der 5 Ripper-Opfer entstammen einer Gruppe von 190 Personen, d.h. in diesen wenigen Häusern lag die ripperbedingte Sterblichkeit bei fast 1.6 %. (Mit den o.a. 100% Toleranz - in der ursprünglichen, auch vertretbaren Rechnung mit 20% Toleranz lag die Rate sogar bei 2,7% !!!)
FAKT: 3 der 5 Ripperopfer wohnten monate- bzw. jahrelang gerade mal 30 m auseinander.
FAKT: Es waren in beiden Fällen die gleichen 3: Stride, Chapman, Kelly.
Wenn die Opfer befreundet gewesen wären, dies früher oder später bekannt geworden wäre. [....] Sagen wir mal die Polizei hat tatsächlich nicht gemerkt, dass es unter den Opfer eine Verbindung gab, [.....] dann bleiben noch die Journalisten, die du in deinen Ausführungen ganz vergessen hast. Gerade die Reporter haben in der Zeit der Morde in Whitechapel jeden Stein umgedreht. Dass Ihnen, die natürlich auch mit unzähligen Prostituierten gesprochen haben, eine Freundschaft zwischen den Opfern verborgen geblieben ist, halte ich für noch UNWAHRSCHEINLICHER.Ich habe keinen einzigen Bericht gefunden - aber Du darfst gerne korrigieren - dessen Schreiber sich Gedanken über die Bedeutung dessen macht, daß 60% der Opfer räumlich quasi aufeinandersaßen. Heißt das nun, daß die Opfer nicht ungewöhnlich nahe beieinander in der Dorset Street wohnten, denn was nicht in Presse oder Akte vorliegt, existiert ja Deiner Meinung nach nicht? Doch, sie wohnten dicht beieinander, sie entstammten einer kleinen Gruppe, aber es halt niemand bemerkt und irgendwo schriftlich festgehalten.
wo sind deine Beweise (oder von mir aus auch Hinweise), dass sie befreundet sind, oder dass sie sich - und hier schraubst du ja selbst deine Erwartung erheblich zurück - "recht gut gekannt" haben??? Ich schraube gar nix zurück, weil ich vor dim Posting keine Erwartung vorgegeben habe. Lies noch mal ganz genau diesen Thread. Ich habe zunächst das kategorische Nein bzw. die Reduktion auf "Grußbekanntschaften" zurückgewiesen als Glaubensartikel, den ich anzweifle. Anschließend habe ich in meinem letzten Beitrag untersucht, wie gut die drei in Frage kommenden Frauen sich gekannt haben mögen. Du wirst in diesem Beitrag oder in einem anderen meine Beiträge nicht die Behauptung finden, sie seien eng befreundet gewesen. Also unterstelle mir solches bitte auch nicht.
Ich habe auch bewußt das Wort "Beweis" verzichtet. Hinweise indes findest Du jede Menge - demographsiche, sozio-kulturelle, statistische. Weniger skrupelbehaftete Charaktere als ich würden hier sogar von induktiven Beweisgrundlagen sprechen, ich nicht, weil ich nichts beweisen will oder muß. Ich habe von vorneherein gesagt, es wird keinen rauchenden Colt geben. Ich habe neutral untersucht, wie die Sache aussieht und bin zu dem Schluß gekommen, daß sie sich recht gut gekannt haben müssen.
Mehr wollte ich nicht, mehr habe ich nicht getan, mehr habe ich auch nicht angekündigt.
Alles in allem bringst Du das alte Argument [Paraphrase]"es müßte doch was in den Akten oder Zeitungen sein, sollte da was dran sein". Nö. müßte nicht, denn das würde voraussetzen, daß die Gehirnakrobaten es gemerkt haben. Sogar Thomas hat im Stride-Thread schon darüber geschimpft, wie die Verantwortlichen Offenkundiges ignoriert haben (Zitat:
"die können doch nicht tatsächlich so blöd damals gewesen sein. er fragt ihn ständig nach stride und ihren verwandten, aber kein wort darüber, wo er in der tatnacht gewesen ist!!!"). Nun das hier ist offenkundig, und es wurde ebenso offenkundig ignoriert. Wer einmal so blöd ist, ist vielleicht auch zweimal so blöd, oder dreimal.
SCHARFNASE:
Es geht hier um den konkreten Fall und nicht die allgemeine Lebensweisheit."Allgemeine Lebenserfahrung" hat nichts damit zu tun. Das ist ein Rückschluß aus sorgfältig recherchierter (nicht von mir
) Sozialgeschichte(1). Aus dieser Sozialgeschichte gewinnen wir Eindruck und Kenntnis der Verhältnisse, die wir vollkommen legitim dann hier anwenden. Warum sollen gerade bei diesem Baum die Äpfel nach oben fallen? Das ist eine Ausnahme, deren Existenz erst einmal bewiesen werden müßte. Viel Spaß dabei.
THOMAS:
wirft sich mir nur die frage auf, warum barnett bei der gerichtlichen anhörung mit keinem wort erwähnt hat, dass mary angst vor dem mörder hatte, weil "freundinnen" von ihr umgebracht wurden. Ja, der wunde Punkt. Letztlich wissen wir von MJK und Barnetts Verhältnis nur das, was er erzählt. Ich halte ihn für einen netten, anständigen Kerl, der (zumindest anfangs) schwer verliebt war, ich weiß nicht, wie die Frau das sah, und ob sie ihm vertraute. Aber ich kann diese Frage letztlich nicht beantworten, nicht mal guten Gewissens spekulieren.
Was ich allerdings viiiiiieeeeel interessanter als die Freundschaftsfrage finde: 3 Opfer (also 60%) entstammen einer Minigruppe von 100 (oder auch 190) Menschen, diese 3 Opfer lebten in einem Umkreis von 30 m voneinander. Das finde ich, für einen "Serienkiller", recht.... ungewöhnlich.
(1)Ich habe aus naheliegenden Gründen im vorigen Posting auf diese Liste verzichtet, aber wenn sich beim Leser solche Mißverständnisse ergeben, muß ich dem Rechnung tragen. Also, zu den bereits genannten Werken, die ich aus Gründen der Verfügbarkeit ausgewählt habe, kann man noch folgende Monographien und Reader konsultieren, um sich einen Überblick zu verschaffen:
- Jones, Gareth S. Outcast London: a Study in the Relationship Between Classes in Victorian Society - New Edition. London: Penguin, 1991
- :!: Morris, R.J. and Richard Rodger. The Victorian City: A Reader in English Urban History, 1820-1914. London: Longmann, 1993
- Naib, S.K.A. Encyclopaedia of London Docklands: Modern and Historic. London: University of London Press, 1996
- :!: Palmer, Alan The East End. London: John Murray Publisher, 1989
- Palmer, Alan Warwick, Peter Ackroyd and Alan Palmer The East End: Four Centuries of London Life. Piscataway: Rutgers University Press, 2000
- Porter, Roy. London: A Social History. London: Penguin, 2000
- Rasmussen, Steen Eiler London: the Unique City. MIT Press Ltd., 1989
- Weinreb, B. and Christopher Hibbert The London Encyclopaedia. London: Macmillan, 1993
Was auch sehr beeindruckend sein soll (ich habs leider noch nicht in den Fingern gehabt): Fishman, William East End 1888: Life in a London Borough Among the Laboring Poor.
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