Es war irgendwann in 2003. Ich kam morgens aus einem Club in einer Stadt, ganz in meiner Nähe. Es dürfte so um 4.30 Uhr gewesen sein. Ich war glücklich, hatte durchgetanzt, war aber müde und wollte unbedingt in´s Bett. Mit der Konzentration und Aufmerksamkeit war es auch nicht mehr so gut bestellt. Getrunken hatte ich nichts. Ich ging zu meinem Auto, nachdem ich den Club verlassen hatte und musste dafür seitlich über einen Marktplatz gehen. Der Marktplatz war von einigen Stellen aus zu betreten, ich glaube 5. Unten waren Geschäfte an diesem Platz, die oberen Etagen, mir bekannt, waren bewohnt. So sah es an allen Seiten dieses Platzes aus. Als ich mich einem Zugang des Platzes näherte, hörte ich das Klappern von Stöckelschuhen also High Heels, mit eiligen Schritten, teilweise, so vermutete ich, dass eine Frau damit sogar rannte. Nur noch wenige Meter waren es, bis ich den Platz einsehen konnte, da hörte ich auch schon Keuschen und Ächzen und auch so etwas wie Hilferufe, genau erkennen konnte ich es nicht. Der Platz war sehr gut beleuchtet. Ich erblickte dann eine Frau, die eigentlich floh aber aufgrund ihrer Schuhe nicht wirklich vorankam. Sie war groß, dunkle Haare und sehr attraktiv, gut gebaut. Ich hätte sie nicht älter geschätzt als ich es war (so um die 31 Jahre alt), eher etwas jünger. Ich konnte nicht sagen, ob sie eine Prostituierte war oder einfach nur sexy gekleidet aus einem anderen Club kam. Sie wurde von einem Mann verfolgt, er sah nicht deutsch aus aber ich hätte nicht mit Sicherheit sagen können, ob es ein Ausländer war. Er hatte dunkle Haare und dürfte auch mein Alter gehabt haben aber auch wie bei der Frau, möglicherweise etwas jünger. Plötzlich schrie sie ihn an, er wurde handgreiflich, sie schrie um Hilfe, mal lauter, mal leiser, ich kann noch nicht mal die Lautstärke wirklich beschreiben. Ich wusste nicht, ob es der Streit eines Pärchen war oder ob der Mann die Frau versuchte zu vergewaltigen. Einige Bewegungen sahen so aus. Ich empfand ihn als sehr aggressiv und abwesend. Ich beobachtete dies alles aus 20-30m? Entfernung, alles ging so schnell, ich war so dumpf in der Platte wegen der Müdigkeit, ich konnte gar nicht so schnell mitbekommen, was da eigentlich geschah. Etwas weiter hinter dem Angreifer befand sich ein weiterer Mann, meines Erachtens bedeutend älter als wir zunächst alle auf diesem Platz. Er wollte, so mein Eindruck, nicht gesehen werden. Ich kann nicht sagen, wie diese Personen zueinander standen. Ob sie alle einzeln zu betrachten waren, als Pärchen oder gar als Gruppe.
Ich befand mich quasi östlich auf diesem Platz (den ich von Süden kommend betrat), die 3 Personen betraten nördlich den Markt und die Frau und der Angreifer fanden sich dann bei der von mir beschriebenen Attacke westlich (dort mittig an einer Häuserwand) wieder. Ich stand ihnen quasi gegenüber. Ich wollte auf dieses Pärchen zugehen (und wie gesagt, ich wusste nicht welche Konstellation ich bei ihnen annehmen sollte), um wenigstens zu stören. Da ich übermüdet war, fehlte bei mir die normalerweise in solche Situation eintretende eigene Aggression und ich war mir unsicher ob der zweite Mann mir eventuell in den Rücken fallen könnte. Er wirkte zwar passiv und nicht aggressiv aber das muss ja nichts bedeuten. Außerdem war ich nicht sicher, mit was dieser Angreifer da hantierte (Messer?). Ich wusste zwar, mit dem werde ich normalerweise fertig, er muss mich eigentlich nur anfassen. Aber was würde nun wirklich geschehen? Die Frau sah mich aber ihr Blick war nicht gerade flehend, ich sah kein “Hilf mir“. Aber was hatte das für einen Wert, meine Augen waren übermüdet, ich war das, ich war nicht wirklich da. Was ich dachte war: Du gehst jetzt auf beide zu, brüllst wenigstens einmal kräftig und ansonsten Handy und Polizei. Im Hinterkopf hatte ich meinen Sohn, er war 9 Jahre alt, ich war erst vor kurzem 700km weit von ihm weggezogen, trotz diesem Umstandes hingen wir aneinander, das war von seiner Geburt an so und auch viele Jahre danach nicht anders (jetzt wird er 19 Jahre alt). Das geht einem, wie im Film, natürlich durch den Kopf. Ob ich Angst hatte? Natürlich und das war auch gut so! Hält mich aber nie wirklich ab zu agieren. Aber dann konnte ich aufhören nachzudenken. Ebenfalls aus dem Süden kommend, den Platz aber westlich betretend, erschienen plötzlich zwei weitere Männer, die dadurch auch dichter am Geschehen waren. Etwas älter als ich, sofort gingen sie auf das Pärchen zu, der Angreifer floh, der zweite Mann war plötzlich auch weg. Die beiden helfenden Männer boten der Frau an sie nach Hause zu bringen oder anderweitig zu unterstützen. Sie fragten auch, ob sie den Mann kannte aber da kam keine Reaktion. So viel bekam ich noch mit. Ich verließ den Platz, wartete jedoch in der betretenden Straße, bis nichts mehr zu sehen oder zu hören war. Alles ging wirklich so schnell, unfassbar. In keines der bewohnten Etagen rund um den Markt ging ein Licht an, ich bemerkte jedenfalls nichts. Niemand schaute aus dem Fenster. Ich denke, solche Schreie und Geräusche dieser Frau waren normal. Gehen Teenager nachts über diesen Platz, dann gibt es ja auch regelmäßig Rabatz und Radau. Obwohl ich diese Personen alle sah, fünf an der Zahl, konnte ich keinen genauer beschreiben. Für mich waren das durchweg Menschen, die ich bereits vorher viele Male sah und auch danach und es auch natürlich heute noch so ist. Ich hätte keinen identifizieren können, meine ich. Damals nicht, 2 Jahre später nicht und auch heute nicht. Ich habe immer noch die Bilder im Kopf aber das sind eben Figuren, wage Figuren. Dies wäre mein Wert als Zeuge gewesen. Ich sah viel aber dennoch nicht ausreichend, um jemanden, vor allen den Angreifer, identifizieren zu können, nicht mal am nächsten Tag.
Mich erinnert das an die Berner Street, an die Zeugen am Mitre Square, an den Miller´s Court Schrei usw.
Was hätte ich sagen können wäre, so denke ich jedenfalls: Ja, der sieht dem ähnlich. Aber deshalb könnt ihr den nicht verurteilen, schwören tue ich hier gar nichts!
Aufgrund meiner Erfahrung denke ich, dass ein Zeuge im Ripper- Fall, den Killer wirklich in das Gesicht hätte sehen müssen um ihn wiederzuerkennen. Wie George Hutchinson es tat. Selbst Schwartz und Lawende sehe ich noch zu weit weg. Letzterer behauptete ja von vornherein, dass er den Mann nicht wiedererkennen würde. Ich kann Lawende nachempfinden.
Ich hätte doch gar keine Frage wirklich eindeutig beantworten können. Als Zeuge wäre ich für´n Arsch gewesen. Hab halt etwas gesehen, nicht mehr und nicht weniger.