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Hallo allesamt!


Im Folgenden mal schnell ein paar kritikwürdige Stellen aus der o.a. SPON-Rezension des Buches von Rubenhold.

Weil ich das Buch selbst nicht kenne, weiß ich nicht, ob die Historikerin das tatsächlich genau so in ihrem Buch dargestellt hat – oder ob das auf dem Mist des Journalisten Martin Pfaffenzeller gewachsen ist, der schreibt:
"Für seine Opfer interessierte sich kaum jemand. Nun hat eine Historikerin die Lebensgeschichten der Frauen erforscht – und Erstaunliches herausgefunden."
https://www.spiegel.de/geschichte/jack-the-ripper-und-seine-opfer-die-legende-vom-prostituiertenmoerder-a-562c3765-07eb-4a6b-8f0e-3696d5f656c3

Über die haltlose Behauptung, die Ripperologie hätte sich nie ernsthaft für die Biographien der Opfer interessiert und Rubenhold wäre da gewissermaßen die erste, brauche ich wohl kein Wort zu verlieren: Jeder, der sich auch nur ein bisschen in das Thema eingelesen hat, der weiß, dass das nicht stimmt, sondern dass hier schon lange vor Rubenhold von Ripperologen sehr viel recherchiert und zusammengetragen worden ist.
Insbesondere, dass den Opfern ihre Würde genommen worden wäre, trifft nicht zu: Vielmehr wurde und wird durchgehend dargestellt, welch schweres Leben diese Frauen hatten und wieviele Schicksalschläge sie ertragen mussten, bevor sie schließlich als Gipfel des persönlichen Unglücks auch noch zu unschuldigen Opfern von JTR wurden.
Der einzige, der hier offensichtlich nicht recherchiert hat, ist der Autor dieses SPON-Artikels.

Weiter schreibt er:
Zitat
"Nichols, die vermutlich an einer Depression litt und trank, hatte auf dem Arbeitsmarkt keine Chance. Zwischenzeitlich wohnte sie mit einem Mann zusammen, weswegen die Zeitungen sie später als Ehebrecherin und Prostituierte darstellen sollten – obwohl Zeugen das Gegenteil aussagten.

Welche Zeugen sollen das gewesen sein? Die mir bekannten polizeilichen Zeugen wie Mitbewohnerin Emily Holland oder der Verwalter des White House Nachtasyls ließen im Gegenteil erkennen, dass sie als Gelegenheitsprostituierte arbeitete, sie hatten keinen Grund zu lügen, und auch die Polizei hatte keinen, ihre Berichte in dieser Hinsicht zu fälschen.
Der Verwalter sagte aus, dass Nichols gegen 1.20 Uhr nachts ankündigte, ihr Übernachtungsgeld verdienen zu gehen, und dass sie betonte, es wohl schnell zusammenzuhaben, denn sie habe ja jetzt diesen schönen neuen Hut. Welche freiberufliche, kurzfristig anzunehmende Auftragsarbeit mitten in der Nacht gab es wohl für eine arme Frau, und für welche wäre wohl ein schöner neuer Hut nützlich gewesen?
Und Emily Holland, die Nichols gegen halb drei in der Whitechapel Road traf, sagte aus, dass die völlig betrunkene Polly geklagt habe, bereits drei Mal ihr Übernachtungsgeld verdient und wieder ausgegeben zu haben: Welche andere Arbeit soll das gewesen sein, die jemand innerhalb einer Stunde drei Mal anfängt und abschließt und dazwischen noch Zeit hat, das Geld wieder zu vertrinken?
Kurz: Jene Behauptung im Artikel ist Humbug.

Ein grundlegendes Missverständnis des SPON-Autors scheint m.E. schon darin zu liegen, dass er nicht verstanden hat, dass diese Frauen keine hauptberuflichen Prostituierten, sondern Gelegenheitsprostituierte waren, die aus akuter Geldnot handelten.

Zitat
„Bald konnte sich Nichols nicht einmal ein Bett in den schäbigen Notunterkünften leisten. In der Nacht auf den 31. August 1888 schlief sie allein und betrunken vor einem Tor in der Buck's Row ein. "Jack the Ripper" schlitzte ihre Kehle auf und zerstach ihren Unterleib."

Wie kommt der Autor zu dieser Behauptung, Nichols sei in der Buck`s Row eingeschlafen? Dafür gibt es erstens keine Zeugen oder sonstige Belege. Zweitens ist es absolut nicht nachvollziehbar. Wieso hätte Nichols sich mitten auf offener Straße zum Schlafen legen sollen – anstatt sich einen Hauseingang oder eine andere geschütztere Stelle zu suchen? Weil sie das dringende Bedürfnis hatte, krank oder ausgeraubt oder belästigt zu werden? Oder weil sie unbedingt Ärger mit einer Polizeistreife haben wollte?
Für die Behauptung, Nichols habe sich einfach mitten auf offener Straße schlafen gelegt, um ihren Rausch auszuschlafen, gibt es keinen Nachweis und sie ergibt auch überhaupt keinen Sinn.

Zitat
"Annie Chapman schlug sich in London durch, indem sie Blumen und Streichhölzer verkaufte – auch bei ihr sollten Ermittler keine Hinweise auf Prostitution finden. Was sie verdiente, gab sie für Alkohol aus. In der Nacht zum 7. September 1888 übernachtete sie in einem Hauseingang in der Hanbury Street. Der "Ripper" schnitt ihre Kehle durch und nahm ihre Eingeweide heraus."

Und das stimmt schon hinten und vorne nicht: Auch Annie Chapman sagte dem Verwalter ihrer Unterkunft kurz vor zwei Uhr nachts, sie werde bald mit dem Übernachtungsgeld zurückkommen – auch hier wieder die Frage: Womit hätte sie mitten in der Nacht kurzfristig dieses Geld noch verdienen können? Es gibt m.W. keinerlei Belege dafür, dass sie mit einem Bauchladen voller Blumen und/oder Streichhölzer losgezogen wäre.
Zudem übernachtete sie nicht in der Hanbury Street 29, und schon gar nicht im Hauseingang: Ihre Leiche wurde vielmehr im Hinterhof gefunden. Und gegen 4.45 Uhr war der Hausbewohner John Richardson noch in diesen Hinterhof gegangen, ohne jemanden zu bemerken – also kann sie dort nicht geschlafen haben.
Außerdem war Chapman noch in den frühen Morgenstunden gegen halb sechs von der Zeugin Elizabeth Long vor dem Haus gesehen und gehört worden, wie ein Mann sie ansprach: „Willst du?“ und sie mit „Ja“ antwortete.
Also: Keine Hinweise dafür, dass sie im Schlaf von JTR überrascht wurde – sondern vielmehr dafür, dass sie sich gegen halb sechs mit einem Freier in den Hinterhof zurückgezogen hat.
Die These von der im Schlaf überraschten Chapman ist völliger Quatsch. Woher hätte JTR wissen sollen, dass da im von draußen uneinsehbaren Hinterhof eine Frau schläft? Und wieso hätte sich Chapman direkt unter die Treppe legen sollen? Damit ein Hausbewohner ihr beim nächtlichen Aufs-Klo-Rennen mitten ins Gesicht tritt?
Diese Aussage im Artikel zeugt nur davon, dass der Autor überhaupt keine Ahnung von den Umständen der Ermordung Chapmans hat.
 
Zitat
"Catherine ging nach London, wo sie schnell einen neuen Partner fand. Mehrere Zeugen sollten aussagen, dass Eddowes nichts mit anderen Männern zu tun hatte und sich nie prostituierte.“

Wer soll das gewesen sein und in welchem Zusammenhang? Dass man so was in bestimmten Zusammenhängen aus guten Gründen abstreitet, ist ja wohl nachvollziehbar. Daher ist diese pauschale Behauptung ohne Konkretisierung des Zusammenhangs völlig wertlos.

Zitat
„In der Nacht zum 30. September 1888 verließ sie um 1 Uhr die Ausnüchterungszelle, in die sie die Polizei nach einem betrunkenen Nachmittag gesperrt hatte. Sie suchte ihren Partner, konnte ihn aber nicht finden und legte sie sich am Mitre Square schlafen. Der Serienmörder schlitzte ihre Kehle durch, schnitt ihren Bauch auf und entfernte die Gebärmutter."

Sie soll ihren Mann gesucht haben? Wieso ist sie dazu dann nicht zuerst mal ins Cooneys in der Flower and Dean Street zurückgekehrt, sondern in die entgegengesetzte Richtung gegangen? Sie hatten sich vor über 11 Stunden getrennt und es war mitten in er Nacht, wieso sollte sie ihn da zuerst in der Nähe des Mitre Square suchen anstatt dort?
Auch hier wieder: Wieso sollte sie sich ausgerechnet Ende September auf dem Mitre Square schlafen legen, anstatt sich einen geschützteren Schlafplatz zu suchen oder gleich die paar hundert Meter in ihre Bleibe zurückzugehen? Wenn sie ihren Mann doch angeblich suchte, kann die Angst vor einer Tracht Prügel nicht der Grund gewesen sein, dass sie nicht dorthin zurück ging. Mal ganz davon abgesehen, dass sie bereits in der Gefängniszelle ihren Rausch ausgeschlafen hatte.
Das ist doch von vorne bis hinten unlogisch und nicht nachvollziehbar.
Viel plausibler ist die Annahme, dass sie erst noch etwas Geld beschaffen wollte, um nach dem ganzen Ärger an diesem Tag ihren Mann dadurch etwas zu besänftigen. Schließlich hatte sie das ja versprochen.
Und wieder werden wichtige Zeugen einfach verschwiegen: Nämlich Polizist Watkins, der erst kurz vor dem Mord den Mitre Square inspiziert hatte ohne dort eine schlafende Frau zu sehen, sowie das Trio Levy, Lawende und Harris, das kurz zuvor Eddowes noch mit einem Mann am Durchgang zum Mitre Square stehen sah.

Zum Schluss nur der Vollständigkeit halber noch ein paar eher nebensächliche Ungenauigkeiten:

Zitat
"Als die Zeitungen im Herbst 1888 von "Jack the Ripper" berichteten, nahm Kelly manchmal befreundete Prostituierte in ihrem Zimmer im Miller's Court auf, damit sie nicht auf der Straße schlafen mussten. In der Nacht auf den 9. November waren weder ihr Partner noch eine Freundin bei ihr. Der Mörder drang in das Zimmer ein, schnitt ihre Kehle durch, zerstach ihr Gesicht und schlitzte den ganzen Körper auf."

Barnett hatte sich am 30. Oktober von Kelly getrennt. Er war zwar an dem Tag am frühen Abend kurz bei ihr zu Besuch, aber er war nicht ihr Partner, sondern ihr Ex.
Und die polizeilichen Zeugen Mary Ann Cox und Hutchinson haben ausgesagt, dass Kelly in dieser Nacht mindestens zwei Mal ihr Zimmer verlassen hatte und mit Freiern dorthin zurückkehrte. Es gibt keinerlei Hinweis dafür, dass JTR heimlich in ihr Zimmer „eingedrungen“ wäre, vielleicht gar, als sie bereits schlief. Es kann angesichts der Zeugen genausogut sein, dass er als Freier von ihr mitgenommen bzw. eingelassen wurde.

Kurz: Zumindest die Rezension auf SPON steckt voller Fehler. Ob der Autor sie nun aus Rubenholds Buch übernommen oder sie selber durch ein schlampiges Zusammenfassen des Buchinhalts und eigene Mutmaßungen fabriziert hat, kann ich bisher nicht abschätzen.


MfG, Arthur Dent

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Ich habe es nicht gelesen, behalte mir es jedoch noch vor! Ich wurde sehr abgeschreckt, weil es hohe Wellen in der Welt der Ripperologen schlug und irgendwie abgelehnt wurde. Zog mich da sehr, sehr schnell zurück. Aber sagen möchte ich dazu erst etwas, wen ich es selbst gelesen habe.
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Weitere Verdächtige / Re: The Case Against Jacob Levy!
« Letzter Beitrag von Lestrade am 06.11.2020 20:21 Uhr »
P.S.: Ich wäre sehr daran interessiert, mit Dir dieses Buch aufzuarbeiten, da ich denke, dass es sehr lohnenswert sein könnte. Wie Du weißt, gibt es bei mir das klare Gefühl, dass Jacob Levy tatsächlich ein Verdächtiger im Ripper Fall gewesen war. Besonders durch die Aussagen von Sagar und Cox als auch durch diverse Zeitungsartikel. Natürlich kann man diese auch mit den Aussagen von Anderson, Swanson, Macnaghten und Co. in Verbindung bringen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die City Police Jacob Levy oben auf ihren Zetteln hatten, so wie es die MET mit Kosminski hielten. Am Ende bzw. momentan, sollten man sich damit immer Räume und Möglichkeiten offen lassen. Man weiß ja nie... übrigens hat auch John Malcolm jetzt noch einmal eine leicht erweiterte Version seines "Another Dead End" herausgebracht (siehe "Bücher" im vorherigen Post).
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Weitere Verdächtige / Re: The Case Against Jacob Levy!
« Letzter Beitrag von Lestrade am 06.11.2020 20:08 Uhr »
Grüß dich, Arthur!

Ja, ich habe es inzwischen durchgelesen. Allerdings auf die schnelle Art, was jedoch auch durch die sehr gute Schreibweise leicht von der Hand ging. Wir waren die letzten Monate mit unserem Umzug beschäftigt und es gibt sicherlich passendere Momente. Jetzt, zum Jahresende, werde ich es sicherlich noch einmal konzentrierter lesen. Wenn man unsere (intensiven) Diskussionen hier mitgelesen hat, bietet das Buch nicht so viele Überraschungen aber eine sensationelle Zusammenfassung des "Verdächtigen" Jacob Levy zeichnet es aus. Leider kam es in den Foren als auch anderswo nicht zu weiteren Diskussionen, was ich (und einige andere) sehr, sehr schade finde. Ich meine Paul Begg hat es gesagt, dass "echte Ripper- Verdächtigen" Bücher es sehr schwer haben, weil sie auf mehr Realität und Wahrscheinlichkeiten beruhen und weniger Raum zum "kaputtreden" bieten. Es gilt mehr den Ripper- Kult anzufeuern als ihn eher in den Bereich der echten Lösbarkeit zu bringen. Dem schließe ich mich an. Ich hätte mehr damit gerechnet, dass Tracy und ihr Vater noch das eine oder andere mit hineinbringen. Nichtsdestotrotz, finde ich es absolut gelungen und fantastisch. Meine Meinung ist, dass jeder, der sich eine wirkliche Vorstellung vom Ripper machen möchte, Bücher wie die über Jacob Levy als auch über Aaron Kozminski lesen sollte. Auch wenn sie möglicherweise nicht der Ripper waren, er war ihnen auf jeden Fall im komplexen Betrachten sehr ähnlich.

Im Buch hätte ich mich zum Beispiel über folgendes gefreut:

Echo
London, U.K.
6 October 1888

ANOTHER POLICE THEORY.

It is pointed out that the murderer, after the commission of his last crime, undoubtedly proceeded from Mitre square, by way of Church passage, Duke street, Houndsditch, Gravel lane, Storey lane, to Goulston street, at which spot all clue appears to have been lost of him. In this neighbourhood he evidently entered one of the notorious houses to which admission cannot be obtained without elaborate arrangements and a certain amount of danger. It would take about ten minutes for a person to get from Mitre square to the neighbourhood, so that the murderer was well away from the scene, and perhaps safely under cover, before Constable Watkins obtained even medical assistance after the discovery of the body. 


Gerade im Bezug zur Adresse des Bruders als auch der Mutter wäre das doch sehr interessant gewesen. In den Foren wurde noch über die Möglichkeit gesprochen, ob es einen Hinterausgang im Gebäudekomplex in der Goulston Street gegeben haben könnte. Sicher ist man sich nicht. Ich hätte dazu noch Ideen, was den Artikel angeht.

Aber wie gesagt, ich brauche auch die Diskussion oder die Ideen anderer bezüglich des Buches, um überhaupt in die Gänge zu kommen. Hast Du es gekauft und gelesen? Das wäre natürlich fantastisch. So könnte zumindest wir das Buch noch mit Gedankengängen erweitern.

Beste Grüße, Lestrade.
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Weitere Verdächtige / Re: The Case Against Jacob Levy!
« Letzter Beitrag von Arthur Dent 2 am 06.11.2020 16:42 Uhr »
Hi Lestrade!

Hast du das Buch inzwischen durch?


MfG, Arthur Dent
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Hallo allesamt!

Hat jemand hier das Buch "The Five" der Historikerin Hallie Rubenhold gelesen? Ich bin gerade auf eine entsprechende aktuelle Rezension bei SPON gestoßen.
https://www.amazon.de/Five-Untold-Lives-Killed-Ripper/dp/0857524488/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&dchild=1&keywords=hallie+rubenhold+five&qid=1604677091&s=books&sr=1-1

Rubenhold soll die Lebensgeschichten der kanonischen Fünf weiter recherchiert haben, um sie von dem angeblichen Status „anonymer Opfer“ zu befreien und ihnen auf diese Art „ihre Würde zurückzugeben“.

Was mir bei der Rezension aber übel aufstößt ist die Unterstellung, in der Ripperologie hätte man sich nie ernsthaft für die Biographien der Opfer interessiert und ihnen damit und mit einer unbegründeten Unterstellung von Prostitution ihre Würde genommen. Dass die Ripperologie daran festhalte, die kanonischen Fünf seien alle Gelegenheitsprostituierte gewesen, soll auf frauenfeindliche Vorurteile zurückgehen und angeblich von den historischen Quellen nicht wirklich belegt sein:

"Viele Darstellungen übernahmen die zeitgenössischen Presseberichte: Die Opfer seien Prostituierte und wegen ihres lasterhaften Lebenswandels irgendwie auch selbst schuld.
Die britische Historikerin Hallie Rubenhold möchte diese Sichtweise ändern und den Frauen ihre Würde zurückgeben. In ihrem Buch "The Five" rekonstruiert sie akribisch die Lebensgeschichten der Ermordeten und kommt zu dem Schluss: "Im Fall von dreien der Opfer gibt es keine Beweise, dass sie je der Prostitution nachgegangen sind."
https://www.spiegel.de/geschichte/jack-the-ripper-und-seine-opfer-die-legende-vom-prostituiertenmoerder-a-562c3765-07eb-4a6b-8f0e-3696d5f656c3

Nun ist es schon nicht haltbar, dass die Ripperologie sich nicht ernsthaft für die Biographien der Frauen interessiert habe. Erst recht aber lässt sich m.E. die Behauptung nicht halten, dass man ihnen ihre Würde nehmen wolle, indem man ihnen unbegründet Prostitution unterstelle.

Es gab zu dem Buch auch eine Diskussion unter Ripperologen, die im casebook dokumentiert ist:
https://forum.casebook.org/forum/ripper-media/books/non-fiction/733592-the-five-by-hallie-rubenhold-a-rippercast-roundtable-review

In der Diskussion sagen die Ripperologen, dass sie die Darstellung der Biographien gut fänden, aber Rubenholds Behauptung, dass es für drei der fünf keine Nachweise von Prostitution gäbe, auf einer sehr selektiven Interpretation der Quellen beruhe.
Und vor allem kritisieren sie, dass aus einer sachlichen Beschreibung der damals ja im East End weit verbreiteten Gelegenheitsprostitution aus wirtschaftlicher Not eine angeblich moralische Verdammung der Opfer durch die damalige Polizei und die heutigen Ripperologen gemacht werde – dass also die damalige Polizei wie die heutigen Ripperologen den Opfern dadurch ihre Würde nehmen würden.

Hat jemand das Buch gelesen und was haltet Ihr davon?

MfG, Arthur Dent
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Weitere Verdächtige / The Case Against Jacob Levy!
« Letzter Beitrag von Lestrade am 16.09.2020 13:45 Uhr »
Ein freundliches Tach!

Vor ein paar Tagen trudelte Neil & Tracy I´anson´s Buch “Jacob The Ripper- The Case Against Jacob Levy“ bei mir ein. Aus zeitlichen Gründen kann ich es momentan noch nicht gründlich lesen. Jedoch blätterte ich bereits ordentlich durch meine Kopie. Ich freute mich auch ungemein, meinen Namen unter “weiteren Dank“ bei den Danksagungen am Ende des Buches lesen zu dürfen. Das war für mich eine große Überraschung und Freude.

Was ich bisher noch nicht entdecken konnte, waren Bemerkungen zu Lewis Levy und John Levy. Lewis Levy lebte 1891 Sion Square Nummer 5 und war quasi Nachbar von Wolf Abrahams (Aaron Kozminski´s Bruder), der 1891 ebenfalls im Sion Square (Nummer 3) lebte. John Levy lebte damals in der Whitechapel Road 254 (siehe Messerfund durch Thomas Coram) und sein Shop wurde offensichtlich von Gertrude Smith für die Betreibung eines Bordells benutzt (siehe Aaron Davis Cohen/ David Cohen). Tracy & Neil unterstreichen noch einmal die Bedeutung, dass der Mitre Square Zeuge Joseph Hyam Levy mit Martin Kosminski bekannt war. Ich hatte damit gerechnet, dass, falls verwandt mit jenen Levys, auch für Lewis Levy das Bekanntsein mit einem weiteren Kosminski als bedeutend zu betrachten wäre. Ähnliches hätte dann ja auch für John Levy gegolten. Möglicherweise ist das garnicht so. Soweit ich mich aktuell erinnern kann, ging das über Hyam Hyams. Seine Frau, Fanny, war eine geborene Levy und ihre Brüder eben Lewis & John Levy. Die Eltern hießen Ann und Barnett Levy, falls ich jetzt richtig liege. Diese Levy lebten bzw. wuchsen alle im und rund um den Mitre Square auf und dürften sich mit hoher Wahrscheinlichkeit gut gekannt haben. Es gab auch Vermietungen über die Familie von Joseph Hyam Levy an die Familie von Ann und Barnett Levy. Ich dachte immer, es handelt sich auch um Cousin und Cousinen aber es scheint nicht an dem zu sein. Erwähnt werden muss, dass dieser Hyam Hyams letztendlich nichts mit dem Hyam Hyams aus Colney Hatch zu tun hatte.

Tracy & Neil erwähnen auch bestimmte Zeitungsartikel, die auch wir hier schon gut diskutiert haben. Bisher entdecken konnte ich den folgenden jedoch noch nicht:

Walthamstow and Leyton Guardian (UK)
Saturday, 10 August 1889

THE WHITECHAPEL MURDER.

The police have just had a severe disappointment, says a London correspondent, in connection with their search for the Whitechapel murderer. They received information of a man exactly answering the description of the person they are looking for. He was a lunatic, and learnt the butchering trade in his father's shop, had become a medical student on his father's death, had absented himself from home frequently at nights without giving any explanation of where he had been, and had written an extraordinary series of letters to the rector of his parish, which parish was in direct communication by a straight line of tram-rails with the very circle within which all the diabolical crimes have been perpetrated. Those letters indicated clearly that the writer was a lewd-minded lunatic, such as the murderer must be, and there occurred in them such ominous and coincidental expressions as threats to "rip up" both his mother and the rector. In fact, every conceivable circumstance about him exactly fitted in with a rational theory of the crimes with him as the chief actor in them, until one discovery upset the entire superstructure. He was at liberty during the whole of the murders except the last of all, when he was safe under lock and key in a private asylum. Until that false link in the chain was found the police certainly regarded the clues as the best they have had all along. Of course, there yet remains the contingency that this latest murder was the work of a fresh assassin, and Dr. Phillips inclines to that opinion from the nature of the mutilations.

Für Jacob Levy als Verdächtigen, wäre dieser sicherlich sehr interessant. Sein Vater starb am 19.3. 1886, seine Mutter am 18 Mai 1888. Bis zu ihrem Tod lebte seine Mutter in den Wentworth Buildings Nummer 198, dahin ging man direkt durch die Nummer 108-119!!! (siehe Stück der Schürze). Sehr wahrscheinlich war die Wohnung noch nach dem Tod der Mutter durch Familienmitglieder besetzt. Jacob´s Bruder Isaac lebte zur Zeit der Morde in der Nummer 214 der Wentworth Buildings.

Mehr kann ich jetzt nicht ausführen, dazu muss ich noch mehr Zeit haben, um alles konzentriert aufnehmen zu können. Das Buch ist einfach gelungen und für Jacob Levy Enthusiasten ein must have, da gut zusammengefasst. Es ist jetzt oder demnächst noch als Kindle- Version und als Paperback zu haben.   

Jacob Levy als möglichen Verdächtigen darzustellen, finde ich angebracht. Natürlich drückt immer ein wenig das Gewissen bei “Verdächtigen“, im Falle von Aaron Kozminski geht mir das genauso, denn sie können vollkommen unschuldige Menschen gewesen sein. Dennoch stehen sie für Persönlichkeiten, die dem wahren Ripper sehr “ähnlich“ gewesen sein dürfen. Wenn man das so sagen darf…

Ich bin, oder besser gesagt, fühle mich überzeugt, dass ein Mann wie Jacob Levy von der Polizei befragt worden ist, nicht nur, weil er zu den Butchern gehörte, die man ohnenhin abklären musste (das wissen wir auch), sondern auch durch sein Auftreten im weiteren “ernst“ genommen wurde.

Wie ich bereits früher sagte, Macnaghten´s Liste könnte auch, imaginär, noch eine Nummer 4 und 5 enthalten haben, wo man Jacob Levy hätten finden können.

Nun, was könnte uns das alles weiterhelfen und sagen?

Wir haben mit dem wahnsinnig gewordenen Jacob Levy und seinem Cousin und Zeugen Joseph Hyam Levy und der Verbindung zu Martin Kosminski eine ernstzunehmende Konstellation. Diese schlägt aber, für mich, auch einen Bogen zu Aaron Kozminski/Woolf Abrahams via Lewis Levy und zu David Cohen via John Levy, selbst wenn keine direkte Verwandtschaft bei den Levys bestand, diese Leute kannten sich. Hier gibt es für Jacob Levy einen weiteren Link zu anderen Kosminkis (und auch zu David Cohen falls ein geborener Kosminski). Ich finde das schon sehr bemerkenswert und denke darüber nach, wie ich das einordnen kann. Da liegen potentielle Verdächtige wie Jacob Levy, Aaron Kozminski, David Cohen und Hyam Hyams (der richtige, der aus Colney Hatch) irgendwie “dicht beieinander“. Und wer weiß, wer wirklich hinter “Kosminski“ steckt.

Dicht beieinander ist auch ein Stichwort. Ich habe ja einst einmal wichtige Punkte auf eine Karte meiner kleinen Heimatstadt gelegt und Whitechapel “nachgestellt“. Ich fand das total erleuchtend, denn es zeigte, was alles so auf kleinsten Raum möglich ist. Da kann vieles zustande kommen, was man so einfach nicht verstehen kann oder was einfach überrascht.

Mir sagt das vielleicht, wenn auch nicht klassisch logisch, dass wir mit diesen Männern auf der richtigen Spur sind. Es gab wahrscheinlich mehr Kandidaten als wir für möglich halten und es könnte sein, dass der Richtige, irgendwo “nahe“ zwischen Jacob Levy, Aaron Kozminski, David Cohen und Hyam Hyams zu finden ist. Nicht nur aus geographischer Sicht und aus Sicht ihrer Persönlichkeitsstruktur, sondern mit ihnen sogar verlinkt war. Das klingt vielleicht hanebüchen (und ist es möglicherweise auch), beschreibt aber meine Intuition wenn ich mich aktuell auf meine Wahrnehmung der Dinge verlege.

Nichtsdestotrotz steht auch Jacob Levy gut allein für einen möglichen Ripper- Kandidaten da. Ich wollte nur einmal meine aktuelle Betrachtungsweise darlegen, die sich in letzter Zeit etwas veränderte und auch mit diesem Buch "befeuert" wurde. Man sehe mir Fehler oder kleine Unkorrektheiten nach, ich schreibe mehr oder weniger, aus Zeitgründen, gerade nur aus dem Bauch heraus.

Beste Grüße, Lestrade.
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Allgemeine Diskussion / Re: Bücher Flohmarkt
« Letzter Beitrag von Stordfield am 14.09.2020 18:18 Uhr »
Hallo Isdrasil

Schön, dass du alle Klippen umschifft zu haben scheinst. Das freut mich persönlich sehr.

Alles Gute, mein Bester!
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Pedachenko, Dr. / Re: Verdachtsgründe ?
« Letzter Beitrag von Stordfield am 14.09.2020 18:13 Uhr »
Hallo!

Zu meinem Erstaunen habe ich erfahren, dass Pedachenko, laut Christopher J. Morley, zusätzlich zu dem Mysterium um hin herum auch noch im Verbund mit einer Miss Winberg und einem gewissen Levitzki (leicht zu verwechseln mit "Lipski") gehandelt haben soll. Demnach hat Winberg die Opfer in ein unverfängliches Gespräch verwickelt, Levitzki Schmiere gestanden und Pedachenko die Frauen schließlich ermordet. Und das alles mit Wissen der russischen Geheimpolizei, die das Trio nach vollbrachter Tat aus London herausschmuggelte und zum "Dank" in eine Anstalt steckte (Pedachenko), bzw. nach Jakutsk im Fernen Osten verbannte.
Im Übrigen finde ich, dass Pedachenko in Vielem dem Verdächtigen Nikolay Vasiliev gleicht, den ja auch so eine nebulöse Aura um seine Existenz umgibt.

Gruß Stordfield 
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Allgemeine Diskussion / Re: Bücher Flohmarkt
« Letzter Beitrag von Lestrade am 04.09.2020 12:14 Uhr »
Vielleicht bekommst Du mal wieder Langeweile mein Bester!

Ganz ehrlich? Dem Forum würde deine Anwesenheit mehr als gut tun. Hier wurde es ja, Arthur und einem gewissen Lestrade sei Dank, sehr einseitig. Dennoch warst Du ja sehr konsequent was das Forum/ Thema angeht und für Dich persönlich war das wohl auch sehr wichtig und demzufolge auch absolut richtig. Alles hat eben seine Zeit. Manchmal ist es auch wirklich gut, die Dinge, nach einem gewissen Abstand, erneut zu betrachten. Auch wenn man es nicht mit Dir vergleichen kann, auch ich bin ein Stück zurückgefahren... und ich merke schon, nach einem Durchatmen, dass die Perspektive sich ein wenig verändert hat. Nicht im Kern aber einiges drumherum. 

Und Du warst, das werde ich nicht vergessen, in Person der Grund, warum ich mich zu dem Jack the Ripper Interessierten entwickelte, der ich heute bin. Und damit bin ich sehr zufrieden und Dir dankbar. Du weißt um die Wertschätzung, die ich für dich habe. Deine Meinungen, auch nach dem Sammeln weiterer, enormer Lebenserfahrung, wären sicherlich hochinteressant. Wir unterliegen ja alle einer gewissen Dynamik des Lebens.

Momentan fühle ich mich etwas "ausgerippert", da läuft gerade nur eine flache Kurve ab. Mir fehlt das "Futter". "Jacob the Ripper" (Jacob Levy) wird als Buch die kommenden Tage bei mir eintrudeln und ich wünsche mir, dass dadurch auch das Feuer bei mir wieder auflodert. Die Glut, irgendwo vorhanden, wird man, so glaube ich auch, nie richtig los. Nun, dann ist das so.

Dein Lestrade. 
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