Liebe Freunde,
seit einiger Zeit bin ich in einem engen Kontakt mit Director/Producer Jeff Leahy, der sich verantwortlich zeichnete für Jack the Ripper The Definitive Story. Ihr kennt sicherlich diese einzigartige Dokumentation. Für 2015 ist eine neue und überarbeitete Produktion diesbezüglich geplant (eine weitere mit Jack the Stripper, the Hammersmith nude murders). Meine Freude war groß, dass sich Jeff für einige meiner Ideen interessierte und diese mit für die neue Story verwenden möchte. Normalweise ist das eher ein Fall für gestandene Ripperologen und ich fühlte mich zunächst überfordert. Mit der Zeit fanden wir uns allerdings in einem Prozess wieder, der uns alle sehr anregte und die letzten Tage waren besonders ereignisreich. Es ist geplant mich für die Dokumentation zu interviewen aber da traue ich mich nicht so wirklich.
Ich skizziere einmal kurz:
Jeff und ich waren uns mehr oder weniger einig, dass wir zwei Ereignisse ins Auge fassen müssen. Die Zeit Ende 1888 bis ca. März 1889 und einmal die Zeit zum Ende 1890/ Anfang 1891. Die erste Dekade steht für die Kriminalbeamten Cox und Sagar sowie für Macnaghten. Der zweite Abschnitt für die Seaside Home Identifikation mit Swanson und Anderson. Wichtig dabei, die erste Einweisung im ersten Zeitraum wird für Aaron Kozminski mit einer private Anstalt festgelegt. Im zweiten Zeitraum der Übergang von privat in eine öffentliche Anstalt (Colney Hatch). Jeff kontaktierte dieser Tage Martin Fido, der ja schon einmal recht gründlich die Anstalten durchforstet hatte (Shadow Ghost wird sich daran erinnern, er übersetzte ja für uns und das JTRForums Martin´s Gekritzel). Dieser antwortete, dass er keinerlei private Anstalten durchgesehen hatte und so bestätigte sich meine Vermutung aber auch die anderer, wie Jeff, dass uns das bisher fehlt, eine Durchleuchtung der privaten Anstalten zwischen 1888 und 1891. Es fand bisher NICHT statt. Über Cox erfahren wir etwas über eine Anstalt in Surrey, südlich von London (heute ist das London, glaube ich). Hier sollte die private Anstalt für Aaron Kozminski gewesen sein.
Ich gab folgende Hypothese ab:
Die private Anstalt und das Seaside Home könnten ein und dieselbe Einrichtung sein. So verbinden sich die erste und die zweite Dekade miteinander. Und siehe da, wir fanden viele private Anstalten in Surrey, die ein Seaside House oder Seaside Home an der Küste unterhielten. Martin Fido wies darauf hin, dass er sich an die Meinungen der Ex- Cops Evans und Rumbelow hielt aber auch an Begg, welche ein Polizei Seaside Home bevorzugten, im Gegensatz zu ihm, der eher ein Erholungsheim sah. Ein gutes Beispiel für meine Idee wäre das Holloway Sanatorium in Virgina Water in Surrey. Sie hatten ein Seaside Home in Poole (offenbar mit direkter Bahnverbindung). In der Nähe, in Wandsworth, waren einmal Aaron Kozminskis Mutter Golda gemeldet und sie starb dort auch. Weitere Familienmitglieder lebten ebenfalls dort in Surrey. Dieses Seaside Home in Surrey wurde vor allen im Sommer genutzt. Ich bot die Theorie an, dass Aaron Kozminski am 15 Juli 1890 vom Workhouse in London aus, in ein solches Seaside Home gebracht wurde (mit Absprache seiner Schwester Matilda), es war ja Sommer, welches eigentlich zu einer privaten Anstalt in Surrey gehörte (übrigens gab es vom Holloway Sanatorium aus ab Sommer 1891 einen neue Kontakt dieser Art mit dem Seaside Home in Brighton, Poole fiel weg und das finde ich bemerkenswert). Von dort aus ging es für Aaron Kozminski nach den Sommer zurück nach Surrey. Nach einem kurzen Aufenthalt daheim für Aaron, gab es dann die Einweisung für ihn nach Colney Hatch. Es dauerte deshalb so lange, weil die Identifikation im Seaside Home fehlschlug und die Polizei warten musste, bis die Familie aufgab. Ziel des Deals zwischen der Polizei und Matilda war es, Aaron in eine staatliche Anstalt zu bringen. Wohlmöglich war im Sommer 1890 ein neuer Zeuge aufgetaucht, der diese Maßnahme einer Identifikation einläutete. Man arrangierte etwas heimlich hinter dem Rücken der Familie, mit Ausnahme von Matilda und auch hinter den meisten Polizeikollegen und wählte Aarons private Anstalt in Surrey aus (mit seinem Seaside Home Ableger), um ihn dann von dort aus zeitnah nach Colney Hatch offiziell zu überführen. Diese Aktion schlug fehl, weil der Zeuge zurückzog. Anderson behauptete ja, der Ripper wäre bei seiner Identifikation sicher weggesperrt gewesen und dies kann nur bedeuten, dass es sich um die private Anstalt in Surrey handelte, welches eben ein Seaside Home unterhielt. Er meinte damit nicht Colney Hatch. An dieser Art meiner neuen Überlegungen und Betrachtungsweisen ist man sehr interessiert.
Ich lieferte auch eine Idee, warum Swanson und Anderson dachten, dass Kosminski kurz nach seiner Einweisung nach Colney Hatch verstorben sei, was aber nicht stimmte. Was viele nicht bemerkt haben war, dass Aaron Kozminski einen Doppelgänger hatte. Ein anderer Ripper Verdächtige der mir gut vertraut ist und welcher Gegenstand der Fido Theorie ist, nämlich David Cohen. Ich bat an, darüber nachzudenken, ob David Cohen nicht fälschlicherweise Ende 1888 schon einmal für Aaron Kozminski gehalten wurde. Zur Zeit der Ereignisse im East End kümmerte sich möglicherweise Jacob Cohen um Aaron. Jacob war der Bruder seiner Schwägerin Betsy. Wohlmöglich lief Aaron unter dem Namen Cohen durch die Gegend und als man einen andere geisteskranken jungen Juden aufgriff, hielt man diesen für Aaron Cohen und als man den Fehler bemerkte, änderte man dessen Namen in David Cohen. Beide waren gleichalt, Cohen war Schneider, die Brüder von Aaron ebenfalls, beide sprachen Deutsch, beide waren jüdisch und beide offenbar Polen und litten an der gleichen Geisteskrankheit. Als man Aaron suchte fand man ihn nicht, er war vielleicht schon in Surrey und irrte sich mit Cohen. Für eine kurze Zeit waren im Prinzip zwei ähnliche Männer im East End unterwegs. Das gleiche könnte in Colney Hatch passiert sein. Niemand hätte in Colney Hatch erfahren müssen, dass Aaron Kozminski ein Ripper Verdächtiger ist, falls es einen Deal mit seiner Schwester Matilda und der Polizei gab (mit Anderson). Hätte sich Swanson nach ihm erkundigt, sagen wir im Mai 1891, dann hätte er nicht direkt fragen können, wie es denn Jack the Ripper geht. Er hätte geschickt fragen müssen und das hätte zu falschen Auskünften führen können. Hätte er sich nun nach einem jungen jüdischen Polen erkundigt mit Namen Cohen, der etwas mit Schneidern zu tun hatte, schizophren war, der auch Deutsch sprach, dann hätte er auch etwas über David Cohen erfahren können, der ebenfalls in Colney Hatch war, jedoch im Oktober 1889 verstarb. Diesen Cohen hatte Swanson vermutlich gar nicht mehr auf dem Schirm. Er dachte an Kosminski und die Auskunft kam für David Cohen. Fakt ist, einer dieser “Twins“ starb tatsächlich, nämlich David Cohen, der andere lebte noch lange, Aaron Kozminski. Wer konnte diese falsche Auskunft geben? Nur ein Arzt dachte ich mir und auch hier wurde ich fündig. Ein Dr. Seward war anwesend als David Cohen im Oktober 1889 starb, er war aber auch anwesend bei Aaron Kozminski im April 1891 und auch bei dessen Transfer nach Leavesden 1894. Hätte Swanson nach einem besonders schweren Fall eines Cohens gefragt, er hätte nur die Antwort zu David Cohen bekommen, nicht für Aaron Kozminski (lief ja dort nicht unter Cohen), der vielleicht einmal als Aaron Cohen in Surrey geführt wurde, was mit seinem Schwager Jacob Cohen zusammenhängen könnte, der ja auch bei der Einweisung von Aaron Kozminski nach Colney Hatch eine Rolle spielte. David Cohen starb kurz nach seiner Einweisung in Colney Hatch. Dies entspricht den Äußerungen von Swanson. Aber hier könnte eine Verwechslung vorliegen.
Was fand ich noch?
Ich fand noch einige polnische Schneider (u.a.) aus Klodawa/Kalisch, der Heimat der Kosminskis. Ihre Gemeinschaft war gar nicht so klein. Und ich fand sie dort, wo es mich fast vom Stuhl riss. Es könnte sich dort nämlich mit der Geschichte von Sergeant Stephen White decken, na ja, eigentlich deckt es sich.
Bei all meinen Recherchen drückte sich auch ein anderer Zeuge in einen günstigen Winkel, bei dem die Möglichkeit bestand, ganz spontan zum Zuge zu kommen, was in meinem Szenario der Seaside Home Identifikation fast ein Muss ist.
Ihr verzeiht wenn ich nicht mehr schreiben kann und nicht detaillierter alle Zitate und Quellen belege, ich habe das hier ja schon zigmal getan. Jeff hat all meine Unterlagen und Interpretationen und das sind nicht wenige. Ich bin auch etwas in Eile, deshalb habt Verständnis wenn ich hier die Dinge nur runter rasseln kann. Seit kurzem bin ich in einer mehrjährigen Ausbildung und mir fehlt die Zeit für die Foren, ich bin froh mich bequem mit Jeff austauschen zu können. Wohlmöglich unterrichtet er heute Martin Fido über mein Modell mit David Cohen. Martin und ich sehen eine Verwechslung von Cohen und Kosminski aber eben jeder auf eine andere Weise.
Alle sind jetzt aufgerufen Unterlagen von privaten Anstalten zu finden, wo es auch oft Fotos der Insassen gibt. Einen Teil haben wir schon. Finden wir Aaron, verstärken sich all diese Theorien. Wir suchen unter Abrahams, Cohen, Kozminski und Lubnowski aber auch Levy (bei ihm weiß ich nicht warum) zwischen 22-24 Jahren und einer auffälligen Masturbation. Apropos, bei meinen Recherchen bemerkte ich, dass bei Patienten mit dieser Störung die Hände gefesselt wurden. Swanson schrieb ja, dass sie ihren Verdächtigen mit den Händen auf den Rücken transportieren mussten, dies muss kein Zeichen für Gewalt gewesen sein sondern kann bedeuten, dass er nicht die Finger von seinem Glied lassen konnte. Und von Aaron Kozminski wissen wir, dass er diesbezüglich schwer belastet war.
Es gäbe noch so vieles zu berichten, z.B. dass es Anzeichen gibt, dass Cox als auch Sagar ab Sommer 1890 nicht mit Kozminski beschäftigt waren (er war wahrscheinlich in Surrey), Sagar dann aber tatsächlich im Dezember 1890 gegenüber der Butchers Row einen Job hatte. Gegenüber dem Bull Inn Yard (dort war er) konnte er rüber sehen zu einem Butcher namens Bullas. In 1913 finde ich dort einen Butcher, der vielleicht aus Klodawa stammen könnte und der auch zu der Zeit ein Geschäft am Eingang zur Duke Street hatte. All die Jahre wanderte er umher und ich kann nicht sagen, wo er überall einmal angestellt war. Aber es ist schwer für mich, seine Spuren zu verfolgen und momentan lege ich diese Sache auch weit nach hinten.
Auf jeden Fall sind viele Interessierte bereit zu helfen, weil diese Idee, private Anstalten in Surrey gekoppelt mit einem Seaside Home zu suchen, sich lohnen könnte zu verfolgen.Holloway konnte ich schon ein wenig einsehen, allerdings fehlen dort bisher ausgerechnet die Jahre 1888-91 für männliche Patienten.
Hoffen wir auf einen Fund.
Beste Grüße, Lestrade.