Danke Angel! Das muss ich mir in Ruhe durchlesen, klingt aber interessant. Hoffentlich ist der Artikel nicht einseitig geschrieben. Ich denke, Psychopharmaka wird unnötig verteufelt. Fast automatisch denkt bei diesem Wort jeder an die berüchtigten „Plattmacher“. Andererseits kann sie aber auch zeitlich befristet eingesetzt werden und helfen. Auch bei Depressionen im Alter ist sie oft gar nicht so verkehrt, weil bei 80jaehrigen Menschen niemand mehr eine Psychotherapie vornehmen wird. Wichtiger noch als das Medikament ist ein verantwortungsvoller Arzt. Das sollten sie alle sein, natürlich, doch die Realität spricht traurigerweise dagegen.
Um noch mal auf die Bilder zurück zu kommen. Die damaligen Ärzte waren sehr wohl hochgebildete Personen. Ihr Wissen war der Stand der medizinischen Wissenschaft ihrer Zeit, sie waren keine Idioten. Und so frage ich mich, wer konnte wie einem Mediziner erklären, warum es für einen geistig oder psychisch Kranken gesundheitsfördernd oder stabilisierend sei, mit 100 Umdrehungen in der Minute geschleudert zu werden? Dazu muss es doch Erklärungen, wenn nicht gar Beweise gegeben haben, dass es jemanden gut getan hat – was ich auf schärfste bezweifle.
Persönlich regt mich am meisten das ewige „Fixieren“ eines Patienten auf. Ob nun auf diesem Horrorstuhl, ans Bett oder wie auch immer.
Ich verstehe nichts von Medizin, deshalb stelle ich meine Frage hier an Euch. Ist dieses „Fixieren“ nicht auch körperlich schädigend für den Patienten? Ich bilde mir ein, wenn jemand, sei es schubweise oder chronisch, unter stark erhöhtem Bewegungsdrang leidet und er dann seine Gliedmaßen nicht bewegen kann, beschädigt sich da nicht die ganze Motorik und das Nervensystem des Menschen?
Dieser Artikel gibt den aktuellen Stand zur Problematik der Zwangsbehandlung wieder
DIE ZEIT online 24.01.2013
PsychiatrieZwangsbehandlungen als letztes Mittel
Ein neues Gesetz erlaubt, dass psychiatrische Patienten in bestimmten Fällen zwangsbehandelt werden. Kritiker halten diese Praxis für eine Menschenrechtsverletzung.
Vergangene Woche wurde ein neues Gesetz zum Umgang mit Patienten in der Psychiatrie beraten und mit großer Mehrheit verabschiedet: Psychiater in der Klinik dürfen Menschen jetzt zwangsweise mit Medikamenten behandeln, sofern eine Selbst- oder Fremdgefährdung des Patienten nachgewiesen oder diagnostiziert wird, also in Fällen wie Selbstmordabsicht, Selbstverletzung oder Gewalttätigkeit. Betroffen sind oft Depressive, Magersüchtige, Alkoholkranke oder auch alte Menschen.
Auch bisher wurden Einweisungen und Behandlungen etwa mit Neuroleptika, schweren Sedativa oder Elektroschock-Therapien ohne Zustimmung des Betroffenen angeordnet. Neu ist aber erstens, dass Ärzte nun eine Rechtsgrundlage dafür haben. Zweitens muss nun jeder Fall einem Richter vorgelegt werden. Wer für die Kontrolle zuständig ist, wird also festgelegt. Vor dem Gesetz konnte ein vor oder sogar während der Behandlung eingesetzter Betreuer auch allein über die Behandlung entscheiden.
Nach der Wende im Fall Mollath verwies Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zudem darauf, das neue Gesetz sehe Zwang nur "als allerletztes Mittel" vor. Es schreibt vor, dass der "zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme" deutlich höher sein muss als die möglichen Beeinträchtigungen.
Das Kabinett hatte den neuen Gesetzesentwurf erarbeitet, nachdem in zwei Fällen der Bundesgerichtshof im Jahr 2012 die Zwangsbehandlung untersagt hatte. Das Gericht verwies damals darauf, die bisherige Praxis habe seit 1945 keine gesetzliche Grundlage.
Öffentlich diskutiert wurde der neue Gesetzesentwurf kaum. Dabei könnten viele Menschen betroffen sein. Jedes Jahr werden rund 1,2 Millionen Patienten stationär psychiatrisch behandelt, etwa 150.000 davon gegen ihren Willen.
Verbesserung oder Grundrechtseingriff?
Die Justizministerin hält das neue Gesetz für eine "deutliche Verbesserung der Situation". Denn die Rechtsunsicherheit der Ärzte verschwinde, außerdem würden die Anforderungen für eine Zwangsbehandlung klarer definiert. Auch von Ärzte-Vertretern wird das Gesetz fast ausnahmslos begrüßt. Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbandes deutscher Psychiater (BVDP), sagt: "Jetzt darf ein Mensch nach der Zwangseinweisung in die Klinik behandelt und nicht nur verwahrt werden, das regelt das neue Gesetz."
Der Abgeordnete Wolfgang Neskovic, bis vor kurzem Linkspartei, jetzt parteilos, spricht dagegen von einem der "schwersten Grundrechtseingriffe". Das Gesetz sollte im Eilverfahren bereits im November verabschiedet werden. Nach Intervention des Bundesbeauftragten zum Schutz Behinderter, Hubert Hüppe (CDU), wurde aber ein neuer Termin festgesetzt. Experten wurden in der Zwischenzeit angehört und eine längere Plenar-Debatte anberaumt.
Auch der Präsident des Allgemeinen Patienten-Verbandes Christian Zimmermann sieht die Neureglung kritisch und verweist auf die vielen Unrechtsfälle durch Zwangsbehandlungen, die Schlagzeilen gemacht haben. Matthias Seibt, der Vorsitzende des Bundesverbandes der Psychiatrieerfahrenen (BPE), hält das Gesetz schon allein deshalb für falsch, weil UN-Konventionen zu Patientenrechten Zwangsbehandlungen als Menschenrechtsverletzung einstufen.
"Ich empfehle meinen Patienten immer eine Vorsorgevollmacht"
Trotz dieser Einwände sei es in der Praxis problematisch, auf Zwangsbehandlungen zu verzichten, sagt Roth-Sackenheim vom Psychiaterverband: "Leider haben wir weder in der Klinik noch in der Praxis die entsprechenden personellen oder baulichen Mittel, um jegliches psychische Problem etwa mit gewalttätigen Patienten ohne Zwang zu lösen."
Besonders kritisiert wird vom Patientenverband und den Psychiatrieerfahrenen der Umgang mit dem Betreuungsrecht in der Praxis. Nach einer Zwangsuntersuchung und einer Diagnose würden Patienten generell als medizinisch "nicht einwilligungsfähig" klassifiziert, damit werde ihre Entscheidungsgewalt quasi automatisch einem Betreuer überantwortet. Als das Vormundschaftsrecht in ein Betreuungsrecht umgewandelt wurde, war das zwar ein Fortschritt für die Betroffenen, denn sie werden seither nicht mehr entmündigt. Doch anschließend stieg die Zahl der Betreuten sprunghaft an. Denn die Hürden, um als nicht einwilligungsfähig zu gelten, wurden stark herabgesetzt. Betreuer darf außerdem jeder werden, ohne längere Ausbildung oder angemessene Prüfung der Qualifikation. Daran ändert das neue Gesetz nichts.
Auch Roth-Sackenheim hofft, dass zusätzlich zum Gesetz das Betreuungsrecht bald überarbeitet wird. Das Justizministerium hat es bereits angekündigt. Trotzdem sagt sie: "Letztlich wird es keinen hundertprozentigen Schutz geben können. Ich empfehle meinen Patienten eine Vorsorgevollmacht oder eine Patientenverfügung." Wenn darin zum Beispiel eine Behandlung mit bestimmten Medikamenten ausgeschlossen wird, soll sich die Klinik an die Patientenverfügung halten. Aber oft sind vereinsamte, an Depression Erkrankte oder Mittellose kaum in der Lage, diese Prozedur zu bewältigen.
Medikamente statt Gesprächstherapie?
Gleichzeitig mit der gesetzlichen Regelung wurde die "pauschalierte Entgeltregelung" (PEPP) eingeführt, das heißt, der Aufenthalt und die Behandlung eines Patienten auf psychiatrischen Stationen wird mit jedem Tag schlechter vergütet. Die Folge könnte sein, dass aus Kostengründen Patienten nicht mehr individuell behandelt werden, zum Beispiel mit Gesprächstherapien, sondern mehr Medikamente gegeben werden, sagt Zimmermann vom Allgemeinen Patienten-Verband.
Das sei eine gefährliche Entwicklung, da die meisten Medikamente in diesem Bereich irreversible und lebensbedrohliche Nebenwirkungen haben und in ihrer Wirkung den Kern der Persönlichkeit berühren, sagt der Chefarzt der Berliner Charité-Psychiatrie Andreas Heinz. "In Kliniken, die unter hohem wirtschaftlichem Druck stehen, ist dies vielleicht möglich", räumt Roth-Sackenheim ein: "Aber dort, wo das ärztliche Gebot des Heilens erste Priorität hat, wird man die Medikation nur einsetzen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt."
Vor allem am Personalmangel hängt noch eine weitere Entwicklung, die Kai Behrens von der Barmer Ersatzkasse kritisiert : "Psycho-Fälle landen immer häufiger im Krankenhaus. Die Frage ist, ob sie immer dort hingehören, und wie wir die teilstationären Betreuungsansätze besser fördern können." Besonders im Bereich der Pflege diskutieren die Fachkräfte eine unnötige Medikamentisierung. Oft würden ältere, demenzkranke oder verwirrte Menschen in die Psychiatrie überwiesen, wenn der Aufwand für die Pflege als zu hoch eingeschätzt wird.
Obwohl Roth-Sackenheim das neue Gesetz befürwortet, kann sie nachvollziehen, dass der Verband der Psychiatrieerfahrenen die Zwangsbehandlungen, wie sie bisher praktiziert werden, ablehnt. Sie sagt: "Es gibt leider Menschen, die durch die psychiatrische Behandlung traumatisiert wurden. Diese Traumatisierungen sind auch deshalb entstanden, weil es in der Psychiatrie noch nicht lange wirksame Behandlungsmethoden gibt. Insofern ist die Debatte derzeit sehr wertvoll und trägt dazu bei, die Verantwortung der gesamten Gesellschaft bewusst zu machen.