Autor Thema: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!  (Gelesen 54746 mal)

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Stordfield

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #30 am: 06.01.2013 00:01 Uhr »
Vielen Dank, Lestrade!!!!!

So stelle ich mir tatsächlich keinen typischen Juden vor.
(Ich finde, der Gute hat was von W. Sickert.)

Gruß Stordfield

Offline Lestrade

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #31 am: 06.01.2013 11:13 Uhr »
Gerne Stordfield!!

Wo Du es sagst, sieht tatsächlich Walli sehr ähnlich, fehlt nur noch ein Zylinderhut.

Aber auch er wirkt sehr untersetzt mit breiten Schultern. Es soll wohl auch so sein, dass auf dem Foto, was im Besitz von Rob House ist, Morris Lubnowski den BS Man aus der Berner Street sehr ähnlich sehen soll. Naja, warten wir´s ab…

Jedoch gut möglich, dass es auf den ersten Blick für den ganz besonderen Zeugen eben auch so aussah wie für uns jetzt. Also gar nicht so jüdisch oder polnisch, wie auch immer…
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Stordfield

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #32 am: 10.01.2013 13:28 Uhr »
Hallo Lestrade!

Durch Deine äußerst detailreichen Schilderungen der Familienverhältnisse in der jüdischen Gemeinde entstand bei mir der Eindruck, dass die Sippen sehr eng zusammen hielten (Es wurden schon mal Familienmitglieder aufgenommen oder eingestellt.). Eventuell reichte die Familienbande ja sogar so weit, dass man einen Mehrfachmörder deckte. Wie aber muß ich mir das Leben in diese Gemeinschaft vorstellen? Es gab ja eine Menge Leute mit eigenen Geschäften; eine Lebensgrundlage und ein gewisser "Standard" scheinen mir also durchaus gegeben. Waren die Clans unter sich, kochten bspw. die Schlachter, die Schuhmacher und die Zigarrenhersteller jeweils ihr eigenes Süppchen? Gab es einen oder mehrere "Chefs", bzw. Leute, die das Sagen hatten? Welche Rolle spielte die Kirche? Was wurde bei den Zusammenkünften beraten?
Werter Lestrade, vielleicht kannst Du (als unser Experte) mir die eine oder andere Antwort geben, damit ich (und natürlich auch andere user) mal einen ungefähren Überblick über das Leben der Kozminskis/Woolfs/Lubnowskis bekomme.
Ein Dankeschön schon mal im Voraus!

Gruß Stordfield

Offline Lestrade

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #33 am: 10.01.2013 16:10 Uhr »
Hallo Stordfield,

Ich lasse einmal einige Fakten die, für das Leben und die Geschichte der Juden im Allgemeinen und im Speziellen für das Leben und die Lebensumstände der Juden in London (genauer noch für das EastEnd) zwischen, sagen wir 1850 und 1920, hinlänglich bekannt sein dürften, außen vor. Damit meine ich u.a. auch die Vertreibung der Juden weltweit und eben auch aus Polen/Russland bzw. Osteuropa. Also die Rolle russischer Zaren, Antisemitismus, Verfolgung und Ermordung. Unglaubliche Schuldzuweisungen für alles Mögliche und die Erfindung des Juden als Unmenschen usw. Eben die ganze Palette, die sich in einem solchen Prozess ausbreitet. Das alles kann man nachlesen, sich anschauen oder recherchieren. Robert House z.B., schilderte in kurzen Kapiteln wichtige Fakten über das jüdische Leben im Zarenreich oder auch im EastEnd in seinem Buch “Jack the Ripper And The Case for Scotland Yard´s Prime Suspect“. Nicht zu vergessen, all die vielen Einflüsse des jüdischen Lebens auf dieser Welt.

Wohin auch immer die Kozminski Familie auswanderte, sei es England mit London oder Manchester, sei es Südafrika, die USA oder Australien, egal wann und aus welchen summierten Gründen auch immer, es ging darum, zu überleben, sich etwas aufzubauen, eine Heimat zu finden, Familien zu gründen, zu essen und zu trinken, ein Dach über den Kopf zu haben und nicht zu frieren. Wie die einzelnen Entscheidungen dazu aussahen zu gehen (oder auch vorerst zu bleiben) und woanders sein Glück zu versuchen, ob diese Entscheidungen politisch abhängig waren, aus Abenteuer- Lust, aus Angst oder einfach nur auf der Hoffnung beruhten ein besseres Leben zu finden oder eine Mischung aus allem waren, muss wohl ganz persönlich betrachten werden und hing im hohen Maße von den aktuell vorhandenen Bedingung zur jeweiligen Zeit ab.  

Das EastEnd, Teile von London, sollten zum “neuen Warschau“ für Juden werden, egal ob aus Polen, Russland oder Ungarn usw. stammend. Das galt es mit allen Aspekten des Lebens aufzubauen. Mit allen Aspekten, die für den Menschen wichtig sind, egal welcher Religion sie angehören. Juden lebten schon vor den Kozminskis in England und London und dem EastEnd. Sie zogen teilweise eben dorthin oder in bzw. zu ähnlichen Orten auf der Welt. Und da LEBTEN sie!!!

Wer sich vom Kozminski- Clan wann irgendwo hinbewegte, kannst du in den verschiedensten Fäden nachlesen. Ich erwähne hier nur einmal, dass sich Matilda Lubnowski und Isaac Abrahams deutlich früher in London wiederfanden als es Woolf Abrahams und Aaron Kozminski mit der Mutter Golda Kozminski/Abrahams… taten. Warum auch immer das so gewesen war, wir können gerne spekulieren. Um aber in diesem engen Radius zu bleiben, die enge Verwandtschaft untereinander, schien Gang und Gebe gewesen zu sein. Ich könnte darauf näher eingehen aber ich denke, wir nehmen es als Fakt erst einmal so hin.

Nun mag es von der Persönlichkeitsstruktur und einigen anderen Dingen abhängig gewesen sein, wer sich wie durchsetzte, seine Rolle in der Gesellschaft fand oder sie gar mitprägen konnte usw. Auch das würde Seiten füllen. Nehmen wir einfach an, dass Isaac Abrahams der Erfolg gelang, er ein angesehener Geschäftsmann wurde, gehen wir davon aus, dass Matilda Lubnowski ein gutes Mittelstandsleben führte und Woolf Abrahams kein Bein auf die Erde bekam, zumindest lange Zeit nicht. Und wir wissen, dass Aaron Kozminski sehr, sehr schwer krank gewesen war. Und, dass Mutter Golda ein bibliches Alter erreichen konnte. Nun ja, dass gibt es alles auch in meiner Familie und in unzähligen anderen auch, egal welcher Erdteil, welches Land, welche Hautfarbe und welche Religion. David Lubin (Lubnowski) schaffte es gar zu einem gewissen “Ruhm“. Dies, und die Tatsache dass Aaron Kozminski möglicherweise Jack the Ripper gewesen war, lagen sehr dicht beieinander. Die Normalität birgt manchmal den größten Horror.

Wie funktionierte nun diese Familie? Zumindest dieser enge Teil? Wir können nur mutmaßen, zumindest für die größten Teile.

Muss die ganze Familie darüber informiert gewesen sein, dass Aaron Kozminski der Ripper war (wenn er es denn war)? Nein!

Die Abrahams/Lubnowski/ Kozminski lebten lange Zeit nur wenige Hundert Meter voneinander entfernt oder sogar schlicht und einfach gegenüber (Matilda und Isaac). Wer gehörte nun noch alles zur Familie, welche Freunde und Kollegen oder weiter Verwandte nahmen an ihrem Leben teil? Welche weiteren Gesellschaftsteile waren in das Familienleben involviert? Wir wissen es nicht genau, es sollte aber in einem gewissen Maße alles stattgefunden haben.

Haben Isaac Abrahams, Matilda Lubnowski sowie Woolf Abrahams (alle samt Ehegatten) und Mutter Golda, möglicherweise auch Jacob Cohen, gewusst, dass ihr Bruder, Sohn und Cousin Aaron Kozminski, Jack the Ripper gewesen war? Ja! Sie sollten es gewusst haben, die Frage wäre nur die, wann hat wer etwas erfahren?

Wie weit wäre so etwas außerhalb dieses kleinen Kreises gedrungen? Schwer zu sagen, denn wir wissen nicht, wer alles zu dieser Familie gehörte (von außerhalb), welche Funktionen und Einflüsse diese hatten und ob auch alle dichthielten. Wie verhielt man sich zu führenden Männern des jüdischen Glaubens oder reichen Geschäftsleuten mit Einfluss?

Wie arbeiteten sie mit der Polizei? Wie war der Umgang dieser Familie mit den Beamten? Da sollte eine Interaktion stattgefunden haben, die bestimmte Informationen ergab, so meine Vermutung.

Ich denke, letztendlich war dies eine ganz familiäre Angelegenheit, einer ganz gewöhnlichen Familie, die sich den kulturellen und wirtschaftlichen Strukturen anpasste und sie auf diese Art und Weise auch mitformte. Die ihren Geschäften nachgingen, ihren Glauben lebten, aus welcher Strömung er auch immer kam. Sie waren Menschen, die zueinanderhielten, eine Familien- und Freundebande pflegten, sich um sich und Ihresgleichen kümmerten aber auch in Kontakt kamen mit den anderen Teilen der Bevölkerung. Die Opfer Stride und Eddowes fanden ja auch Arbeit in jüdischen Familien.

Wie hätten sie reagieren sollen, als sie bemerkten, dass Aaron Kozminski, der kranke, verrückte Bruder, Sohn und Cousin sowie passionierter Prostituiertenhasser, etwas mit den Morden zu tun hatte? Als sie bemerkten, dass er zu den Tatzeiten nicht daheim war oder er zumindest allein gelassen wurde? Als sie blutige Kleidung oder Gegenstände bemerkten, die nicht ihm gehörten? Als sie bemerkten, dass ein Opfer (Stride) quasi vor der eigenen Haustür lag bzw. direkt an einem ehemaligen Wohnsitz dieser Familie?  Wie hätten sie reagieren sollen, als ER verdächtigt wurde?

Dazu muss man sich folgende Fragen stellen:

Was wäre noch zu retten gewesen?

Und wie weit glaubten das alles die Angehörigen selber? Wie weit konnten sie ausblenden oder es sich nicht zugestehen?

Offenbar war da kein wirklicher Zeuge auszumachen, kein Beweisnetz für die Polizei strickbar, so hätte man mit einem “Alibi“ (Aaron Kozminski war daheim), einiges an Wind aus den Segeln nehmen können. Einem “Alibi“ aus der eigenen Familie.

Das alles fand in einem Prozess statt, wir wissen nicht wann er anfing, wie er sich veränderte und mit welchen Tempo er sich entwickelte. Wer glaubte was ab wann und warum?

Die entscheidenden Worte dürften aber sicherlich “Verzweiflung“ und “Angst“ gewesen sein. Diese Familie, mit ihrer Geschichte und dem Ort an dem sie gerade lebten, mit dem was damals vorherrschte, hätten vieles gebrauchen oder nicht gebrauchen können. Was sie überhaupt nicht gebrauchen konnten, war einen rasenden Serienkiller in ihrer eigenen Familie, der seine Opfer quasi um die Ecke töte, verstümmelte und liegenließ.

Sie konnten, wenn es so war, nur retten, was man retten konnte und dies scheint ihnen dann gelungen zu sein. Ehrlich gesagt, habe ich für diese Familie sogar Verständnis.

Hätte ich mich viel anders verhalten? Ich glaube nicht.

Ich hoffe, hiermit einen kleinen Beitrag zur “Übersicht“ beigetragen zu haben. Diese Familie war auf dem ersten Blick eine ganz normale Familie, mit einem ganz normalen Leben. Natürlich im Zusammenhang mit ihren gänzlichen Lebensumständen betrachtet. War da mehr (Jack the Ripper), dann war da etwas sehr schicksalhaftes und tragisches in ihrem Leben vorgefallen.

Reicht dies erst einmal als schnelle Reaktion?

Beste Grüße, Lestrade.

P.S.: Was hätte Jacob Cohen davon abhalten sollen, außerhalb von Manchester, in London- Aldgate, seine Aktivitäten als Butcher auszuweiten und Geschäftsverbinungen mit der Butcher´s Row zu unterhalten und somit Aaron Kozminski einen Job zu verschaffen (als was auch immer, Delikates- Wurst durfte er bestimmt nicht herstellen)? Vielleicht war er mit einem anderen Butcher befreundet oder er half ihm bei Finanzierungen und als Gegengefallen...
« Letzte Änderung: 10.01.2013 16:23 Uhr von Lestrade »
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Stordfield

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #34 am: 10.01.2013 17:02 Uhr »
 :Laie_71mini:

Mit Deinem posting bestätigst Du meinen Eindruck: Es ging innerhalb der jüdischen Gemeinschaft sehr familiär zu. Familliärer offenbar als in anderen Bevölkerungsschichten des Eastends. Man half sich gegenseitig, wenn man konnte und legte größten Wert auf Verschwiegenheit und Loyalität. Wie weit ging nun aber gerade Letzteres? Galt sie nur für die eigene Familie und deren direktes Umfeld, oder umschloß sie die gesamte Gemeinschaft?

Wie weit wäre so etwas außerhalb dieses kleinen Kreises gedrungen? Schwer zu sagen, denn wir wissen nicht, wer alles zu dieser Familie gehörte (von außerhalb), welche Funktionen und Einflüsse diese hatten und ob auch alle dichthielten. Wie verhielt man sich zu führenden Männern des jüdischen Glaubens oder reichen Geschäftsleuten mit Einfluss?
Wie arbeiteten sie mit der Polizei? Wie war der Umgang dieser Familie mit den Beamten? Da sollte eine Interaktion stattgefunden haben, die bestimmte Informationen ergab, so meine Vermutung.

Genau, Lestrade! Darauf will ich eigentlich hinaus. Wie ging die Polizei mit dieser verschworenen Gemeinschaft um? Hatte sie überhaupt eine Chance an Informationen zu kommen? Welche Möglichkeiten standen den Ermittlern zur Verfügung, um die (von mir vermutete) Mauer des Schweigens zu durchbrechen? Bestechung? Wohl kaum. Undercover? Undenkbar. Bleiben also tatsächlich nur die bekannten Observierungen?

Gruß Stordfield


Offline Lestrade

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #35 am: 10.01.2013 17:41 Uhr »
Die Juden waren grundsätzlich an allem schuld! Da war man sicherlich nicht nur gegenüber Polizei und Artverwandten misstrauisch, sondern gegen alles, was man nicht sofort zuordnen konnte. Egal ob nun die Ripper Morde stattgefunden hätten oder eben nicht. Das scheint mir davon vollkommen unabhängig gewesen zu sein. Außerdem wurden Nicht- Jüdinnen zum Opfer. Es fand eh genug Kriminalität statt. Der Mensch passt sich dann den Gegebenheiten an und im Falle der Juden, fand man den Weg, ganz wenig zu sagen. Das ist ja auch eine Art Selbstschutz und mir in dieser Bevölkerungsgruppe vollkommen verständlich. Cox hat das bei seiner Observierung ja auch festgestellt. Sie gaben sich ja nicht als Polizisten aus, sondern als ganz andere “Schnüffler“. Anfangs fürchtete er um Leib und Leben, später wurde es besser, man kam miteinander ins Gespräch, über Gott und die Welt, man genoss einige Köstlichkeiten (Zigarren, Rum, Kaffee) und entspannte etwas. Das war es. Sicherlich erfuhr man dann etwas von Solomon über die Levys, von den Cohens etwas über die Myers aber wenn man Goldstein fragte, was die Abraham- Brüder so treiben und ob einer von ihnen vielleicht nachts mit dem Messer durch die Gegend rennt, dürfte die Antwort nicht unbedingt der eigenen Gesundheit zuträglich gewesen sein.

Vielleicht gaben die damailgen "Verhörung- bzw. Anhörung- und Befragungstechniken/taktiken" der Polizei doch einiges her. Dass muss nicht unbedingt vom Gericht anerkannt worden sein.
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Stordfield

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #36 am: 11.01.2013 14:09 Uhr »
Hallo Lestrade!

Vielleicht gaben die damailgen "Verhörung- bzw. Anhörung- und Befragungstechniken/taktiken" der Polizei doch einiges her. Dass muss nicht unbedingt vom Gericht anerkannt worden sein.

Denkst Du da an eine Art Vereinbarung und hälst Du soetwas tatsächlich für möglich? Würde ja einiges erklären.

Gruß Stordfield

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #37 am: 11.01.2013 17:02 Uhr »
Hi Stordfield!

Weißt Du, vielen fragen sich heute, wenn man wusste wer der Ripper gewesen war, warum ging man nicht viel offensiver und offensichtlicher damit um? Natürlich, es gibt einige Gründe, Gründe über die schon viel debattiert wurde. Die bekannten und sicherlich auch relevanten Gründe.

Warum wussten Anderson und Swanson, wer wahrscheinlich der Ripper (Kozminski) gewesen war? Warum hätte es nur ein kleiner Kreis von Kriminalbeamten erfahren und wissen können? Beide sprachen davon, dass der Ripper EINDEUTIG identifiziert wurde?

Neben diesen MET Beamten, waren die City Police Kollegen Cox und Sagar eher sehr überzeugt davon, dass ihr Mann (und ich denke es handelt sich auch um Kozminski) Jack the Ripper war aber hier fand keine Identifizierung statt (Sagar: “Identifizierung unmöglich“). Das soll jedoch nicht heißen, dass diese Beamten nichts von einer Prozedur in einem Seaside Home wussten. Sie könnten aber nicht vom “wahren“ Ergebnis informiert worden sein.

Welcher Grund könnte bei der ganzen Identifizierungs- Geschichte eine Rolle gespielt haben? Wie wäre es möglich gewesen, im ganzen Ripper- Hype, eine ganz kleine Gruppe von Menschen (Polizisten/Beamte) die Lösung zu überlassen?

Eine einfache Antwort dazu wäre:

Es gab im Moment der Entscheidung, der Erkenntnis, gar keinen Ripper- Hype mehr. Und da passt, ob man es nun hören will oder nicht, sehr gut die Zeit der Einweisung Aaron Kozminski nach Colney Hatch. Die Einweisung erfolgte mit Beginn des Jahres 1891 und seit November 1888 gab es keine Mordserie ala Jack the Ripper mehr. Rose Mylett starb offenbar eines “natürlich Todes“ (20.Dezember 1888), Alice Mackenzie bliebe noch für den Juli 1889. Aber eine wirkliche und überzeugende Verbindung zum Horrorherbst 1888 sind beide nicht. Frances Coles kann man in diesem Zusammenhang genauso sehen und sie kam zu Tode nach Kozminski seiner Einweisung in 1891.

Wenn es möglich gewesen wäre, zwei Jahre nach den Ripper- Morden einen Verdächtigen zu identifizieren, warum hätte man in solch einer stillen Situation laut werden müssen? Sprich, warum hätte man Gott und die Welt verrückt machen sollen? Gerade weil jene auch Identifikation schief lief? Es wäre logisch gewesen, die Sache am Anfang klein zu halten und ganz besonders nach diesem Ende. Ergo, wer hätte davon erfahren können?

Ich komme immer mehr zu der Annahme, dass Aaron Kozminski ganz besonders in Verdacht geriet und zwar schon im Horror-Herbst 1888. Und NIEMAND konnte ihn wiedererkennen außer der Constable vom Mitre Square. Er lebte nahe an einem Tatort (Stride) und er war bekannt als verrückter Prostituierten- bzw. Frauenhasser. Er war am Mitre Square und wurde vielleicht auch woanders gesichtet. Sprich an einem Tatort, aber nicht direkt in einer Verbindung zu einem Mord. Ich denke da an den nächtlichen Treppenschläfer im Hinterhof der Hanbury Street VOR der Ermordung von Annie Chapman. Vielleicht sah man ihn auch in der Berner Street, aber wiederum nicht im direkten Zusammenhang mit der Tat. Ebenso die Geschichte in der Batty Street (nach dem DoubleEvent) mit den blutigen Kleidern, die zu einem Schneider gehörten, welcher Mäntel (für Damen) für´s Westend herstellte. Aaron Kozminski´s Bruder Isaac Abrahams tat genau das. Wenn Du so etwas als Beamter weißt, dann sind das “many circs“ (Macnaghten) und dein Gefühl wird Dir sagen, dass es besser wäre, diesen Mann im Auge zu behalten. Die Familie gab Aaron Kozminski vielleicht ein Alibi (Er war daheim!) aber was war dies in den Augen der Beamten wert? Sie hätten genau gewusst, dass die Familie ihren Angehörigen schützt. Dabei muss man eben auch bedenken, dass von den bisherigen Zeugen niemand dabei gewesen wäre, der Aaron identifiziert hätte. Der PC war sich vielleicht nicht 100%ig sicher. Was glaubst Du in diesem Moment als Angehöriger? Willst Du ihn jetzt schon ausliefern? Eher nicht, vermute ich.

Nun kann man Aaron Kozminski 2 Jahre später immer noch nichts nachweisen. Davon abgesehen wurde sein Gesundheitsbefinden ja auch immer schlimmer. Cox, der anfing nach Kelly (Ende 1888/Anfang 1889) zu observieren, meinte über den Verdächtigen, dass er hin- und wieder verrückt wurde. Sagar, mit seinem vollkommenen Verrückten den er observierte, würde ich Ende 1890/Anfang 1891 einordnen. Zu der sich verschlechternden Krankenheitsgeschichte von Aaron zwischen 1888-1889-1890-1891 würde das gut zusammenpassen.

Passen tun auch die Beamten, weil sie zur City Police gehörten und wir wissen durch Swanson, dass diese Einheit den Verdächtigen observierte. Was logisch wäre, denn sie hatten den einzigen “richtigen“ Zeugen, nämlich den PC vom Mitre Square und es war dadurch “ihr“ Verdächtiger.

Wie die Jungfrau zum Kinde, hätte die Polizei (MET) nach zwei Jahren zu einem weiteren Zeugen gekommen sein können. Dieser Zeuge hätte sich “rein zufällig“ aufgetan haben können. Anderson traue ich es zu (und ich meine dies vollkommen positiv) im Alleingang aktiv geworden zu sein, denn der Fall war ja etwas abgekühlt, die Lage hatte sich beruhigt, zwei Jahre lagen dazwischen. Er wäre sicherlich sehr, sehr gut über Kozminski informiert gewesen und nur wenige hätten ihm diesbezüglich das Wasser gereicht. Anderson traue ich es gar zu, seinem Spezi Swanson nicht sofort in das Boot “Seaside Home“  geholt zu haben, sondern später Informationen locker gemacht zu haben. Weniger gut informierte und helle Beamte sind dann doch ein gutes Kollegium, um nicht die allzu große Welle auszulösen oder? Das hätte sich Anderson zu Nutze machen können. Das Ergebnis war öffentlich und ermittlungstechnisch gesehen natürlich Scheiße aber ein innerer Vorbeimarsch sollte es für Anderson dennoch gewesen sein. Einer wie Macnaghten hatte Kozminski seine Akte von 1888/89 auf den Tisch und vielleicht auch ein paar Infos der Kollegen von der City Police aber mehr auch nicht. Denn wenn Anderson seinem 1. Mann Swanson schon nicht voll involviert hatte, mit dem er die schlimme Zeit des Herbstes gemeinsam durchstand (zumindest als er aus der Schweiz zurück war), warum sollte er Macnaghten, der erst im Laufe 1889 dazugestossen war, auch alles erzählen? Und wenn Swanson nicht unmittelbar dabei war, als Kozminski sein Alibi aufflog, sich nur auf die Schilderungen seines Bosses verlassen musste, kann es leichter zu Irrtümern kommen oder aber, Anderson täuschte Swanson bewusst. Speziell vielleicht mit dem Tod von Kozminski, der ja gar nicht so früh eintrat, wie es uns Swanson beibringen will.

Und ihr geht deine Frage mit meiner Antwort weiter:

Ich traue es Anderson zu mit der Kozminski Familie verhandelt zu haben, besonders als es darum ging, Aaron in eine ÖFFENTLICHE Anstalt einzuweisen und nicht mehr PRIVAT. Anderson hätte in diesem Moment die Familie überzeugen können: “Euer Alibi könnt ihr euch jetzt sonst wohin stecken, wir haben einen weiteren Zeugen, der ihn gesehen hat. Da er aber auch Jude ist wie ihr alle, wird er nicht aussagen. Was machen wir jetzt? Wollt ihr ihn uns “ausliefern“ oder soll ich der allgemeinen Bevölkerung einen Wink geben, wer bei euch wohnt?“ Ich denke, die Antwort sehen wir mit Colney Hatch.

Auch gut möglich, dass die Abrahams und Lubnowskis irgendwann mal Anderson “fragten“ (nach 2-3 Jahren), wie nun das endgültige Ende der ganzen Geschichte aussehen soll? 1894 war Aaron Kozminski, ich sage es mal ganz krass, vollkommen verblödet und Anderson sollte das auch gewusst haben. In Colney Hatch hätte auch er mit Sicherheit seine Informanten gehabt. Vielleicht einigte man sich dann darauf, Aaron nach Leavesden zu bringen und ihn offiziell als Tod zu betrachten.

Die Familie Kozminski hieß schon lange nicht mehr Kozminski sondern Abrahams. Wenn Anderson und Swanson über den Ripper redeten, werden sie, so kann ich es mir vorstellen, nicht über Aaron Abrahams geredet haben, sondern einfach nur über Kozminski. Der Name “Aaron“ hätte vielleicht ganz schlaue Köpfe einen Wink geben können, wo sie zu suchen hätten. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie damit schon recht früh anfingen, um sich dadurch auch von der City Police abzugrenzen.

Grüße, Lestrade.
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Offline jacky

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #38 am: 30.01.2014 23:04 Uhr »
Hallo!

Bin ich hier richtig?

Für mich ist das hier wirklich nur verwirrend zu lesen. Gibt es "nur" die Tatortnähe, die Abmeldung der Tochter aus der Schule, eine Observierung wo er nicht erkennbar ist oder bin ich auf dem falschen Pfad?

Viele Grüße!
jacky

Offline Lestrade

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #39 am: 31.01.2014 00:54 Uhr »
Es ist verwirrend jacky und sehr komplex. Erwarte nichts Einfaches.

Hier ein paar Fäden zum lesen. Er ist, muss ich zu meiner Schande gestehen, im Laufe der Jahre von mir überall im Forum verteilt worden:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1488.0.html
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1648.0.html
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1391.0.html
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1662.0.html
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1661.0.html

Da einige Polizeibeamte Erwähnung finden, soll auch Major Henry Smith nicht zu kurz kommen:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1524.30.html

Btw ist der ganze Faden interessant:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1524.0.html

Ansonsten noch unbedingt zu empfehlen wäre ein Buch von Rob House über Aaron Kozminski:

http://www.amazon.de/Ripper-Scotland-Yards-Prime-Suspect/dp/0470938994

Zum Faden hier, sei folgender Link interessant:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=7074

Oder aber, der Ripperologist 128 vom Oktober 2012 selber. Habe ich im Abo aber auch über Google gefunden, kann heruntergeladen werden (dauert eine Weile):

http://www.ripperologist.biz/backissues/ripperologist128.pdf

Darin “Pat Marshall and Chris Phillips with new light on Aaron Kozminski”.

Sollte für den Anfang reichen. Mach langsam und nimm dir Zeit.
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Offline jacky

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #40 am: 31.01.2014 01:05 Uhr »
Hallo lieber Lestrade!

Vielleicht kann man ja auch mal eine neue Faktensammlung machen? Momentan bin ich etwas traurig, weil ich einfach keine "echten" Unterlagen finde online. Ich habe ja die Tendenz mir selber von der base ein neues Bild zu schaffen.

Danke für die Links, die gehe ich alle durch, aber jetzt gucke ich doch die Doku, vielleicht fällt mir dann ja noch was ein.  ;)

Bis morgen oder so!
jacky

Offline Lestrade

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #41 am: 31.01.2014 02:02 Uhr »
Ich habe ja die Tendenz mir selber von der base ein neues Bild zu schaffen.

Das ist in diesem Falle wohl auch gut.

Hochrangige Beamte nennen einen “Kosminski“ als Täter bzw. Verdächtigen und sprechen von einer Identifizierung seiner Person. Die Beamten bzw.Ermittler waren Anderson, Swanson und Macnaghten. Im genannten Ripperologist 128 findest Du auch darüber etwas.

Das könnte ein Anfang sein.
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Offline academyfightsong

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #42 am: 31.01.2014 11:56 Uhr »
Zitat
Hochrangige Beamte nennen einen “Kosminski“ als Täter bzw. Verdächtigen und sprechen von einer Identifizierung seiner Person. Die Beamten bzw.Ermittler waren Anderson, Swanson und Macnaghten.

Anderson erwähnt Kosminski übrigens nicht namentlich. Swanson hat dies offiziell auch nie getan, sondern nur in einer Bleistiftnotiz in seiner privaten Kopie von Andersons "The Lighter Side of My Official Life", deren Echtheit ja auch gern mal angezweifelt wird. Der einzige der einen "Kosminski" offiziell als Verdächtigen benennt ist Macnaghten, der aber wiederum schreibt nichts von einer angeblichen Identifizierung, sondern favorisiert eher MJ Druitt als möglichen Täter.

Also jacky, willkommen im Minenfeld "Kosminski"  ;)
« Letzte Änderung: 31.01.2014 12:09 Uhr von academyfightsong »

Offline Lestrade

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #43 am: 31.01.2014 13:47 Uhr »
Anderson erwähnt Kosminski übrigens nicht namentlich. Swanson hat dies offiziell auch nie getan, sondern nur in einer Bleistiftnotiz in seiner privaten Kopie von Andersons "The Lighter Side of My Official Life", deren Echtheit ja auch gern mal angezweifelt wird. Der einzige der einen "Kosminski" offiziell als Verdächtigen benennt ist Macnaghten, der aber wiederum schreibt nichts von einer angeblichen Identifizierung, sondern favorisiert eher MJ Druitt als möglichen Täter.

Du findest in der gelinkten Datei in einem obigen Post zum Ripperologist 128 dazu auch folgendes Thema:

RED LINES AND PURPLE PENCIL
A detailed history of the Swanson Marginalia
by Adam Wood and Keith Skinner

Anderson bschriebener Jude, sowie Swanson´s als auch Macnaghten´s Kosminski, sind sicherlich ohne Zweifel ein- und dieselbe Person. Zu diesen Beamten wussten auch noch Leute wie Griffiths und Sims etwas über ihn, sicherlich via Anderson und Macnaghten. Wohlmöglich sprechen auch die City Detektive Sagar und Cox nur über einen Mann und gut möglich, dass dies auch Kosminski war. Sollte sich gerade letzteres eines Tages bestätigen, wäre das sehr belastend. Swanson von der MET schrieb ja, dass der Verdächtige von der City Police überwacht wurde und das trifft auf Sagar und Cox zu.

Keine öffentliche Nennung des Namens macht ja gerade dieses Geheimnis aus. Anderson beschrieb ihn nur als polnischen Juden, Macnaghten in einem internen Papier, Swanson ganz privat. Auch nennen Cox und Sagar ihn nicht bei Namen aber immerhin beschreibt Cox einen jüdischen Mann und eine jüdisch geprägte Straße und Sagar spricht von einer jüdischen Erscheinung am Mitre Square. Diesen Namen niemals öffentlich zu nennen, spricht doch für die Arbeit der Polizei, weil sie einen Mann hatten, den sie nicht überführen konnten.

Shadow hat das neulich ausgegraben:

"Luxemburger Wort
17 Oktober 1890
London, 11 Okt. Der Vorsitzende des Wachsamkeits-Ausfchusses welcher sich in Whitechapel nach den ersten Mordthaten „Jack des Aufschlitzers" gebildet hatte, macht in den Zeitungen bekannt, daß letzter Tage ihm eine Frau mitgetheilt habe, daß vor zwei Jahren ein junger Mann bei ihr wohnte, dessen blutbedeckte Effekten und sonstiges Gebahren in ihr keinen Zweifel übrig gelassen hätten, daß ihr früherer Miethsmann der Frauenmörder gewesen sei. Sie würde diese Aussagen früher gemacht haben, wenn nicht die Furcht in Ungelegenheiten zu gerathen, sie daran gehindert hätte. Die ganze Erzählung klingt etwas unwahrscheinlich und die Veröffentlichung derselben in der Presse wird jedenfalls nicht dazu beitragen, die Verhaftung des Mörders zu erleichtern."

Aaron Kozminski war ein junger Mann von knapp 23 jahren! (Bezieht sich sicherlich auf Mrs. Kuer aus der Batty Street Geschichte)

Gruß.
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Offline Lestrat

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #44 am: 31.01.2014 14:47 Uhr »
Hallo,

das erinnert mich etwas an diese  "The Lodger" Geschichte.

http://www.casebook.org/suspects/lodger.html


Lestrat
Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag Arthur Conan Doyle