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Die Tatverdächtigen => Die Tatverdächtigen => Kosminski, Aaron => Thema gestartet von: Lestrade am 11.10.2012 16:51 Uhr

Titel: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 11.10.2012 16:51 Uhr
Ich mache mal hier mit dem Aaron Kozminski Artikel in der aktuellen Ausgabe des Ripperologist weiter.

Nach der Adresse in 1882, 38 Berner Street, ist die 25 Providence Street wohl die wahrscheinlichste Adresse von Aaron Kosminski während des Herbstes 1888 (zumindest für eine erhebliche Zeit).

Der Link zeigt in Bildern auf, wie nahe der damalige Wohnort 1888, 25 Providence Street, vom Tatort, dem zwischen der 40 und 42 Berner Street gelegenen Dutfields Yard bzw. des 1882er Wohnsitzes, 38 Berner Street, gelegen war.

Auch die räumliche Nähe zur Greenfield Street/Road, dem Wohnort des anderen Bruders und auch einer Schwester dort, kann man gut in diesen Bildern nachfühlen. Ebenso die der Parallelstraße der Berner Street, Batty Street, die bei den Ermittlungen ebenfalls eine große Rolle spielte.

http://forum.casebook.org/showthread.php?p=241147#post241147

Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Chriswald am 11.10.2012 21:53 Uhr
Hallo Lestrade!

Es wäre schon ein zu merkwürdiger Zufall, dass die Tatorte so nahe an der damaligen Wohnung eines der Hauptverdächtien gelegen hätten ohne dass er daran beteiligt gewesen wäre. Bei der kurzen Entfernung wäre es auch kein Wunder gewesen, dass er entkommen konnte, ohne dass er jemanden aufgefallen wäre. Da dürfte er ja nicht allzuvielen begegnet sein. Außerdem hätte er seine Nachbarschaft sicher gut genug gekannt um Schlupflöcher zu finden.

Wir hatten uns ja vor einiger Zeit über die Zeugenaussage von Israel Schwartz unterhalten über zwei Männer, die Liz Stride angegriffen haben sollen. Da wäre es doch vorstellbar, dass Kosminski das von seiner Wohnung aus bzw. auf dem Weg von oder zu der Wohnung mitbekommen haben könnte und die Gelegenheit ergriffen haben könnte.

Diesbzgl. wär es noch ganz interessant, wo im Verhältnis zu dieser alten Adresse das blutige Stück von Cate Eddowe's Schürze gefunden wurde. Wenn das zwischen Tatort und Kosminski's Wohnung gewesen wäre, wäre das eine verdammt heisse Spur!

Viele Grüße

Chris



Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 12.10.2012 00:49 Uhr
Hallo Chris,

Betrachten wir es als Vorschlag vielleicht einmal so:

Kosminski, wie er durch Swanson und über Macnaghten genannt wurde, war gleichzeitig Anderson sein Verdächtiger, eben dessen polnischer Jude. Diese Beamten des Bereiches Metropolitan Police bekommen, in meinen Augen, “Unterstützung“ durch ihre Kollegen der City Police. Cox sowie Sagar, so meine ich, sprachen über den gleichen Verdächtigen, nämlich Kosminski. Von Cox wussten wir bisher, dass er in einer jüdisch geprägten Straße observierte und die Beschreibung seiner Zielperson eher osteuropäischer Natur war.
Sagar sprach über die Butcher´s Row. Durch den neuen Artikel im Ripperlogist 128 erfahren wir eventuell Neues über Jacob Cohen. Dieser erzählt uns bekanntlich einiges bei der letzten Einweisung von Aaron Kosminski. Jacob Cohen könnte nun auf irgendeine Weise als Butcher tätig gewesen sein,laut des Berichtes im Ripperologist. Dass er bereits mit Aaron Kosminski´s Bruder, Woolf Abrahams, für kurze Zeit Geschäfte als Schneider machte, war ein bereits bekannter Fakt. Jemand der als Butcher agierte, Aaron Kosminski einweisen lies, in Kombination mit Sagar´s Verdächtigen in der Butcher´s Row, lassen nun naheliegen, dass auch Beamter Nummer 5 über Kosminski sprach.
Nun wissen wir, dass Aaron Kosminski sein Wohnsitz in 1888, tatsächlich nur wenige Meter vom Tatort Dutfields Yard (Stride) entfernt lag. Wir müssen es annehmen. Ebenso wichtig: Er wohnte weniger Jahre zuvor direkt am Tatort. Auch Major Smith von der City Police sagte einmal, sinngemäß, “er könne nicht sagen, wo der Mann nun tatsächlich gelebt hatte. Er war ein junger Mann“. Aaron Kosminski könnte und dies sehr wahrscheinlich, zeitweise bei verschiedenen Angehörigen gelebt haben. Bei Bruder Woolf Abrahams in der Providence Street, bei Bruder Isaac Abrahams in der Greenfield Street oder dort gegenüber bei seiner Schwester Matilda Lubnowski. Dann wäre wohl noch dieser Jacob Cohen. Woolf zog gerne hin- und her. Als da wären noch mehrere Adressen in der Greenfield Street, Yalford Street und Sion Square. Bis auf Cohen seine Adresse, lagen alle Wohnorte ganz nah beieinander. Wo Cohen (oder die anderen) noch Geschäfte hatten, sei einmal dahin gestellt. Aaron Kosminski hätte temporär in verschiedenen Haushalten wohnen und arbeiten können. Und dies z.B. in den verschiedensten Tätigkeiten, solange er zumindest dazu Lust hatte oder überhaupt dazu in der Lage war.

Richard Trenton Chase, als ein Beispiel, ein Serienkiller ähnlicher Art wie Jack the Ripper, mordete auch um die Ecke, im nächsten Block. Wenn die Polizei im Falle des Rippers einen Hauptverdächtigen hatte, der scheinbar besonders ernst zu nehmen war, dieser Kosminski hieß und wir nun annehmen können, dass Aaron Kosminski in unmittelbarer Tatortnähe wohnte, dort direkt gar einmal gelebt hatte, dann würde ich sagen ja, es handelte sich tatsächlich um Aaron Kozminski. Swanson “Brother´s House“,  könnte nun die 25 Providence Street gewesen sein.

Und aus meiner Sicht ganz wichtig ist die Beziehung zu Jacob Cohen. Swanson meinte ja, der Verdächtige starb recht schnell in Colney Hatch. Da starb auf diese Art ein junger polnischer Jude namens Cohen tatsächlich. Aaron Kozminski, der sich ja offenbar weigerte der Namen seiner Brüder anzunehmen, nämlich Abrahams, hätte durchaus einmal auf den Namen Cohen zurückgreifen können. Denn zu einem Mann namens Jacob Cohen hatte er ja eine Beziehung. Ich erinnere auch an die Bordellgeschichte Aaron Davis Cohen und N. Cohen während der Ripper-Morde. Ich vermute, es handelte sich dabei schon um Aaron Kozminski (Aaron Cohen). Weiß Gott was da nun tatsächlich passierte aber wir haben zwei 23jährige polnische Juden die offenbar echte Probleme Ende 1888 machten. Einer starb, der andere lebte bis 1919 weiter. Falls beide den Namen Cohen nutzen oder verpasst bekamen, hätte Swanson bei einer späteren Nachforschung den falschen erwischt haben können, nämlich den toten Cohen.

Wenn du auf die Hauptseite von jacktheripper.de gehst, dann findest du unter Schauplätze eine Interaktive Übersichtskarte. Dort sind die Tatorte und auch die Fundstelle von Eddowes ´Schürzenteil aufgeführt. Man nimmt an, ich denke auch so, dass der Täter aus der Goulston Street Richtung Wentworth Street, weiter Old Montague Street floh. Im Falle von Aaron Kozminski, hätte dieser von jenen Straßen nur eine nach Süden verlaufende Nebenstraße nehmen und über die Whitechapel Road, in das Wohnzentrum seiner Angehörigen und sein eigenes Zuhause fliehen können. Goulston Street und 25 Providence Street lagen wohl knapp 700-800m??? Luftlinie auseinander. Jemand der alle damaligen Winkel kannte, dürfte in 12-15 Minuten die Entfernung überwunden haben. Ich schätze mal jetzt ganz grob.

Zum Szenario beider Männer mit Stride und Schwartz. Laut den Berichten in der Presse, wurden zwei Männer gefunden, die auf Schwartz seinen Beschreibungen passten. Also der breitschultrige Mann und der Pfeifenmann. War einer von ihnen bereits Aaron Kozminski? Und wenn ja, welcher? Und warum bekam ihn Schwartz dann nicht zu Gesicht, zumindest vorerst nicht? Weil er vielleicht zu viel an die Presse weitergab? Wurden dann beide Männer, evtl. auch schon Aaron Kozminski, von der MET überwacht? Also zwischen Anfang und Ende Oktober? Da war ja eine auffallende Pause zwischen dem DoubleEvent und dem Mord an Kelly Anfang November.

Schwartz sah wohl überwiegend den Rücken des breitschultrigen Mannes aber den heraneilenden oder herangerufenen Pfeifenmann hätte er durchaus besser in das Gesicht blicken können.

Ich biete Dir jetzt einmal folgendes an:

Aaron Kozminski war der Pfeifenmann und der breitschultrige Mann ein Mitglied des Clubs in der 40 Berner Street oder ein Anwohner. Letzterer wollte Stride wegjagen, weil er der Meinung gewesen war, eine Prostituierte gehört da nicht hin. Stride lässt ihre Bonbons nicht fallen, weil sie solche Typen zu genügend kennt. Schwartz sein Eindruck eines Streites wäre also richtig gewesen. Und jetzt ruft der breitschultrige Mann etwas zum Pfeifenmann, was Schwartz als LipSKI versteht . Aber was, wenn er sich verhört hatte und der breitschultrige Mann rief zum Pfeifenmann KosminSKI? Der Pfeifenmann kam aus Richtung Providence Street, auch wenn er im Eingang des Public Houses stand, es war die Richtung. Aaron Kozminski lebte dort, früher gar genau einmal dort, von wo nun der Ruf herkam, wo das Verbrechen stattfand. Kannten sich aufgrund dessen beide Männer die auf Stride losgingen ohne dass sie gemeinsame Sache machten? Hätte die Polizei damals Verdacht schöpfen können zwischen Schwartz seinem LipSKi und einen Mann namens KosminSKI? Wollte sonst niemand etwas gesehen haben? Die Ortskenntnisse von Aaron Kozminski, die Abläufe in der Berner Street, an der er ja praktisch wohnte, in der er sogar früher einmal lebte, hätten ihn schnell erkennen lassen können, dass die herannahende Kutsche Diemschütz gehörte, der ihm nun mit dem Opfer in seinen Fängen stören würde. In diesem Szenario, wäre Stride das perfekte Zufallsopfer gewesen, was typisch für solche Art von Täter wäre.

Viele Grüße an Dich zurück,

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 12.10.2012 09:28 Uhr
Schaut bitte noch einmal in den Link. Rob House hat mit neuen Karten die möglichen Fluchtrouten  und die Wohnsitze graphisch dargestellt. Er erwähnt nun auch Jacob Cohen und Aaron Kozminski´s weitere Schwester, Helen Singer, über die wir im Ripperologist viel Neues erfahren. Wir erfahren auch, dass Woolf Abrahams, einen Tag nach Erscheinen der ersten Batty Street Lodger Geschichte, seine Tochter Rebecca (glaube das war ihr Name) von der Berner Street School nahm!!!

Über Pat Marshall, die gemeinsam mit Chris Phillips den Artikel im Ripperologist verfasst hat, erfahren wir über Rob House:

“Yes, Pat has indeed done some great work. She is the great-great niece of Detective Henry Cox... so she has detective genes I think.”

Detective Henry Cox hat wahrscheinlich Aaron Kozminski observiert. So schließen sich manchmal die Kreise des Lebens. Sie führt des “Onkels“ Arbeit weiter. Was für eine Geschichte. Respekt und was für eine Frau.

Btw.: Hier kann man sich ganz aktuell, weitere interessante Fotos aus der damaligen Zeit anschauen:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=16212

Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 12.10.2012 12:06 Uhr
Durch die Abmeldung im Oktober von Aaron Kozminski´s Nichte aus der Schule in der Berner Street, gegenüber vom Stride- Tatort, kam mir natürlich ein kompletter Umzug dieses Haushaltes in den Sinn (vielleicht wußte die Familie da etwas oder bekam etwas mit). Gerade auch deshalb, weil es ja nun einmal so ist, dass Swanson vom Bruder in Whitechapel spricht.

Wir wissen, die Taten an Smith, Tabram und Nichols fanden in Whitechapel statt. Chapman und Kelly in Spitalfields, Stride in St. George in the East und Eddowes in Aldgate/ City of London. Da die ersten Verbrechen in Whitechapel stattfanden, spricht man noch heute allgemein von den Whitechapel-Morden.

Der nächste bekannte Aufenthaltsort von Bruder Woolf Abrahams war die Yalford Street. Meines Erachtens, genau wie die Berner Street, die Greenfield Street oder eben auch die Providence Street, lag diese Straße in St. George in the East. Alles grenzte natürlich auch direkt an Whitechapel selber.

Detective Henry Cox hingegen:

“a man living in the East End of London was not unlikely to have been connected with the crimes.”

“He occupied several shops in the East End“

“He made his way down to St George's in the East End, and there to my astonishment I saw him stop and speak to a drunken woman.”

Er sprach vom East End. Zum East End gehörten natürlich Whitechapel, Spitalfields, Mile End, Bethnal Green, Stepney usw. Ob Swanson, St. George in the East bzw. dessen Grenzgebiet noch als “Whitechapel“ ansah weiß ich nicht, denke ich aber eher weniger. Cox´s “down to St George´s in the East“ lässt ja auch eher vermuten, dass der Verdächtige von Whitechapel aus, sich “herunter“ machte. Cox sein Mann war in verschiedenen Shops im East End beschäftigt und lebte auch dort. Zweifelsohne, könnte dies auf Aaron Kozminski gut zutreffen. Ich spreche jetzt auch gerade über die Zeit Ende 1888/ Anfang 1889. Sagar sein Butcher´s Row Verdächtigen,  könnte man für Ende 1890/1891 in Betracht ziehen:

“and after a time his friends thought it advisable to have him removed to a private asylum”

His friends? Jacob Cohen? Evtl. auch ein Butcher? Man muss jetzt nicht gleich an Colney Hatch denken, dies war ja keine private Anstalt sondern kurze Zeit davor an eine private Einrichtung. Möglicherweise kümmerte sich zeitweise Jacob Cohen um Aaron Kozminski und beschäftigte ihn auch, so gut wie es eben ging, bis es nicht mehr ging.

Zusammenfassend könnte man vermuten, dass es durchaus möglich gewesen wäre, dass zwischen der Providence Street 1888 und der Yalford Street 1889 , ein weitere Wohnsitz in Frage käme, eben direkt in Whitechapel selber. Zwischen Oktober/ November 1888 und ca. Februar 1889 wäre dies durchaus möglich. Im Oktober war die Abmeldung der Tochter von Woolf Abrahams, kurz vor März 1889 zog er in die Yalford Street. Inwieweit Aaron Kozminski zeitweise in jenen Tagen bei Isaac oder Matilda oder Jacob lebte, können wir nur erahnen. Möglicherweise war er auch immer wieder mal alleine. Anderson sagte ja mal sinngemäß, “wenn er nicht gänzlich alleine gelebt hatte, dann m u s s die Familie etwas mitbekommen haben“, er drückte sich jedenfalls so ähnlich aus. All diese Informationen, all diese Aussagen, lassen vermuten, dass Aaron Kozminski überall und nirgends im EastEnd unterwegs gewesen war, mal allein, mal nicht allein. Hierbei bitte ich besonders die Tage zu beachten, an denen die Morde sattfanden, Feiertags oder an den Wochenenden.  

Ergo, es wäre möglich, dass er während der Taten Nichols, Chapman, Stride und Eddowes, hauptsächlich in der Providence Street lebte und bei der Tat an Kelly irgendwo in Whitechapel. Zwischen vor März 1889 und bis nach Mai 1889 lebte Woolf Abrahams in der Yalford Street (die exakten Daten sind noch nicht bekannt) und zog dann wieder weg. Und wie schrieb Macnaghten?

“He was (and I believe still is) detained in a lunatic asylum about March 1889”
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Shadow Ghost am 12.10.2012 18:21 Uhr
Ich hatte bislang nur die Gelegenheit, den neuen Ripperologist-Artikel zu überfliegen, und das Ganze klingt auch toll, dennoch möchte ich entgegen der allgemeinen Euphorie ein paar Dinge zu bedenken geben:

1. Wir haben nur Aussagen über die Wohnorte von Woolf Abrahams/Kosminski, bzw. über andere Geschwister.
2. Es ist nur eine Annahme, dass Aaron zu bestimmten Zeiten - oder gar ständig - bei einem seiner Geschwister lebte. Soweit ich mich entsinne, können wir es nur für den Zeitraum vor dem 12. Juli 1890 sagen, da Woolf - bzw. Jacob Cohen - ihn von dort ins Workhouse übergab. Alles andere schwankt zwischen begründeter Annahme und Spekulation.
3. So wie ich die Zustände im East End damals überblicke, waren häufige Wohnungswechsel üblich. Von daher haben sehr viele Personen zum ein oder anderen Zeitpunkt in der Nähe eines der späteren Tatorte gelebt. Und entsprechend der damaligen Praxis wurden sicher etliche von diesen zu irgendeinem Zeitpunkt in ein Workhouse oder ein Asylum eingewiesen. Der Punkt einer möglichen Ortskenntnis ist für sich allein genommen ein schwacher, und wird nur durch den Bezug zur von Anderson/Swanson/McNagthen genannten Person bedeutsam. (Ich gebe zu, mit geschickter Argumentation lassen sich auch die Berichte von Sagar und Cox entsprechend deuten - kudos, Rob House - aber mangels weiterführender Informationen wie genauen Orts-, Zeit- und Namensangaben sind diese Berichte eben auch sehr interpretationsoffen).
4. Wir haben es also nicht mit neuen Beweisen zu tun, sondern nur mit einer eventuellen Unterstützung bereits vorhandenen Materials. Unter einem wirklich neuen Beweis würde ich etwas gelten lassen, dass auch unabhängig von den Kosminski-Drei (Anderson/Swanson/McNagthen) auf eine Täterschaft Aaron Kosminskis hinweisen würde, wie etwa das Tagebuch des Aaron K. (bitte nicht), Memoiren seiner Familienangehörigen, ein Polizeibericht über die Seaside Home-Geschichte,... (naja, man wird ja noch träumen dürfen, ein Foto von Aaron würde mir als Weihnachtsgeschenk schon genügen).
5. Ich finde es erschreckend, wieviel man nach über 100 Jahren noch über einen Menschen herausfinden kann! Da braucht man heute gar nicht mit dem Finger auf Facebook zeigen.

Dennoch ist meiner Meinung nach die Kandidatur von Aaron Kosminski durchaus möglich, sofern - und dass ist ein großes SOFERN - sich alle Annahmen dieser Theorie bewahrheiten sollten. Aber bei dem Tempo, dass manche Forscher in letzter Zeit an den Tag legen, bin ich mir sicher, dass es diesbezüglich eine Entwicklung in die ein oder andere Richtung geben wird. Es ist erfreulich, dass die Forschung wieder in großen Schritten in Richtung der Bestätigung oder Eliminierung eines ernsthaften Verdächtigen geht, und die blutrünstigen Tagebuchschreiber, van Goghs, Sickerts, Carrolls,... an den Rand gedrängt wurden. Lasst uns hoffen, dass dies so bleibt.

Liebe Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 12.10.2012 19:38 Uhr
Kurzes Update:

Jacob Cohen war wohl der Cousin von Aaron Kozminski. Aaron´s Bruder Woolf Abrahams heiratete ja Betsy Kozminski, seine eigene Cousine. Ihr Bruder war wohl nun Jacob Cohen, dessen Geburtsname war natürlich auch Kozminski. Geschwisterpaare trafen auf Geschwisterpaare...

Da kommt noch einiges...

Ich gehe jetzt feiern und mache die anstehende Nacht zum Tag auf meiner Lieblingsparty.

Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Damien am 14.10.2012 11:25 Uhr
Hallo zusammen,

das ist wirklich eine spannende Entwicklung, die sich in dem Fall entwickelt.

Ich bin ja schon immer überzeugt davon gewesen, dass es sich bei dem Mörder um einen Anwohner aus dem East-End handelt.

Ich bin sehr gespannt was da noch alles herausgefunden werden wird und wie auch schon Shadow Ghost sagte, es ist wirklich faszinierend und auch etwas nachdenklich stimmend, was man über "unbekannte" Leute erfahren kann, die schon 100 Jahre tot sind. Wer weiß was man über uns in 100 Jahren noch so alles weiß, das wird einem erst immer durch solche "Fundstücke" bewusst.

Was ich mich aber Frage ist, hat Kosminski in der Anstalt oder anderswo dennwohl  nie von seinen Verbrechen, falls er der Ripper war berichtet?
Ich meine, ich kann mir schwer vorstellen, dass ein Eingewisener Irrer das nicht in irgendeiner Form preisgibt...

Beste Grüße,

Damien
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 14.10.2012 12:22 Uhr

Ich bin ja schon immer überzeugt davon gewesen, dass es sich bei dem Mörder um einen Anwohner aus dem East-End handelt.

The Northeastern Daily Gazette, April 15, 1896, der hochgeschätzte Inspector Edmund Reid:

"I have always believed," continued Mr. Reid, "that the murderer lived somewhere in the neighborhood of Berner-street. The first of the murders (Emma Smith-TW) was in that district, and everyone [sic] was committed within a radius of a quarter of a mile of the Princess Alice public-house, in Commercial-street. All of the women lived in that district, and so, I believe, did the murdered [sic]."

Princess Alice Public House war angeblich der Pub von Leather Apron.

Was ich mich aber Frage ist, hat Kosminski in der Anstalt oder anderswo dennwohl  nie von seinen Verbrechen, falls er der Ripper war berichtet?
Ich meine, ich kann mir schwer vorstellen, dass ein Eingewisener Irrer das nicht in irgendeiner Form preisgibt...

Siehe da, hier sprachen wir schon George Hall an:

http://jacktheripper.de/forum/index.php?topic=1440.msg22697;topicseen#msg22697

Einen Monat nach Aaron Kozminski seiner Einweisung in Colney Hatch, wollte Anderson wissen, wann George Hall entlassen wird. Es gibt sicherlich einige Gründe, die logischer erscheinen würden als meine Überlegung, dennoch denke ich, dass die Polizei keine Möglichkeit ausließ, irgendetwas zu erfahren. George Hall hätte durchaus mit Aaron Kozminski in der Anstalt in Berührung kommen können und die Polizei hoffte aus erster Hand so etwas zu erfahren, wie Du es ansprichst. Falls Aaron Kozminski Jack the Ripper war, dann war er auch ein Typ, der noch auf freien Fuss, nach ein paar Glas Bier oder Gin, etwas über seine Taten erzählt hätte. Nicht unbedingt in der ICH- Form aber er hätte Dinge preisgeben können, die nur der Killer selber wissen konnte. Andere Insassen, wie z.B: George Hall, hätten zu einem Personenkreis gehören können, denen Aaron Kozminski "vertraut" hätte. Es ist eine Überlegung, natürlich, aber man sollte sie auf dem Schirm haben.

Es gibt Dinge, die "wollen" entdeckt werden. Sei es Swanson seine handschriftlichen Vermerke in Anderson´s Memoiren oder eben der Postverkehr zwischen Anderson und Colney Hatch wegen George Hall. Es soll ja bekanntlich keinen Zufall geben...

Bis jetzt wollte ich immer wissen, ob nicht wenigstens ein männlicher Kosminski den Namen Cohen wählte. Gerade wegen Swanson seinen Bemerkungen und dem frühen Tod seines Verdächtigen. Aaron Kosminski´s eigener Cousin änderte seinen Namen von Jacob Kozminski in Jacob Cohen. Beide Männer standen in einer wohl engeren Beziehung. So wäre es auch möglich, dass Aaron Kozminski eine zeitlang diesen Namen wählte. Auch daher, da er die "neuen" Zunamen seiner Brüder Isaac und Woolf, nämlich Abrahams, ablehnte. Er gab während einer Untersuchung Ende 1889 (Dezember) bereits schon einmal fiktive Adressen und Daten an.

Beste Grüße zurück,

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Shadow Ghost am 15.10.2012 22:33 Uhr
Eine ihrer interessantesten Erkenntnisse hat sich Autorin Pat Marshall scheinbar für die casebook-Diskussion aufgehoben (oder ich habs im Artikel überlesen): die Tochter von Woolf war vom 10 November 1888 bis zum 6 Mai 1889 aus der Schule abgemeldet, also einen Tag nach dem Miller's Court. Es stellt sich daher die Frage, warum? Ist dies ein Hinweis darauf, dass die Familie wusste, was Aaron getan hat und mit ihm fort zog, um die Öffentlichkeit (und sich selbst) zu schützen? Das würde auch das Ende der Serie erklären, zumindest im East End, wer weiß schon, wo sie hingingen, und was dort alles passiert ist (wenn es denn so war). Nächster Mord im East End: Alice McKenzie, 17 Juli 1889.

Also entweder, an der ganzen Sache mit Aaron Kosminki ist wirklich etwas dran, oder er hat einfach das Pech, das sich die Zeitabläufe seines Lebens (oder was wir dafür halten) nahezu widerspruchsfrei in das Schema des Rippers einfügen.

Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 15.10.2012 23:21 Uhr
Ich müsste es dann auch überlesen haben aber ich denke, wir können davon ausgehen, dass da noch einiges an Informationen kommt... Gerade vieleicht auch deshalb, um immer wieder aufkommende "Kritik" und deren Versender mit neuem "Denkmaterial" zu konfrontieren...

Das wäre natürlich schon merkwürdig, bereits einen Tag nach der Batty Street Lodger Geschichte geht die Tochter von Woolf das erste Mal von einer Schule und dann das zweite Mal nach dem Mord an Kelly und diesmal sogar für längere Zeit. Woolf war dicke mit Jacob Cohen und der wohnte ja u.a. in Manchester.

Vielleicht waren Woolf und Familie alleine weg und ließen Aaron alleine zurück bzw. überließen ihm dem Schicksal.

Swanson:

"On suspects return to his brothers house in Whitechapel he was watched by police city CID by day and night"

Er sagte ja "in das Haus seines Bruders" und nicht "zum Bruder".

Und Cox wollte ja ca. 3 Monate seinen Verdächtigen in einer Straße observiert haben. Dabei hörte es sich nicht an, als ob noch weitere Personen im Haushalt des Mannes zu finden waren. Dazu passen auch Aussagen von Anderson, der nicht genau wußte ob sein Ripper nun alleine lebte oder nicht.

So ein vom Bruder (Woolf) und Schwägerin verlassener Typ (Aaron), dem auch die andere Angehörigen wie der älteste Bruder (Isaac) und Schwester (Matilda) plötzlich nicht mehr die Tür aufmachten, hätte durchaus leicht mit einem anderen "Verrückten" wie David Cohen verwechselt werden (der ja in seiner eigenen Welt lebend herumirrte) und kurzzeitig für Verwirrung bei Swanson und der Polizei (MET) gesorgt haben können. Jacob Cohen war "Hans Dampf in allen Gassen", vielleicht nahm er sich der verzweifelten Situation an und brachte Aaron hier und da mal Privat unter. Die Kohle hatte er und Isaac wohl auch. 


Also entweder, an der ganzen Sache mit Aaron Kosminki ist wirklich etwas dran, oder er hat einfach das Pech, das sich die Zeitabläufe seines Lebens (oder was wir dafür halten) nahezu widerspruchsfrei in das Schema des Rippers einfügen.

Da sagste was...

Gute Nacht, eigentlich viel zu spät um etwas zu schreiben...
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Shadow Ghost am 16.10.2012 00:04 Uhr
Das wäre natürlich schon merkwürdig, bereits einen Tag nach der Batty Street Lodger Geschichte geht die Tochter von Woolf das erste Mal von einer Schule und dann das zweite Mal nach dem Mord an Kelly und diesmal sogar für längere Zeit.

Ich vermute, am Tag nach der Batty Street-Lodger Geschichte war es ein normaler Schulwechsel nach einem Umzug. Nach dem Mord an MJK scheint sie (so klingt es zumindest, und mehr Informationen gibt es gerade nicht) um eine Abmeldung zu handeln, aber genaueres wissen derzeit wohl nur Pat Marshall et al.

Vielleicht waren Woolf und Familie alleine weg und ließen Aaron alleine zurück bzw. überließen ihm dem Schicksal.

Swanson:

"On suspects return to his brothers house in Whitechapel he was watched by police city CID by day and night"

Er sagte ja "in das Haus seines Bruders" und nicht "zum Bruder".

Und Cox wollte ja ca. 3 Monate seinen Verdächtigen in einer Straße observiert haben. Dabei hörte es sich nicht an, als ob noch weitere Personen im Haushalt des Mannes zu finden waren. Dazu passen auch Aussagen von Anderson, der nicht genau wußte ob sein Ripper nun alleine lebte oder nicht.

So ein vom Bruder (Woolf) und Schwägerin verlassener Typ (Aaron), dem auch die andere Angehörigen wie der älteste Bruder (Isaac) und Schwester (Matilda) plötzlich nicht mehr die Tür aufmachten, hätte durchaus leicht mit einem anderen "Verrückten" wie David Cohen verwechselt werden (der ja in seiner eigenen Welt lebend herumirrte) und kurzzeitig für Verwirrung bei Swanson und der Polizei (MET) gesorgt haben können. Jacob Cohen war "Hans Dampf in allen Gassen", vielleicht nahm er sich der verzweifelten Situation an und brachte Aaron hier und da mal Privat unter. Die Kohle hatte er und Isaac wohl auch. 

Ich glaube, wäre Aaron alleine zurückgelassen worden, hätte es wohl überhaupt keine soziale Kontrolle mehr gegeben, und es wäre zu weiteren Taten gekommen. Natürlich wäre es möglich gewesen, dass er a la David Cohen verwirrt durch die Straßen irrte, nur ist darüber eben nichts bekannt. Von daher ist es nicht unvernünftig anzunehmen, dass Aaron weiter ein nach außen unauffälliges Leben führte, und das heißt nach dem, was wir zu wissen glauben, dass er mit einem seiner Geschwister lebte. Wichtig ist es deshalb, dass geklärt wird, wo Woolf und seine Familie zwischen November 1888 und Mai 1889 waren. Dann können wir vielleicht auf die Gründe der Schulabmeldung schließen.

In meinen Gedanken nahm Woolf Aaron mit, wohin auch immer. Daher kam es auch zum Ende der Serie. In den Zeitraum von November 1888 bis Mai 1889 würde auch der von McNaghten erwähnte Aufenthalt in einer Anstalt passen: He was (and I believe still is) detained in a lunatic asylum about March 1889. Vielleicht ging ihm dann das Geld für die Anstalt aus, vielleicht fand er an diesem unbekannten Ort keine Arbeit und Woolf kehrte mit Aaron zurück ins East End. Keine zehn Wochen später kam es wieder zu einem Mord, der gewisse Charakteristika des Rippers aufweist.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 16.10.2012 09:59 Uhr
Guten Morgen Shadow,

Ja, kann man selbstverständlich auch so betrachten. Andererseits wäre es natürlich möglich, dass die Polizei bereits einmal Verdächtigte bzw. auch schon eine zeitlang Observierte, nach der Tat an Kelly "abklapperte" und im Falle Kosminski größere Veränderungen (z.B.: Angehörige spurlos weg) bemerkte und es dann auch kurzfristig zu der oder den Identifikationen kam. Die bzw. diese sollen Kosminski, laut Swanson, auch absolut bewusst gewesen sein. Ich meine, bei Woolf waren Kinder im Haus, kleine Kinder, war Betsy nicht auch schwanger? Sohn Joseph starb (Frühgeburt) zwei Tage nach seiner Geburt(9. März) am 11. März 1889 (ausgerechnet wieder March 1889). Tochter Rebecca war ja auch schon da. Millie auch? Ich weiß nicht. Wenn ich geahnt hätte, dass Jack the Ripper mein Bruder wäre, ich wäre nicht mit ihm, meinen Kindern und meiner Frau zusammen weggezogen. Wer ist so verrückt? Irgendeine Schwester hat er ja auch mal mit einem Messer bedroht. So ein identifizierter Killer, von der Familie auch noch im Stich gelassen, weil von der eigenen Sippe verdächtigt und von der Polizei observiert, was er sicherlich mitbekam, geht der weiter morden? Zeitweise muss er ja, wenn man allen Aussagen glauben schenkt, ganz offensichtlich "verrückt" gewesen sein, um dann wieder Phasen gehabt zu haben, in denen er "ganz normal" gewesen war. Das passt auch zu solcher Art von Erkrankungen, die sich dann bis Mitte 20 dermaßen manifestieren, dass man dann nicht mehr von guten oder schlechten Phasen sprechen kann, sondern von der Unmöglichkeit überhaupt noch etwas normales auf die Reihe zu kriegen, etwas, was "normal" aussieht.

Ich tendiere momentan dazu zu sagen, die (Familie) haben ihn (Aaron Kozminski) nach der Tat an Kelly im Stich gelassen. Zumindest die ganz nahen Angehörigen wie Bruder Woolf Abrahams und Anhang. Vielleicht hatten Cousin Jacob Cohen und Bruder Isaac Abrahams den entsprechenden Mut und das Geld, Aaron in eine oder mehrere private Anstalten unterzubringen, eben auch um dieses "Familiengeheimnis", nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Wissen wir, wie lange und oft er zwischen November 1888 und Februar 1891, vor seiner Einweisung nach Colney Hatch, in irgendwelchen privaten Einrichtungen untergebracht gewesen war oder die Familie ihn selber wegschloss? Solche Beispiele gab es wohl auch. Vielleicht haben sie ihn einfach im November 1888 in der Bude zurücklgelassen. Vielleicht gingen die folgenden Monate Jacob und Isaac mal nach dem Rechten sehen und bezahlten die Miete. Vielleicht musste er auch mal bei Jacob oder Isaac etwas für seine Brötchen tun. Und so wie Aaron Kozminski sich spätestens im Frühjahr 1891 benahm (wahrscheinlich lief es schon besonders extrem bei ihm seit Sommer 1890), machte es für die Familie gar keinen Sinn mehr, privat für ihn sorgen zu lassen. Was sollte die Polizei noch aus ihm herausbekommen? Er redete nur noch wirre und irre.

Folgendes habe ich schon relativ lange in meinen Unterlagen:

The Truth about the Whitechapel Mysteries told by Harry Cox
Ex-Detective Inspector, London City Police. Specially written for "Thomson's Weekly News"

It is only upon certain conditions that I have agreed to deal with the great Whitechapel crimes of fifteen years ago. Much has been written regarding the identity of the man who planned and successfully carried out the outrage...

It is my intention the relate several of my experiences while keeping this fellow under observation.

We had many people under observation while the murders were being perpetrated, but it was not until the discovery of the body of Mary Kelly had been made that we seemed to get upon the trail. Certain investigations made by several of our cleverest detectives made it apparent to us that a man living in the East End of London was not unlikely to have been connected with the crimes.

To understand the reason we must first of all understand the motive of the Whitechapel crimes. The motive was, there can not be the slightest doubt, revenge. Not merely revenge on the few poor unfortunate victims of the knife, but revenge on womankind. It was not a lust for blood, as many people have imagined.

The murderer was a misogynist, who at some time or another had been wronged by a woman. And the fact that his victims were of the lowest class proves, I think, that he was not, as has been stated, an educated man who had suddenly gone mad. He belonged to their own class.

Had he been wronged by a woman occupying a higher stage in society the murders would in all probability have taken place in the West End, the victims have been members of the fashionable demi-monde.

The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey.

While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months.

There were several other officers with me, and I think there can be no harm in stating that the opinion of most of them was that the man they were watching had something to do with the crimes. You can imagine that never    once did we allow him to quit our sight. The least slip and another brutal crime might have been perpetrated under our very noses. It was not easy to forget that already one of them had taken place at the very moment when one of our smartest colleagues was passing the top of the dimly lit street.

The Jews in the street soon became aware of our presence. It was impossible to hide ourselves. They became suddenly alarmed, panic stricken, and I can tell you that at nights we ran a considerable risk. We carried our lives in our hands so to speak, and at last we had to partly take the alarmed inhabitants into our confidence, and so throw them off the scent. We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age, and pointing out the evils accruing from the sweaters' system asked them to co-operate with us in destroying it.

They readily promised to do so, although we knew well that they had no intention of helping us. Every man was as bad as another. Day after day we used to sit and chat with them, drinking their coffee, smoking their excellent cigarettes, and partaking of Kosher rum. Before many weeks had passed we were quite friendly with them, and knew that we could carry out our observations unmolested. I am sure they never once suspected that we were police detectives on the trail of the mysterious murderer; otherwise they would not have discussed the crimes with us as openly as they did.

We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected, and, disguised, of course, we frequently stopped across in the role of customers.

Every newspaper loudly demanded that we should arouse from our slumber, and the public had lashed themselves into a state of fury and fear. The terror soon spread to the provinces too. Whenever a small crime was committed it was asserted that the Ripper had shifted his ground, and warning letters were received by many a terror stricken woman. The latter were of course the work of cruel practical jokers. The fact, by the way, that the murderer never shifted his ground rather inclines to the belief that he was a mad, poverty stricken inhabitant of some slum in the East End.

I shall never forget one occasion when I had to shadow our man during one of his late walks. As I watched him from the house opposite one night, it suddenly struck me that there was a wilder look than usual on his evil countenance, and I felt that something was about to happen. When darkness set in I saw him come forth from the door of his little shop and glance furtively around to see if he were being watched. I allowed him to get right out of the street before I left the house, and then I set off after him. I followed him to Lehman Street, and there I saw him enter a shop which I knew was the abode of a number of criminals well known to the police.

He did not stay long. For about a quarter of an hour I hung about keeping my eye on the door, and at last I was rewarded by seeing him emerging alone.

He made his way down to St George's in the East End, and there to my astonishment I saw him stop and speak to a drunken woman.

I crouched in a doorway and held my breath. Was he going to throw himself right into my waiting arms? He passed on after a moment or two, and on I slunk after him.

As I passed the woman she laughed and shouted something after me, which, however, I did not catch.

My man was evidently of opinion that he might be followed every minute. Now and again he turned his head and glanced over his shoulder, and consequently I had the greatest difficulty in keeping behind him.

I had to work my way along, now with my back to the wall, now pausing and making little runs for a sheltering doorway. Not far from where the model lodging house stands he met another woman, and for a considerable distance he walked along with her.

Just as I was beginning to prepare myself for a terrible ordeal, however, he pushed her away from him and set off at a rapid pace.

In the end he brought me, tired, weary, and nerve-strung, back to the street he had left where he disappeared into his own house.

Next morning I beheld him busy as usual. It is indeed very strange that as soon as this madman was put under observation, the mysterious crimes ceased, and that very soon he removed from his usual haunts and gave up his nightly prowls. He was never arrested for the reason that not the slightest scrap of evidence could be found to connect him with the crimes.
 
Henry Cox (known as Harry) was great grandfather George Cox's brother
The man he followed was Aaron Kosminski (I think)


Letzter Satz dürfte dann wohl von Pat Marschall stammen oder? Während ihrer Schulzeit ist sie wohl tagtäglich durch die Berner Street (Henrique Street) gelaufen, nicht ahnend, mit wem Sie da verwandt war... Kann das alles Zufall sein?

Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Shadow Ghost am 16.10.2012 12:13 Uhr
Hallo Lestrade,

ich verstehe Dein Szenario und halte es durchaus nicht für abwegig, denn auch durch die Identifikation (Seaside Home) und Observation (Cox) lässt sich das Ende oder zumindest die Pause in der Serie erklären. Es ist auch verständlich, dass die Familie sich lieber von Aaron distanzierte anstatt ihn woanders hin zu verfrachten, um die Familie zu schützen (schließlich waren sie alle mehr oder weniger angesehene Geschäftsleute). Den Sohn Joseph, geboren im März 1889, hatte ich nicht so auf dem Schirm. Zumindest zu diesem Zeitpunkt war die Familie (wenn sie denn weggezogen wäre) wieder im East End, was zeitlich natürlich gut mit der Einweisung von Aaron in ein Heim passen würde (McNaghton). Doch warum ging Rebecca dann erst wieder im Mai 1889 zur Schule? Hat jemand Ahnung, wie damals in England das Schuljahr verlief?

Aber die Episode, Aaron sich selbst zu überlassen, kann ja dann nur eine kurzfristige gewesen sein, denn spätestens im März 1889 war die Familie von Woolf ja wieder im East End, nur ein paar Straßen von der alten Adresse entfernt. Ging Woolf seinem Bruder Aaron also nur solange aus dem Weg, bis er einen geeigneten Heimplatz für ihn gefunden hatte? Dabei kann es auch durchaus möglich sein, dass es kein lunatic asylum im klassischen Sinn war, sondern irgendeine private Pflegeeinrichtung oder eine Art Sanatorium. Das würde erklären, warum man in den Aufzeichnungen der lunatic asylums noch nichts gefunden hat, und warum er wieder raus kam, denn ich kann mir vorstellen, dass eine solche Einrichtung mit einem wie Aaron einfach überfordert war.

Warum unterstützte ihn Woolf im Dezember 1889 in der Maulkorb-Angelegenheit? Das wäre doch eine Möglichkeit gewesen, ihn zumindest für einige Zeit unter Gewahrsam zu wissen, wenn keiner seine Strafe bezahlt hätte.

Zu Deiner Theorie würde allerdings auch noch George Sims passen, dass der Verdächtige "the sole occupant of certain premises in Whitechapel" (Lloyd's Weekly, 22 September 1907) war. Die Mehrzahl 'premises' könnte natürlich darauf hindeuten, dass die anderen Geschwister auch untergetaucht waren.

Ich gebe zu, Lestrade, dass Dein Szenario in vielen Punkten besser zu passen scheint als meines, dennoch bin ich mir nicht sicher, ob eine Familie einen Angehörigen, von dem sie weiß, dass er ein Serienmörder ist, einfach sich selbst überlassen würde. Eine Familie würde doch zum einen sicherstellen, dass von der betreffenden Person keine Gefahr mehr ausgeht, und zum anderen versuchen, den Ruf der Familie zu wahren. In Deinem Szenario hätten die Identifikation und die Observation Aaron von weiterem Morden abgehalten. Damit die Familie sicher gehen kann, dass von ihrem mörderischen Angehörigen keine Gefahr ausgeht, hätten sie also von beiden wissen müssen, d.h. wissen müssen, dass er nicht völlig ohne (soziale) Kontrolle ist, sondern observiert wird.

Ob das aber Woolf bereits am Tag nach dem Miller's Court bewusst war, an dem er seine Tochter aus der Schule abmeldete, um das East End zu verlassen, weiß ich nicht. Und wollte Woolf überhaupt das East End verlassen? Hat er überhaupt das East End verlassen? Vielleicht gab es ja einen anderen Grund, seine Tochter aus der Schule zu nehmen? Wir wissen noch immer zu wenig! Manchmal habe ich ja die Befürchtung, dass wir uns hier die Gehirne verbiegen, um Aaron Kosminski mit dem Kosminski-Verdächtigen unter einen Hut zu bringen, und dann fällt eines Tages ein weiterer Kosminski vom Himmel, der alle Kriterien erfüllt, und dessen gesammelte Unterlagen auf dem Dachboden irgendeines Nachfahren eines Scotland Yard-Beamten auf ihre Entdeckung warteten. Schön wärs ja!
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Shadow Ghost am 16.10.2012 13:43 Uhr
naja, man wird ja noch träumen dürfen, ein Foto von Aaron würde mir als Weihnachtsgeschenk schon genügen

Kurzes Update mit Selbstzitat: Auf der diesjährigen Jack-the-Ripper-Konferenz in York präsentierte Rob House zwei Fotos von Mathilda Kosminski und ihrem Mann Morris Lubnowski. Das eine zeigt sie als junges Paar, das andere zu einem späteren Zeitpunkt, eventuell um den Zeitpunkt von Aarons Einweisung nach Colney Hatch. Auf Bitten der Nachfahren der Kosminskis dürfen diese Bilder aber (derzeit) keinem größeren Publikum offenbart werden.

Vorsicht, Aaron, die Einschläge kommen näher!
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 16.10.2012 14:13 Uhr
Sensationell oder? Ich sag ja, die legen nach und nach alles offen...

Hier noch ein "kurzes" Statement meinerseits:

Ich komme aus einer sehr großen Familie. Wir sind sieben Kinder (Die Kozminski- Geschwister waren auch zu siebt, Pessa, Helen, Isaac, Matilda, Bertha, Woolf und Aaron. Pessa wurde nur drei Jahre alt). Ich habe 5 ältere Schwestern. Meine älteste Schwester ist 17 Jahre älter als ich und 18 Jahre älter als mein ein Jahr jüngerer Bruder. Eine meiner Schwestern ist leicht behindert, da gab es Komplikationen während der Geburt. Ich bin quasi der Woolf Abrahams meiner Geschwister und Nein, mein Bruder hat nichts mit Jack the Ripper gemeinsam. Sein Interesse an diesem Fall liegt ungefähr zwischen 0 und einem kräftigen Schluck lauwarmen Wassers. Meine Mutter lebt Gott sei Dank noch, Vater weilt nicht mehr unter uns. Meine Mutter hat noch eine Schwester, beide haben unterschiedliche Väter. Mein Vater hat bzw. hatte noch neun Geschwister. Sie waren fünf Schwestern, fünf Brüder. Einer seiner Brüder, einer meiner Onkels hatte z.B. zwölf Kinder. Zehn in einer Ehe, zwei mit einer anderen Frau. Ich bin 12-mal Onkel und selber Vater eines Sohnes. Meine Cousinen und Cousins, egal welche Grades, sind mir nicht alle bekannt. Diese Familie verstreut sich auf dem ehemaligen Gebiet der DDR, Westdeutschland, Australien sowie USA. Die Eltern meines Vaters stammen aus Polen. In dem Ort wo ich aufwuchs, wohnten bzw. wohnen alle Verwandte dicht beieinander. Der Vater meines Vaters, also Opa, heiratete die Mutter meiner Mutter, also Oma. Meine Eltern sind Stiefgeschwister aber nicht blutsverwandt. Einer meiner Neffen heiratete die Stieftochter meines Bruders, die Tochter aus erster Ehe seiner jetzigen Frau. Auch wir haben in unserer Familie so manches Geheimnis, das niemand ahnt und viele auch gar nicht wissen wollen. Genau wie Woolf Abrahams, war ich gezwungen oft in meinem Leben den Wohnsitz oder gar den Ort zu wechseln. Jetzt, mit 40 Jahren, ist Schluss damit. In meiner Familie triffst Du alles an, von Asozialen über den Normalo bis zu sehr gut Gebildeten. In solchen Familien- Konstellationen ist alles, aber auch alles möglich. Ich kann mich in Großfamilien, wie die der Kozminskis, sehr gut hineinversetzen und bin gut im Bilde über die Rollen, welche die einzelnen Figuren darin spielen bzw. spielen müssen. Ich weiß es aus erster Hand. Meine Erfahrungen sind auch der Grund, warum ich mich so sehr für Aaron Kozminski und Co. interessiere. Es ist ein Grund, nicht der einzige.

Aaron Kozminski´s Probleme fingen 1885 an und dürften sich Jahr für Jahr verschlimmert haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass es für alle Angehörigen immer schwieriger wurde, mit ihm zusammenzuleben. Sei es nun für Woolf und die seinen, Isaac oder Matilda. Vielleicht auch für Jacob Cohen. Nicht nur im Zusammenleben, sondern auch im Arbeitsleben dürfte es von Jahr zu Jahr schlimmer geworden sein. Solch ein Mensch mit einer derartigen Erkrankung, dürfte von niedrigem Selbstwertgefühl, extremen Minderwertigkeitskomplexen und Angst gepeinigt gewesen sein. Ein normales soziales Leben scheint mir abwegig also dürfte ihn seine Familie durchgeschleppt haben. Vielleicht half er mal in der Schneiderei aus, bei Morris und Matilda als Hilfsschuhmacher, bei Jacob als Schlachtergehilfe. Vielleicht wollte er einmal so etwas wie Arzt werden und landete bei einem Friseur. In diesen Familien gab es Kinder und Frauen. Kinder wollen geschützt werden, mit Frauen konnte Aaron, falls er der Ripper gewesen war, ohnehin nicht. Mutter und Schwestern dürften ein Greul für ihn gewesen sein. Nun entwickeln sich, neben seiner Erkrankung, auch seine schon in Kinder- und Jugendtagen entstandenen Gewalt- und Verstümmelungsfantasien. Sie gehen Hand in Hand mit seiner sexuellen Entwicklung und was für uns Sex ist, bedeutet für ihn Verstümmeln. Natürlich bedingen sich diese Dinge einander. Aber es kommt der Tag, da können die Familienmitglieder sein Verhalten kaum noch ertragen. Masturbation, zusammenhangloses Gerede, sein reges Innenleben, welches kaum eine halbwegs brauchbare Kommunikation zulässt. Weltvorstellungen, die weit von der Realität entfernt sind, Verfolgungswahn, welcher Mitmensch hält das aus?

Bevor ein Serienkiller, egal welcher Art, wirklich anfängt zu morden, gibt es immer ein letztes, entscheidendes Ereignis oder mehrere Ereignisse. Im Falle von Aaron könnte dies bedeuten, dass er Anfang 1888 zu spüren anfing, dass seine Familie ihn nicht mehr wollte, jedenfalls nicht so, wie er war. Das seine Arbeitskraft nichts mehr nützte, dass er immer mehr zum Nichtsnutz wurde, dass gerade die Frauen in der Familie, in seiner Umgebung begannen, ihn total und vollkommen abzulehnen. Vorher war da schon nicht viel. Auch seine Brüder könnten, seine ohnehin missliche Lage, durch diese und jene Taten verschlimmert haben. Irgendwann holt er sich nun auch noch eine Geschlechtskrankheit. Das Fass fängt an überzulaufen.

Oftmals ist solche Art von Täter, bevor sie anfingen zu morden, mit der Psychiatrie in Berührung gekommen. Zwischen Emma Smith und der Tat an Tabram, kann ich mir durchaus vorstellen, dass der Ripper einige Zeit stationär untergebracht worden war. Also Sommer 1888. Im Falle von Aaron Kozminski, hätte dies schon für besondere Verzweiflung in der Familie Kozminski stehen können.

Nun wohnen und arbeiten Woolf, seine Frau und Kinder, in der Providence Street. Aaron ist mit dabei. Matilda, Isaac und Jacob helfen wo sie können, Woolf kommt, wohlmöglich auch wegen des Ballastes Aaron nicht wirklich auf die Beine. Vielleicht schieben sie Aaron hin- und her, vielleicht leben Woolf, seine Frau und die Kinder aber auch nach Feierabend oder an den Wochenenden bei den Geschwistern, vielleicht ist es eine Mischung aus beiden. Alle befinden sich ja nur wenige Straßen voneinander entfernt. Und vielleicht ließen sie Aaron schon im Juli/ August die ersten Male an Feiertagen oder Wochenenden alleine in der Providence Street. Vielleicht bemerken sie nach der DoubleEvent- Nacht: “Moment! Bei uns um die Ecke schlug der Ripper zu und auch noch im Mitre Square, wir haben hier blutige Kleidung“, die sie vielleicht zufällig fanden. Der Mord nahe ihrer Wohnung ließ sie nach dem rechten schauen. “George Yard, Buck´s Row, Hanbury Street, Berner Street und Mitre Square, jedes Mal waren wir nicht daheim und Aaron war alleine“. Jetzt stellen sie (die Polizei) uns und Aaron dumme Fragen. Der Familienrat muss tagen. Woolf seine Frau und die Kinder bleiben ab Oktober bei den Verwandten, Woolf führt zunächst das Geschäft weiter, wohnt permanent da, beobachtet Aaron. Seine Frau findet manchmal den Mut mitzuhelfen. Es ist eine Extremsituation. Aaron verhält sich die nächsten Wochen unauffällig. Als Woolf wieder einmal Aaron alleine lässt, ist es die Todesnacht von Kelly. Vielleicht haben er, Isaac und Jacob, Aaron nach dieser Nacht irgendwo hingebracht. War schon einmal vor Kelly der Fokus auf Aaron gefallen, dann wäre die Polizei noch einmal zu ihm hin. Anderson behauptete ja, Jack the Ripper wäre in einer Anstalt vom jüdischen Zeugen identifiziert worden. Wurde er aus dieser entlassen, nach Hause, dann hätte die MET ihn von der Providence Street in das Seaside Home bringen können, wo möglicherweise der City PC wartete. Als Aaron von dort zurückgebracht wird, ist Woolf auch erst einmal weg. Manchester käme schon in Frage, schließlich zog er da ja auch alsbald mit Frau und Kinder hin. Cox hätte nun, Aaron alleine im Haus des Bruders observieren können. Wie erwähnt, wollte er das drei Monate getan haben. Macnaghten ´s “ungefähr um März 1889“ käme da schon hin. Die Überwachung und Absicherung durch die Polizei endet, die Familie rückt wieder auf den Plan und sie weisen Aaron erneut irgendwo ein. Wer weiß wie Familie und Polizei interagierten. Anderson hatte ja angeblich einen Informanten, einen weiblichen…


Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 16.10.2012 14:35 Uhr
Kurzes Update mit Selbstzitat: Auf der diesjährigen Jack-the-Ripper-Konferenz in York präsentierte Rob House zwei Fotos von Mathilda Kosminski und ihrem Mann Morris Lubnowski. Das eine zeigt sie als junges Paar, das andere zu einem späteren Zeitpunkt, eventuell um den Zeitpunkt von Aarons Einweisung nach Colney Hatch. Auf Bitten der Nachfahren der Kosminskis dürfen diese Bilder aber (derzeit) keinem größeren Publikum offenbart werden.

Dann können wir uns schon mal auch David Lubnowski in´s Gedächtnis zurückrufen. Er war ja der Sohn von Golda´s Bruder, Aaron´s Mutter, also sein Cousin.

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=29&page=6

Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 18.10.2012 14:32 Uhr
Robert House schrieb im Casebook:

"Gary Ridgeway is the example I always cite. The police strongly suspected Ridgeway for over a decade, but lacked evidence to bring charges until the finally processed the DNA evidence in 2001. I say strongly suspected, but I think some members of the police would have said they "knew" Ridgeway was the killer, even though they lacked evidence to convict him.

RH"


Ich finde es interessant, wie auch in der Neuzeit, weit nach den Rippermorden, die Schwierigkeit da ist bzw. war, Serienkiller zur Strecke zu bringen, von deren Schuld man als Polizeibeamter überzeugt ist, es aber an Beweisen fehlt und wie die diese Art von Täter mehrmals in Berührung mit der Polizei kommen kann, ohne überführt werden zu können.

Green River Killer:

http://de.wikipedia.org/wiki/Gary_Ridgway

Yorkshire Ripper:

http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_William_Sutcliffe

Beide Täter schlugen genauso hohe Wellen, wie es Jack the Ripper tat und immer noch tut.

Sagar´s "ohne Zweifel der Mörder", Cox sein "er stand in Verbindung zu diesen Morden", Anderson´s Überzeugung wer der Ripper gewesen war und nicht zuletzt Swanson seine Identifizierung(en) und die Sicherheit, dass der Verdächtige "hängen würde", scheinen mir in diesem Zusammenhang besonders wertvoll.

"Überführung mangels Beweisen unmöglich" war auch bei Ridgway und Sutcliffe ein großes Thema. Mir scheint es da einen großen Unterschied zwischen einem Beweis und einem Beweis zu geben.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Damien am 18.10.2012 22:17 Uhr
Zitat Lestrade:
"Ich finde es interessant, wie auch in der Neuzeit, weit nach den Rippermorden, die Schwierigkeit da ist bzw. war, Serienkiller zur Strecke zu bringen, von deren Schuld man als Polizeibeamter überzeugt ist, es aber an Beweisen fehlt und wie die diese Art von Täter mehrmals in Berührung mit der Polizei kommen kann, ohne überführt werden zu können."

Vielleicht hatte man bei Kozminski Angst vor politischen Unruhen, wenn eine Inhaftierung bezüglich der Morde öffentlich wurde ohne "kernige" Beweise. Gerade der Fall Pizer und die vermutliche Entfernung des Graffitos aus politischen Gründen zeigte ja, wie explosiv die Stimmung diesbezüglich war.

Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 19.10.2012 13:26 Uhr
Hallo Damien,

Ich bin mir da gar nicht mehr so sicher, ob es aufgrund der “politischen“ Situation zu einer solchen Zurückhaltung gekommen wäre, wie wir sie uns immer vorstellen. Natürlich gab es die Erfahrungen mit John Pizer und der Goulston Street aber hätte es am Ende tatsächlich deswegen eine Verschleierung geben können? Swanson meinte, sein Verdächtiger hätte gehangen. D.h. er wäre verurteilt worden und zwar öffentlich und mit den vorhandenen, gesetzlichen Bedingungen. Der Engländer ist konsequent und hätte dies auch durchgezogen. Man hätte nur hoffen können, dass alles so glimpflich wie nur möglich in der Bevölkerung zwischen Juden und Nicht-Juden abläuft. Ohne blaue Flecken wäre da aber niemand herausgekommen.

Aber auch noch nach den Vorfällen mit Pizer und dem GSG gab es solche Dinge wie folgt:

Joseph Isaacs, 30jähriger polnischer Jude wurde an der Drury Lane von Detective Sergeant Record, H Division festgenommen. Record wurde später bei den Mordfällen Alice Mackenzie und Frances Coles stark eingebunden. Er war als MET Beamter tief im Gebiet (Drury Lane) der City Police unterwegs.

Times (London)
7 December 1888

“THE WHITECHAPEL MURDERS
A news agency states that the police yesterday made a singular arrest, which was reported to be in connexion with the Whitechapel murders. It appears that during the afternoon a man, described as a Polish Jew, was arrested near Drury Lane, but for what offence is not exactly clear. The man, who is of short stature, with a black moustache, was taken to the Bow street Police station, where he was detained for a time. In the meantime a telegraphic communication was forwarded to Leman street Police Station, which is the headquarters of the Whitechapel division, requesting the attendance of one of the inspectors. Detective Inspector Aberline immediately proceeded to Bow street, and subsequently brought away the prisoner in a cab, which was strongly escorted. The man, who is well known to the local force of police and detectives, is stated to have been absent from the neighbourhood of Whitechapel lately.”

Abberline: “Keep this quiet- we have got the right man at last. This is a big thing!”

Aaron Davis Cohen, ein weiterer polnischer Jude, wurde kurze später des Tages, am 07.Dezember 1888, vom PC J. Patrick 91H aufgegriffen. Er könnte noch die Zelle mit Joseph Isaacs geteilt haben. Der Name wurde dann in David Cohen geändert. Dieser Name und die Namensänderung finde ich, gerade zu diesem Zeitpunkt, sehr bemerkenswert. Ein Irrer auf freien Fuss, ein Aaron Davis Cohen, war schon vorher aufgefallen und wenn wir uns vor Augen halten, das Aaron Kozminski  sein Cousin (welcher Grad ist das eigentlich?) Jacob Cohen, nicht nur mit Aaron´s Bruder Woolf Abrahams Geschäfte machte, sondern auch mit einem Mann Namens Davies, hätte sich Aaron Kozminski durchaus zu dieser Zeit, des Doppelnamens Davis Cohen bedienen können. Nur PC J. Patrick´s Mann, wäre dann nicht dieser gesuchte Cohen gewesen, sondern ein anderer, den man dann als David Cohen bezeichnet hätte. Dem wohl typischen Namen für unbekannte Personen. Er war 23 Jahre alt, genau wie Aaron Kozminski. Er hatte braune Haare, einen braunen Bart und braune Augen.

Am 28 Dezember 1888, also 3 Wochen nach dem Vorfällen mit Joseph Isaacs und David Cohen, wird ein Mann verhaftet (PC 177A Wraight), welcher der Beschreibung von Hutchinson´s Astrakhan- Mann entspricht, der 20jährige Joseph Denny. Die Beschreibung von Hutchinson war ja “jüdisch“, “fremdländisch“.

Im ersten Fall sehen wir ganz deutlich, dass es da wenig Zurückhaltung gab. Und dabei sollten wir beachten, dass es eine Tatsache war, dass Abberline durchaus gut mit dem jüdischen Teil der Bevölkerung konnte. Sein Abschied, nicht lange danach, wäre ein Beispiel dafür.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Shadow Ghost am 19.10.2012 15:12 Uhr
Bei dem Schaden, den die (zumindest nach außen hin) erfolglose Ermittlung im Ripper-Fall an Scotland Yard angerichtet hat, hätten die es sich niemals nehmen lassen, einen Erfolg aus Angst vor möglichen Unruhen zu verheimlichen. Es hätte ja schon gereicht, den Namen des Verdächtigen nicht zu veröffentlichen. Ich weiß, so etwas war/ist schwer, weil irgendetwas immer durchsickert (keine Anspiele auf andere Verdächtige!), aber es hätte wahrscheinlich gereicht, um allzu schlimme Ausschreitungen zu vermeiden.
Andererseits hätte natürlich die Verlautbarung einer Verhaftung ohne zwingende Beweise dem Yard weiteren Schaden zugefügt, zumal die Öffentlichkeit spätestens nach dem Blutsonntag 1887 sehr empfindlich gegenüber einer vermeintlichen "Polizeiwillkür" war.
Man sieht, wie man es auch macht, man kann es nicht allen recht machen. Manche Dinge ändern sich eben nie!

P.S. Ich weiß nicht, ob man den Fall Ridgway mit Sutcliffe vergleichen kann. Ridgway war bereits seit Mitte der 80er einer der Hauptverdächtigen. Sutcliffe war dagegen nur einer von vielen, gegen die es Verdachtsmomente gab (Rotlichtbesucher; arbeitet bei Firma, von der die 5-Pfund-Note stammen könnte,...). Letztlich fiel Sutcliffe dann bei einer Routinekontrolle auf.
Aber Ridgway ist sicherlich ein sehr guter Vergleich zu Kosminski. Man müsste mal nach alten Dokumentationen über den Green-River-Killer suchen (vor der Verhaftung Ridgways). Vielleicht gibt es da auch Polizeioffizielle, die sagen, sie haben einen Mann, von dem sie sicher sind, dass er der Täter sei, sie es aber nicht beweisen können.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 19.10.2012 15:51 Uhr
"Ich finde es interessant, wie auch in der Neuzeit, weit nach den Rippermorden, die Schwierigkeit da ist bzw. war, Serienkiller zur Strecke zu bringen, von deren Schuld man als Polizeibeamter überzeugt ist, es aber an Beweisen fehlt (Ridgway) und wie die diese Art von Täter mehrmals in Berührung mit der Polizei kommen kann, ohne überführt werden zu können (Sutcliffe)."

Ich habe mich mal selber zitiert und kurz ergänzt. Ridgway sollte hierbei nicht mit Sutcliffe verglichen werden, sondern es sollte herausgestellt werden, das Ridgway ein Typ war, von dem m a n es w u s s t e und Sutcliffe ein Typ, den man öfters a n t r a f, ohne vielleicht so überzeugt zu sein, wie von einem Typ ala Ridgway. Beide Varianten hätte im Jack the Ripper- Fall, gerade durch die Arbeit zweier Polizeieinheiten, oder sogar noch der Bürgerwehr (und deren Detektiven ala Le Grand) sichtbar geworden sein können.

Was würdest Du eigentlich von folgender Variante halten?

Man kam, laut Cox, dem Killer nach dem Miller´s Court auf die Spur (evtl. durch den PC vom Mitre Square) und observierte ihn danach (eben Cox seine genannten drei Monate). Und eben durch diese (erste) Identifikation plus dem Wissen der eigenen Familie und der Verdächtigung von Aaron Kozminski (durch die Polizei) der Ripper zu sein, kam es zur Ende der Serie. Zeitraum Ende 1888- Anfang 1889.
Dann Ende 1890, Aaron Kozminski ging es ja wirklich dreckig, ist er wieder in einer privaten Einrichtung. Die MET haben plötzlich, nach zwei Jahren, einen neuen Zeugen. Kozminski wird in ein Seaside Home gebracht und dort (zum zweiten Male) "identifiziert". Das Resultat kennen wir alle. Man informiert jedoch erneut die City Police über einen dringenden Tatverdacht Kozminskis und aufgrund des offiziellen Zeugen Nr.1, dem Mitre Square PC, rückt nun erneut die City Police, diesmal durch Sagar, in die Observationen auf. Damit würde dann auch Swanson´s Bemerkungen besser passen. Bis auf den Tod des Verdächtigen.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Shadow Ghost am 19.10.2012 18:19 Uhr
Ah, okay, sorry, da war ich wohl etwas unaufmerksam.

Was würdest Du eigentlich von folgender Variante halten?

Man kam, laut Cox, dem Killer nach dem Miller´s Court auf die Spur (evtl. durch den PC vom Mitre Square) und observierte ihn danach (eben Cox seine genannten drei Monate).

Möglich, so es denn den PC am Mitre Square gab. Jedenfalls ist es möglich, dass die Observierung direkt nach dem Miller's Court begann.

Und eben durch diese (erste) Identifikation plus dem Wissen der eigenen Familie und der Verdächtigung von Aaron Kozminski (durch die Polizei) der Ripper zu sein, kam es zur Ende der Serie. Zeitraum Ende 1888- Anfang 1889.

Dazu müsste sich Kosminski der Observierung bewusst gewesen sein, was nach Cox' Bericht ja durchaus möglich ist, denkt man an die beschriebene Episode der Verfolgung durch Whitechapel. Glaubt McNaghton käme dann im März (oder ab März) 1889 ein Aufenthalt in einer Anstalt oder einer Pflegeeinrichtung.

Dann Ende 1890, Aaron Kozminski ging es ja wirklich dreckig, ist er wieder in einer privaten Einrichtung. Die MET haben plötzlich, nach zwei Jahren, einen neuen Zeugen. Kozminski wird in ein Seaside Home gebracht und dort (zum zweiten Male) "identifiziert".

Was meinst Du mit der privaten Einrichtung? Im Juli 1890 war er drei Tage im Arbeitshaus, dann wieder im Februar 1891 im Krankenhaus bzw. später in Colney Hatch; dazwischen ist mir jetzt nichts bekannt. Oder meinst Du damit privat bei einem der Geschwister?
Wer aber soll der neue Zeuge sein?
Ich grüble derzeit, ob es sich bei Andersons Zeugen nicht um einen Zeugen handelt, der Kosminski zufällig auf der Straße wiedererkannt hat. Beispiel Lawende: Beim Inquest sagt er, er könnte den Mann wohl kaum wiedererkennen. Monate später - als er wieder einmal im East End unterwegs war - sieht er ihn zufällig auf der Straße und irgendetwas in ihm macht Klick; eine Geste, ein Habitus, irgendetwas erkennt er wieder.

Das Resultat kennen wir alle. Man informiert jedoch erneut die City Police über einen dringenden Tatverdacht Kozminskis und aufgrund des offiziellen Zeugen Nr.1, dem Mitre Square PC, rückt nun erneut die City Police, diesmal durch Sagar, in die Observationen auf. Damit würde dann auch Swanson´s Bemerkungen besser passen. Bis auf den Tod des Verdächtigen.

Obigem Beispiel folgend würde auch hier die City Police anrücken. Aber wer immer jetzt Zeuge war, so in etwa ist es möglich, und das meiste was die Kosminski-Drei über Kosminski erzählt haben würde passen.

Was mir bislang noch nie aufgefallen ist: in der Swanson-Marginalie
because the suspect was also a Jew and also because his evidence would convict the suspect, and witness would be the means of murderer being hanged which he did not wish to be left on his mind. D.S.S
sind die Worte also a Jew unterstrichen. Ich weiß jetzt aber nicht, ob man da etwas hinein interpretieren soll.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 19.10.2012 20:17 Uhr
Danke für deine Antwort!

Es gab ja einen Unterschied zwischen "privaten" und "staatlichen" Einrichtungen also Anstalten etc. Wir finden in diesem Fall auch die Bezeichnungen "private asylum" oder nur "Asylum". Private Einrichtungen oder Einrichtungen mit eher privaten Charakter habe ich hier, dann und wann schon, benannt oder beschrieben. Privatklinik halt. Colney Hatch war eine staatliche Einrichtung. Eine Privatklinik konnte damals vielleicht der Polizei eher die Tür vor die Nase zuknallen als es in Colney Hatch möglich war. Möglicherweise könnte genau das, nämlich die endgültige Einlieferung in Colney Hatch, das Ziel der Polizei gewesen sein, nachdem alles andere gescheitert gewesen war. Er, Kozminzki, war endlich in "staatlicher Hand". Das soll aber nicht heißen, dass man vorher nicht ganz normal in ein Krankenhaus musste, eine Art Notaufnahme oder eine Art "Überweisung" von einem Arzt benötigte, bevor man irgendwo eingeliefert werden konnte. Seine Familie bemerkte vielleicht im Frühjahr 1891, dass er ein Pflegefall für den Rest seines Lebens geworden war. Er lebte ja immerhin noch bis 1919. Die Kohle, für die Pflege für ihn durchgehend für 28 Jahre bezahlen zu müssen, war vielleicht nicht gerade im Budget der Familie vorgesehen. Vielleicht haben sie ihn dann eben doch lieber Anfang 1891 an den "Staat ausgeliefert". 

Anderson in seinen Memoiren über den Täter:

"...he and his people were certain low-class Polish Jews"
"In saying that he was a Polish Jew I am merely stating a definitely ascertained fact"

Anderson über den Zeugen:

"I will merely add that the only person who had ever had a good view of the murderer unhesitatingly identified the suspect the instant he was confronted with him ; but he refused to give evidence against him."

Swanson gibt den Grund an, warum der Zeuge den Schwanz einzog:

"...because the suspect was also a Jew and also because his evidence would convict the suspect, and witness would be the means of murderer being hanged which he did not wish to be left on his mind...

Ansonsten hätten sie den Täter an den Galgen geliefert. Das war der, ihr "Beweis", der ihnen flöten ging. Ansonsten wäre Jack the Ripper heute kein Thema mehr. Bei Anderson muss das besonders bitter aufgestoßen sein. Vielleicht konnte er das nie verstehen, der Anderson, im Gegensatz zu Swanson. Vielleicht war der Zeuge in Anderson´s Augen gar nicht so "jüdisch".Vielleicht sah er das nur als Ausrede für Feigheit an. Aber Swanson wusste, er, der Zeuge, war wirklich Jude. Vielleicht ein Engländer oder Ire, der in eine jüdische Familie eingeheiratet hatte. Was weiß ich?

Ich habe hier mal das Beispiel Thomas Ede/ William Eade angesprochen. Meines Wissens, könnte Ede gar einmal Ex- Constable gewesen sein und zwar für beide Polizeieinheiten. Ich fand dann noch einen Thomas Ede in Verbindung mit einem Seaside Home an England´s eher südlicher Küste, der passen könnte. Es soll jetzt nur mal als Beispiel herhalten. Aber wenn man mit dem PC vom Mitre Square, mit Zeugen aus der Berner Street (Marshall soll als gutes Beispiel herhalten)  und einem Typen wie Ede, der Aufgrund seiner Beobachtungen schon allein die Tatorte Buck´s Row und Hanbury Street verbinden konnte, Kozminski belasten hätte können, wäre es übel für ihn ausgesehen. Ich schweife ab, Du erkennst aber vielleicht was ich meine... Der Zeuge "bekam ja erst später mit", das der Verdächtige auch Jude war. Die Frage die sich mir dabei aufdrängt lautet: Wer sah denn hier nun Jüdisch aus und wer nicht?

Ja, wo gräbt man nach 2 Jahren einen Zeugen aus? Ede, Zeuge in zwei der Fällen, Nichols und Chapman, wurde am Ende von der Anhörung ausgeschlossen, weil geklärt wurde, wem er sah, nämlich einen weiteren Irren auf Freigang, Henry James. War es wirklich so? Man sollte meinen Ja. Wie gesagt, Ede soll hier nur als ein "Szenario" gelten.

Natürlich kann sich schlicht und einfach ein Zeuge nach dieser Zeit gemeldet haben, weil sein Gewissen ihn bedrückte, die Polizei jemanden verhört haben, der in einem völlig anderen Zusammenhang darüber sprach oder deine Variante, dass ihn jemand nach dieser Zeit ganz einfach wiedererkannte. Z.B. beim Einkaufen von Wurst- und Fleischwaren.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 19.10.2012 21:32 Uhr
Das möchte ich noch nachliefern,

Isaac Abrahams, Census 1901 und Aufzeichnungen seiner Einbürgerung:

1901
171 Cable Street
Isaac Abrahams, Head, M, 49, Tailor [Employer; At home], b. Poland (Naturalised British Subject)
Betsy do, Wife, M, 51, b. do BS
Mark do, Son, 28, Tailor [Worker], b. London Mile End New Town
Woolf do, Son, 22, Tailor-machiner [Worker], b. Whitechapel
Rachel do, Daur, 17, b. Stepney
[RG 13/309, f. 142, p. 1]

cgp100
11th March 2007, 10:01 PM
Memorial
Isaac Abrahams of 171 Cable Street St Georges in the East in the County of London
... a subject of the Emperor of Russia having been born at Klodorer Koliski in the Empire of Russia on the Third day of May 1852 and being the son of Joseph & Golder Abrahams who were both subjects of the Emperor of Russia ...
resides at 171 Cable St St Georges in the East in the County of London and is of the age of 48 years and is a Tailor.
... a Married man and has one child under age residing with him viz.
Rachel - 17 years of age
... settled place of business is at 171 Cable Street St Georges in the East in the county of London
That your Memorialist has for five years within the period of the eight years last past resided within the United Kingdom, vizt. [standard form]
From October 20th 1893 to present time at 171 Cable Street St Georges in the East in the county of London
7 years 2 months
[Signed] I. Abrahams [very shaky]

Sureties
Walter Belcher 40 Tillman Street St Georges East London Estate Agent ([has known him] 8 years)
George Leeder Licensed Victualler of 56 Cannon Street Road London East (10 years)
Henry Whiting Laundryman of 108 St George Street St Georges East London (9 years)
and John Gibbs Builder of 229-231 Cable Street St Georges East London (7 years)
[All signed] 265 Gresham House Old Broad Street in the City of London 16 January 1901
Before Ernest [Smith] A commissioner for oaths.

CID Report
Isaac Abrahams Tailor
The declaration of residence have [sic] been enquired into and the sureties are respectable persons householders and British born subjects.
I have seen the applicant who is a respectable man he states he has resided in this country for the past 30 years, intends to remain permanently and wishes to enjoy the rights and priveleges [sic] of a British subject.
The sureties speak well of applicant as a respectable man and I see no reason to doubt their statements.
Ernest Baxter [?]P S
D. S. Swanson Superintendent
Cover sheet dated 19th February 1901 and signed R. Anderson.

7 June 1901. Isaac Abrahams
Agent Mr J. Cantor 211, Old Ford Road, E.
Certif Regd & returned 19 June '01

[HO 144/617/B35582]

Der Bruder des "Hauptverdächtigen" Aaron Kozminski, Isaac Abrahams, wird hier durch Swanson und Anderson "begleitet". Isaac Abrahams "as a respectable man" und sein Bruder der vermeintliche "Jack the Ripper". Isaac Abrahams war das ganz sicherlich. Aber wie eng die Dinge im Leben manchmal nebeneinander liegen, erstaunlich. Wie sehr war Swanson und Anderson das hier bewußt? War Isaac Abrahams ihnen als der Bruder von Kosminski überhaupt bekannt? An dieser Stelle hätten sie doch gut klären können, wie das Schicksal von Aaron Kozminski wirklich ausgegangen ist.  
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 23.10.2012 15:02 Uhr
Was mir die letzten Tage immer wieder durch den Kopf ging, ist die Frage nach einem möglichen Zeugen, von dem wir gar nichts wissen.

Aufgrund der neuen Erkenntnisse oder Wahrscheinlichkeiten, so z.B. mit Jacob Cohen, verändern bzw. verfestigen sich bestimmte Sichtweisen bei diesem und jenem. Falls er, Cohen, mit Davies und W. Abrahams nicht nur in einem Gewerbe tätig gewesen war, sondern auch in anderen, wie z.B. in dem der Butcher, dann bekommt DC Robert Sagar (City Police) seine Aussage durchaus viel mehr Gewicht im Falle Aaron Kozminski:

“We had good reason to suspect a man who worked in Butchers´Row, Aldgate“
 
“There was no doubt that this man was insane- and after a time his friends thought it advisable to have him removed to a private asylum. After he was removed, there were no more Ripper atrocities.”


Jacob Cohen (einer von “his friends“, ein Cousin?) lieferte Aaron Kozminski ein. Das Aaron Kozminski im Februar 1891 ohne Zweifel “verrückt“ gewesen war, ist dokumentiert worden.

Nehmen wir Robert Anderson (MET)´s Worte (aus dem Blackwood Magazine):

“I will only add that when the individual whom we suspected was caged in an asylum, the only person who had ever had a good view of the murderer at once identified him, but when he learned that the suspect was a fellow-Jew he declined to swear to him."

Wurde Aaron Kozminski tatsächlich aus seiner Anstalt entfernt, um an einer Identifizierung im “Seaside Home” teilzunehmen? Warum auch immer ausgerechnet dahin…

Da wir aber durch Swanson (MET) wissen, dass Kozminski noch einmal für eine “very short time“ daheim gewesen war, würde die dichte Zeitspanne zwischen Sagar´s “private asylum“ und einer "Her Majesty's pleasure," (also Colney Hatch oder Broadmoor Asylum) nur sehr kurz bleiben und Sagar vielleicht nur im seinem “private asylum“ “verweilen“ lassen. Was Sagar selbst alles zu den Ripper- Gräueltaten zählte, wissen wir auch nicht. Swanson schrieb zum “Seaside Home“ sent by us und nicht taken, letzteres wäre mehr Beamtenenglisch gewesen als ersteres.

Aber wenn, war das alles Anfang 1891 und dann hätte diese Identifizierung, ca. 2 Jahre nach den Kanonischen Fünf stattgefunden. Und wenn ich überlege, dass Cox (City Police) schon kurz nach den K5 an Aaron Kozminski dran war, vielleicht durch den PC vom Mitre Square, in einer Art “ersten Identifizierung“, dann macht es auch durchaus Sinn:

“We had many people under observation while the murders were being perpetrated, but it was not until the discovery of the body of Mary Kelly had been made that we seemed to get upon the trail.”

“It was not easy to forget that already one of them had taken place at the very moment when one of our smartest colleagues was passing the top of the dimly lit street.”


Aaron Kozminski wäre nach den K5 Ende 1888/ Anfang 1889 zumindest für drei Monate überwacht worden. Vielleicht wurde er das auch immer wieder in der Folgezeit, wenn er nicht gerade irgendwie (privat) eingesperrt gewesen war. Er wäre dann auch noch einmal, laut Swanson (MET), mit Sicherheit kurz vor Colney Hatch (Ende 1890/1891) erneut observiert worden.  Sagar´s “after a time“, klingt jetzt nicht wie Swanson´s “very short time“ aber auch nicht wie eine Ewigkeit. In dieser Theorie, hätten Lawende, Schwartz und Co. (Winter 1888/89), wohl garantiert Kozminski zu Gesicht bekommen. Erkannt hätte ihn dann erst einmal nur der PC vom Mitre Square, falls es ihn tatsächlich gab.

Wo bekommt man nun, knapp über zwei Jahre später, einen neuen Zeugen her?

Im Winter 1890/1891 wurden die Taten von Thomas Hayne Cutbush (lebte in Kennington) mit den “Taten“ von John Edwin Colocott (lebte in Lambeth) bekannt und auch miteinander vermischt, obwohl Cutbush weitaus “gefährlicher“ war. Lambeth und Kennington lagen in London nebeneinander. Es überschnitt sich zu jener Zeit mit den Aktivitäten, die sich um Aaron Kozminski drehten. Was, wenn sich im Laufe dieser Ermittlungen ein gänzlich neuer Zeuge auftat?

20 Januar 1891:

“Charles Myers, furniture dealer, of 130, Clapham-road, said that in consequence of a communication which he had from a sergeant of police he kept watch, and on the evening of January 20 he saw defendant outside his shop.”

Myers konnte irgendwann Colocott aufgreifen und dieser wurde durch den PC 67W festgenommen.

Diese Art von Beispiel meine ich. Hier wird jemand (Myers) durch einen Sergeant angeregt aktiv mitzuhelfen. Vielleicht traut er sich dann endlich, wann und wo auch immer, mit der Polizei über die Dinge zu reden, die er im Herbst 1888 erlebt hat, die er bezeugt hat. Wir wissen nicht, wer alles noch zur Tatzeit durch die Berner Street oder durch die Duke Street ging und auch nicht befragt werden konnte, weil er 5-6km weit weg von Whitechapel wohnte.

Wir wissen ja auch, dass Macnaghten (MET) 1894 sein Memorandum schrieb, weil Thomas Hayne Cutbush beschuldigt wurde, der Ripper gewesen zu sein. Sein Onkel, Superindentent Charles H. Cutbush, war bekanntlich auch ein Beamter der MET. Cutbush und Colocott sind aber untrennbar miteinander verbunden. Dabei spielt ein Mann eine Rolle, der sich am 20. Januar 1891 urplötzlich auftat, Charles Myers. Zwischen dem 20. Januar 1891 und dem 4. Februar 1891 (Aaron´s Einweisung in das Krankenhaus) liegen nur 2 Wochen, eine very short time.

Über den 7. Februar 1891, dem Tag von Aaron Kozminski´s Einlieferung nach Colney Hatch, lesen wir folgendes:

Centralia Enterprise and Tribune (Wisconsin) dated 14 march 1891

“HAD A MANIA FOR BLOOD
Juvenile Jack the Ripper Sent to a London Asylum

London, Feb. 7.
A companion fiend to Jack the Ripper, only on a somewhat lesser scale, was sent to Broadmoor insane asylum today, there to be confined during what is known as "Her Majesty's pleasure," and which practically means life. His name is Edward Colocitt, and he is the young son of a wealthy jeweler of this city. Some time ago the police authorities commenced to receive numnerous complaints from young women in the western suburbs to the effect that while out after dark they were approached by a younf man who came suddenly up behind them, and stabbed them in the back with a sharp instrument about the thickness of an awl. Extra detectives were put on duty in the districts from which the complaint came, but for some time without result. A couple of weeks ago, however, a furniture dealer noticed Collocitt standing behind a couple of young ladies in a suspicious manner, and determined to watch him. Suddenly he made a step forward, and gave one of the young women three stabs with his right hand in the back. Then he took to his heels, but was followed by Myers, the man in question, and arrested. After the fact of his incarceration was made known nineteen women identidied him as their assailant. Six of these gave evidence in court, and the doctors testified that all of them had one or more clean cut, punctured wounds on portions of their anatomy immediately below the hip joint, and which had evidently been made by a very pointed awl. A weapon of this kind was thrown away by Collocitt while he was being pursued. It was testified that the total number of his victims was over sixty. The jury promptly found him guilty, but, on account of his wealthy connections, the plea that he was of weak intellect had its effect, and instead of going to the penitentiary he ws committed to the lunatic asylum. One feature of his mania consisted of his selecting as victims plump young girls between the age of 14 and 18.”


Dabei immer beachten, Colocott und Cutbush wurden miteinander vermischt! Beide waren, wie Aaron Kozminski, Mitte 20.

Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 24.10.2012 18:36 Uhr
Ich fand noch eine Begebenheit, die es wert ist hier erwähnt zu werden. Und zwar in der Beziehung Jacob Cohen und Manchester, wo ja später auch Woolf Abrahams und Familie hinzog. Es handelt sich um einen Brief, den Major Smith, Commissioner, City of London Police, bekam:

“Three or four days after the murder in Mitre Square, a letter addressed to me by name…”

"You're not on the right scent at all," he said ; "the man you want is not in London, he's in Manchester.”

Auch sind einige recherchierte Daten zu einem Charles Myers (siehe letztes Posting) sehr interessant, wie ich finde. Dazu aber ein andermal mehr.

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Isdrasil am 24.10.2012 20:11 Uhr
Du weisst, ich bin kein Fan von Mr. K....aber Respekt für deine Arbeit hier, Lestrade!  :good:
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 02.01.2013 20:51 Uhr
Robert House ist ja im Besitz einer Photographie, die Matilda und Morris Lubnowski zeigen. Es handelt sich um die Schwester und den Schwager und auch gleichzeitig um einen Cousin von Aaron Kozminski. Ich hoffe, dass Rob es schafft uns dieses Foto alsbald (und zwar in 2013) zeigen zu können.

Vorab möchte ich uns die Verwandtschaftsverhältnisse zurück ins Gedächtnis rufen:

Matilda Lubnowski (geborene Malke Kozminski) war eine Schwester von Aaron Mordke Kozminski. Insgesamt waren es sieben Geschwister. Ihre Mutter Golda Kozminski war eine gebürtige Lubnowski. Ihr Neffe Morris Lubnowski (geborener Mosiek Lubnowski) war der Sohn ihres Bruders Josek Lubnowski. Die Tochter Matilda heiratete also ihren Cousin Morris. Beide zeigt nun dieses Bild.

Wie dicht die familiären Strukturen waren, sehen wir neuerdings auch bei den Nachforschungen zu Jacob Cohen, Aaron Kozminskis letztem Kümmerer. Denn ein weiterer Bruder von Matilda und Aaron war Woolf Abrahams (geboren als Wolek Kozminski) und er heiratete Betsy Kozminski (geboren als Brucha Kozminski). Sie war die Schwester von eben jenen Jacob Cohen (geboren als Jacob Kozminski). Die Ehefrau Betsy und ihr Bruder Jacob waren gleichzeitig auch Cousine und Cousin (diesmal 2.Grades) von Woolf Abrahams. In diesem Falle kam der Einfluss von der väterlichen Seite, denn der Vater der sieben Kozminski Geschwister war Abram Josef Kozminski. Dessen Bruder Mosiek Kozminski war der Vater von Kasriel Szlama Kozminski, der seinerseits der Vater von Betsy und Jacob Kozminski gewesen war, also deren Opa.

Golda Kozminski, die Mutter der sieben Kozminski Geschwister, hatte als gebürtige Lubnowski einen direkten Cousin mit Namen David Lubnowski (später nannte er sich nur David Lubin). Von ihm ist bereits eine Fotografie bekannt.

Diese engen verwandtschaftlichen Beziehungen können uns, in Form jenes Fotos, einiges über das mögliche Erscheinungsbild von Aaron Kozminski erzählen, sie müssen es aber nicht. Jedoch gibt es dabei eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, höher als bei anderen Konstellationen, die mir interessant erscheint. Ich wäre da mehr auf Details fokussiert und würde dabei weniger etwas Offensichtliches erwarten. Dies könnte gerade bei Fotos, die nicht benannt (oder noch gar nicht bekannt) sind, besonders hilfreich sein bzw. werden.

Beste Grüße,
Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 05.01.2013 23:00 Uhr
Hier mal noch das Foto bzw. die Fotos von David Lubin:

(einen polnischen Juden stellt man sich sicherlich anders vor)
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Stordfield am 06.01.2013 00:01 Uhr
Vielen Dank, Lestrade!!!!!

So stelle ich mir tatsächlich keinen typischen Juden vor.
(Ich finde, der Gute hat was von W. Sickert.)

Gruß Stordfield
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 06.01.2013 11:13 Uhr
Gerne Stordfield!!

Wo Du es sagst, sieht tatsächlich Walli sehr ähnlich, fehlt nur noch ein Zylinderhut.

Aber auch er wirkt sehr untersetzt mit breiten Schultern. Es soll wohl auch so sein, dass auf dem Foto, was im Besitz von Rob House ist, Morris Lubnowski den BS Man aus der Berner Street sehr ähnlich sehen soll. Naja, warten wir´s ab…

Jedoch gut möglich, dass es auf den ersten Blick für den ganz besonderen Zeugen eben auch so aussah wie für uns jetzt. Also gar nicht so jüdisch oder polnisch, wie auch immer…
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Stordfield am 10.01.2013 13:28 Uhr
Hallo Lestrade!

Durch Deine äußerst detailreichen Schilderungen der Familienverhältnisse in der jüdischen Gemeinde entstand bei mir der Eindruck, dass die Sippen sehr eng zusammen hielten (Es wurden schon mal Familienmitglieder aufgenommen oder eingestellt.). Eventuell reichte die Familienbande ja sogar so weit, dass man einen Mehrfachmörder deckte. Wie aber muß ich mir das Leben in diese Gemeinschaft vorstellen? Es gab ja eine Menge Leute mit eigenen Geschäften; eine Lebensgrundlage und ein gewisser "Standard" scheinen mir also durchaus gegeben. Waren die Clans unter sich, kochten bspw. die Schlachter, die Schuhmacher und die Zigarrenhersteller jeweils ihr eigenes Süppchen? Gab es einen oder mehrere "Chefs", bzw. Leute, die das Sagen hatten? Welche Rolle spielte die Kirche? Was wurde bei den Zusammenkünften beraten?
Werter Lestrade, vielleicht kannst Du (als unser Experte) mir die eine oder andere Antwort geben, damit ich (und natürlich auch andere user) mal einen ungefähren Überblick über das Leben der Kozminskis/Woolfs/Lubnowskis bekomme.
Ein Dankeschön schon mal im Voraus!

Gruß Stordfield
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 10.01.2013 16:10 Uhr
Hallo Stordfield,

Ich lasse einmal einige Fakten die, für das Leben und die Geschichte der Juden im Allgemeinen und im Speziellen für das Leben und die Lebensumstände der Juden in London (genauer noch für das EastEnd) zwischen, sagen wir 1850 und 1920, hinlänglich bekannt sein dürften, außen vor. Damit meine ich u.a. auch die Vertreibung der Juden weltweit und eben auch aus Polen/Russland bzw. Osteuropa. Also die Rolle russischer Zaren, Antisemitismus, Verfolgung und Ermordung. Unglaubliche Schuldzuweisungen für alles Mögliche und die Erfindung des Juden als Unmenschen usw. Eben die ganze Palette, die sich in einem solchen Prozess ausbreitet. Das alles kann man nachlesen, sich anschauen oder recherchieren. Robert House z.B., schilderte in kurzen Kapiteln wichtige Fakten über das jüdische Leben im Zarenreich oder auch im EastEnd in seinem Buch “Jack the Ripper And The Case for Scotland Yard´s Prime Suspect“. Nicht zu vergessen, all die vielen Einflüsse des jüdischen Lebens auf dieser Welt.

Wohin auch immer die Kozminski Familie auswanderte, sei es England mit London oder Manchester, sei es Südafrika, die USA oder Australien, egal wann und aus welchen summierten Gründen auch immer, es ging darum, zu überleben, sich etwas aufzubauen, eine Heimat zu finden, Familien zu gründen, zu essen und zu trinken, ein Dach über den Kopf zu haben und nicht zu frieren. Wie die einzelnen Entscheidungen dazu aussahen zu gehen (oder auch vorerst zu bleiben) und woanders sein Glück zu versuchen, ob diese Entscheidungen politisch abhängig waren, aus Abenteuer- Lust, aus Angst oder einfach nur auf der Hoffnung beruhten ein besseres Leben zu finden oder eine Mischung aus allem waren, muss wohl ganz persönlich betrachten werden und hing im hohen Maße von den aktuell vorhandenen Bedingung zur jeweiligen Zeit ab.  

Das EastEnd, Teile von London, sollten zum “neuen Warschau“ für Juden werden, egal ob aus Polen, Russland oder Ungarn usw. stammend. Das galt es mit allen Aspekten des Lebens aufzubauen. Mit allen Aspekten, die für den Menschen wichtig sind, egal welcher Religion sie angehören. Juden lebten schon vor den Kozminskis in England und London und dem EastEnd. Sie zogen teilweise eben dorthin oder in bzw. zu ähnlichen Orten auf der Welt. Und da LEBTEN sie!!!

Wer sich vom Kozminski- Clan wann irgendwo hinbewegte, kannst du in den verschiedensten Fäden nachlesen. Ich erwähne hier nur einmal, dass sich Matilda Lubnowski und Isaac Abrahams deutlich früher in London wiederfanden als es Woolf Abrahams und Aaron Kozminski mit der Mutter Golda Kozminski/Abrahams… taten. Warum auch immer das so gewesen war, wir können gerne spekulieren. Um aber in diesem engen Radius zu bleiben, die enge Verwandtschaft untereinander, schien Gang und Gebe gewesen zu sein. Ich könnte darauf näher eingehen aber ich denke, wir nehmen es als Fakt erst einmal so hin.

Nun mag es von der Persönlichkeitsstruktur und einigen anderen Dingen abhängig gewesen sein, wer sich wie durchsetzte, seine Rolle in der Gesellschaft fand oder sie gar mitprägen konnte usw. Auch das würde Seiten füllen. Nehmen wir einfach an, dass Isaac Abrahams der Erfolg gelang, er ein angesehener Geschäftsmann wurde, gehen wir davon aus, dass Matilda Lubnowski ein gutes Mittelstandsleben führte und Woolf Abrahams kein Bein auf die Erde bekam, zumindest lange Zeit nicht. Und wir wissen, dass Aaron Kozminski sehr, sehr schwer krank gewesen war. Und, dass Mutter Golda ein bibliches Alter erreichen konnte. Nun ja, dass gibt es alles auch in meiner Familie und in unzähligen anderen auch, egal welcher Erdteil, welches Land, welche Hautfarbe und welche Religion. David Lubin (Lubnowski) schaffte es gar zu einem gewissen “Ruhm“. Dies, und die Tatsache dass Aaron Kozminski möglicherweise Jack the Ripper gewesen war, lagen sehr dicht beieinander. Die Normalität birgt manchmal den größten Horror.

Wie funktionierte nun diese Familie? Zumindest dieser enge Teil? Wir können nur mutmaßen, zumindest für die größten Teile.

Muss die ganze Familie darüber informiert gewesen sein, dass Aaron Kozminski der Ripper war (wenn er es denn war)? Nein!

Die Abrahams/Lubnowski/ Kozminski lebten lange Zeit nur wenige Hundert Meter voneinander entfernt oder sogar schlicht und einfach gegenüber (Matilda und Isaac). Wer gehörte nun noch alles zur Familie, welche Freunde und Kollegen oder weiter Verwandte nahmen an ihrem Leben teil? Welche weiteren Gesellschaftsteile waren in das Familienleben involviert? Wir wissen es nicht genau, es sollte aber in einem gewissen Maße alles stattgefunden haben.

Haben Isaac Abrahams, Matilda Lubnowski sowie Woolf Abrahams (alle samt Ehegatten) und Mutter Golda, möglicherweise auch Jacob Cohen, gewusst, dass ihr Bruder, Sohn und Cousin Aaron Kozminski, Jack the Ripper gewesen war? Ja! Sie sollten es gewusst haben, die Frage wäre nur die, wann hat wer etwas erfahren?

Wie weit wäre so etwas außerhalb dieses kleinen Kreises gedrungen? Schwer zu sagen, denn wir wissen nicht, wer alles zu dieser Familie gehörte (von außerhalb), welche Funktionen und Einflüsse diese hatten und ob auch alle dichthielten. Wie verhielt man sich zu führenden Männern des jüdischen Glaubens oder reichen Geschäftsleuten mit Einfluss?

Wie arbeiteten sie mit der Polizei? Wie war der Umgang dieser Familie mit den Beamten? Da sollte eine Interaktion stattgefunden haben, die bestimmte Informationen ergab, so meine Vermutung.

Ich denke, letztendlich war dies eine ganz familiäre Angelegenheit, einer ganz gewöhnlichen Familie, die sich den kulturellen und wirtschaftlichen Strukturen anpasste und sie auf diese Art und Weise auch mitformte. Die ihren Geschäften nachgingen, ihren Glauben lebten, aus welcher Strömung er auch immer kam. Sie waren Menschen, die zueinanderhielten, eine Familien- und Freundebande pflegten, sich um sich und Ihresgleichen kümmerten aber auch in Kontakt kamen mit den anderen Teilen der Bevölkerung. Die Opfer Stride und Eddowes fanden ja auch Arbeit in jüdischen Familien.

Wie hätten sie reagieren sollen, als sie bemerkten, dass Aaron Kozminski, der kranke, verrückte Bruder, Sohn und Cousin sowie passionierter Prostituiertenhasser, etwas mit den Morden zu tun hatte? Als sie bemerkten, dass er zu den Tatzeiten nicht daheim war oder er zumindest allein gelassen wurde? Als sie blutige Kleidung oder Gegenstände bemerkten, die nicht ihm gehörten? Als sie bemerkten, dass ein Opfer (Stride) quasi vor der eigenen Haustür lag bzw. direkt an einem ehemaligen Wohnsitz dieser Familie?  Wie hätten sie reagieren sollen, als ER verdächtigt wurde?

Dazu muss man sich folgende Fragen stellen:

Was wäre noch zu retten gewesen?

Und wie weit glaubten das alles die Angehörigen selber? Wie weit konnten sie ausblenden oder es sich nicht zugestehen?

Offenbar war da kein wirklicher Zeuge auszumachen, kein Beweisnetz für die Polizei strickbar, so hätte man mit einem “Alibi“ (Aaron Kozminski war daheim), einiges an Wind aus den Segeln nehmen können. Einem “Alibi“ aus der eigenen Familie.

Das alles fand in einem Prozess statt, wir wissen nicht wann er anfing, wie er sich veränderte und mit welchen Tempo er sich entwickelte. Wer glaubte was ab wann und warum?

Die entscheidenden Worte dürften aber sicherlich “Verzweiflung“ und “Angst“ gewesen sein. Diese Familie, mit ihrer Geschichte und dem Ort an dem sie gerade lebten, mit dem was damals vorherrschte, hätten vieles gebrauchen oder nicht gebrauchen können. Was sie überhaupt nicht gebrauchen konnten, war einen rasenden Serienkiller in ihrer eigenen Familie, der seine Opfer quasi um die Ecke töte, verstümmelte und liegenließ.

Sie konnten, wenn es so war, nur retten, was man retten konnte und dies scheint ihnen dann gelungen zu sein. Ehrlich gesagt, habe ich für diese Familie sogar Verständnis.

Hätte ich mich viel anders verhalten? Ich glaube nicht.

Ich hoffe, hiermit einen kleinen Beitrag zur “Übersicht“ beigetragen zu haben. Diese Familie war auf dem ersten Blick eine ganz normale Familie, mit einem ganz normalen Leben. Natürlich im Zusammenhang mit ihren gänzlichen Lebensumständen betrachtet. War da mehr (Jack the Ripper), dann war da etwas sehr schicksalhaftes und tragisches in ihrem Leben vorgefallen.

Reicht dies erst einmal als schnelle Reaktion?

Beste Grüße, Lestrade.

P.S.: Was hätte Jacob Cohen davon abhalten sollen, außerhalb von Manchester, in London- Aldgate, seine Aktivitäten als Butcher auszuweiten und Geschäftsverbinungen mit der Butcher´s Row zu unterhalten und somit Aaron Kozminski einen Job zu verschaffen (als was auch immer, Delikates- Wurst durfte er bestimmt nicht herstellen)? Vielleicht war er mit einem anderen Butcher befreundet oder er half ihm bei Finanzierungen und als Gegengefallen...
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Stordfield am 10.01.2013 17:02 Uhr
 :Laie_71mini:

Mit Deinem posting bestätigst Du meinen Eindruck: Es ging innerhalb der jüdischen Gemeinschaft sehr familiär zu. Familliärer offenbar als in anderen Bevölkerungsschichten des Eastends. Man half sich gegenseitig, wenn man konnte und legte größten Wert auf Verschwiegenheit und Loyalität. Wie weit ging nun aber gerade Letzteres? Galt sie nur für die eigene Familie und deren direktes Umfeld, oder umschloß sie die gesamte Gemeinschaft?

Wie weit wäre so etwas außerhalb dieses kleinen Kreises gedrungen? Schwer zu sagen, denn wir wissen nicht, wer alles zu dieser Familie gehörte (von außerhalb), welche Funktionen und Einflüsse diese hatten und ob auch alle dichthielten. Wie verhielt man sich zu führenden Männern des jüdischen Glaubens oder reichen Geschäftsleuten mit Einfluss?
Wie arbeiteten sie mit der Polizei? Wie war der Umgang dieser Familie mit den Beamten? Da sollte eine Interaktion stattgefunden haben, die bestimmte Informationen ergab, so meine Vermutung.

Genau, Lestrade! Darauf will ich eigentlich hinaus. Wie ging die Polizei mit dieser verschworenen Gemeinschaft um? Hatte sie überhaupt eine Chance an Informationen zu kommen? Welche Möglichkeiten standen den Ermittlern zur Verfügung, um die (von mir vermutete) Mauer des Schweigens zu durchbrechen? Bestechung? Wohl kaum. Undercover? Undenkbar. Bleiben also tatsächlich nur die bekannten Observierungen?

Gruß Stordfield

Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 10.01.2013 17:41 Uhr
Die Juden waren grundsätzlich an allem schuld! Da war man sicherlich nicht nur gegenüber Polizei und Artverwandten misstrauisch, sondern gegen alles, was man nicht sofort zuordnen konnte. Egal ob nun die Ripper Morde stattgefunden hätten oder eben nicht. Das scheint mir davon vollkommen unabhängig gewesen zu sein. Außerdem wurden Nicht- Jüdinnen zum Opfer. Es fand eh genug Kriminalität statt. Der Mensch passt sich dann den Gegebenheiten an und im Falle der Juden, fand man den Weg, ganz wenig zu sagen. Das ist ja auch eine Art Selbstschutz und mir in dieser Bevölkerungsgruppe vollkommen verständlich. Cox hat das bei seiner Observierung ja auch festgestellt. Sie gaben sich ja nicht als Polizisten aus, sondern als ganz andere “Schnüffler“. Anfangs fürchtete er um Leib und Leben, später wurde es besser, man kam miteinander ins Gespräch, über Gott und die Welt, man genoss einige Köstlichkeiten (Zigarren, Rum, Kaffee) und entspannte etwas. Das war es. Sicherlich erfuhr man dann etwas von Solomon über die Levys, von den Cohens etwas über die Myers aber wenn man Goldstein fragte, was die Abraham- Brüder so treiben und ob einer von ihnen vielleicht nachts mit dem Messer durch die Gegend rennt, dürfte die Antwort nicht unbedingt der eigenen Gesundheit zuträglich gewesen sein.

Vielleicht gaben die damailgen "Verhörung- bzw. Anhörung- und Befragungstechniken/taktiken" der Polizei doch einiges her. Dass muss nicht unbedingt vom Gericht anerkannt worden sein.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Stordfield am 11.01.2013 14:09 Uhr
Hallo Lestrade!

Vielleicht gaben die damailgen "Verhörung- bzw. Anhörung- und Befragungstechniken/taktiken" der Polizei doch einiges her. Dass muss nicht unbedingt vom Gericht anerkannt worden sein.

Denkst Du da an eine Art Vereinbarung und hälst Du soetwas tatsächlich für möglich? Würde ja einiges erklären.

Gruß Stordfield
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 11.01.2013 17:02 Uhr
Hi Stordfield!

Weißt Du, vielen fragen sich heute, wenn man wusste wer der Ripper gewesen war, warum ging man nicht viel offensiver und offensichtlicher damit um? Natürlich, es gibt einige Gründe, Gründe über die schon viel debattiert wurde. Die bekannten und sicherlich auch relevanten Gründe.

Warum wussten Anderson und Swanson, wer wahrscheinlich der Ripper (Kozminski) gewesen war? Warum hätte es nur ein kleiner Kreis von Kriminalbeamten erfahren und wissen können? Beide sprachen davon, dass der Ripper EINDEUTIG identifiziert wurde?

Neben diesen MET Beamten, waren die City Police Kollegen Cox und Sagar eher sehr überzeugt davon, dass ihr Mann (und ich denke es handelt sich auch um Kozminski) Jack the Ripper war aber hier fand keine Identifizierung statt (Sagar: “Identifizierung unmöglich“). Das soll jedoch nicht heißen, dass diese Beamten nichts von einer Prozedur in einem Seaside Home wussten. Sie könnten aber nicht vom “wahren“ Ergebnis informiert worden sein.

Welcher Grund könnte bei der ganzen Identifizierungs- Geschichte eine Rolle gespielt haben? Wie wäre es möglich gewesen, im ganzen Ripper- Hype, eine ganz kleine Gruppe von Menschen (Polizisten/Beamte) die Lösung zu überlassen?

Eine einfache Antwort dazu wäre:

Es gab im Moment der Entscheidung, der Erkenntnis, gar keinen Ripper- Hype mehr. Und da passt, ob man es nun hören will oder nicht, sehr gut die Zeit der Einweisung Aaron Kozminski nach Colney Hatch. Die Einweisung erfolgte mit Beginn des Jahres 1891 und seit November 1888 gab es keine Mordserie ala Jack the Ripper mehr. Rose Mylett starb offenbar eines “natürlich Todes“ (20.Dezember 1888), Alice Mackenzie bliebe noch für den Juli 1889. Aber eine wirkliche und überzeugende Verbindung zum Horrorherbst 1888 sind beide nicht. Frances Coles kann man in diesem Zusammenhang genauso sehen und sie kam zu Tode nach Kozminski seiner Einweisung in 1891.

Wenn es möglich gewesen wäre, zwei Jahre nach den Ripper- Morden einen Verdächtigen zu identifizieren, warum hätte man in solch einer stillen Situation laut werden müssen? Sprich, warum hätte man Gott und die Welt verrückt machen sollen? Gerade weil jene auch Identifikation schief lief? Es wäre logisch gewesen, die Sache am Anfang klein zu halten und ganz besonders nach diesem Ende. Ergo, wer hätte davon erfahren können?

Ich komme immer mehr zu der Annahme, dass Aaron Kozminski ganz besonders in Verdacht geriet und zwar schon im Horror-Herbst 1888. Und NIEMAND konnte ihn wiedererkennen außer der Constable vom Mitre Square. Er lebte nahe an einem Tatort (Stride) und er war bekannt als verrückter Prostituierten- bzw. Frauenhasser. Er war am Mitre Square und wurde vielleicht auch woanders gesichtet. Sprich an einem Tatort, aber nicht direkt in einer Verbindung zu einem Mord. Ich denke da an den nächtlichen Treppenschläfer im Hinterhof der Hanbury Street VOR der Ermordung von Annie Chapman. Vielleicht sah man ihn auch in der Berner Street, aber wiederum nicht im direkten Zusammenhang mit der Tat. Ebenso die Geschichte in der Batty Street (nach dem DoubleEvent) mit den blutigen Kleidern, die zu einem Schneider gehörten, welcher Mäntel (für Damen) für´s Westend herstellte. Aaron Kozminski´s Bruder Isaac Abrahams tat genau das. Wenn Du so etwas als Beamter weißt, dann sind das “many circs“ (Macnaghten) und dein Gefühl wird Dir sagen, dass es besser wäre, diesen Mann im Auge zu behalten. Die Familie gab Aaron Kozminski vielleicht ein Alibi (Er war daheim!) aber was war dies in den Augen der Beamten wert? Sie hätten genau gewusst, dass die Familie ihren Angehörigen schützt. Dabei muss man eben auch bedenken, dass von den bisherigen Zeugen niemand dabei gewesen wäre, der Aaron identifiziert hätte. Der PC war sich vielleicht nicht 100%ig sicher. Was glaubst Du in diesem Moment als Angehöriger? Willst Du ihn jetzt schon ausliefern? Eher nicht, vermute ich.

Nun kann man Aaron Kozminski 2 Jahre später immer noch nichts nachweisen. Davon abgesehen wurde sein Gesundheitsbefinden ja auch immer schlimmer. Cox, der anfing nach Kelly (Ende 1888/Anfang 1889) zu observieren, meinte über den Verdächtigen, dass er hin- und wieder verrückt wurde. Sagar, mit seinem vollkommenen Verrückten den er observierte, würde ich Ende 1890/Anfang 1891 einordnen. Zu der sich verschlechternden Krankenheitsgeschichte von Aaron zwischen 1888-1889-1890-1891 würde das gut zusammenpassen.

Passen tun auch die Beamten, weil sie zur City Police gehörten und wir wissen durch Swanson, dass diese Einheit den Verdächtigen observierte. Was logisch wäre, denn sie hatten den einzigen “richtigen“ Zeugen, nämlich den PC vom Mitre Square und es war dadurch “ihr“ Verdächtiger.

Wie die Jungfrau zum Kinde, hätte die Polizei (MET) nach zwei Jahren zu einem weiteren Zeugen gekommen sein können. Dieser Zeuge hätte sich “rein zufällig“ aufgetan haben können. Anderson traue ich es zu (und ich meine dies vollkommen positiv) im Alleingang aktiv geworden zu sein, denn der Fall war ja etwas abgekühlt, die Lage hatte sich beruhigt, zwei Jahre lagen dazwischen. Er wäre sicherlich sehr, sehr gut über Kozminski informiert gewesen und nur wenige hätten ihm diesbezüglich das Wasser gereicht. Anderson traue ich es gar zu, seinem Spezi Swanson nicht sofort in das Boot “Seaside Home“  geholt zu haben, sondern später Informationen locker gemacht zu haben. Weniger gut informierte und helle Beamte sind dann doch ein gutes Kollegium, um nicht die allzu große Welle auszulösen oder? Das hätte sich Anderson zu Nutze machen können. Das Ergebnis war öffentlich und ermittlungstechnisch gesehen natürlich Scheiße aber ein innerer Vorbeimarsch sollte es für Anderson dennoch gewesen sein. Einer wie Macnaghten hatte Kozminski seine Akte von 1888/89 auf den Tisch und vielleicht auch ein paar Infos der Kollegen von der City Police aber mehr auch nicht. Denn wenn Anderson seinem 1. Mann Swanson schon nicht voll involviert hatte, mit dem er die schlimme Zeit des Herbstes gemeinsam durchstand (zumindest als er aus der Schweiz zurück war), warum sollte er Macnaghten, der erst im Laufe 1889 dazugestossen war, auch alles erzählen? Und wenn Swanson nicht unmittelbar dabei war, als Kozminski sein Alibi aufflog, sich nur auf die Schilderungen seines Bosses verlassen musste, kann es leichter zu Irrtümern kommen oder aber, Anderson täuschte Swanson bewusst. Speziell vielleicht mit dem Tod von Kozminski, der ja gar nicht so früh eintrat, wie es uns Swanson beibringen will.

Und ihr geht deine Frage mit meiner Antwort weiter:

Ich traue es Anderson zu mit der Kozminski Familie verhandelt zu haben, besonders als es darum ging, Aaron in eine ÖFFENTLICHE Anstalt einzuweisen und nicht mehr PRIVAT. Anderson hätte in diesem Moment die Familie überzeugen können: “Euer Alibi könnt ihr euch jetzt sonst wohin stecken, wir haben einen weiteren Zeugen, der ihn gesehen hat. Da er aber auch Jude ist wie ihr alle, wird er nicht aussagen. Was machen wir jetzt? Wollt ihr ihn uns “ausliefern“ oder soll ich der allgemeinen Bevölkerung einen Wink geben, wer bei euch wohnt?“ Ich denke, die Antwort sehen wir mit Colney Hatch.

Auch gut möglich, dass die Abrahams und Lubnowskis irgendwann mal Anderson “fragten“ (nach 2-3 Jahren), wie nun das endgültige Ende der ganzen Geschichte aussehen soll? 1894 war Aaron Kozminski, ich sage es mal ganz krass, vollkommen verblödet und Anderson sollte das auch gewusst haben. In Colney Hatch hätte auch er mit Sicherheit seine Informanten gehabt. Vielleicht einigte man sich dann darauf, Aaron nach Leavesden zu bringen und ihn offiziell als Tod zu betrachten.

Die Familie Kozminski hieß schon lange nicht mehr Kozminski sondern Abrahams. Wenn Anderson und Swanson über den Ripper redeten, werden sie, so kann ich es mir vorstellen, nicht über Aaron Abrahams geredet haben, sondern einfach nur über Kozminski. Der Name “Aaron“ hätte vielleicht ganz schlaue Köpfe einen Wink geben können, wo sie zu suchen hätten. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie damit schon recht früh anfingen, um sich dadurch auch von der City Police abzugrenzen.

Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: jacky am 30.01.2014 23:04 Uhr
Hallo!

Bin ich hier richtig?

Für mich ist das hier wirklich nur verwirrend zu lesen. Gibt es "nur" die Tatortnähe, die Abmeldung der Tochter aus der Schule, eine Observierung wo er nicht erkennbar ist oder bin ich auf dem falschen Pfad?

Viele Grüße!
jacky
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 31.01.2014 00:54 Uhr
Es ist verwirrend jacky und sehr komplex. Erwarte nichts Einfaches.

Hier ein paar Fäden zum lesen. Er ist, muss ich zu meiner Schande gestehen, im Laufe der Jahre von mir überall im Forum verteilt worden:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1488.0.html
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1648.0.html
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1391.0.html
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1662.0.html
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1661.0.html

Da einige Polizeibeamte Erwähnung finden, soll auch Major Henry Smith nicht zu kurz kommen:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1524.30.html

Btw ist der ganze Faden interessant:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1524.0.html

Ansonsten noch unbedingt zu empfehlen wäre ein Buch von Rob House über Aaron Kozminski:

http://www.amazon.de/Ripper-Scotland-Yards-Prime-Suspect/dp/0470938994

Zum Faden hier, sei folgender Link interessant:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=7074

Oder aber, der Ripperologist 128 vom Oktober 2012 selber. Habe ich im Abo aber auch über Google gefunden, kann heruntergeladen werden (dauert eine Weile):

http://www.ripperologist.biz/backissues/ripperologist128.pdf

Darin “Pat Marshall and Chris Phillips with new light on Aaron Kozminski”.

Sollte für den Anfang reichen. Mach langsam und nimm dir Zeit.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: jacky am 31.01.2014 01:05 Uhr
Hallo lieber Lestrade!

Vielleicht kann man ja auch mal eine neue Faktensammlung machen? Momentan bin ich etwas traurig, weil ich einfach keine "echten" Unterlagen finde online. Ich habe ja die Tendenz mir selber von der base ein neues Bild zu schaffen.

Danke für die Links, die gehe ich alle durch, aber jetzt gucke ich doch die Doku, vielleicht fällt mir dann ja noch was ein.  ;)

Bis morgen oder so!
jacky
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 31.01.2014 02:02 Uhr
Ich habe ja die Tendenz mir selber von der base ein neues Bild zu schaffen.

Das ist in diesem Falle wohl auch gut.

Hochrangige Beamte nennen einen “Kosminski“ als Täter bzw. Verdächtigen und sprechen von einer Identifizierung seiner Person. Die Beamten bzw.Ermittler waren Anderson, Swanson und Macnaghten. Im genannten Ripperologist 128 findest Du auch darüber etwas.

Das könnte ein Anfang sein.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: academyfightsong am 31.01.2014 11:56 Uhr
Zitat
Hochrangige Beamte nennen einen “Kosminski“ als Täter bzw. Verdächtigen und sprechen von einer Identifizierung seiner Person. Die Beamten bzw.Ermittler waren Anderson, Swanson und Macnaghten.

Anderson erwähnt Kosminski übrigens nicht namentlich. Swanson hat dies offiziell auch nie getan, sondern nur in einer Bleistiftnotiz in seiner privaten Kopie von Andersons "The Lighter Side of My Official Life", deren Echtheit ja auch gern mal angezweifelt wird. Der einzige der einen "Kosminski" offiziell als Verdächtigen benennt ist Macnaghten, der aber wiederum schreibt nichts von einer angeblichen Identifizierung, sondern favorisiert eher MJ Druitt als möglichen Täter.

Also jacky, willkommen im Minenfeld "Kosminski"  ;)
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 31.01.2014 13:47 Uhr
Anderson erwähnt Kosminski übrigens nicht namentlich. Swanson hat dies offiziell auch nie getan, sondern nur in einer Bleistiftnotiz in seiner privaten Kopie von Andersons "The Lighter Side of My Official Life", deren Echtheit ja auch gern mal angezweifelt wird. Der einzige der einen "Kosminski" offiziell als Verdächtigen benennt ist Macnaghten, der aber wiederum schreibt nichts von einer angeblichen Identifizierung, sondern favorisiert eher MJ Druitt als möglichen Täter.

Du findest in der gelinkten Datei in einem obigen Post zum Ripperologist 128 dazu auch folgendes Thema:

RED LINES AND PURPLE PENCIL
A detailed history of the Swanson Marginalia
by Adam Wood and Keith Skinner

Anderson bschriebener Jude, sowie Swanson´s als auch Macnaghten´s Kosminski, sind sicherlich ohne Zweifel ein- und dieselbe Person. Zu diesen Beamten wussten auch noch Leute wie Griffiths und Sims etwas über ihn, sicherlich via Anderson und Macnaghten. Wohlmöglich sprechen auch die City Detektive Sagar und Cox nur über einen Mann und gut möglich, dass dies auch Kosminski war. Sollte sich gerade letzteres eines Tages bestätigen, wäre das sehr belastend. Swanson von der MET schrieb ja, dass der Verdächtige von der City Police überwacht wurde und das trifft auf Sagar und Cox zu.

Keine öffentliche Nennung des Namens macht ja gerade dieses Geheimnis aus. Anderson beschrieb ihn nur als polnischen Juden, Macnaghten in einem internen Papier, Swanson ganz privat. Auch nennen Cox und Sagar ihn nicht bei Namen aber immerhin beschreibt Cox einen jüdischen Mann und eine jüdisch geprägte Straße und Sagar spricht von einer jüdischen Erscheinung am Mitre Square. Diesen Namen niemals öffentlich zu nennen, spricht doch für die Arbeit der Polizei, weil sie einen Mann hatten, den sie nicht überführen konnten.

Shadow hat das neulich ausgegraben:

"Luxemburger Wort
17 Oktober 1890
London, 11 Okt. Der Vorsitzende des Wachsamkeits-Ausfchusses welcher sich in Whitechapel nach den ersten Mordthaten „Jack des Aufschlitzers" gebildet hatte, macht in den Zeitungen bekannt, daß letzter Tage ihm eine Frau mitgetheilt habe, daß vor zwei Jahren ein junger Mann bei ihr wohnte, dessen blutbedeckte Effekten und sonstiges Gebahren in ihr keinen Zweifel übrig gelassen hätten, daß ihr früherer Miethsmann der Frauenmörder gewesen sei. Sie würde diese Aussagen früher gemacht haben, wenn nicht die Furcht in Ungelegenheiten zu gerathen, sie daran gehindert hätte. Die ganze Erzählung klingt etwas unwahrscheinlich und die Veröffentlichung derselben in der Presse wird jedenfalls nicht dazu beitragen, die Verhaftung des Mörders zu erleichtern."

Aaron Kozminski war ein junger Mann von knapp 23 jahren! (Bezieht sich sicherlich auf Mrs. Kuer aus der Batty Street Geschichte)

Gruß.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrat am 31.01.2014 14:47 Uhr
Hallo,

das erinnert mich etwas an diese  "The Lodger" Geschichte.

http://www.casebook.org/suspects/lodger.html


Lestrat
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 31.01.2014 14:55 Uhr
Gibt eine moderne Ansicht dazu, hatte ich gestern hier schon gelinkt:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1488.0.html

Habe ich übersetzt. Sollte man bezüglich der Batty Street Lodger Geschichte mal lesen, die sicherlich nicht das war, was sie scheinbar aussagen wollte.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrat am 31.01.2014 15:15 Uhr
Danke für die Info Lestrade, puh das ist ja ein richtiger Irrgarten  :shok: in dem man sich immer wieder verläuft.

Lestrat

Kurze Frage (auch wenn sie hier nicht hingehört) vor einiger Zeit ging es mal um David Cohen (ein für mich ebenfalls sehr interessanter Verdächtiger) und dort hast du geschrieben das er quasi nicht mehr als Ripper in Frage käme da er erst 14 Tage vorher eingereist wäre, wo kann man über die neue Entwicklung etwas nachlesen (im Casebook konnte ich nichts finden)?

Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 31.01.2014 15:23 Uhr
Ja, David Cohen war und ist immer noch sehr spannend! Er hatte zufälligerweise den gleichen Status wie Aaron Kozminski, Pole, Jude, 23 Jahre alt und wurde auch unter dem Namen Aaron (Davis) Cohen zunächst aufgenommen. Dazu Schneider (wie Aaron Kozminski´s Brüder), die ja auch Cohens in ihrer Familie hatten. Ich suche Dir die Quellen raus, vielleicht nachher noch oder am WE. Gab da auch kürzlich was im Ripperologist. Hab jetzt einen Friseurtermin und muss los …

Bis später.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 31.01.2014 18:50 Uhr
So Lestrat,

Ja, mir fiel auf, dass wir schon einmal darüber sprachen. Siehe hier:

Hallo Lestrat,

Ganz kurz, mir fehlt momentan die Zeit:

Die Adresse von David Cohen wurde angegeben mit:

86 Leman Street

Da gab es aber den Protestant Boys Club/Shoeblack und den Whittingen Club, beides für Jugendliche, so geht man davon aus, das die 86 ein Schreibfehler und die 84 Leman Street gemeint war, denn das war das Poor Jews Temporary Shelter, hier verblieben eingewanderte Jude ca. 14 Tage oder so.

Siehe hier:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=286

Glückwunsch zum Buch von Fido, ich finde es ganz hervorragend. Aber, Martin Fido hat mittlerweile seine Meinung geändert.

Nachlesen kann man das unter anderem im Ripperologist Dezember 2012:

Martin Fido- Rethinking Cohen and Kozminski

Im nächsten Ripperologist gab es dann auch das hier:

DAVID COHEN: TALKING POINTS OF A STORYLINE
by Scott Nelson (Scott Nelson on the Butcher´s Row suspect)

Oder lies hier schon einmal nach:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1455.0.html

DAS Buch über Aaron Kozminski ist das hier von Robert House:

http://www.amazon.de/Ripper-Scotland-Yards-Prime-Suspect/dp/0470938994

Seitdem gab es aber auch neue Infos, die das Buch gut ergänzen, z.B. (aus einem Ripperologist):

http://forum.casebook.org/showthread.php?p=241147#post241147

Beste Grüße,

Lestrade.

Es gab also zwei neue Cohen- Artikel im Ripperologist und das hintereinander. In der Nummer 129 und Nummer 130, Dezember 2012 und Februar 2013.

Dezember: Martin Fido- Rethinking Cohen and Kozminski
Februar: DAVID COHEN: TALKING POINTS OF A STORYLINE
by Scott Nelson (Scott Nelson on the Butcher´s Row suspect)

Über ersteren habe ich sogar berichtet. Schau hier:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1455.0.html

Beim zweiten habe ich mir die Mühe gespart, meine ich. Finde jetzt jedenfalls nichts.

Ich kann den zweiten Artikel aber noch mal durchgehen aber sicherlich nicht mehr heute.

Aber mach doch folgendes:

Howard Brown ist doch auch jetzt hier im Forum. Schreibe ihn an, am besten über seine Mailadresse. Lass dich doch für den Ripperologist eintragen, kostet ja nichts mehr, der nächste erscheint Ende Februar. Er wird Dir auf Anfrage sicherlich die beiden Cohen Ripperlogist zusenden. Da biste insgesamt auch unabhängiger. Robert House hat übrigens für den Februar- Ripperologist angekündigt, Aaron Kozminski als Ripper zu überführen.

Er machte nur einen Spaß… wie er kurze Zeit später versicherte… :sarcastic:

Zu den Gemeinsamkeiten zwischen Cohen und Kozminski zählt auch die gleichen Erkrankungen, neben dem bereits erwähnten anderen Dingen.

Falls Du sonst noch Fragen wegen Cohen hast, kannst Du sie gerne stellen. Rechne nicht mit einer sofortigen Antwort. Manchmal habe auch ich keine Lust auf´s Ripper Thema.

Hau rein.

Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrat am 01.02.2014 15:35 Uhr
Hi Lestrade,

vielen Dank für deine wie immer sehr ausführliche Antworten  :l_daisy:

Ich will aus Zeit Gründen und wegen der Verwechslungsgefahr nicht gerne 2 oder 3 Verdächtige abarbeiten, zum einen fehlt wie erwähnt die Zeit und zum anderen wie bei dir die Lust (man hat ja auch noch Familie, Freunde und sonstige Hobbys). Ist den David Cohen (den ich sehr interessant finde) raus und lohnt es sich daher schon gar nicht mehr das Buch von Fido zu lesen?

Zitat
Falls Du sonst noch Fragen wegen Cohen hast, kannst Du sie gerne stellen. Rechne nicht mit einer sofortigen Antwort. Manchmal habe auch ich keine Lust auf´s Ripper Thema. 

kann ich verstehen und solange deine Antwort nicht länger als 5 Minuten braucht ist das völlig ok für mich  :blum1:

Aber im Ernst, ist ja klar, ich selbst bin auch nicht täglich hier im Forum.

Schönes Rest Wochenende

Lestrat
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 01.02.2014 19:15 Uhr
Hallo Lestrat,

Sehr gerne. :Laie_69:

Das Buch von Martin Fido würde ich Dir unbedingt empfehlen zu lesen. Letztendlich geht es ja, so meine ich, in die richtige Richtung. Dazu addiert man eben den “neuesten“ Stand. Seine Überlegungen sind der vollen Aufmerksamkeit wert. Ich halte viel von Fido.

Ob David Cohen dennoch raus ist? Ich weiß es nicht, bin mir nicht sicher. Du weißt zwar, dass Aaron Kozminski in meinen Augen Jack the Ripper war aber David Cohen lässt mich dennoch nie ganz los. Warum? Es ist diese Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Männern. Wie schon erwähnt, Alter, Herkunft, Religion und psychisches Krankheitsbild, “Schneider“ und eben auch “Aaron“. Viele jüdische Einwanderer nahmen den Zunamen Cohen an, er wird also nicht ein geborener Cohen gewesen sein, deshalb besteht eine kleine Chance als ein “Kosminski“ geboren worden zu sein. Dieser Name ist doch in Polen wie Maier in Deutschland verbreitet, ich glaube der sechshäufigste Name dort. Außerdem wurde Aaron Kozminski letztendlich von Jacob Cohen eingeliefert. Das war der Bruder seiner Schwägerin Betsy. Aaron´s Bruder Woolf Abrahams war mit Betsy verheiratet. Jacob als auch Betsy waren geborene Kozminski, siehe hier:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1450.0.html

Auch die Schwester von Aaron, Matilda Lubnowski und ihr Mann Morris, änderten später ihren Namen in Lubnowski- Cohen und später in nur noch Cohen.  

Swanson sagte ja über seinen Kosminski, dass er nach der Einweisung in Colney Hatch ebenda starb. Aaron Kozminski starb dort nicht, er wurde nur 1894 nach Leavesden verlegt. Cohen starb aber dort gegen Ende 1889, also recht früh nach den Whitechapel Morden. Möglich natürlich, dass Swanson darüber falsch informiert wurde. Und wenn, dann sicherlich von Anderson. Wenn sie wirklich wussten, dass Kosminski der Killer war (und danach sieht es aus), dann hatten sie gute Gründe, das zu verschleiern und dies am Ende sogar untereinander (zumindest was aus ihm wurde oder wohin er gebracht wurde). Immerhin konnten sie ihn nicht überführen. Waren sie vor Kelly an ihm dran (ich bin fest davon überzeugt), dann hätten sie auch in gewisser Weise Kelly´s Tod mit zu verantworten.

Und warum nicht Aaron Cohen (Kozminski) mit “David Cohen“ verwechseln? Stell Dir vor, alle Streifenpolizisten bekamen die Order, auf einen 23jährigen Polen, Jude und psychisch auffällig zu achten. Nun kommt ein ebensolcher Pole gerade nach England, nach London, meldet sich in der Leman Street in der Station für jüdische Einwanderer und wird bei seinem wirren Umherirren von einem Konstabler als Person erkannt, die für jene Beschreibung passt, dann aufgelesen und zur Wache gebracht. Schnell merken sie, dass er Probleme hat und es dauert nicht lange, bis dieser Pole durchdreht und kaum noch zu bändigen ist. Die höheren Beamten werden über dieses Ereignis informiert und gehen davon aus, dass es sich um Aaron Cohen (Kozminski) handeln muss. Nach einigen Stunden ist der Irrtum geklärt, der Name wird in David Cohen (der englische “John Doe") geändert und der wahre Aaron Cohen (Kozminski) ist nach wie vor noch frei. Bedeutet nicht unbedingt, dass dieser nicht observiert wird (City Polizei). Solch eine Personenbeschreibung könnte unter diesen Umständen damals trotzdem noch für einige Zeit aufrechterhalten worden sein. Im Dezember 1889 (Maulkorb- Vorfall) erfahren wir über Aaron Kozminski, dass er eigentlich Aaron Abrahams (“verenglischt“) hieß. Im Herbst 1888 hätte er ja auch den Zunamen Cohen verwendet haben können, gerade durch die nahe Beziehung zu Jacob Cohen.

Manchmal laufen die Dinge ja sehr kurios. Im Mordfall Tristan Brübach war ja zum Tatzeitpunkt herum ein tschechischer Schäfer in Tatortnähe gesehen worden. Er war psychisch krank und sehr verwirrt. Dazu fand man später ja noch die tschechische Karte in Tristan Brübach´s Rucksack. Nur genau zum Todeszeitpunkt herum, war dieser Schäfer in einem Krankenhaus. Er konnte nicht der Täter gewesen sein. Aber der wahre Mörder muss psychisch krank und einen eher verirrten Eindruck gemacht haben und er nahm ja wirklich Tristan Brübach´s Rucksack mit.  

Du siehst, wie dem tschechischen Schäfer, kann es auch David Cohen widerfahren sein. Nichts getan aber auf´s Maul bekommen.

Momentan habe ich weniger Interesse am Ripper- Fall. Aber das ist “gefährlich“, denn wenn ich mich daraus zurückziehe, passiert ausgerechnet immer etwas Aufregendes. Murphy´s Gesetz eben. Ist wie beim Fußball schauen, gehe ich aus dem Raum, fällt ein Tor. Deshalb werfe ich täglich meine Alibi- Blick in die Foren. Ich habe doch noch einige Interessen und Hobbies und die sind viel lustiger und musischer und nicht so finster wie das Ripper Thema. Dazu kommt, dass der Fall für mich “gelöst“ ist und es wahrscheinlich auch immer war und ich mit meiner Vorstellung über den Mann, welcher der Ripper war, sehr zufrieden bin, mehr als zufrieden. Und wer kann das schon sagen. Und ich fühle wirklich so…  :SM023: naja und ein bisschen Arbeiten gehen muss ich ja auch noch…

Aber momentan würde ich, ehrlich gesagt, lieber mit euch Tanzen gehen.  :girl_dance: :dance4: :party:

Aber wenn Du etwas über einen “Ripper- Typen“ erfahren willst, dann beschäftige dich mit Cohen und Fido. Dies ist eine wirkliche Empfehlung meinerseits.

Dir auch ein schönes Wochenende.



Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 03.02.2014 16:04 Uhr
Was mir dieser Tage noch durch den Kopf ging und Dir vielleicht bei dem Thema Kozminski/Cohen helfen könnte, ist die Geschichte mit dem Bordell. Ich weiß, dass alleine schon Aaron Kozminski kompliziert genug ist und es sich in gewisser Weise auch so mit Aaron (David) Cohen verhält aber dennoch ein paar Gedanken dazu:

Aaron Cohen sollte ursprünglich zeitgleich mit Gertrude Smith, Mary Jones und Ellen Hickey vor dem Amtsgericht erscheinen. Es ging um einen Angriff auf eine Person, die mit N. Cohen angegeben wurde. Es wird sich vermutlich um einen Mann gehandelt haben aber vielleicht war es auch eine Frau. Als Zeuge (wahrscheinlich) war eben ein Aaron Davis Cohen angegeben und der sollte ebenfalls mit den anderen vier Personen vor dem Gericht erscheinen. Das Datum dafür war, glaube ich, der 7. Dezember 1888. Die Cohen erschienen aber nicht. Dieses “Bordell“ befand sich in der 254 Whitechapel Road. An dieser Adresse gab es auch wieder solche einen überdachten Durchgang zu einem Court. Irgendwie fand da Ende November/ Anfang Dezember 1888 eine Art Razzia statt. Nun ist es gut möglich, dass es sich um das gleiche Bordell handelte, das schon einmal, im September 1888, Erwähnung fand. Charles Warren in einer Akte des Innenministeriums (19. September 1888):

“3. A Brothel Keeper who will not give her address or name writes to say that a man living in her house was seen with blood on him on the morning of murder. She described his appearence &  where he might be seen - when detectives came near him he bolted, got away & there is no clue to the writer of the letter.”

Gemeint war hier sicherlich der Mord an Annie Chapman. Es wäre ja möglich, dass die Polizei herausbekam, von wem dieser Hinweis kam und sie daraufhin diese Örtlichkeit bewachten, vielleicht auch in der Hoffnung, dass dieser Verdächtige, von dem es ja offenbar eine gute Beschreibung gab, dort wieder einmal auftauchen würde. Was da auch immer im weiteren Verlauf passiert wäre, bei einer Aktion (Razzia) hätte Aaron Cohen von der Polizei aufgenommen worden sein können. Die Polizei schien offenbar hinter einer Person mit einer bestimmten Beschreibung her gewesen zu sein, die auch nicht allzu alt war, sprich so bis 30 Jahre und Ausländer (Jude). Wir sehen das auch noch einmal bei Anfang Dezember 1888 mit dem Verdächtigen Joseph Isaacs, auf den, zumindest für eine kurze Zeit, auch Inspektor Abberline seine Aufmerksamkeit lenkte. Isaacs könnte mit Cohen noch in “einer Zelle“ gesessen haben. David Cohen, Aaron Kozminski und Joseph Isaacs “ähnelten“ sich sicherlich sehr. Es wäre ja auch gut möglich, dass die beiden Polizeieinheiten, also MET und City Police, kurz voneinander irritiert waren, wenn dann sicherlich nur für wenige Tage. Man sollte immer daran denken, dass dort gerade der Horror über das EastEnd flog. Dann gab es ja auch noch den  “Terror of the City of London Police”, Hyam Hyams, damals 33 Jahre alt. Kurzum, Verdächtige Personen u.a. mit psychischen Problemen sollten in dieser Gegend, mehr als anderswo gewöhnlich, präsent gewesen sein. Unter´m Strich jedoch, könnte es sich bei der gesuchten Person einzig und allein um Aaron Kozminski gehandelt haben, welcher der Mann war, der Blut an sich hatte (September 1888/Bordell) und dann erneut in diesem Bordell (Ende November 1888) auftauchte. Beim ersten Mal wurde er im Nachhinein beinahe erwischt bei zweiten Mal zumindest aufgenommen und hätte überwacht worden sein können. Dies (Observation AK) hätte bereits auch der Fall gewesen sein können, als Aaron Cohen (David Cohen) auf der Straße aufgelesen wurde und zu einer Anhörung musste. Die MET hätte nicht tagaktuell gewusst haben müssen, dass der wahre Verdächtige, Aaron Kozminski, bereits von der City Police überwacht wird. Das hätte sich schnell geklärt und auch Aaron Davis Cohen wurde David Cohen. Wenn nicht gleich aber zumindest jedoch ähnlich, hätte es zur gleichen Zeit mit Joseph Isaacs abgelaufen sein können. Die Polizei war sicherlich und verständlicherweise sehr, sehr sensibel. Anderseits, David (Aaron Davis) Cohen hätte tatsächlich in dieser Bordell-Geschichte verwickelt und Tage später, unabhängig davon, von der Polizei aufgelesen worden sein können. Ich weiß es eben ja nicht genau.

Abberline sagte im Zusammenhang mit Isaacs:

“Keep this quiet, we have got the right man at last, this is a big thing”!

Das könnte man auch über David Cohen gedacht haben.

Was ich aber total spannend finde, ist die Adresse des “Bordells“, 254 Whitechapel Road. Hinter dieser Adresse lag, noch geteilt durch die Fieldgate Street, das Wohngebiet der Geschwister von Aaron Kozminski, Matilda Lubnowski und Isaac Abrahams. Auch Bruder Woolf Abrahams zog es nach der Providence Street (des eigentlichen Themas hier) in die Yalford Street, der Parallel- Straße der Greenfield Street. Das war das nördliche Ende dieses Gebietes, am südlichen Ende der Greenfield Street, wollte Zeuge Matthew Packer seine gesehene Person wiedererkannt haben. Man kann sagen, in diesem Bereich war Aaron Kozminski “zuhause“. Und in dieser Gegend, der 6 Yalford Street, lebte (zumindest um 1891) der Rabbi Israel Lubnowski, mit Sicherheit ein älterer Bruder von Morris Lubnowski, seines Zeichens wiederum Ehemann von Matilda und Schwager von Aaron Kozminski. Bruder Woolf Abrahams war dann in der 34 Yalford Street beheimatet, nachdem er aus der Providence Street wegzog, zumindest war er hier ab spätestens Anfang 1889 daheim. Der Rabbi Israel Lubnowski nannte sich damals (1891) bereits Cohen, der Rest der Familie zog mit diesem Namen ja auch nach. Vielleicht gehörte dieser N. Cohen eben auch zum Lubnowski Zweig dieser Gesamtfamilie. Man weiß es nicht.

Diese Adresse bekommt aber noch ein anderes Gewicht. Und zwar durch Sergeant Stephen White:

“For five nights we had been watching a certain alley behind the Whitechapel Road. It could only be entered from where we had two men posted in hiding, and persons entering the alley were under observation by the two men. It was a bitter cold night when I arrived at the scene to take the report of the two men in hiding. I was turning away when I saw a man coming out of the alley. He was walking quickly but noiselessly, apparently wearing rubber shoes, which were rather rare in those days. I stood aside to let him pass, and as he came under the wall lamp I got a good look at him.
He was about five feet ten inches in height, and was dressed rather shabbily, though it was obvious that the material of his clothes was good. Evidently a man who had seen better days, I thought, but men who had seen better days are common enough down East, and that of itself was not sufficent to justify me in stopping him. His face was long and thin, nostrils rather delicate, and his hair was jet black. His complexion was inclined to be sallow, and altogether the man was foreigh in appearance. The most striking thing about him, however, was the extraordinary brilliance of his eyes. They looked liked two very luminous glow worms coming through the darkness. The man was slightly bent at the shoulders, though he was obviously quite young - about thirty three, at the most - and gave one the idea of having been a student or professional man. His hands were snow white, and the fingers long and tapering.
As the man passed me at the lamp, I had an uneasy feeling that there was something more than usually sinister about him, and I was strongly moved to find some pretext for detaining him; but the more I thought it over, the more I was forced to the conclusion that it was not in keeping with British Police methods that I should do so. My only excuse for interfering with the passage of this man would have been his association with the man we were looking for, and I had no real grounds for connecting him with the murder. It was true I had a sort of intuition that the man was not quite right. Still, if one acted on intuition in the Police force, there would be more frequent outcries about interference with the liberty of subject, and at that time the Police were criticized enough to make it undesirable to take risks.
The man stumbled a few feet away from me, and I made that an excuse for engaging him in conversation. He turned sharply at the sound of my voice, and scowled at me in a surely fashion, but he said "Good-night" and agreed with me that it was cold.
His voice was a surprise to me. It was soft and musical, with just a tinge of melancholy in it, and it was a voice of a man of culture - a voice altogether out of keeping with the squalid surroundings of the East End.
As he turned away, one of the Police officers came out of the house he had been in and walked a few paces into the darkness of the alley. "Hello! what is this?" he cried, and then he called in startled tones to me to come along.
In the East End we are used to shocking sights, but the sight I saw made the blood in my veins turn to ice. At the end of the cul-de-sac, huddled against the wall, there was the body of a woman, and a pool of blood was streaming along the gutter from her body. It was clearly another of those terrible murders. I remembered the man I had seen, and started after him as fast as I could run, but he was lost to sight in the dark labyrinth of the East End mean streets.”

(bestimmte Angaben von White vernachlässige ich erst einmal)

Hinter der Whitechapel Road? Hatte das etwas mit den Bordellaktivitäten in der 254 Whitechapel Road zu tun? Scott Nelson (u.a.David Cohen und das Butcher´s Row Suspect im Ripperologist) behauptete dieser Tage dazu folgendes:

“Probably the alley behind he P.I.A Gapnaham Boot & Shoe Manufacturing Company. The murderer probably hung around Fieldgate Street.”

Warum, dass wird er uns dieser Tage sicherlich noch beantworten, er gehört zu den Koryphäen des Themas JtR.

Aber wie bereits erwähnt, die Fieldgate Street lag hinter der Bordelladresse und “verband“ die Yalford Street und die Greenfield Street mit dieser Adresse.

“Ein junger Student“? Passt zu dem “Krankenhaus in Polen, wo der polnische Jude einst angestellt war“, wie wir aus einer Version von Macnaghten´s Memorandum wissen.

Zur Adresse 254 Whitechapel Road habe ich mich selber einmal zitiert:

Der Brothel- Vorfall im Falle Gertrude Smith, bei dem N. Cohen und Aaron Davis Cohen (später David Cohen) verwickelt waren, fand wohl in der 254 Whitechapel Road, Ende November/Anfang Dezember 1888 statt. Am 1. Oktober 1888, nach dem Double Event, fand Thomas Coram ein Messer vor der 253 Whitechapel Road. Und dann wurde es noch spannender, in den 1880er Jahren wurde die 254 Whitechapel Road von John Levy (Cigar Shop) geführt. Er war der Bruder von Fanny Levy (29 Mitre Street 1888) und Sie, gut möglich, eine Cousine des Mitre Square Zeugen Joseph Hyam Levy. Noch interessanter ist, die 253/254 Whitechapel Road lag ein paar Meter nördlich von der Yalford Street/ Greenfield Street entfernt. Die Greenfield Street war der Wohnort von Aaron Kozminski´s Bruder Isaac und seiner Schwester Matilda. Von der Providence Street, in die Yalford Street, zog der andere Bruder, Woolf, Ende 1888/Anfang 1889.

Diese Bordell- Geschichte kann man nun noch mit einigen Angaben ergänzen:

Der Mitre Square Zeuge Joseph Hyam Levy heiratete bekanntlich 1866 eine Amelia Lewis. Sie lebten zur Zeit der Morde in der 1 Hutchinson Street, direkt hinter der Butcher´s Row. Auch bei der Einbürgerung (1877) eines gewissen Martin Kosminski spielte er eine Rolle.

Um 1850:

Ann und Barnett Levy, Zigarren- und Orangenhändler (“Orange Market“ am Mitre Square), hatten vier Kinder

John
Samuel
Lewis
Fanny

und lebten 29 Mitre Street.

Um 1888 war nur noch Fanny Levy daheim (obwohl sie zwischendurch einmal in der 24 Mitre Street lebte, jedoch verwitwet zurückkehrte).

Samuel Levy lebte in den 1840,1850er in der 17 und 23 Mitre Street und zog dann neben Joseph Hyam Levy´s Vater, Hyam Levy, in die 39 Middlesex Street. Als Orangenverkäufer war er 1888 wieder in der Mitre Street zu finden, diesmal in der Nummer 20.

Lewis Levy lebte in den 1860er in 8 Mitre Square, dahinter fand man 1888 die Leiche von Catherine Eddowes. 1891 lebte er 5 Sion Square. Zu dieser Zeit lebte Woolf Abrahams und sicherlich wenigstens Zeitweise Aaron Kozminski dort (3 Sion Square). Schon hier ist es erstaunlich, dass ein Cousin vom Mitre Square Zeugen Jospeh Hyam Levy, der ja einen Kosminski kannte, neben einem Ripper Suspect, nämlich Aaron Kozminski lebte. Es ist anzunehmen, dass Lewis Levy einen (oder gar zwei?) leibhaftigen Jack the Ripper Kandidaten in schöner Regelmäßigkeit zu Gesicht bekam.

Diese Familie, die aus Lyons, Lewis und Levy bestand, bewohnte in den 1870 und 1880er die Mitre Street in den Nummern 16, 17, 19, 21, 24, 25, 29, 30 und 34 Mitre Street.

Jener John Levy führte nun diesen Cigar Shop in der 254 Whitechapel Road. Thomas Coram fand dort ein Messer und es scheint, das John Levy, bereits im Seniorenalter, Gertrude Smith sein Arbeitsdomizil zur illegalen Bordellbenutzung überließ, zumindest zeitweise.

Joseph Hyam Levy hatte einen weiteren Cousin, der als Ripper- Suspect gehandelt wird, Jacob Levy.

Die 254 Whitechapel Road lag aber eben auch unmittelbar und nur wenige Meter entfernt von der Greenfield Street, der Yalford Street, dem Sion Square, der Fieldgate Street, also genau dort, wo die Kozminski Familie lange Zeit zu Hause war. Joseph Hyam Levy kannte einen Kosminski, sein Cousin Lewis lebte, zumindest eine Zeit lang, neben Woolf Abrahams und somit neben Aaron Kozminski.

David Cohen (Aaron Davis Cohen), der Mann aus der Bordell- Geschichte, hatte die Adresse 86 Leman Street. Bis zum “Bordell“ wären es bis zur 254 Whitechapel Road knapp 500m Fußweg gewesen. Leman Street nördlich hoch, dann einbiegen in die Whitechapel Road.

Diese Adresse, 254 Whitechapel Road, der Shop von John Levy und das vermutliche Bordell dort und eben die Verbindung vom Zeugen Joseph Hyam Levy zu John Levy und auch zu Lewis Levy im Sion Square, die Verbindungen zu Martin Kosminski und den Wohnbereich der Kozminski- Familie um die Adressen der Abrahams und Lubnowski, die Verbindung zum Mitre Square und zu drei “Verdächtigen“ Jacob Levy, David Cohen und Aaron Kozminski, die alle drei Paranoide Schizophrene waren, sind schon sehr bemerkenswert.

Nun, ob Joseph Hyam Levy der Zeuge im Seaside Home gewesen war, darf man ruhigen Gewissens bezweifeln. Dieser Zeuge dort, bekam erst mit der Zeit mit, dass er einen Juden, einen Glaubensgenossen, identifiziert hatte. Wobei, Cohen hätte ihm so nicht bekannt gewesen sein müssen. Aber auch dabei gilt zu bedenken, dass dieser bei einer Identifikation in 1890/91 nicht mehr am Leben gewesen war. Jacob Levy war zumindest ein Butcher, was für die Butcher´s Row wichtig wäre. Aber auch in der Kozminski Familie gab es mütterlicherseits ein Schlachterfamilie, Jacob Cohen war in diesem Business auch sehr erfolgreich.

Seht auch bitte hier:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?p=205123#post205123

oder hier:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=1128&page=8

Wieder etwas Kurioses am Rande der Ripperjagd! Es ist schon erstaunlich, was man immer wieder zusammentragen kann. Fernab jeglichen Aktionismus sondern mit voller Konzentration, so gehen einige Interessierte und Forscher an´s Werk. Weitab von durchsichtigen Gebaren und Hilflosigkeit. Diese Leute mit ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Einstellung, ja, davor möchte ich den Hut ziehen und dem allen Respekt zollen. Sie gehen aktiv an´s Werk, kein bloßes Gelaber und tief unter die Oberflächlichkeit. Sie gehören nicht zu den Wanderern, die im dunklen Wald pfeifen müssen, weil sie wissen, wohin die Reise geht. Manchmal ganz allein, suchen sie dabei erst gar nicht den falschen Gefährten. Ich weiß, das nennt man Mut.

Beste Grüße,

Lestrade.


   



Nun sind das eben meine Gedanken zu dieser Konstellation. Wie ich schon den Schäfer im Mordfall Tristan Brübach ansprach und jetzt eben auch Joseph Isaacs und Hyam Hyams, könnte ich auch noch Antoni Pricha ansprechen. Damals 30 Jahre alt, 1,67m groß, langes, dunkles und welliges Haar. Isaac und Pricha entsprachen vielleicht den (Täter?)Beschreibungen des Zeugen George Hutchinson und vielleicht auch ganz genau den Beschreibungen anderer Zeugen wie Mr. Donovan oder Mrs. Thompson. Detektiv Cox sagte ja über seine obervierte Person:

“ The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair…”,

Also auch 1,67m groß mit dunklen Haaren, die in dem Falle nicht wellig sondern lockig waren. Haare wachsen und können geschnitten werden…

Diese Personen wurden offenbar gesucht, besser gesagt nur eine davon. Und ich denke, dass diese Person Aaron Kozminski war und dass er auch der Aaron Cohen aus dem Bordell gewesen sein könnte und der spätere David Cohen nur im falschen Moment am falschen Ort war.

Noch einmal Cox:

“We had many people under observation while the murders were being perpetrated, but it was not until the discovery of the body of Mary Kelly had been made that we seemed to get upon the trail. Certain investigations made by several of our cleverest detectives made it apparent to us that a man living in the East End of London was not unlikely to have been connected with the crimes.”

Nun wäre es ja möglich, dass die Polizei über dieses Bordell an die Information kam, dass dieser “Cohen”der Mann war, der am Morgen des Chapman Mordes, mit Blut an sich, eben dort gesehen wurde. Nun war es jedoch mehr oder weniger so, dass sie ihn auf frischer Tat hätten erwischen müssen. Und wie schon angesprochen, sie, die City Police, hätten ihn von da an observiert haben können. Was, wie gesagt, auch immer in diesem Bordell passiert ist, es hätte die (erhoffte) Spur sein können, über die Cox sprach. Und man war eben vorher in der Lage das Bordell (aus dem September) ausfindig zu machen und es zu observieren, bis der Verdächtige wieder einmal hereinspazierte. Pricha (13.11.) und Isaacs (5.12.) sowie Cohen (7.12.) waren alles “Ausländer“ aber möglicherweise hatte KEINER etwas mit den Ripper Morden zu tun. Ebenso wie Hyams, der, glaube ich, Ende Dezember 1888 wieder einmal “gebändigt“ werden musste. Wie das nun alles, falls überhaupt relevant, bis in das kleinste Detail ausgesehen haben mag, weiß ich auch nicht. Ich halte es jedoch für möglich, dass die MET Police und die City Police für einige, wenige Tage aneinander vorbeiredeten. Die MET könnte im Oktober 1888 bereits an Aaron Kozminski dran gewesen sein. Und die City Police eben ab Ende November 1888/ Anfang Dezember 1888. Vielleicht haben beide Einheiten unabhängig voneinander, mehr oder weniger wissentlich, den gleichen Hauptverdächtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgemacht. In den nachfolgenden Monaten des Horrorherbstes 1888, hätte sich das zwischen beiden relativiert haben können.

Letztendlich könnten wir über den “Irrtum“ David Cohen erfahren, wer in Wahrheit gesucht wurde. Ein polnischer Jude, der nicht ganz richtig im Kopf gewesen sein sollte, das wussten wir ja. Aber keine Quelle sagt uns das genaue Alter oder seinen tatsächlichen Beruf. David Cohen war ja vollkommen unkommunikativ. Soll er selber gesagt haben, er sei 23 Jahre alt und Schneider? Oder hat die Polizei diese Dinge einfach vorausgesetzt, weil sie dachten, sie wüssten es eh bereits? Aaron Kozminski war tatsächlich damals 23 Jahre alt und seine Brüder Isaac und Woolf waren Schneider. David Cohen muss nicht unbedingt 23 Jahre alt und Schneider gewesen sein. Das wurden ihm vielleicht nur für kurze Zeit dazu addiert. Diese Angaben hätten auf einen ganz andere Verdächtigen zugetroffen haben können, nämlich Aaron Kozminski.  

Beste Grüße,

Lestrade.
 

Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 19.12.2016 15:18 Uhr
Hier ein Foto der Providence Street aus jener Zeit via Pat Marshall! Da, wo man eine Art Laterne erkennt, weiter hinten, war die Nummer 25, die Adresse in 1888 von Woolf Abrahams, einem Bruder von Aaron Kozminski. Geht man aus der Perspektive des Fotografen ein paar Schritte zurück, weiter rechts, dann stünde man vor dem Stride Tatort Dutfields Yard in der Berner Street. Bewege man sich nach links, wäre dort der Eingang der Batty Street, wo man nach dem Double Event die blutigen Hemden fand. Woolf Abrahams verließ nach dem Fund dieser Kleidung die Providence Street, alsbald danach fand man ihn in der Yalford Street wieder, ganz nahe bei den anderen Geschwistern, Isaac und Matilda in der Greenfield Street. Würde man die Batty Street am anderen Ende verlassen, ginge man direkt auf den Eingang der Greenfield Street zu.
Titel: Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
Beitrag von: Lestrade am 20.12.2016 10:44 Uhr
Muss das kurz korrigieren... die Providence Street existiert ja schon lange nicht mehr. Dort, wo rechts die moderne Häuserreihe steht, war früher eine Häuserzeile und gegenüber, das eingefügte alte Straßenbild, eben die andere Straßenseite mit der Häuserreihe. Heute ist dort ein Park bzw. dahinter Parkplätze. Aber das eingefügte alte Bild ist nicht die Providence Street von jener Seite aus der damaligen Zeit. Es handelt sich vermutlich um ein Teil der damaligen Berner Street. Diese Montage sollte nur darstellen, wie auch ungefähr die Providence Street damals ausgesehen haben muss. Pat Marshall und Chris Phillips sind immer noch auf der Suche nach einem Foto der Providence Street.