Um etwas für unser Zeitungsarchiv zu machen bin ich mal auf der Seite des Bayrischen Staatsarchivs durch die digitalisierte Ausgabe der Coburger Zeitung gestöbert (erstmal nur für Oktober 1888) und habe dabei einige Artikel über die Ripper-Morde gefunden:
Coburger Zeitung
4 Oktober 1888
VERMISCHTES
- London, 27. Sept. Nunmehr ist auch die von dem Leichenbeschauer für Südost-Middlessex geführte Untersuchung über die mit der Ermordung der Annie Chapman in Hanbury-Street, Spitalfields, am 8. Sept. verknüpften Umstände zum Abschluß gebracht worden, ohne daß es gelungen ist, den Thäter zu ermitteln. Einige Bemerkungen in der Ansprache des Leichenbeschauers an die Jury werfen indes ein ganz neues und eigenthümliches Licht auf das mögliche Motiv der sensationellen und grauenvollen Mordthat, sowie über die Persönlichkeit des Mörders. Der Leichenbeschauer hob hervor, daß zwei Dinge vermißt werden, nämlich die an sich wertlosen Fingerringe der Ermordeten und ein gewisses Organ ihres Körpers. Dann fuhr er fort: "Der Körper ist nicht seciert worden; allein die Verletzungen wurden von Jemand verübt, der beträchtliche anatomische Geschicklichkeit und Kenntnisse besaß." Schließlich betonte der Leichenbeschauer Hr. Baxter, daß das Motiv der Mörders klar zu Tage liege. Seine anatomischen Kenntnisse stellen ihn über die Kategorie eines gemeinen Verbrechers, denn diese Kenntnisse können nur erlangt werden durch Betheiligung an Obductionen. Ob die Polizei, welche nun weiß, in welcher Gesellschaftsclasse sie den Mörder zu suchen habe, in der Entdeckung desselben glücklicher sein wird, als bisher, bleibt abzuwarten.
Coburger Zeitung
5 Oktober 1888
Neue Frauen-Morde in der englischen Hauptstadt
London, 1.Oct. Im Ost-Ende von London wurden in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag wieder zwei Frauenspersonen brutal ermordet, und zwar scheint der Thäter dasselbe Scheusal in Menschengestalt zu sein, von dessen bluttriefender Hand augenscheinlich die vier vorhergegangenen scheuslichen Morde verübt wurde. Die ermordeten Frauen gehören, wie in den früheren Fällen, der Classe der "Unglücklichen" an, welche ihren Lebensunterhalt Nachts auf der Straße erwerben. Der Schauplatz des zuerst verübten Verbrechens ist Berner Street, eine enge Gasse, welche in Commercial Road, eine der belebtesten Straßen des Ost-Endes, einmündet. Gegen 1 Uhr Morgens hatte der patrouillierende Constabler nichts auffälliges in der Gasse bemerkt. Als er dieselbe auf seinem Rundgange eine Viertelstunde später passierte, entdeckte er im Thorwege einer Fabrik die Leiche einer Frau, deren Hals von Ohr zu Ohr durchschnitten war. Der Körper der Entseelten war nicht verstümmelt, der Mörder scheint wahrscheinlich nicht Zeit gehabt zu haben, sein Verstümmelungswerk wieder zu beginnen. In der Ermordeten wurde später eine der Prostitution ergeben Frauensperson, Namens Elisabeth Stride, erkannt. Sie soll von geburt eine Schwedin sein. Die Stätte des zweiten Mordes ist Mitre Square, im östlichen Theile der City, unweit des Stadtbezirkes Whitechapel. Gegen 2 Uhr Morgens hatte der wachhabende Constabler in dem Square nichts verdächtiges bemerkt. 10 Minuten später erblickte er beim Schein deiner Laterne die in einer Blutpfütze liegende Leiche einer Frau, deren Hals fast bis zum Nackenwirbel durchschnitten war, während der Unterleib in einer nicht näher zu beschreibenden Weise verstümmelt und fast bis an die Brusthöhle aufgeschlitzt war, aus welcher die Gedärme und andere Organe herausdrangen. Das Antlitz der Ermordeten bot einen fürchterlichen Anblick; die Nase war vollständig abgeschnitten, ein Auge fast aus der Höhle herausgerissen, das linke Ohr fehlte und Stirne wie Wangen waren mit Schnitt- und Stichwunden bedeckt. Diese Verwundungen geben Grund zu der Annahme, daß zwischen dem Mörder und seinem Opfer ein verzweifelter Kampf stattgefunden haben muß. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Schreckenskunde von den zwei neuen Blutthaten durch die ganze Nachbarschaft, und schon in früher Morgenstunde waren Berner Street und Mitre Square, sowie die anstoßenden Straßen, mit Tausenden von Neugierigen gefüllt. Das ganze Ostende befand sich gestern in einem Zustande fieberhafter Aufregung,. Der geheimnisvolle Mörder scheint spurlos verschwunden zu sein, und die Polizei ist rathlos. Zwischen der ersten und zweiten Morthat liegt nur eine kurze Zeitspanne, und es scheint keinen Zweifel zu unterliegen, daß der Mörder zu dem zweiten Verbrechen schritt, nachdem es ihm nicht gelungen war, sein erstes Opfer in der gewöhnlichen Weise zu verstümmeln.
Coburger Zeitung
8.Oktober 1888
Vermischtes
- London, 3.Oct. Die gestern fortgesetzte Leichenbeschauer-Untersuchung über die in der Nacht am Sonnabend in Berner Street, Commercial Road, ermordete Frauensperson hat über dieses Verbrechen nichts Neues zu Tage gefördert, mit Ausnahme des Umstandes, daß die Ermordete von ihrer Schwester als Elizabeth Watts (nicht Stride), die geschiedene Gattin eines wohlhabenden Weinkaufmannes in Bath, identifiziert wurde. Im Ostende war die ermordete unter dem Namen "Long Liz" (die lange Lise) bekannt gewesen. Ihr Gatte hatte sie wegen ihrer Untreue und Trunksucht vor acht Jahren verstoßen, und in London sank sie allmählich von Stufe zu Stufe. Sie war 39 Jahre alt. Die in Mitre Square ermordete Frauensperson ist bis jetzt noch nicht identifiziert. Gestern und vorgestern verhaftete die Polizei mehrere Personen als der That verdächtig, doch mußten dieselben bald wieder entlassen werden, da ihre Schuld nicht nachgewiesen werden konnte. Die Polizei im Stadttheile Whitechapel ist wesentlich verstärkt worden, und alle Straßen und Gassen werden während der Nacht scharf bewacht, um dem Mörder eine Wiederholung seiner Unthaten zu erschweren. Nach Mitternacht läßt sich kein weiblichen Wesen in den Straßen der berüchtigten Quartiere mehr blicken. Der Minister des Inneren hat es abgelehnt, eine Staatsbelohnung auf die Entdeckung des Mörders auszusetzen. Dagegen sind einschließlich der von der Corporation der City ausgesetzten Belohnung von 500 Pfd. St. im Ganzen jetzt 1200 Pfd. St. beisammen, welche demjenigen ausbezahlt werden, dessen Information zur Habhaftwerdung des Verbrechers verhilft.
Coburger Zeitung
12 Oktober 1888
Mittheilungen über die Londoner Polizei
Der Urheber der Frauenmorde im Osten Londons ist noch immer nicht entdeckt. Ende voriger Woche erhielt die Polizei sogar noch allerhand Drohbriefe, unterzeichnet "Jack the Ripper" (Aufschlitzer, Auftrenner), in welchen der Schreiber sich in Hohn auf die Unfähigkeit der Polizei erging und die Mittheilung machte, daß er in der Nacht von Sonnabend sein Mordwerk fortsetzen würde. Obwohl die Polizei diesen "Drohbriefen" keine Wichtigkeit beilegt und sie eher für schlechte Witze, als etwas anderes, ansieht, hielt sie es doch für angezeigt, im Osten, sowie in der City Londons, außerordentliche Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen. Nicht nur wurden die Polizeimannschaften im Stadtbezirk Whitechapel ansehnlich verstärkt, sondern zahlreiche Detectivs und die Angestellten der Wachsamkeitsausschüsse, zumeist kräftige, entschlossene Männer, durchstreifen die ganze Nacht hindurch das Labyrinth der berüchtigten und schlechtbeleuchteten Nebenstraßen, Gassen und Plätze des umfangreichen Bezirks. Diese Vorsichtsmaßregeln erstrecken sich nicht allein auf den Osten Londons, sondern auf andere Stadtteile, wohin, wie man vermuthete, der Mörder den Schauplatz seiner Thätigkeit verlegen dürfte, insbesondere auf die Parks im Westen Londons. Die Nacht verstrich indes, ohne daß irgend eine Ausschreitung zur Kenntnis der Polizei gelangte. Die Polizei beabsichtigte, falls ein neuer ähnlicher Mord verübt wird, Bluthunde zur Aufspürung des Mörders zu verwenden. - In dem jetzigen Augenblick, wo die Thätigkeit in Folge der jüngsten Straßenmorde in erhöhtem Maße in Anspruch genommen wird, ist der eben veröffentlichte Bericht des Polizeichefs, Sir Charles Warren, über das Jahr 1887 nicht ohne Interesse. Die hauptstädtische Polizei zählte am 31. December 1887 im Ganzen 12460 Mann, nämlich 26 Oberaufseher, 766 Inspecteure, 1174 Sergeanten und 10494 Constabler. Den Wachtdienst in den Straßen versehen bei Tage 8773 Constabler, und 60 Procent dieser Zahl ist für den Nachtdienst - von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens - erforderlich. Die Thätigkeit der hauptstädtischen Polizei erstreckt sich über einen Flächenraum von 683 Quadratmeilen. Für den Jahressold der Polizei ist die Summe von 1096277 Pfd. Sterl. ausgeworfen. Seit 1849, im welchem Jahr die hauptstädtische Polizei nur 5493 Mann stark war, sind in London 508852 neue Häuser gebaut worden und neue Straßen und Plätze entstanden, welche eine Ausdehnung von 1833 englischen Meilen haben, während die Bevölkerung von 2473758 auf 5476447 Seelen stieg. Der Polizeichef betont in seinem Bericht, daß in Folge der rapiden Vergrößerung Londons und des Wachsthums ihrer Bevölkerung eine Verstärkung der Polizeimacht dringend geboten sei.
Coburger Zeitung
15 Oktober 1888
Vermischtes
- London, 10. Oct. Die jüngsten furchtbaren Mordthaten im Ostende Londons haben auch den philanthropischen Bestrebungen zur Besserung der Lage des "ausgestoßenen Theiles des Volkes" neuen Impuls verliehen, und die Blätter erhalten fast täglich Vorschläge, wie auch der Classe, welcher die Opfer angehören, eine helfende Hand gereicht werden kann. Der anglicanische Suffragan-Bischof für Ost-London hält ein Nachtasyl für diese Classe von Frauenzimmern nicht für nöthig. Vor allem komme es darauf an, Arbeit für sie zu finden. Der Bischof schlägt deshalb Errichtung von Waschanstalten vor, in welchen namentlich die älteren Frauen Verdienst finden können, die sich häufig nur in der bitteren Verzweiflung einem Leben der Schande hingegeben haben. Der hochverdiente Dr Bernardo, welcher in seinen Homes Tausende von obdachlos auf der Straße aufgefundenen Kindern ausgebildet hat, richtet die Aufmerksamkeit seiner Mitbürger auf die Kinder, welche in den Brutstätten des Lasters nur dem Verbrechen anheimfallen können. Er befürwortet daher Gründung von Nachtasylen für obdachlose Kinder unter 16 Jahren.
Coburger Zeitung
17 Oktober 1888
- London, 12. Okt. (Zu den Londoner Morden) Die von dem Leichenbeschauer der City von London durchgeführte Untersuchung über die am 30 September in Mitre Square ermordete Catherine Eddowes, auch Kelly genannt, wurde gestern zum Abschluß gebracht. Im Widerspruch mit früheren ärztlichen Aussagen gaben die Aerzte, welche die Leiche untersucht hatten, die übereinstimmende Erklärung ab, daß der Verüber der That keine anatomische Geschicklichkeit besitze.
Coburger Zeitung
26 Oktober 1888
- London, 22 Oct. (Verbrechen) In der Nähe von Swansea wurde gestern ein vierjähriges Mädchen von einem 16jährigen Burschen in ein einsames Gehölz gelockt, wo der Unhold dem kleinen Kinde den Hals abschnitt und den Unterleib auftrennte. Der jugendliche Mörder ist in Haft.
Coburger Zeitung
27 Oktober 1888
Zum Lordmayor's Tage
London, 23 Oct. Nachdem der neuerwählte Lordmayor de City von London, Whitehead, welcher am 9. Nov sein Amt antritt, die Absicht bekannt gegeben, das sogenannte Circus-Elements, d.h. Die sich fast jährlich in derselben Meile wiederholenden allegorischen Verherrlichungen des Handels, der Shifffahrt, der Wohltätigkeit und anderer Tugenden der City, aus dem feierlichen Umzuge fortzulassen, entstand die Frage, wie die für die Masse der Londoner Bevölkerung empfindliche Lücke würdig ausgefüllt werden soll, denn würdig müsse der Zug nach Alderman Whiteheads Ansicht ausfallen. Von allen Vorschlägen scheint derjenige des Direktors des Drury-Lane-Theaters, Harris, den meisten Anklang gefunden zu haben, nämlich alle Freiwilligen-Regimenter des sogenannten Home-Districts, das heißt London und Umgegend, aufzubieten und so dem Zuge ein imponierendes bürgerliches (!) Aussehen zu verleihen. Es steht nicht zu bezweifeln, daß das Kriegsministerium seine Erlaubnis erteilen wird, und es werden auch die großen Finanzinstitute und die Geldaristokratie jedenfalls bereit sein, etwaige entstehende Kosten zu decken. Eine besondere Weihe wird der Amtstermin des neuen Lordmayors dadurch erhalten, daß im nächsten Jahre das 700jährige Bestehen der City von London gefeiert werden wird, ein Ereignis, welches von den Vätern der Stadt sicherlich in ziemender Weise gefeiert werden und den Londonern hinlänglich Gelegenheit geben wird, ihre Schaulust zu befriedigen. Eine allfällige Magerkeit des Lordmayor-Umzuges könnte also demnach unschwer wieder gut gemacht werden.
Die zugehörigen Scans können nachgeliefert werden (schließlich kann man sich mal vertippen
)
Viele Grüße;
Shadow Ghost