Autor Thema: Jacob Levy  (Gelesen 293237 mal)

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Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #345 am: 25.12.2016 14:33 Uhr »
Erstmal: Frohe Weihnachten!

Danke Arthur, dir auch ein frohes Weihnachtsfest! Ich hoffe, der Gabentisch war reichlich gedeckt.

Ich hatte damals ja selbst die Ergebnisse des Geoprofiling Programms gepostet, mit dem Wesley English gearbeitet hat, wie du dich vielleicht erinnerst.

Mir ging es eher darum, Mitlesern hier einen Vergleich anzubieten, wenn man denn davon so sprechen kann. Letztendlich meinen diese Profile einen Täter in einem ohnenhin kleinen Bereich. Es wäre ja fast egal, in welcher dieser Straßen er nun tatsächlich lebte, jedes diese Profile läge richtig. Es ist ja sogar für die meisten Laien sinnig, dass Jack the Ripper irgendwo aus der Nähe der Tatorte stammen sollte. Diese geographischen Profile sind sehr komplex und berechnen am Ende aufgrund von Erfahrungswerten bestimmte Hotspots, je nachdem was man eingibt. Dies ist auch abhängig von vielleicht anderen Opfern, wie Millwood, Smith, Tabram, Mackenzie oder Coles oder anderen Attacken bzw. garnicht bekannten Angriffen und vielleicht auch abhängig davon, wo Opfer zuletzt gesehen wurden. Oder auch die Frage, ob Stride dazu gehörte? Oder die Sache mit der Goulston Street. Dazu auch die Frage, wo wurden sie attackiert oder wo zuerst? Genaueres ist da nicht immer bekannt, siehe Smith oder Millwood. Millwood aus der Whites Row, wurde offenbar aber auch in der Nähe dieser Straße angegriffen. Ich denke, es ist Rob Clack, der dort näheres herausgefunden haben könnte. Sicherlich werden wir in absehbarer Zeit davon noch hören. Dennoch passt das ganze Opferprofil eindeutig zu jemanden, der mittig irgendwo im geographischen Profil gelebt haben sollte. Du sagst es ja auch selbst:

Das Programm, mit dem English arbeitete, kam - wenig überraschend - zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit rund um die wichtigste Kreuzung im Viertel, die im inneren Bereich von JTRs Wirkungskreis liegt, besonders hoch ist:
Der Bereich rund um die zentrale Kreuzung Whitechapel High Street / Whitechapel Road / Leman Street / Commercial Street / Commercial Road.


Angesichts der kurzen Wege im Viertel halte ich diese These für wenig plausibel. Sie passt vielleicht auf Täter, die einen größeren Wirkungskreis von vielen Kilometern und deutlich längere Wege im Stundenbereich haben - aber nicht auf einen Täter, der zu Fuß in wenigen Minuten an jedem Punkt seiner Aktivitäten sein konnte.


Na ich denke, dass sind Erfahrungen, die auf allen Tätertypen beruhen.

ist m.E. Bad Science - reine Kaffeesatzleserei.


Da verstehe ich dich nicht! Einerseits sind Canter und Co. für dich wichtig aber bei andere Experten, auf die sich auch berufen wird, wird es dann plötzlich zur Kaffeesatzleserei.

JTRs Wirkungskreis ist mit weniger als einer Quadratmeile sehr klein und die Wege sind kurz - JTR konnte zu Fuß innerhalb weniger Minuten an jeden Punkt seines Wirkungskreises gelangen, daher zeigt so eine Wahrscheinlichkeitsverteilung bestenfalls einen Umkreis von vielleicht einem Hektar an, und damit mehrere Straßen und Häuserblöcke, an dem die Wahrscheinlichkeit für JTRs "Operationsbasis" besonders hoch ist.

Wir reden hier von Differenzen in der Tatzeit von fast fünf Stunden im Vergleich zu Fußwegen von unter fünf bis zu zwanzig Minuten.

Wir reden ja nicht von einer Olympiade. Der Täter ist ja nicht aus seinem Haus gerannt und schnell ab in die Buck´s Row. Bedenke Arthur, dass der Ripper ein unorganisierter Täter war und er schlug zu, wann er es für richtig hielt und er sich, auf seine Art, sicher fühlte. Die früheren Taten, Smith und Tabram, könnten sehr nahe an seinem Wohnsitz gelegen haben und Taten in Nähe des Wohnortes können sich wiederholen, gerade bei dieser Art Täter. Er machte sich sicherlich Gedanken und musste auf Umstände reagieren aber doch sicherlich nicht so, wie ein gesünderer Täter, ich denke, da traust du ihm zuviel zu. Dieser Mann durchstreifte stundenlang die Straßen eines bestimmten Gebietes und wer weiß, welche Dinge er noch zu erledigen hatte. Cox sagte: He occupied several shops in the East End und Sims gab an: was the sole occupant of certain premises in Whitechapel after night-fall. Von Cox wissen wir, dass sein Mann recht schnell im Shop in der Leman Street landete und sich dort für ca. 15 Minuten aufhielt. Waren all diese "Shops" und "Premises" so nahe, könnte es schon länger gedauert haben, sich aus einem relativ engen Gebiet zu entfernen. Vor allem denke ich, dass er selten den Mut aufbrachte, relativ schnell zuzuschlagen, was er hätte können, und das Morden hinauszögerte. Einfach auch deshalb, weil es später des Nachts auch ruhiger wurde, wie man das auch immer für die Lebensumstände damals beschreiben möchte. In diesen Köpfen laufen Filme ab und es ist gut möglich, dass er sich zumindest in erster Zeit nach dem Verlassen seines Wohnsitzes, nahe an dessen auch aufhielt, vielleicht zusätzlich gebunden durch bestimmte, ihm übertragende Aufgaben. Es war vielleicht auch eine Art Ritual, ein Mutsammeln, sich erst einmal nicht allzu weit zu entfernen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal darauf hinweisen, dass bis auf Stride, alle anderen Opfer, ich bleibe mal bei Tabram bis Kelly, oberhalb (nördlich) der großen Haupstraße aufgefunden wurden. Der Stride- Tatort, eine zeitlich frühe Attacke, als auch der Cox Hinweis auf die Leman Street (schnell erreichbar), beschreiben Orte unterhalb (südlich) der Whitechapel Hauptstraße. Da kann man schon in Betracht ziehen, dass der Täter eben südlich der Haupstraße zu finden war und das Stride ein Opfer war, was sich ebenfalls dicht an seinen Wohnort befand, wie vielleicht schon vorher mit Smith und Tabram, die aber auf jeden Fall nicht so weit entfernt lagen wie Nichols, Chapman, Eddowes und Kelly.

Die Opfer wurden meist spät ermordet, Stride viel früher. Das ist schon irgendwie ungewöhnlich in der Serie der K5. Und ein Ansatz könnte sein, dass der Täter nicht allzu weit von seiner Basis entfernt war. Zählt man Smith und Tabram dazu, besteht die Möglichkeit, dass er schon vorher in der Nähe seiner Basis agierte aber schon etwas weiter entfernt und im Falle von Smith, gar schon auf dem Rückweg zu seiner Basis gewesen war. Aber all diese Profile, egal ob psychologisch, geographisch oder zeitlich, sind sehr komplex und keine exakte Wissenschaft, wie bereits treffend von den Experten selber formuliert wurde. Es sind in erster Linie Hilfsmittel, die es bestmöglich zu nutzen gilt.

Ich will dir deine Idee mit Cox und Levy nicht nehmen, denke aber, da ist diesbezüglich einiges in der Pipeline, was darauf hindeuten wird, dass auch Cox über Kosminski sprach. In seinem Falle wird dann auch Aaron Kozminski als jener Mann deutlicher, denn offenbar soll es wirklich so sein, dass Cox einen wichtigen Informanten in der Greenfield Street hatte, nur 5 Türen entfernt von Isaac Abrahams und Matilda Lubnowski. Das angesprochene zeitliche Profil wird dabei aber dann auch interessanter, weil Stride, als zeitlich frühes Opfer, in unmittelbarer Nähe zu finden ist, an einem Ort, an dem Woolf Abrahams zur Zeit des Mordes lebte (Providence Street) bzw. gar einmal direkt lebte (1882 neben dem Dutfields Yard) und die Greenfield Street nur 3-4 Minuten davon entfernt lag. Erste, mutmaßliche Opfer wie Smith und Tabram, kommen der Greenfield Street dann am nächsten aber dann entfernen sich die Tatorte Nichols, Chapman, Eddowes und Kelly immer weiter.

Der Ripper lebte in einer sehr kleinen Welt, gedanklich als auch geographisch, im Gegensatz zu vielen anderen Serientätern. Aber wie so oft in dieser Welt, ist es im Kleinen nicht anders als im Großen und ich denke, so sollte man auch die verschiedenen Profile betrachten.

Ich bekomme schon mit, dass dort einiges an neuen Informationen vorhanden sein wird und muss aber auch gestehen, dass ich nicht alles erfahren soll, so mein Eindruck. Das ist auch okay. Da muss ich mich, wie jeder andere auch, gedulden.

Ich will dir da nichts wegnehmen, es soll eben nur ein Hinweis darauf sein, mit Cox in deinen Berechnungen etwas offener zu sein. Es könnte eben gut sein oder besser denn je, dass er nicht über Levy sprach.

Hoffe, du nimmst mir das nicht übel, ich bin ja auch in der Situation eher abwarten zu müssen.

Für mich war stets die Idee mit seiner Flucht in der Nacht des Double Events besonders interessant. Via Church Lane und Goulston Street sah ich ihn eher im Bereich der Osborn Street bzw. nahe des George Yard, den mutmaßlichen frühen Opfern Smith und Tabram. Ich halte das für gut aber es ist wohl eher wertlos.

Lestrade.
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #346 am: 25.12.2016 17:48 Uhr »
Hallo Lestrade!

War bisher ein besinnliches Weihnachten, wir machen uns keine großen Geschenke.
Allerdings werde ich mir im neuen Jahr die Neuauflage von Schachners Buch gönnen. Bin mal auf die Aktualisierung gespannt.


Was das geographische Profil angeht:

Zitat
Der Täter ist ja nicht aus seinem Haus gerannt und schnell ab in die Buck´s Row. Bedenke Arthur, dass der Ripper ein unorganisierter Täter war und er schlug zu, wann er es für richtig hielt und er sich, auf seine Art, sicher fühlte. (...)
Dieser Mann durchstreifte stundenlang die Straßen eines bestimmten Gebietes und wer weiß, welche Dinge er noch zu erledigen hatte. 

Damit beschreibst du ja genau das, was ich meinte, als ich sagte: Wir können von der Uhrzeit der Taten keine plausible Korrelation zur Nähe seiner "Operationszentrale" ableiten.
Du widerspricht doch damit selbst der These, dass eine frühere Tatzeit eine größere Nähe zu seiner Zuflucht vermuten lässt.
Vielmehr bestätigt das doch meine Ansicht, dass in einem so kleinen, fußläufigen Wirkungsbereich es viel stärker von anderen Faktoren (z.B. Glück bei der Opfersuche) abhängt, wann er zugeschlagen hat, als von der Länge des Weges zum Tatort.
Nochmal zur Veranschaulichung der Größenordnung: Die Tatzeiträume differieren um rund fünf Stunden - die Unterschiede der Wegzeiten in seinem Wirkungsbereich machen nur wenige Minuten aus.


Zitat
Da verstehe ich dich nicht! Einerseits sind Canter und Co. für dich wichtig aber bei andere Experten, auf die sich auch berufen wird, wird es dann plötzlich zur Kaffeesatzleserei. 

Ich sage ja nicht, dass sie m.E. grundsätzlich falsch liegen mit der These von der Korrelation Tatzeit-Täternähe.
Ich bin lediglich der Ansicht, dass sie in diesem speziellen Fall nicht anwendbar ist.

Im Allgemeinen ist der Wirkungskreis von Serienmördern spätestens ab der Jahrhundertwende - insbesondere dank moderner Verkehrsmittel - doch viel größer als damals bei JTR. Man kann sagen, dass JTR in dieser Hinsicht eher untypisch ist.
Wenn man mehrere oder gar viele Kilometer und damit Zeiträume im Stundenbereich zwischen den Tatorten hat, dann stellt die notwendige "An- und Abreise-Zeit" tatsächlich einen wichtigen Faktor dar, um Korrelationen mit den Tatzeiten und Zeitfenster zu erstellen, um plausible Weg-Zeit-Relationen für den Täter zu ermitteln: Ginge das noch zeitlich, wenn er am anderen Ende seines Wirkungsbereichs angesiedelt wäre oder müsste er doch eher näher an Tatort X wohnen? Müsste er für Tatort X nicht früher aufbrechen, als wegen bestimmter Restriktionen möglich wäre? Müsste seine Zuflucht nicht näher sein, um rechtzeitig aus der Öffentlichkeit verschwinden zu können usw.?

Aber innerhalb dieser knappen Quadratmeile mit seinen paar hundert Metern bzw. wenigen Minuten Fußmarsch wäre es rein zeitlich betrachtet von praktisch jedem Ort innerhalb seines Wirkungskreises aus zu bewältigen gewesen. Daher lässt sich m.E. aus der frühen Uhrzeit der Tat keine größere Nähe zum Täter vermuten.

Von dem bereits erwähnten Problem einmal ganz abgesehen, das im Falle JTR eher das umgekehrte plausibel erscheinen lässt: Solange der Täter genug Zeit hat, kann er sich zu Fuß weiter weg bewegen - aber sobald es eng wird mit der Zeit, muss er was in seiner Nähe finden oder abbrechen.

Je früher die Morgenstunden bereits vorangeschritten waren, desto weniger Zeit blieb ihm, noch ein Opfer zu finden, die Tat zu begehen und wieder sicher zurückzukehren.
Wenn JTR erst spät los konnte, oder er lange herumgestreift war, ohne ein passendes Opfer zu finden, musste er sich beeilen: Dann gehen Täter i.d.R. an die Orte, die sie am besten kennen, und von denen sie schnell wieder zurück sind.
Dasselbe gilt für das knappe Zeitfenster beim Eddowes-Mord.


Zitat
Für mich war stets die Idee mit seiner Flucht in der Nacht des Double Events besonders interessant. 

Für mich auch - so bin ich ja zu ein paar wichtigen Aspekten seines geographischen Profils gekommen.
 
Gehen wir das Double Event nochmal durch:
JTR wird beim Stride-Mord kurz vor ein Uhr gestört und er flüchtet. Die Minuten seiner Flucht sind der Zeitraum, den er hatte, um sich wieder zu sammeln, zu entscheiden ob er abbrechen sollte oder es noch einmal probieren und sich für das nächste Jagdgebiet zu entscheiden.
Er läuft dabei höchstwahrscheinlich erst einmal in Richtung seiner Zuflucht - dies ist psychologisch plausibel: Was machen wir, wenn wir unter hohem Druck stehen? Wir begeben uns wieder auf sicheres Terrain, um den Druck zu verringern und die Kontrolle wieder zu erringen.
Er weiß, er hat jetzt nicht mehr viel Zeit: Wenn Strides Leiche gefunden wird, ist das East End wieder im Aufruhr, die Polizei und die Vigilanten werden durch die Straßen hetzen und jeden kontrollieren, die Bevölkerung wird auf jede verdächtige Erscheinung besonders sensibel reagieren.
 Er will weitermachen, muss also schnell ein neues Opfer finden. JTR entscheidet sich in der Kürze der Zeit für die Umgebung des Prostituiertentreffs bei St. Botolphs Church - warum? Vermutlich, weil er sich dort besonders gut auskannte und es ihm ermöglichen würde, hinterher schnell unterzutauchen. Wahrscheinlich hat er die Gegend deshalb bisher gemieden: Zu viele Leute dort, die ihn wiedererkennen könnten, zu nahe bei ihm. Aber jetzt ist der Drang, die Tat zu vollenden, größer als die Sorge vor dem Erwischtwerden.
Der Weg bis zur Umgebung Mitre Square dauert mindestens rund ein Viertelstunde (ohne Zwischenstopp in seiner Zuflucht), wenn er ein paar Haken schlägt, vielleicht zwanzig Minuten. Damit hatte JTR rund 10 Minuten, um ein Opfer zu finden und klar zu machen. Das ist ein knappes Zeitfenster - aber es hat geklappt. Daher liegt die Vermutung nahe, er wusste genau, wohin er ging und dass er dort wahrscheinlich schnell erfolgreich sein würde. Er hat es auch geschafft, die Beats der PCs abzupassen und die Tat zu vollenden - aber es war verdammt knapp, und jetzt müsste er von der Straße weg.
Er flieht in Richtung seiner Zuflucht, doch er hört die Pfeifen und Stiefel der Polizisten hinter sich. Es ist jetzt zu riskant, nach Hause zurückzukehren, also muss er weiter...

Ich würde mal sagen, das Geschehen beim Double Event zeugt von einem hohen Zeitdruck, unter dem JTR gestanden haben muss. Und wie ich bereits angeführt habe: Wohin begibt man sich, wenn man unter hohem Druck steht? Auf bekanntes Terrain.
Daher halte ich die geographischen Profile für plausibel und auch den Butcher's Row Suspect für bedeutend.


MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 25.12.2016 18:31 Uhr von Arthur Dent 2 »

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #347 am: 25.12.2016 19:44 Uhr »
War bisher ein besinnliches Weihnachten, wir machen uns keine großen Geschenke.
Allerdings werde ich mir im neuen Jahr die Neuauflage von Schachners Buch gönnen. Bin mal auf die Aktualisierung gespannt.

Oh, das kann ich nur empfehlen! Freue mich mit dir.

Was das geographische Profil angeht:

Damit beschreibst du ja genau das, was ich meinte, als ich sagte: Wir können von der Uhrzeit der Taten keine plausible Korrelation zur Nähe seiner "Operationszentrale" ableiten.
Du widerspricht doch damit selbst der These, dass eine frühere Tatzeit eine größere Nähe zu seiner Zuflucht vermuten lässt.

Wie genau beschreibe ich das und widerspreche der These?

Ich denke, man sollte nicht sicher in der Annahme sein, dass der Täter bewusst ganz logisch agierte. Denke, wir sind uns einig, dass es sich um einen Mann handelte, der psychisch sehr krank und sicherlich nur in minimaler Ausrichtung normales Verhalten gegenüber eines gesunden Menschen zeigte. Täter verraten sich durch unbewusste Handlungen, genau wie wir als nicht kriminelle Personen. Unbewusst wird Jack the Ripper sich bemüht haben, ich schreibe "bemüht", sich von seiner Basis von Tat zu Tat etwas weiter zu entfernen. Bei dem, was er für seine Taten hielt. Das könnte so sein, wenn Smith und Tabram zu seinen Opfern zählte. Nach ihnen, oder zumindest Tabram, wurden die Entfernungen etwas weiter und auch etwas später, Nichols und Chapman. Plötzlich nähert der Tatort sich wieder etwas dem Tabram Tatort und das wieder zu einem früheren Zeitpunkt, um sich dann wieder zu entfernen, Eddowes und Kelly. Da könnte durchaus ein Zusammenspiel zwischen Uhrzeiten und Entfernung der Tatorte von der Basis aus gesehen, eine Rolle spielen. Nehme doch das Beispiel von Cox:

Der Mann verlässt nach Einsetzen der Dunkelheit seinen Shop und ist zügig in der Leman Street und geht dann weiter runter nach St. George in the east, was sich an der Leman Street anschloß. Dort sprach er eine betrunkene Frau an. Danach ging es wieder hoch Richtung eines Model Lodging Houses und da es so geschrieben ist, dass man davon ausgehen kann, dass damit ein bekanntes gemeint sein könnte, war das entweder George Building in George Yard oder das in der Goulston Street. Wieder sprach er eine Prostituierte an und ging diesmal sogar ein Stück mit ihr. Dieser Verdächtige sprach kurz nach dem Dunkelwerden in ziemlicher Nähe seiner Basis eine Frau an. Etwas später und etwas weiter weg, ging er sogar mit der anderen Frau und wurde am Ende handgreiflich indem er sie wegstieß. Auch wenn dies nur eine kurze Sequence ist, könnte sie bedeuten, dass er zu einer frühen Uhrzeit eine Frau in seiner wohnlichen Umgebung ansprach. Und hier können wir das mit dem Double Event vergleichen. Denke wir uns Cox weg und sehen diese erste Frau als Opfer an, dann wäre sie räumlich und uhrzeitlich näher an seiner Behausung als die zweite Frau, die er weiter entfernt und zu einem späteren Zeitpunkt ansprach und die hätte zum Opfer werden können und in unserer Überlegung nun auch ist. Es wäre der Double Event noch einmal gewesen. Dieses Szenario schließt aber Jacob Levy erst einmal nicht aus, zumindest zu Beginn der Erfahrung jener Nacht, von der uns Cox mitteilte. Allerdings wären die Locations dieser Model Lodging Häuser, ein Tick zu dicht an Levys Adresse in der Middlesex Street. Der Verdächtige von Cox sollte etwas weiter davon, wenn vielleicht auch nicht viel, entfernt gewohnt haben. Andere Adressen von Levy passen da nicht, da Cox ja von "seinem Shop" sprach. Leider wissen wir ja auch nicht, wie weit er mit der zweiten Frau ging. Aber gut möglich, dass es der äußere Radius war, den wir mit Nichols, Chpaman und Kelly erkennen. Dann wurde es immer später und weiter. Ich kann mir gut vorstellen, dass er sich zunächst, zu frühere Stunde, in seiner Umgebung aufwärmte und dann, mit mehr Mut, sich von seiner Basis entfernte. Was es auch immer im Stride Szenario gewesen war, irgendetwas hat ihn dazu hinreißen lassen, zuzuschlagen, was ihn am Ende auch nicht wirklich erfolgreich sein ließ. Ein geistig gesünderer Täter hätte darauf verzichtet, wohlmöglich, aber ihn könnte das sogar "verraten" haben. 

Je früher die Morgenstunden bereits vorangeschritten waren, desto weniger Zeit blieb ihm, noch ein Opfer zu finden, die Tat zu begehen und wieder sicher zurückzukehren.
Wenn JTR erst spät los konnte, oder er lange herumgestreift war, ohne ein passendes Opfer zu finden, musste er sich beeilen: Dann gehen Täter i.d.R. an die Orte, die sie am besten kennen, und von denen sie schnell wieder zurück sind.
Dasselbe gilt für das knappe Zeitfenster beim Eddowes-Mord.

Aber Arthur, wir gehen doch davon aus, dass er das ganze Gebiet, dass relavant ist, in- und auswendig kannte oder nicht? Um ca. 3.45 Uhr fand man Nichols in der Buck´s Row. Bis zu Levys Adresse in der Middlesex Street, von der Bucks Row aus, ist es, im Vergleich zu Kosminski, die weiteste Entfernung aller K5. So schnell war er da nicht daheim und es war schon spät. Und er wird ja kaum danach in den Puff, der bei John Levy in der Whitechapel Road lief, gegangen sein, jedenfalls nicht unmittelbar. Also schnell und sicher zurücksein, in diesem Falle? Oder verstehe ich das falsch?


Gehen wir das Double Event nochmal durch:
JTR wird beim Stride-Mord kurz vor ein Uhr gestört und er flüchtet. Die Minuten seiner Flucht sind der Zeitraum, den er hatte, um sich wieder zu sammeln, zu entscheiden ob er abbrechen sollte oder es noch einmal probieren und sich für das nächste Jagdgebiet zu entscheiden.
Er läuft dabei höchstwahrscheinlich erst einmal in Richtung seiner Zuflucht - dies ist psychologisch plausibel: Was machen wir, wenn wir unter hohem Druck stehen? Wir begeben uns wieder auf sicheres Terrain, um den Druck zu verringern und die Kontrolle wieder zu erringen.
Er weiß, er hat jetzt nicht mehr viel Zeit: Wenn Strides Leiche gefunden wird, ist das East End wieder im Aufruhr, die Polizei und die Vigilanten werden durch die Straßen hetzen und jeden kontrollieren, die Bevölkerung wird auf jede verdächtige Erscheinung besonders sensibel reagieren.
 Er will weitermachen, muss also schnell ein neues Opfer finden. JTR entscheidet sich in der Kürze der Zeit für die Umgebung des Prostituiertentreffs bei St. Botolphs Church - warum? Vermutlich, weil er sich dort besonders gut auskannte und es ihm ermöglichen würde, hinterher schnell unterzutauchen. Wahrscheinlich hat er die Gegend deshalb bisher gemieden: Zu viele Leute dort, die ihn wiedererkennen könnten, zu nahe bei ihm. Aber jetzt ist der Drang, die Tat zu vollenden, größer als die Sorge vor dem Erwischtwerden.
Der Weg bis zur Umgebung Mitre Square dauert mindestens rund ein Viertelstunde (ohne Zwischenstopp in seiner Zuflucht), wenn er ein paar Haken schlägt, vielleicht zwanzig Minuten. Damit hatte JTR rund 10 Minuten, um ein Opfer zu finden und klar zu machen. Das ist ein knappes Zeitfenster - aber es hat geklappt. Daher liegt die Vermutung nahe, er wusste genau, wohin er ging und dass er dort wahrscheinlich schnell erfolgreich sein würde. Er hat es auch geschafft, die Beats der PCs abzupassen und die Tat zu vollenden - aber es war verdammt knapp, und jetzt müsste er von der Straße weg.
Er flieht in Richtung seiner Zuflucht, doch er hört die Pfeifen und Stiefel der Polizisten hinter sich. Es ist jetzt zu riskant, nach Hause zurückzukehren, also muss er weiter...

Ich würde mal sagen, das Geschehen beim Double Event zeugt von einem hohen Zeitdruck, unter dem JTR gestanden haben muss. Und wie ich bereits angeführt habe: Wohin begibt man sich, wenn man unter hohem Druck steht? Auf bekanntes Terrain.
Daher halte ich die geographischen Profile für plausibel und auch den Butcher's Row Suspect für bedeutend.

Den Zeitdruck kann man sicherlich unterschiedlich bewerten. Wir sprechen hier von einem zwanghaften und in kurzen Abständen mordenden Serienkiller auf kleinem Gebiet. Dieser Mann sollte ohnehin paranoid gewesen sein. Zeit hatte er sicherlich keine mehr, sonst wäre sein Radius auch größer gewesen. Ich denke, es fiel ihm ohnehin schwer, sich im Zaum zu halten. Er fühlte sich gehetzt, auch durch unterschiedliche gefühle wie Lust, Freude aber eben auch Angst und das galt es auch noch vor allen anderen zu verbergen. Und hier noch einmal, dass war für ihn alles bekanntes Terrain. Die Entscheidung wohin es nun geht, mit dieser Mordlust, hängt sicherlich nicht nur mit einer sicheren Adresse zusammen. Tabram war mittig, Nichols im Osten, Chapman im Norden und nun Stride im Süden. Eine Option wäre auch, dahin zu gehen, wo er noch nicht agiert hatte und das war der Westen, der Tatort von Eddowes. Nehme Kosminski als einen der Hauptverdächtigen. Der Mord fand in unmittelbarer Nähe seines Bruders Woolf statt. Hinter dem Dutfields Yard wohnten eventuell andere Angehörige (Lubnwoskis in Batty Gardens). War er der Täter, entfernte er sich aus gutem Grunde aus der Gegend, gerade dann, wenn er bei Woolf wohnte. Hier ging der Täter nicht nach Hause sondern entfernte sich weiter und ging auch nicht unmittelbar nach der Tat im Mitre Square heim, was wir an der Goulston Street erkennen. Er hätte wissen können, dass die Polizei unmittelbar Befragungen in der Gegend durchführen wird und dazu gehörte auch der Haushalt seines Bruders Woolf. Das alles wäre auch eine Form von Zeitdruck im Zusammenspiel mit anderen Konstellationen. Ich verstehe schon was du meinst, aber nach Stride in Richtung Heim zurückzukehren und dann die Middlesex Street mit einem Tatort (Eddowes) und einem Schürzenteil (in der Nachbarstraße) einzukreisen wäre ja auch nicht sinnig. Aber es könnte eine Spur oder eine Überlegung gewesen sein, ganz klar.

Ich versuche diese Dinge ja auch nur zu verstehen, mit einer kräftigen Portion Ehrlichkeit zu mir selbst. Bei solchen Profilen und Ansichten liegt die Wahrheit immer im Detail. Swanson hatte immerhin auch Smith und Tabram als mögliche Opfer angesehen. Sie lagen im Zentrum des Opferprofils. Betrachte ich die Greenfield Street als jene Straße, in der Cox observierte, nähert sich der Tatort Stride dem wieder etwas an und das zu einer früheren Uhrzeit. Nichols, Chapman, Eddowes, Kelly lagen etwas entfernter, wenn man das so sagen kann. Die Flucht vom Mitre Square führt via Goulston Street wieder in dieses Zentrum zurück. Das lässt für mich erkennen, dass dabei die Middlesex Street etwas aus dem Fokus gerät. Dieses Zusammenspiel, auch zeitlich plus der Bericht von Cox, lässt vermuten, dass die Basis des Rippers eher nord- bzw. südöstlich der Leman Street lag. Letztendlich reden wir hier nur von wenigen Straßen die es zu überwinden galt und müssen davon ausgehen, dass der Ripper Zugang zu den verschiedensten Lokalitäten während der Nacht in diesem Gebiet hatte. Das könnte auch Einfluss auf die Zeitthese bzw. auf das geographische Profil gehabt haben. Dazu kommt nun, dass Cox auch später observiert haben könnte als "drei Monate nach Kelly" und das nicht nur, weil er davon sprach, dass der Verdächtige "größere Zeiten in einer Anstalt in Surrey verbrachte", was wiederum nach März 1889 stattgefunden haben sollte. Möglicherweise gibt es Indizien, dass Cox in der Greenfield Street bezüglich des Ripper Falles war, als Jacob Levy bereits in Stone war. Das muss ich auch in meine Levy- Überlegungen mit einbinden aber da bin ich momentan genauso schlau wie du. Es gilt abzuwarten. Für mich ist auf den ersten Blick das geographische Profil von Jacob Levy auch interessant auch wenn ich finde, dass die Tatorte Chapman, Eddowes, Kelly und die "Goulston Street" (aber nicht Tabram) zu eng um ihn herumgeschnitten sind, etwas zu eng.

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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #348 am: 26.12.2016 11:46 Uhr »
Hallo Lestrade!


Zitat
Wie genau beschreibe ich das und widerspreche der These?   

Du hast zurecht geschrieben, dass JTR ein unorganisierter Täter war, der "stundenlang die Straßen eines bestimmten Gebietes durchstreifte" und "zuschlug, wann er es für richtig hielt und er sich, auf seine Art, sicher fühlte". Und du hast zurecht angeführt: "wer weiß, welche Dinge er noch zu erledigen hatte".

Kurz, du hast damit klar gesagt:
Wir wissen nicht, wann er loszog. Wir wissen nicht, ob er jedes mal zur gleichen Zeit loszog. Wir wissen nicht, wie lange er in den einzelnen Tatnächten jeweils schon durch die Straßen gezogen war, bevor er ein passendes Opfer in einer passenden Situation fand... Das kann alles sehr stark zeitlich schwanken - und zwar um Stunden.
Daher gibt es keinerlei Anhaltspunkte über eine mögliche Korrelation zwischen Uhrzeit und Tatortnähe.

Zumal JTR ja in einem kleinen Gebiet unterwegs war, dass in knapp einer halben Stunde durchschritten werden konnte. Er lief also nicht stundenlang in eine Richtung, dann hätte er schnell die Grenzen des East Ends erreicht. Was bedeutet, dass er bei längeren Touren kreuz und quer oder gar im Kreis lief (und zudem irgendwann den Heimweg antrat): Aus diesem trivialen Grund kann er auch zu einer späteren Tatzeit näher an seinem Ausgangspunkt gewesen sein als zu einer früheren...


Zitat
Ich denke, man sollte nicht sicher in der Annahme sein, dass der Täter bewusst ganz logisch agierte. 

Nun, ich habe ja auch mehr pragmatisch und psychologisch argumentiert. Für meine These zum Double Event braucht ein Täter nicht auf höherem Niveau abstrakt logisch zu denken, dazu genügt einfach ein bisschen Instinkt und ein gewisses Talent für pragmatisches Handeln.


Zitat
Dieser Verdächtige sprach kurz nach dem Dunkelwerden in ziemlicher Nähe seiner Basis eine Frau an. Etwas später und etwas weiter weg, ging er sogar mit der anderen Frau und wurde am Ende handgreiflich indem er sie wegstieß. Auch wenn dies nur eine kurze Sequence ist, könnte sie bedeuten, dass er zu einer frühen Uhrzeit eine Frau in seiner wohnlichen Umgebung ansprach. Und hier können wir das mit dem Double Event vergleichen. Denke wir uns Cox weg und sehen diese erste Frau als Opfer an, dann wäre sie räumlich und uhrzeitlich näher an seiner Behausung als die zweite Frau, die er weiter entfernt und zu einem späteren Zeitpunkt ansprach und die hätte zum Opfer werden können und in unserer Überlegung nun auch ist. Es wäre der Double Event noch einmal gewesen. 

Also erstens wissen wir nicht genau, wie weit der Verdächtige schon gegangen war, bevor er die erste Frau ansprach - also ist es nur eine Vermutung, dass es auch noch in seiner "wohnlichen Umgebung" geschehen sein könnte. Ich halte es nach dem Bericht von Cox für eher unwahrscheinlich.
Außerdem ist das mit Analogien so eine Sache: Cox beschreibt eine einzige nächtliche Tour - ob und inwiefern diese typisch für den Verdächtigen war oder ob sie von den Tatnächten abwich, wissen wir nicht. Jedenfalls führt sie bereits in eine andere Richtung als sonst: die Leman Street hatte JTR zuvor noch nicht als Hauptachse genutzt, und er war zuvor auch noch nicht in Richtung der Docks gezogen.
Zweitens stellt diese Tour eine völlig andere psychologische Situation dar, denn beim Double-Event hatte JTR bereits einen Mord begangen, der bald für Aufruhr sorgen würde. Sich in dieser Lage noch weiter von seiner Zuflucht wegzubewegen, statt wieder darauf zu, ist psychologisch extrem unwahrscheinlich.


Zitat
Aber Arthur, wir gehen doch davon aus, dass er das ganze Gebiet, dass relavant ist, in- und auswendig kannte oder nicht? 

Selbst wenn man in einem Stadtviertel aufgewachsen ist, gibt es dort immer Ecken, die man besser kennt als andere und die man aus bestimmten Gründen bevorzugt oder lieber meidet.


Zitat
Um ca. 3.45 Uhr fand man Nichols in der Buck´s Row. Bis zu Levys Adresse in der Middlesex Street, von der Bucks Row aus, ist es, im Vergleich zu Kosminski, die weiteste Entfernung aller K5. So schnell war er da nicht daheim und es war schon spät. Und er wird ja kaum danach in den Puff, der bei John Levy in der Whitechapel Road lief, gegangen sein, jedenfalls nicht unmittelbar. Also schnell und sicher zurücksein, in diesem Falle? Oder verstehe ich das falsch?   

Nun ja, erstens war es noch nicht so spät, dass es auf dem Rückweg bereits hell geworden wäre - es sind weniger als 20 Minuten bis zum westlichen Hotspot des GeoProfils. Jedoch könnte JTR in dieser Nacht durchaus zu dem Entschluss gekommen sein: So weit bis zum Strich am London Hospital laufe ich nicht wieder... Danach verlagerte er seine Aktivitäten ja auch mehr Richtung Westen.

Zweitens: Falls Levy JTR war, so kannte er die Ecke rund um seine alte Adresse in der Fieldgate Street und um John Levys Shop besonders gut - selbst wenn er keine Möglichkeit gehabt haben sollte, irgendwie, irgendwo in der Nr. 254 Unterschlupf zu finden, könnte er um ein Versteck in diesen Häuserblöcken gewusst haben.
Wenn man den Wirkungsbereich JTRs geometrisch betrachtet, so sieht er wie eine Ellipse aus mit ihren zwei Brennpunkten F1 in der Nähe der Middlesex Street und F2 an der Whitechapel Road etwas östlich der Fieldgate Street. Daher vermute ich, JTR hatte diese zwei Zentren als Ausgangspunkte bzw. Operationsbasen.


Zitat
Letztendlich reden wir hier nur von wenigen Straßen die es zu überwinden galt und müssen davon ausgehen, dass der Ripper Zugang zu den verschiedensten Lokalitäten während der Nacht in diesem Gebiet hatte.

Da stimme ich dir zu, s.o. Zweitens.


Zitat
Den Zeitdruck kann man sicherlich unterschiedlich bewerten. Wir sprechen hier von einem zwanghaften und in kurzen Abständen mordenden Serienkiller auf kleinem Gebiet. Dieser Mann sollte ohnehin paranoid gewesen sein. Zeit hatte er sicherlich keine mehr, sonst wäre sein Radius auch größer gewesen. 

Wieso hätte JTR seinen Radius größer anlegen sollen? Seine bevorzugten Opfer waren alle direkt vor seiner Haustür, hier kannte er sich aus und war schnell wieder von der Straße.
Und genau dies meine ich mit Zeitdruck: Nach der Tat so schnell wie möglich, insbesondere aber vor der aufgescheuchten Polizei, vor Sonnenaufgang bzw. vor dem Start des Berufsverkehrs wieder von der Straße in Sicherheit zu sein.


Zitat
Für mich ist auf den ersten Blick das geographische Profil von Jacob Levy auch interessant auch wenn ich finde, dass die Tatorte Chapman, Eddowes, Kelly und die "Goulston Street" (aber nicht Tabram) zu eng um ihn herumgeschnitten sind, etwas zu eng. 

Also, erst ist dir der Nichols-Tatort zu weit weg, und jetzt sind dir die anderen zu eng, zu nah zusammen... du musst dich schon mal entscheiden.
Außerdem dachte ich, JTR hätte keine Zeit und agiere sowieso irrational. ;-)

Scherz beiseite:
Meine These ist ja, dass JTR gar nicht so planlos umherirrte. Er kannte das Viertel, also kannte er auch die Zentren des Straßenstrichs und wird sie vermutlich nacheinander abgeklappert haben, bis er ein passendes Opfer in einer passenden Situation fand.
Nichols traf er in der Nähe des Prostituiertentreffs London Hospital / Whitechapel Station, Chapman in der Nähe Christ Church / Ten Bells Pub, Eddowes in der Nähe von St. Botolphs und Kelly war ebenfalls in der Nähe Christ Church.
Im Falle Stride könnte er einfach vor seiner "Jagdzeit" beim Berner Street Club gewesen sein und sie zufällig dort getroffen haben - dann wäre die frühe Tatzeit reiner Zufall.


MfG, Arthur Dent
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Re: Jacob Levy
« Antwort #349 am: 26.12.2016 17:35 Uhr »
Hallo Arthur!

Vorab, es ist mit mehr Risiko verbunden, Jacob Levy mit dem Mann in Verbindung zu bringen, den Cox observierte als ihn mit Kosminski zu vergleichen. Cox sprach von einem Mann, der bestimmte Zeiten in einer Anstalt in Surrey verbrachte und der verschiedene Shops im East End besetzte. In seiner Beschreibung einer Nacht, war das erste Ziel nach der Leman Street der Bereich St. George in the east. Dieser Bereich schließt sich an die Leman Street an und war der Bereich in dem die Familie von Aaron Kozminski lebte. Er beschreibt seine Straße als eine Straße mit Schneidern und Hutmachern. Diese sollten aufgrund seiner Aussagen hauptsächlich mit jenen besetzt gewesen sein. Middlesex Street war keine solche Straße. Die Straße von Isaac Abrahams und Matilda Lubnowski war eine solche Straße, die Greenfield Street. Zu diesem Bereich St. George in the east gehörte u.a. die Greenfield Street (Isaac & Matilda), die Providence Street und die Yalford Street (jeweils Woolf Abrahams), die Batty Street (blutige Wäsche) sowie der Tatort Stride/ Dutfields Yard in der Berner Street. Stride wurde im Bereich St. George in the east ermordet und die erste Frau, die der Verdächtige von Cox ansprach finden wir eben in St. George in the east. Erst danach ging er weiter in Richtung eines Model Lodging Houses, welches es auch nun immer war. Es ist vollkommen egal, wie lange er nun brauchte, um diese Frau anzusprechen, nach dem Shop in der Leman Street brauchte er nur eine Straße weitergehen, um in St. George in the east zu sein. Da er aber offenbar sehr schnell in der Leman Street war, lag sein Shop nicht weit davon entfernt. Zu seinem Wohnsitz sollte es von St. George in the east nicht weit gewesen sein. Er war immer noch in dem Radius in dem er wohnhaft war. Cox sprach davon, dass er wartete, bis der Verdächtige seinen Shop verlassen hatte und ihm dann folgte und zwar von seinem Observationspunkt gegenüber des Shops des Verdächtigen aus. Aber, wie oft erwähnt, die Middlesex Street war eben keine typische Straße mit Schneidern. Cox verschiedene Shops passen eben auch zu Sims, via Macnaghten, dass der Ripper Verdächtige Kosminski der einzige Anwesende bestimmter Räume nach Einbruch der Dunkelheit war. Cox sprach von einer Anstalt in Surrey und wir wissen, dass Kosminski ca. März 1889 in eine Anstalt kam und von Anderson wissen wir, dass er identifiziert wurde, während er in einer Anstalt war und Swanson bestätigt uns, dass die City Police Kosminski überwachte, zu der Einheit zählen eben auch Cox und Sagar. Außerdem wissen wir ,via der Swanson Familie, dass Kosminski außerhalb Londons untergebracht wurde und das passt zur Cox´ Surrey Bemerkung. Zusätzlich gibt es keinen Grund, Aussagen von Macnaghten, Anderson und Swanson auf Levy zu beziehen, noch gibt es irgendein Indiz, dass Cox über Levy sprach. Die aufgeführten Dinge gehen eher in die Richtung von Kosminski, wobei wir auch da nicht wissen, ob Kosminski gemeint ist. Ohne nun etwaige neue Erkenntnisse mit einzubeziehen, war ein Informant für Cox in einem Fall, verbunden mit der Greenfield Street, ein gewisser Joseph Tragheim, fünf Türen von den Geschwistern von Aaron Kozminski entfernt wohnend. Dieser wurde auch von Sagar einmal verhaftet. Sagar selbst befand sich im Dezember 1890 bei einer Observation gegenüber der Butchers Row. Die Angelegenheit bei Cox fand auch Ende 1890 statt. Beides Zeitpunkte, an denen Jacob Levy bereits in Stone war aber jener Aaron Kozminski kurz vor seiner Einweisung in Colney Hatch stand und auch ein Zeitpunkt, der nahe an der Seaside Home Identifikation stand. Es ist aufgrund dieser Dinge wahrscheinlicher, dass Cox über Kosminski sprach und nicht über Jacob Levy, welcher niemals, offiziell bekannt, Erwähnung findet.

Nun haben wir bereits oft über diese Dinge diskutiert und müssen aber auch differenzieren zwischen den bekannten Information über Kosminski/ Aaron Kozminski, Jacob Levy, von Cox, Sagar, Macnaghten, Anderson, Swanson, Sims und Griffiths usw. Ich denke, die Aussagen von Macnaghten, Anderson, Swanson, Sims und Griffiths haben nichts mit Jacob Levy zu tun, dass sind Angaben, die man eher, wenn nicht ganz klar, für Kosminski verwenden kann. Es bleiben die Beamten Cox und Sagar. Da haben wir zumindest die Information, dass Sagar im Dezember 1890 gegenüber der Butchers Row war und die Information von Cox, der von Schneidern sprach, vor denen er sich zum Anfang in acht nehmen musste. Und die Möglichkeit, dass es die Middlesex Street war, ist eher geringer. Wir sehen auch bei Cox, wie bei Sagar, dass er kurz vor der Einweisung von Aaron Kozminski nach Colney Hatch mit einem Fall in der Greenfield Street verbunden war und wir wissen, dass City Beamte dort observierten. Es fällt eben auf, dass Sagar über Jack the Ripper in der Butchers Row sprach. Er war auch einmal dort aber eben im Dezember 1890. Es fällt auf, dass Cox mit der Greenfield Street verbunden war, zusammen mit Sagar, wohl kurz vor der Observierung in der Butchers Row. Aber eben alles zu Zeitpunkten, an denen Levy bereits in Stone war. Wenn wir hier bei unseren Verdächtigen, Levy und Kosminski, jeweils Cox und Sagar ins Spiel bringen, ist das alles dichter an das dran, was wir über Kosminski wissen als das, was Levy betrifft. Mein Interesse an Levy bezieht sich auf seinen Beruf, auf Stone, die Goulston Street und auf den Zeugen Joseph Hyam Levy, welcher jedoch auch mit einem Kozminski verbunden war. Es bezieht sich auch auf seinen Wohnsitz, der noch im geographischen Profil liegt und auf seine Psyche. Auch schätze ich, irgendwie, dass er auf den Zetteln der Beamten stand. Dennoch muss ich, aus meiner Sicht, trotz aller Verlockungen bei Sagar und Cox, zugestehen, dass es mehr in Richtung Kosminski geht als Levy, nachdem, was ich weiß. Die Angaben der weiteren Beamten bzw. Personen, haben wohl kaum etwas mit Levy zu tun. Da sehe ich Levy mit den eben angegebenen Dingen zwar interessant an aber ich kann ihn Cox und Sagar nicht so aufs Auge drücken, wie Kosminski. Aber es ist legitim darüber zu spekulieren. Ich denke, du wirst das noch so oft wiederholen können, wie du magst aber es wird keine Bestätung geben, dass Cox über Levy und die Middlesex Street sprach. Vielleicht liegen die Chancen bei Sagar aber etwas höher, was eben auch ein großer Erfolg wäre. Levy ist ein weitaus würdigerer Verdächtiger als die meisten anderen aber es lag auch auf der Hand, dass man einen solchen finden würde. Ich sehe das Problem darin, Arthur, dass dies der Status Quo bei Levy bleiben wird. Ein Problem in der Ripperologie, dass nur wenig Änderung erfährt. Ich denke, du hast das gut durchdacht, wie ich selbst oder andere vor uns. Aber was ist das wert, wenn nichts passiert oder etwas anderes gefunden wird? Was kannst du selbst tun? Immer wieder eine Karte posten und krampfhaft daran festhalten? Immer wieder die Szenarien durchspielen und hoffen, dass dies alles passt? Bei mir entsteht gerade der Eindruck, dass dich die Zeitthese sehr verunsichert, weil es gegen Levy geht. Die Idee, dass je früher ein Mord stattfindet, desto näher der Wohnort liegt wäre ein schlechter Unterstützer der Levy Theorie, da Chapman, Kelly als auch Eddowes recht nahe an seiner Adresse lagen und Kelly als auch Chapman recht spät den Tod fanden. Ein Täter, der mehr als einmal auf dem Weg nach Hause mordet klingt nicht wirklich logisch. Das kann sicherlich einmal passieren, klar. Dazu, dass er das Schürzenteil zurückließ oder als Ablenkung legte, wie auch immer, obwohl er damit rechnen musste, dass man auch nach dessen Fund, in seinen Shop um die Ecke kommt und Fragen stellt, alles in diesen Zusammenhängen ist zumindest fragwürdig. Das kann man alles wahrnehmen und interessant finden (tue ich auch) aber meine Frage ist, was willst du in Zukunft tun? Was möchtest du noch herausfinden und wie? Was wird passieren? Ich stecke ja in einer ähnlichen Situation wie du aber ich weiß, dass eine Menge Leute an der Kosminski Sache arbeiten und es wird in Zukunft, wie auch in der Vergangenheit wieder Neuigkeiten geben. Ohne dich hier, hätte ich in den letzten Monaten viel, viel weniger geschrieben, weil durch das ständige Wiederholen der gleichen Sachen, das ganze nicht besser wird. Leider sind wir ja auch kein vielfältiges Forum. Und du siehst ja auch, wer antwortet denn auf unsere Post außer wir gegenseitig? Dein "Hallo an alle" ohne nennenswerte Reaktionen, ist dir das nicht mittlerweile auch zuviel? Vielleicht liege ich falsch, aber Levy und Kosminski in ihren ständigen Wiederholungen durch uns beide, ist fatal für etwaige Forumsinteressenten. Es ist ja kaum noch Raum für anderes. Außerdem wissen wir immer alles besser, wenn auch mit guter Absicht ausgestattet. Nimm mir das nicht übel Arthur, aber du wirkst mit der Zeit immer verkrampfter auf mich und ich bin ehrlich, dass ich dir meistens nur antworte, weil ich dein Engagement, deine Denkweise, dein Thema Levy und deine Fähigkeit zu verzeihen, wenn es mal nicht so gut lief, wirklich sehr schätze aber vor allem, weil ich dich nicht alleine stehen lassen will und nicht, weil ich dazu von mir selbst aus Lust habe. Klar, war das natürlich auch inspirierend und somit auch lohnenswert. Ich muss mich aber selber fragen, ob das der Weg ist, den ich benötige. Ich habe, denke ich, schon andere gefunden. Außerdem fühle ich mich schon so tief in der Ripperologie, dass es mir, man mag es glauben oder nicht, schon vollkommen egal ist, wer der Ripper war. Andere Interessierte werden es nachvollziehen können. Ich wünsche mir für dich, dass du mit anderen ins Gespräch kämst, nicht nur meistens mit mir. Vermutlich stecken wir in unterschiedliche Stadien und das kann zu einer Atmosphäre führen, die verdrossen wirken kann und das möchte ich nicht. Ich denke, wir haben es auch beide nicht nötig, kleinliche Diskussionen zu führen. Wir haben Weihnachten und ich frage mich, was ich gerade hier mache. Ich antworte dir, weil du mir irgendwie leid tust, im positiven Sinne. Ich bräuchte das garnicht. Deshalb ist das auch nicht wirklich richtig. Aber da ich denke, dass du ein feiner Kerl bist...

Ich hoffe, du schätzt meine Ehrlichkeit und weißt, dass dies nichts persönliches ist. Es liegt mir fern, deine Gefühle zu verletzten. Du hast meine Hochachtung. Ich denke, es war Isdrasil hier im Forum, mit dem ich mal die Absprache hatte, "Stop" zu sagen, wenn eine Diskussion, wie soll ich sagen, zu versacken beginnt. Für mich wird das gerade hier zu sehr ein "sich verteidigen". Ich denke, alles was hier steht, hat seine Berechtigung, egal um was es geht. Vielleicht finden wir einen guten Abschluss?

Nun aber zu meinen Antworten:

Zitat
Für mich ist auf den ersten Blick das geographische Profil von Jacob Levy auch interessant auch wenn ich finde, dass die Tatorte Chapman, Eddowes, Kelly und die "Goulston Street" (aber nicht Tabram) zu eng um ihn herumgeschnitten sind, etwas zu eng. 

Also, erst ist dir der Nichols-Tatort zu weit weg, und jetzt sind dir die anderen zu eng, zu nah zusammen... du musst dich schon mal entscheiden.
Außerdem dachte ich, JTR hätte keine Zeit und agiere sowieso irrational. ;-)

Du schriebst vorher, siehe unten, " sobald es eng wird mit der Zeit, muss er was in seiner Nähe finden...", Nichols war nicht in seiner Nähe, sie war am weitesten entfernt und die Straßen erwachten bereits...

Die Theorie, dass ein Jacob Levy auf dem Weg zurück nach Haus eher, aufgrund deiner These, seine Opfer ermordete, weil es nun spät wurde und er schnell nach Hause musste passt dort nicht.

Von dem bereits erwähnten Problem einmal ganz abgesehen, das im Falle JTR eher das umgekehrte plausibel erscheinen lässt: Solange der Täter genug Zeit hat, kann er sich zu Fuß weiter weg bewegen - aber sobald es eng wird mit der Zeit, muss er was in seiner Nähe finden oder abbrechen.

Du hast zurecht geschrieben, dass JTR ein unorganisierter Täter war, der "stundenlang die Straßen eines bestimmten Gebietes durchstreifte" und "zuschlug, wann er es für richtig hielt und er sich, auf seine Art, sicher fühlte". Und du hast zurecht angeführt: "wer weiß, welche Dinge er noch zu erledigen hatte".

Kurz, du hast damit klar gesagt:
Wir wissen nicht, wann er loszog. Wir wissen nicht, ob er jedes mal zur gleichen Zeit loszog. Wir wissen nicht, wie lange er in den einzelnen Tatnächten jeweils schon durch die Straßen gezogen war, bevor er ein passendes Opfer in einer passenden Situation fand... Das kann alles sehr stark zeitlich schwanken - und zwar um Stunden.
Daher gibt es keinerlei Anhaltspunkte über eine mögliche Korrelation zwischen Uhrzeit und Tatortnähe.

Zumal JTR ja in einem kleinen Gebiet unterwegs war, dass in knapp einer halben Stunde durchschritten werden konnte. Er lief also nicht stundenlang in eine Richtung, dann hätte er schnell die Grenzen des East Ends erreicht. Was bedeutet, dass er bei längeren Touren kreuz und quer oder gar im Kreis lief (und zudem irgendwann den Heimweg antrat): Aus diesem trivialen Grund kann er auch zu einer späteren Tatzeit näher an seinem Ausgangspunkt gewesen sein als zu einer früheren...

Er wird ganz klar seine Routen gehabt haben, seine Pausen, seine Gespräche sein Stalken, sein Beobachten und er musste auf der Hut sein, nicht aufzufallen. Sein Jagdgebiet, dass sehen wir an den Opfern, war eindeutig oberhalb der Hauptstraße und dieses hätte er studenlang durchstreifen können, d.h. nicht, dass er permanent in Richtung seiner Basis nahe St. George in the east zurückging, geschweige denn bis vor die Haustür. Zu seinem modus operandi gehörte das Töten von Prostituierten in den frühen Morgenstunden in einem Gebiet oberhalb der Haupstraße. Stride fand man unterhalb darunter, eben zu einem früheren Zeitpunkt. Zu seinem m.o. gehörte das stundenlange nächtliche durchstreifen des Gebietes oberhalb von St. George in the east. Eine frühere Attacke, wie an Stride, eben in St. George in the east, lässt vermuten, dass er sich noch nicht allzuweit von seiner Basis entfernt hatte. St. George in the east war nicht sein primäres Jagdgebiet, eindeutig am geographischen Profil der Opfer zu erkennen.


Außerdem ist das mit Analogien so eine Sache: Cox beschreibt eine einzige nächtliche Tour - ob und inwiefern diese typisch für den Verdächtigen war oder ob sie von den Tatnächten abwich, wissen wir nicht. Jedenfalls führt sie bereits in eine andere Richtung als sonst: die Leman Street hatte JTR zuvor noch nicht als Hauptachse genutzt, und er war zuvor auch noch nicht in Richtung der Docks gezogen.
Zweitens stellt diese Tour eine völlig andere psychologische Situation dar, denn beim Double-Event hatte JTR bereits einen Mord begangen, der bald für Aufruhr sorgen würde. Sich in dieser Lage noch weiter von seiner Zuflucht wegzubewegen, statt wieder darauf zu, ist psychologisch extrem unwahrscheinlich.

Cox gab seine Beschreibung jener Nacht besondere Bedeutung, weil er folgendes beobachtete: "it suddenly struck me that there was a wilder look than usual on his evil countenance, and I felt that something was about to happen." Außerdem sprach Cox davon, dass dieser Mann für gewöhnlich des Nachts Spaziergänge unternahm, bis er sie letztendlich einstellte. Er war drei Monate mit ihm beschäftigt, da dürfte es zahlreiche dieser Spaziergänge gegeben haben. Aber in jener Nacht war dieser Mann verändert und verhielt sich auch anders. Das heißt nicht, dass er das erste Mal durch die Leman Street und dann noch weiter nach St. George in the east ging. Cox sprach auch davon, dass der Verdächtige sicherlich mitbekam, beobachtete zu werden.

Zitat
Den Zeitdruck kann man sicherlich unterschiedlich bewerten. Wir sprechen hier von einem zwanghaften und in kurzen Abständen mordenden Serienkiller auf kleinem Gebiet. Dieser Mann sollte ohnehin paranoid gewesen sein. Zeit hatte er sicherlich keine mehr, sonst wäre sein Radius auch größer gewesen. 

Wieso hätte JTR seinen Radius größer anlegen sollen? Seine bevorzugten Opfer waren alle direkt vor seiner Haustür, hier kannte er sich aus und war schnell wieder von der Straße.
Und genau dies meine ich mit Zeitdruck: Nach der Tat so schnell wie möglich, insbesondere aber vor der aufgescheuchten Polizei, vor Sonnenaufgang bzw. vor dem Start des Berufsverkehrs wieder von der Straße in Sicherheit zu sein.

Warum stellst du diese Frage mit dem Radius? Wir waren uns doch einig, dass er unter dringenden Bedürfnissen litt und sein Jagdgebiet, auch aufgrund seines Zustandes, relativ klein war. Sein Jagdgebiet waren Prostituierte und es gab reichlich davon zu finden in jener Gegend. Ich gab das an im Vergleich zu einem gesünderen Täter, der sich sicherlich nicht so auf einem kleinen Gebiet zu schaffen gemacht hätte. Die Frage war schon vorher beantwortet. Ich gehe bei einem "Zeitdruck" nicht davon aus, als ob jemand seine Bahn noch erreichen will. Bei Nichols gingen schon die ersten Passanten durch die Bucks Row, Chapman verstümmelte er im Morgengrauen, er lief während des Hellwerdens nach Hause, bei Eddowes musste er schauen, dass er den PC nicht in die Arme läuft,... bei allem nähte er auf Kante... obwohl er schon zeitlich in Nöten war, verstümmelte er... also so eilig kann er es nicht gehabt haben... der Mann war voller Risiko... er hatte Glück, da nicht erwischt zu werden... deine Interpretation von Zeitdruck ist nicht sinnig... "es wird spät, ich gehe Richtung Heim, spreche im Hellwerden aber noch Chapman an, ermorde und verstümmel sie im Hinterhof, bei gutem Licht und gehe dann blutbeschmiert bis zur Middlesex Street während es immer heller wird, auch wenn es nicht weit ist..." Sorry Arthur, aber das kannst du mir nicht verkaufen... erst minmiert er das Risiko, indem er sich seiner Basis nähert und dann erhöht er es wieder... Der Mann war krank und das Risiko war ihm egaler als sonstwen, auch wenn er das in seiner geistigen Welt anders sah...

Ich denke, du verennst dich in deinem Levy Konstrukt aber das kennt jeder von uns in seinen Vorstellungen der Ripper Morde. Das Ergebnis ist meistens das gleiche, man liegt falsch. Es gilt dann andere Alternativen zu finden, die ja durchaus existieren können. Kenne das alles auch selbst.

Beste Grüße,

Lestrade. 
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #350 am: 28.12.2016 22:07 Uhr »
Hallo Lestrade!

Also zunächst einmal: Das Ganze hier ist für mich keine Passion, sondern eine Freizeitbeschäftigung, der ich nachgehe, wenn ich Zeit und Lust dazu habe, etwas rumzuspekulieren, Theorien aufzustellen und rumzudiskutieren, weil mich das Thema interessiert.
Ich glaube und erwarte nicht, dass ich mit dem Verwursten jener von anderen hart recherchierten Informationen den Durchbruch in diesem seit über 125 Jahren ungelösten Fall schaffen werde - wenn der Fall jemals gelöst werden sollte, dann vermutlich von einem jener passionierten Ripperologen, die wochen- oder monatelang die Archive durchstöbern.
Meine Ziel ist lediglich das Aufstellen von Hypothesen. Daher erwarte ich auch von niemand anderem, dass er meine Rumspekuliererei als "the final solution" anerkennt.
Also immer locker bleiben. :-)


Zitat
Bei mir entsteht gerade der Eindruck, dass dich die Zeitthese sehr verunsichert, weil es gegen Levy geht. Die Idee, dass je früher ein Mord stattfindet, desto näher der Wohnort liegt wäre ein schlechter Unterstützer der Levy Theorie, da Chapman, Kelly als auch Eddowes recht nahe an seiner Adresse lagen und Kelly als auch Chapman recht spät den Tod fanden.

Das ist eine Fehlinterpretation:
Ich habe mir die Zeit-Hypothese angesehen, darüber nachgedacht und sie verworfen, weil sie mathematisch gesehen nicht schlüssig ist.

1) Auf der Seite der Wegzeiten haben wir Unterschiede im Minuten-Bereich, auf der Seite der Tatzeiten Unterschiede im Stunden-Bereich - die Größenordnungen differieren zu stark.
Das ist in etwa so, als würde jemand fragen: "Wie lange brauchst du dazu?" Und der andere würde antworten: "Etwa zehn Minuten - plus / minus zwei Stunden."

2) Wir wissen, dass JTR in einem kleinen Gebiet unterwegs war, welches in knapp einer halben Stunde durchschritten werden konnte. Also lief er nicht stundenlang in eine Richtung, dann hätte er schnell die Grenzen des East Ends überschritten. Was bedeutet, dass er bei längeren Touren kreuz und quer oder gar im Kreis durch das Viertel lief (ein Zusammentreffen mit einem Opfer bereits auf dem Nachhauseweg wäre davon nur der Extremfall) - und damit konnte er zu einer späteren Tatzeit auch durchaus näher an seinem Heim sein als zu einer früheren. Das ist einfache Geometrie bzw. Geographie.

3) Wir haben für diese These zu viele Unbekannte:
- Wir wissen nicht, wann er loszog.
- Wir wissen nicht, ob er jedes mal zur gleichen Zeit loszog.
- Wir wissen nicht, wie lange er in den einzelnen Tatnächten jeweils schon durch die Straßen gezogen war, bevor er ein passendes Opfer in einer passenden Situation fand...
Ohne dieses Wissen kann eine entsprechende Korrelation nicht erstellt werden.
Das alles kann sehr stark zeitlich schwanken - und zwar um Stunden, die Wege unterscheiden sich aber nur um Minuten.
Damit sind die unbekannten äußeren Störfaktoren so groß, dass aus den Uhrzeiten kein Hinweis auf die Nähe zu seinem Heim abgeleitet werden kann.

Daher gibt es keinerlei Anhaltspunkte über eine mögliche Korrelation zwischen früherer Tatzeit und Nähe seines Heims zum Tatort. So einfach ist das.


Zitat
...meine Frage ist, was willst du in Zukunft tun? Was möchtest du noch herausfinden und wie? Was wird passieren? Ich stecke ja in einer ähnlichen Situation wie du aber ich weiß, dass eine Menge Leute an der Kosminski Sache arbeiten und es wird in Zukunft, wie auch in der Vergangenheit wieder Neuigkeiten geben. 

Nun, ich werde so lange an dem Thema JTR dranbleiben bzw. wieder dazu zurückkehren, wie ich Zeit und Lust dazu habe und solange ich noch etwas für mich neues dabei entdecke.
Vielleicht fördert irgendwann jemand mal wieder etwas Interessantes zutage, was den Fall weiterbringt oder einen neuen spannenden Aspekt eröffnet, mal sehen. 


Zitat
Ohne dich hier, hätte ich in den letzten Monaten viel, viel weniger geschrieben, weil durch das ständige Wiederholen der gleichen Sachen, das ganze nicht besser wird. Leider sind wir ja auch kein vielfältiges Forum. Und du siehst ja auch, wer antwortet denn auf unsere Post außer wir gegenseitig? Dein "Hallo an alle" ohne nennenswerte Reaktionen, ist dir das nicht mittlerweile auch zuviel? Vielleicht liege ich falsch, aber Levy und Kosminski in ihren ständigen Wiederholungen durch uns beide, ist fatal für etwaige Forumsinteressenten. Es ist ja kaum noch Raum für anderes. Außerdem wissen wir immer alles besser, wenn auch mit guter Absicht ausgestattet. 

Auch ich finde es schade, dass wir hier so auf einsamer Flur sind - es wäre spannender und würde mehr Spaß machen, wenn hier mehr Betrieb wäre, so wie auf casebook oder jtrforum.
Daher hatte ich ja auch versucht, ein paar andere Threads wiederzubeleben bzw. zu eröffnen, z.B. mit Francis Thompson. Aber wenn keiner mitspielen will, liegt das sicher nicht daran, dass wir beide nur über Levy und Kosminski diskutieren - könnte ja jeder, der Lust hat, auch ein anderes Thema eröffnen, genug Möglichkeiten gäbe es schließlich.
Vielleicht wird das Forum ab Mitte Januar wieder etwas belebter, wenn Schachners überarbeitete Neuauflage raus ist.


Zitat
Nimm mir das nicht übel Arthur, aber du wirkst mit der Zeit immer verkrampfter auf mich und ich bin ehrlich, dass ich dir meistens nur antworte, weil ich dein Engagement, deine Denkweise, dein Thema Levy und deine Fähigkeit zu verzeihen, wenn es mal nicht so gut lief, wirklich sehr schätze aber vor allem, weil ich dich nicht alleine stehen lassen will und nicht, weil ich dazu von mir selbst aus Lust habe.   

Das ist eine Fehlinterpretation: Ich mache das hier zur Entspannung und als intellektuelle Fingerübung - und bin bisher eigentlich davon ausgegangen, du machst das auch nur, wenn du Zeit und Lust dazu hast.
Falls du dich unter Druck gesetzt fühlst zu antworten, wenn ich mich gerade in einer manischen Phase mit ausnahmsweise mal zuviel Freizeit in das Thema reingekniet habe: Das tut mir leid, ich möchte niemandem irgendwie ein schlechtes Gewissen machen und die gute Erziehung anderer ausnutzen. Ich kenne das Problem, als Kind des analogen Zeitalters empfinde ich auch immer noch regelmäßig das schlechte Gewissen, wenn ich Beiträge in Foren oder im Social Network mal nicht beantworte, obwohl das im Internet oft gar nicht mehr wirklich erwartet wird. Aber "dank" meines Arbeitspensums komme ich nicht mehr so oft dazu, daher fällt es mir immer leichter, Dinge im Internet einfach so stehen zu lassen. Also nichts für ungut, fühl dich nicht genötigt. :-)


Zitat
der Mann war voller Risiko... er hatte Glück, da nicht erwischt zu werden... deine Interpretation von Zeitdruck ist nicht sinnig... "es wird spät, ich gehe Richtung Heim, spreche im Hellwerden aber noch Chapman an, ermorde und verstümmel sie im Hinterhof, bei gutem Licht und gehe dann blutbeschmiert bis zur Middlesex Street während es immer heller wird, auch wenn es nicht weit ist..." Sorry Arthur, aber das kannst du mir nicht verkaufen... erst minmiert er das Risiko, indem er sich seiner Basis nähert und dann erhöht er es wieder... Der Mann war krank und das Risiko war ihm egaler als sonstwen, auch wenn er das in seiner geistigen Welt anders sah...

Da ist was dran, vermutlich habe ich sein Verhalten "zu vernünftig" betrachtet, immerhin gehen wir beide davon aus, dass JTR ziemlich krank im Kopf war. Muss mich bei dem Ganzen wohl mehr auf die kranke Perspektive einlassen.


MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 28.12.2016 22:35 Uhr von Arthur Dent 2 »

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #351 am: 29.12.2016 00:35 Uhr »
Hallo Arthur,

Danke erst einmal für deine Beantwortung bestimmter Fragen oder Annahmen!

Noch einmal, es geht mir nicht so sehr um Levy als möglichen Täter (da sind wir uns einig), sondern vielmehr um deine Ablehnung gegenüber der Zeitthese. Deine selbst angesprochene mögliche Unterkunft von Levy in der Fieldgate Street, welche sich nördlich an die Greenfield Street anschloss und unterhalb der großen Hauptstraße lag, würde dann ja auch Sinn machen, wenn er in der Nacht des Double Events dort nächtigte. Auch der Tatort von Tabram, als möglicher erster Mord, gar auch Nichols, wäre nicht allzu weit weg davon. Desto weiter er sich jedoch davon entfernte, desto später wäre es geworden. Das wäre dann das gleiche wie bei Kosminski. Auch wäre er dann mit seiner Flucht Richtung Mitre Square eben nicht zu seiner Basis zurückgegangen, auch wenn seine reguläre Adresse dort in der Nähe lag. Du sagtest ja selbst einmal, dass er vielleicht gar nicht mehr bei seiner Frau lebte, zumindest zeitweise und andere Unterkünfte hatte, wie eben Fieldgate Street oder Whitechapel Road. Das würde ja auch weitere Ansätze von dir zunichtemachen, wenn die Middlesex Street eben nicht seine Basis in den Mordnächten war. Bei solch einer Feststellung, könnten wir sie beweisen, würde ich dann sagen, okay, die Zeitthese passt auch hier. Sie unterscheidet sich dann überhaupt nicht von Kosminski. Ich vermute, du hättest das dann auch für deine These verwendet. Wäre das so?

Für mich sind die Tatorte bei den Morden an Chapman, Eddowes und Kelly, wie ich erwähnte, zu sehr an der Adresse Middlesex Street gelegen, bezüglich natürlich auch an den Zeitpunkten, wo sie geschahen. Der ohnehin kleine Radius macht es bei diesem, eher seltenen Tätertyp, auch nicht einfacher. Dennoch, auch für sie gelten die meisten Regeln, die die Profiler anwenden. Und da ist mir, in deiner Theorie, eine wirklich zu kleine “Pufferzone“, von seinem Wohnsitz aus, zu verdächtig. Du wirst wissen, dass eine Serientäter seine primäre Comfort Zone hat, in, oder nahe bei dieser, findet oftmals der erste Mord statt. Die sekundäre Comfort Zone ist oftmals sein wirkliches Jagdgebiet. Es ist ja, in meinen Augen, eindeutig zu erkennen, dass diese sekundäre Zone oberhalb der Hauptstraße lag. Auch sind bestimmte Barrieren für diese Täter wichtig. Eine Barriere wäre oder könnte eben diese Hauptstraße gewesen sein. Ein Mord fand unterhalb dieser Hauptstraße statt, nach dessen sich der Täter wieder in die sekundäre Zone begab und zwar unmittelbar. Das, und der frühe Tatzeitpunkt im Falle Stride, kann darauf schließen lassen, dass der Täter eben jene Tat in dem Bereich ausführte, indem er beheimatet war, seiner primären Zone und das wäre dann, St. George in the east gewesen. Welcher auch immer der erste Mord war, Tabram oder Nichols, beide Tatorte lagen dicht an diesem Bereich mit der Barriere “Hauptstraße“. Drei weitere, Chapman, Eddowes und Kelly entfernen sich auffällig von dieser Barriere. Vollkommen abgesehen von Kosminski, dass Jack the Ripper seine Basis unterhalb dieser Straße, in St. George in the east hatte, ist nicht so unwahrscheinlich. Diese Straßen dort waren eben bekannt für produzierende Schneider und Cox sagt es selbst: Tailors und St. George in the east! Die Chance dass er dort in der Nähe einen ernsthaften Ripper- Verdächtigen observierte, ist m.E. in der Tat sehr hoch. War es Kosminski, konnte dieser die Greenfield Street verlassen und zwar via Fieldgate Street und der Hauptstraße, welche zu Whitechapel gehörten und in die Leman Street einbiegen, keine weiter Weg. Danach ging es von da aus in das Herz von St. George in the east. Das nun neben dem Mord in der Berner Street eben auch in der Batty Street blutige Wäsche gefunden wurde, erhärtet diese These. Die Adressen der Kosminskis, Greenfield Street und Providence Street, wurden nun einmal verbunden durch die Berner Street und die Batty Street. Und das ganz wörtlich. Weiterhin fällt auf, dass Cox und Sagar etwas mit der Greenfield Street zu tun hatten und zwar nicht allzu lange vor der Einweisung von Kozminski nach Colney Hatch. Unmittelbar nach dieser Sache in der Greenfield Street, hatte Sagar tatsächlich Dienst in der Butchers Row. Beide City Beamte sprachen davon, dass ihr jeweiliger Mann, etwas mit den Morden zu tun hatte bzw. er tatsächlich der Ripper war. Meine Frage ist, wie wahrscheinlich ist es, dass diese beiden Beamten, in diesen beiden wichtigen Straßen, Butchers Row und Greenfield Street, aufgrund unseres Wissens, dass sie dort waren, innerhalb zweier Jahre (1889/1890) mehrmals mit ihnen zu tun hatten? Das ist sehr unwahrscheinlich, wahrscheinlicher ist, dass zumindest die Greenfield Street länger in dieser Zeit von der City Police beansprucht wurde und in dieser Zeit andere Aktivtäten krimineller Art auffielen, ähnlich wie auch in der Butchers Row. Aber diese Straßen waren noch aktuell, als Jacob Levy nicht mehr auf freiem Fuß war, sondern in Stone. Das lässt auch erahnen, dass Levy auch vorher keine Rolle bei ihnen spielte. Interessant bliebe dennoch, dass Levy Kontakt gehabt haben könnte mit seiner “alten“ Fieldgate Street bzw. der Adresse in der Whitechapel High Street. Diese Adressen lagen ja an der Greenfield Street und würden dann zu dem geographischen Profil passen, welches ich eben beschrieb. Levy und Kosminski würden sich nichts nehmen. Hierbei allerdings wieder Levy zu unterstellen, dass er verschiedene Shops belegte, um das Profil zurechtzurücken,  wäre schwierig. Das ist eine Sache, die eindeutig Kosminski zugewiesen werden kann (Sims). Levys Adresse war eben Middlesex Street, der Mann der Kosminski war, war flexibler. Inwieweit das alles wirklich dieses Profil beeinflusst, bleibt Spekulation, da seine Shops alle in St. George in the east oder nahe an diesem beheimatet gewesen sein können. Von mir, als Levy Interessierten, bekommt man den Rat, Cox und Sagar, aufgrund meiner Erwähnungen, nicht allzu stark auf Levy zu münzen. Es ist nicht unmöglich aber viel weniger wahrscheinlich. Canter wird kontrovers diskutiert, gerade in der Ripperologie und seine Profile unterscheiden sich von anderen, wenn auch nicht massiv. Genau wie andere, hat er Erfolg damit, es scheinen viele Wege nach Rom zu führen und kleine Unterschiede nicht unbedingt ausschlaggebend zu sein. Dafür sind diese Dinge einfach zu komplex. Ich bin mir auch nicht sicher, ob wir beide gänzlich mit dem psychologischen Profil, das Canter über JtR im Auge hat, übereinstimmen. Ich müsste auch noch einmal nachlesen. Dieser geisteskranke Täter, könnte noch mehr an Funktionstüchtigkeit und Organisation besessen haben, als wir annehmen. Nicht viel mehr aber in den entsprechenden Profilen, kann ein Detail zu etwas anderen Ansichten führen. Levy war etwas älter als Kosminski und ich kann mir vorstellen, dass Levy etwas früher geistig diese Welt verließ als sein “Gegenspieler“. Letztendlich wissen wir beide nicht, als auch alle anderen, wie weit beide, Levy und Kosminski, wirklich im Herbst 1888 drauf waren. Ich möchte nur, dass Du weißt, dass ich, was Cox und Sagar betrifft, weniger auf Levy setze als auf Kosminski. Wahrscheinlich bedeutend weniger. Das wäre für zukünftige Diskussionen vielleicht wichtig. Ich hatte vor kurzem die Möglichkeit, Einsicht in gewisse Unterlagen zu nehmen, was meine Recherchen betrifft. Dabei hatte und werde ich auch in Zukunft haben, Augen für Levy, weil er mich fasziniert. Ich würde mir wünschen, dass du mich da mehr als Partner, denn als Kritiker siehst. Aber vielleicht ist das auch so und ich interpretiere das falsch.

Wie gesagt, ich sehe die Tatorte um Levys Adresse in der Middlesex Street in der sekundären Comfort Zone des Rippers. Für Levy, wäre es die primäre gewesen, mit Tabram als typisches erstes Opfer in der Nähe. Da würde dann Nichols, als auch sicher Stride gut passen. Aber Chapman, Eddowes, Kelly und die Goulston Street, wären dann in seiner primären Comfort Zone und nicht wie Nichols und Stride in der sekundären Zone. Das ein Täter so agiert, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Diese Rückkehr in die offensichtlich sekundäre Zone (Levys primäre), sehe ich in deinen Ansichten als Schwachstelle an, nicht Levy selber. Wenn Levy der Täter war, dann war seine Basis nicht die Middlesex Street, sondern eine andere Straße, wie z.B. seine alte Adresse Fieldgate Street oder die Adresse in der Whitechapel Hauptstraße. Aufgrund der Tatorte, ist es doch auch sehr logisch, die sekundäre Comfort Zone oberhalb der Hauptstraße zu sehen. Die Middlesex Street wäre interessanter für einen Täter, der dort nur temporär, wie als Gast, ansässig gewesen wäre. Natürlich gehört sie mit zur geographischen Zone, wenn ich sie auch nicht als Hotspot ansehe. Zur Barriere der Hauptstraße war es ja auch nur ein Katzensprung, auch darunter könnte man die Basis von JtR sehen, wenn auch soweit wie möglich an Tatort Tabram gelegen.       

Zu den Kreis oder Dreiecks Theorien in den geograpischen Profilen, ist auch die Tatsache interessant, dass, bezüglich der Dreieckstheorie, erneut die Adresse Greenfield Street ins Visier gerät. Geht man vom Tatort Nichols als ersten Mord aus und verbindet die weiteren Morde in ihrer Reihenfolge, dann entsteht eine Art Dreieck, dass man als sekundäre Komfortzone des Rippers erkennen kann. Das ist ein Muster, das man bei Serientätern oftmals bestätigt fand. Die Greenfield Street befindet sich noch im Bereich der sekundären Zone, jedoch sehr dicht an einer Geraden des Dreiecks, eben nicht weit entfernt vom angenommen ersten Mord in der Bucks Row. Die von mir beschriebene Teilung dieser Zonen durch die Hauptstraße und die oftmals wiedergefundene Figur des Dreiecks bei Serienkillern belastet in beiden Fällen klar die Kosminski Adresse in der Greenfield Street. Abgesehen von Namen, ich bin der festen Überzeugung, dass Jack the Ripper seine Basis in St. George in the east hatte oder sehr, sehr nahe daran. Zu Sagars Stellung in der Butchers Row, City Bereich, sei noch gesagt, dass Kosminski auch eine Verbindung dahin hatte. Es betrifft den Hundevorfall aus dem Jahr 1889 im Bereich der City.

Ich denke, dass der Ripper in fast allen Fällen einige Stunden im East End verbrachte, ehe er zuschlug. Wenn er Prostituierte traf, wie Nichols oder Chapman, die alkoholkrank und auch gesundheitlich sehr krank waren, dann war das vielleicht gar nicht so einfach, den geeigneten Ort zu finden, wollte er sich von seiner Basis entfernen. Traf er diese Personen in der Osborn Street, Nichols wurde da tatsächlich gegen 2.30 Uhr das letzte Mal gesehen (gefunden dann um 3.30 uhr), kann es unter Umständen schon länger gedauert haben, bis er die, für ihn, geeigneten und “sicheren“ Plätze, Bucks Row und Hanbury Street, gefunden hatte. Im Falle von Eddowes, gibt es einen Zeugen, der sie noch mit einem Mann an der Aldgate Station gesehen haben wollte. Richtung Mitre Square gehend. Von Lawende und Co.wissen wir auch, dass sie nicht gleich den Church Passage enterten, sondern davor stehen blieben. Auch Kelly hielt sich mit ihrem Freier noch einige Zeit vor dem Court auf. Das alles kostete Zeit und es mögen 3-4 Stunden für den Ripper vergangen sein, eher er wieder zur Basis zurückging. Auch das Hinterhergehen, das Stalken von Prostituierten nahm Zeit in Anspruch. Verfolgte er offensichtlich geschwächte Personen, wie Nichols und Chapman, die auch Pausen benötigten, mal ein Nickerchen machten, mit anderen Freiern sprachen, dann war da viel Zeit von Nöten, gerade wenn sich diese Beobachtungen wiederholten. Nicht jedes Opfer ging in solchen Fällen die von ihm erhofften Richtungen. Es ist überhaupt nicht gesagt, dass alle Opfer einfach da schon standen, wo sie letztendlich Opfer wurden. In den Fällen von Nichols, Chapman, Eddowes und Kelly, gibt es keine Sicherheit, dass sie schon am Ort waren. Er hätte durchaus, eine bestimmte Strecke, wie auch bei Cox mit der zweiten Frau beschrieben, mit den Opfern gegangen sein können und zwar Richtung äußere Ring der bekannten Tatorte, weiter weg von seiner Basis. Ich vermute im Fall der zweiten Frau bei Cox, dass es Richtung dieses äußeren Ringes ging. Solch ein Täter, mag auch einmal bei einer bestimmten Zahl von Opfern schneller zuschlagen, egal ob er das Haus um 1.00 Uhr oder 4.00 Uhr verlassen hätte. Aber die Wahrscheinlichkeit, das ist ein Erfahrungswert, ist, dass diese Täter meisten Stunden benötigt, um ein Opfer zu finden und zu töten. Jacob Levy in der Middlessex Street, wäre nicht eine halbe Stunde vor der Ermordung von Chapman oder Kelly aus dem Haus gegangen, hätte sie ermordet und wäre zur Basis zurückgekehrt. So etwas wäre bei 15 Opfern wahrscheinlicher. Und das Arthur, habe ich mir nicht ausgedacht, sondern dass sind die Dinge, wie sie wirklich passieren. 

Deine Überlegungen in allen Ehren, sie sind nicht gänzlich unmöglich aber wie hoch sind die Wahrscheinlichkeiten mit der wiederkehrenden Rückkehr in die primäre Comfort Zone und dann stattfindenden Morden und ein wiederholtes Verlassen der Basis 30 Minuten vor einem Mord und das bei 5-6 Opfern in einer kurzen Zeitspanne?  10,15, 20 %?

Wahrscheinlich ist das bei 5-6 Opfern einmal, so wie man das Kosminski unterstellt, der, wohlmöglich einmal kurz nach Verlassen seiner Basis zuschlug (Stride), so wie es Cox bei dieser bestimmten einen Nacht bemerkte, als sein Mann überraschend eine Frau in St. George in the east ansprach.

Wenn Levy JtR war, dann hatte er eine andere Basis als die Middlesex Street. Und deine Bemerkung, dass er aufgrund von Eheproblemen, die garantiert vorhanden waren, woanders lebte, ist eine gute Überlegung. Gerade dann, falls es die Fieldgate Street gewesen war.

Hab dich wohl,

Lestrade.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #352 am: 30.12.2016 21:52 Uhr »
Hallo Lestrade!

Zitat
Für mich sind die Tatorte bei den Morden an Chapman, Eddowes und Kelly, wie ich erwähnte, zu sehr an der Adresse Middlesex Street gelegen, bezüglich natürlich auch an den Zeitpunkten, wo sie geschahen. Der ohnehin kleine Radius macht es bei diesem, eher seltenen Tätertyp, auch nicht einfacher. Dennoch, auch für sie gelten die meisten Regeln, die die Profiler anwenden. Und da ist mir, in deiner Theorie, eine wirklich zu kleine “Pufferzone“, von seinem Wohnsitz aus, zu verdächtig.

Da JTR einen extrem kleinen Wirkungskreis hatte, dürfte auch die Pufferzone entsprechend klein gewesen sein. Wenn wir das geographische Profil von Weshley English betrachten, sind da in der knappen Quadratmeile mit den Tatorten die entsprechenden Pufferzonen durchaus vorhanden, aber eben logischerweise sehr schmal - und auch die Middlesex Street liegt schon außerhalb dieser Zone.
Wie du selbst schriebst:  "der Mann war voller Risiko... er hatte Glück, da nicht erwischt zu werden..." und er war "krank und das Risiko war ihm egaler als sonstwen".

Darüber hinaus hatte ich mein geographisches Profil ja - in Übereinstimmung mit Wesley Englishs Profil - um ein zweites Zentrum, eine zweite mögliche Operationsbasis bei seiner früheren Adresse erweitert.
Wenn man den Wirkungsbereich JTRs geometrisch betrachtet, so sieht er wie eine Ellipse aus mit ihren zwei Brennpunkten F1 in der Nähe der Middlesex Street und F2 an der Whitechapel Road bei der Fieldgate Street.


Da du dich mit den Distanzen nicht so recht anfreunden kannst, betrachten wir aber mal die Entfernungen in Relation zu JTRs Wirkungsradius:

- Der Tabram-Tatort war in den George Yard Buildings. Jacob Levys Heim in der Middlesex Street 36 liegt rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg davon entfernt.

- Der Nichols-Tatort in der Buck's Row ist rund 1300 Meter und damit etwa 16-18 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt, oder etwa 400 Meter bzw. 4-5 Minuten von Levys alter Adresse.

- Der Chapman-Tatort in der Hanbury Street ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.

- Der Stride-Tatort Berner Street ist ebenfalls rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.

- Die Strecke zwischen dem Eddowes-Tatort Mitre Square und der Middlesex Street 36 beträgt rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg.

- Der Kelly-Tatort in der Dorset Street 26 ist rund 500 Meter oder etwa 5-6 Minuten Fußweg von der Middlesex Street 36 entfernt.


JTRs Wirkungsbereich war ungefähr elliptisch und hatte einen langen Durchmesser von West nach Ost von rund 1400 Metern und einen kurzen Durchmesser von Süd nach Nord von etwa 700 Metern.

Setzen wir eine Pufferzone mit dem Durchmesser von rund 600 Metern - das ist immerhin mehr als ein Drittel des langen Durchmessers seines Wirkungsbereichs.

- Wäre JTR nun etwa mittig angesiedelt gewesen, wäre der längste Weg rund 700 Meter gewesen, die mittleren Wege in einer Größenordnung von 400 bis 600 Meter, und die kurzen von rund 300 Metern...

- Wäre er eher am Rande angesiedelt gewesen, wäre der längste Weg rund 1400 Meter, die mittleren vielleicht 600 bis 1000 Meter und die kurzen rund 300 bis 500 Meter...


Vergleichen wir diese Entfernungen mit jenen von Jacob Levy... Und ehrlich gesagt, ich sehe in dem kleinen Wirkungsbereich keinen großen Unterschied bei den Distanzen, egal wo wir JTR in dem Gebiet verorten.


Aber zurück zu deinen Ausführungen:

Zitat
Wenn Levy der Täter war, dann war seine Basis nicht die Middlesex Street, sondern eine andere Straße, wie z.B. seine alte Adresse Fieldgate Street oder die Adresse in der Whitechapel Hauptstraße. Aufgrund der Tatorte, ist es doch auch sehr logisch, die sekundäre Comfort Zone oberhalb der Hauptstraße zu sehen. Die Middlesex Street wäre interessanter für einen Täter, der dort nur temporär, wie als Gast, ansässig gewesen wäre. 

Entsprechend sehe ich das ja mit den möglichen Ausgangspunkten bzw. Zufluchten: nicht "entweder - oder", sondern vielmehr "sowohl als auch".
Bekanntlich schrieb Cox: "He occupied several shops in the East End." Und das Aberdeen Weekly Journal, 16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."
 
Beides hatte ich in meinen früheren Überlegungen ja eher stiefmütterlich behandelt - obwohl ich selbst schon vor einiger Zeit die These aufgestellt hatte, dass er wegen nachvollziehbarer ehelicher Differenzen aufgrund seines immer asozialer werdenden Verhaltens nicht mehr wirklich fest in der gemeinsamen Wohnung lebte bzw. schlief, sondern zeitweise woanders verbrachte.

Ich denke da auch an die Zeitungsartikel über den "crazy jewish butcher":
London Evening News And Post, 13. September 1889: "The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion. He has a business, to which he scarcely ever personally attends."
North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889: "We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel. One man created some stir during the last murders under circumstances which I need not say anything about. He is a curious sort of fellow; in business, but not doing much to keep it going. His wife and daughter see to it, and he is out at all hours of the night."


Zitat
Auch sind bestimmte Barrieren für diese Täter wichtig. Eine Barriere wäre oder könnte eben diese Hauptstraße gewesen sein.

Da sind wir unterschiedlicher Meinung: Ich sehe als Barriere eher die Außengrenzen des East Ends an und das Kreuz der Hauptverkehrsachsen West-Ost (Whitechapel Road) und Nord-Süd (Commercial Street-Leman Street-Commercial Road) weniger als psychologische Barrieren, sondern vielmehr als mögliche "Ausfallstraßen", entlang derer JTR schnell und unauffällig zu seinen engeren Jagdgebieten rund um die Prostituiertentreffs gelangen konnte. Dort dürfte immer ausreichender Verkehr gewesen sein, um in der Menge mitzuschwimmen und nicht aufzufallen.
Ich gehe ja davon aus, dass er nicht einfach planlos durch das Viertel strich, sondern sich bewusst in die Umgebung seiner potentiellen Opfer begab.
Vielleicht liegt die Orientierung nördlich der Whitechapel Road einfach daran, dass die für ihn wichtigen Prostituiertentreffs auf der Nordseite dieser Achse lagen: Christ Church, St. Botolphs, Whitechapel Station...


Zitat
Ich denke, dass der Ripper in fast allen Fällen einige Stunden im East End verbrachte, ehe er zuschlug. (...) Es ist überhaupt nicht gesagt, dass alle Opfer einfach da schon standen, wo sie letztendlich Opfer wurden.

Das habe ich ja nie behauptet - vielmehr habe ich im Gegenteil gerade darauf hingewiesen, dass man auch deshalb keine Korrelation zwischen Tatzeit und der Entfernung Ausgangspunkt-Tatort aufstellen kann.


Zitat
Deine Überlegungen in allen Ehren, sie sind nicht gänzlich unmöglich aber wie hoch sind die Wahrscheinlichkeiten mit der wiederkehrenden Rückkehr in die primäre Comfort Zone und dann stattfindenden Morden und ein wiederholtes Verlassen der Basis 30 Minuten vor einem Mord und das bei 5-6 Opfern in einer kurzen Zeitspanne? 10,15, 20 %? 

Ehrlich gesagt verstehe ich diese Ausführungen nicht: Ich habe die Größenordnungen der Verhältnisse oben mit einer Pufferzone von 600 Metern dargestellt, das wäre rund ein Drittel seines Wirkungsbereiches. Das dürfte ja wohl eine ausreichende primäre Comfort Zone sein, oder?


Für mich sieht JTRs Vorgehen einfach so aus:
Er brach auf, sobald er das Bedürfnis verspürte und er sich von seinen Verpflichtungen und seinem sozialen Umfeld absetzen konnte - das konnte zeitlich durchaus schwanken.
Er suchte vor seiner Jagd vermutlich noch das eine oder andere Pub auf, um sich einen anzutrinken, und zog dann irgendwann weiter in Richtung einer der Prostituiertentreffs.
Wie bereits erwähnt: Nichols traf er in der Nähe des Prostituiertentreffs Whitechapel Station, Chapman und Kelly in der Nähe von Christ Church, Eddowes in der Nähe von St. Botolphs.
Diese Treffs lagen nun mal da, wo sie lagen, darauf hatte er keinen Einfluss.
Aber dort an den Zentren des Straßen-Strichs war die Wahrscheinlichkeit am größten, ein passendes Opfer zu finden - möglichst betrunken.
Und durch die Beobachtung der Umgebung dieser Treffs hatte er auch bald ein recht genaues Bild der Beats der Polizei.
Er drehte also seine Runden kreuz und quer durch die Straßen um diese Treffs wie Whitechapel Station oder Christ Church, bis er ein passendes Opfer sah, das allein unterwegs war oder sich etwas von der "Herde" entfernt hatte, so dass er sie möglichst unbemerkt ansprechen konnte.
Falls ihm etwas an den Umständen überhaupt nicht passte, zog er einfach weiter zum nächsten Prostituiertentreff, und wenn der Berufsverkehr einsetzte bzw. es hell wurde, bevor er erfolgreich war, machte er sich auf den Heimweg - irgendwann musste er ja wieder zurück.
Lief die Kontaktaufnahme mit einem potentiellen Opfer hingegen nach seinen Vorstellungen, suchte er mit ihr eine ruhige Ecke für das vermeintliche Geschäft und schlug zu.

Meiner These zufolge könnte JTR den Prostituiertentreff von Botolphs u.U. zunächst gemieden haben, weil er selbst ihm, dem keineswegs Risikoscheuen, zu nahe an der Butcher's Row und zudem bereits auf dem Gebiet der City Police lag.
Als er aber bei Stride nicht zum Abschluss kam, könnte er aus seinem inneren Drang heraus auch diesen minimalen Sicherheitsabstand aufgegeben haben.

So sehe ich das.



MfG, Arthur Dent



P.S. Guten Rutsch ins Neue Jahr!
« Letzte Änderung: 30.12.2016 22:51 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jacob Levy
« Antwort #353 am: 30.12.2016 23:10 Uhr »
Hallo Arthur!

Ich antworte jetzt einmal nicht bezüglich Zitate sondern in einem kompletten Text.

Vorab möchte ich mich noch bei dir bedanken, dass es zwischen uns im vergangenen Jahr zu einem intensiven und regen Austausch hier kam. Obwohl es für mich ein Jahr war, indem ich eigentlich so wenig Zeit wie noch nie für dieses Thema hatte, war es dennoch sehr erfolgreich und letztendlich kam es doch noch zu einer hohen Aktivität, wie ich das auch immer geschafft haben mag. Wie bereits erwähnt, wollte ich dir etwas zur Seite stehen und war auch froh, dass wir doch zum Teil ähnliche Vorstellungen haben und ich mich besser denn je verstanden fühlte. Darin lag ja ebenfalls meine Intention immer wieder mit dir in Kontakt zu kommen. Auch wenn man es manchmal nicht wahr haben möchte, war das alles sehr inspirierend und half auch weiter. Meistens war ich in der Lage, dass ich Postings innerhalb weniger Minuten verfassen musste, was dazu führte, dass manches einfach nur aufführend war und das hier und da eine Zwischenformulierung flöten ging, was so manche Kommunikation sanfter und verständlicher gemacht hätte. In der Regel antworte ich ja auch innerhalb kurzer Zeit, weil mit bei deinen Postings immer gleich 20 Sachen durch den Kopf gehen. Würde ich mir mehr Zeit nehmen, bin ich ein Typ, der dann gar nicht mehr antwortet. Das wollte ich vermeiden. Die meisten Dinge, wie auch jetzt, habe ich schon gefühlte einhundertmal erwähnt aber ich muss mir natürlich eingestehen, dass das niemand auf den Schirm haben kann. Das ist unmöglich und ehrlich gesagt, geht mir das auch ja so. Warte ich zu lange mit der Antwort, dann käme mir in den Sinn: “Oh, alles schon mal geschrieben, ich lass es“. Also wiederhole ich mich (lieber schnell) immer wieder. Dieses Jahr musste ich mehr oder weniger, ganz allgemein, vieles einfach abhaken, wollte aber so wenig wie möglich dabei schludern. Falls du dich da eventuell überrascht gefühlt hattest, es war mir meistens nicht anders möglich. Aber um diesbezüglich hier mal abzukürzen: Es war mir eine Ehre.

Dass man einer bestimmten Theorie verfolgt, ist ja legitim. Ich tue nichts anderes. Mein Thema dieses Jahr war ja auch, Kosminski mit dem Zentrum von Whitechapel zu verbinden. Dafür gab es m.E. auch gute Gründe. Ich wurde nicht fündig, was nicht heißt, dass es was gäbe, und ging einfach zu den Wurzeln zurück. Ging noch einmal in die geographischen und psychologischen Profile und durch die Vielzahl anderer Daten die wir zur Verfügung haben. Ehrlicherweise musste ich mir, den Umständen entsprechend, eingestehen, dass es wohlmöglich der falsche Weg ist. Ich habe ja mit den Profilern aller Art oder mit der Polizeiarbeit so viel zu tun, wie manche Länder mit den Menschrechten. Auf einem amateurhaften Wege, versuche ich all diese Dinge zu verstehen. Sie sind sehr komplex und nur wirklich von Leuten zu verstehen, die tatsächlich wissen, aus gutem Grunde, was dahintersteckt. Ich denke, da geht es uns allen ebenso. Der Prozess des Verstehens ist bei mir immerwährend, weil ich denke, dass ich nicht die Fähigkeiten besitze, dass alles in seiner Komplexität zu verstehen. Aber was ich verstehe, gebe ich gerne weiter, gerade an Menschen wie dich, weil ich weiß, was dahinter für harte Arbeit steckt. Aber ganz natürlich, kann das auch alles falsch sein, was ich so von mir gebe.

Dennoch komme ich dabei gerne auf das Beispiel der der Ornithologie zurück. Hierbei ist es den Profis besonders wichtig, was die Amateure alles so beobachten. Ich wünschte mir das ähnlich für und in der Ripperologie.   

Vielleicht kannst du das alles als einen versöhnlich Abschluss betrachten, ich würde es mir wünschen.

Comfort Zone ist Comfort Zone, egal ob primär oder sekundär! Dort finden die Verbrechen statt aber das erste Opfer, mit einem kleinen Puffer, wenn die primäre nicht sowieso der Puffer ist, befindet sich meist sehr dicht an der Basis des Täters. Unterschädliche Tätertypen und der Radius der Aktionen beeinflussen das Ganze.

Ein einfacher Absatz aber was könnte dahinterstecken und jetzt kommt meine Antwort zu deinem letzten Post:

Es kommt eben darauf an, was ein geographisches Profil noch alles mit sich bringt, was es vorab zeigt oder zeigen kann. Dr. Stuart Kind, im Falle Sutcliffe, nahm an, dass je früher ein Verbrechen stattfand, desto weiter war Sutcliffe von seiner Basis entfernt. Der Grund, Sutcliffe musste größere Distanzen zurücklegen und somit mit mehr Zeit für die Rückkehr rechnen, einer sicheren Rückkehr. Also, desto später die Tat stattfand, desto dichter war er an seiner Basis. Damit hatte Kind Erfolg. Das klingt auch logisch. Im Falle vom Ripper schlug er vor, weil die meisten Verbrechen sehr spät stattfanden, Tabram, Nichols, Chapmann, Kelly, dass es möglich wäre, dass der Ripper im Falle Stride noch nicht allzu weit von seiner Basis entfernt lag und Eddowes wiederum in der Zeitmitte lag, sehr sinnig zu den bereits erwähnten uhrzeitlich späten Opfern. Also weil diese Tat früh stattfand, war der Täter noch nahe an seiner Basis. Es ist eben wichtig, wie man die Spuren liest und interpretiert, welche Art von Verbrechen es ist und welche Täterpersönlichkeit zu erwarten ist. Sutcliffe war zu organisiert, um ein desorganisierter Täter zu sein, ohne vielleicht gleich den klassischen organisierten Täter zu mimen. Jack the Ripper war eindeutig die Kategorie desorganisiert, mit einem weitaus geringeren Maß an Planung. Dazu kommt, dass JtR in jedem Falle schnell seine Basis erreicht hätte, egal von welchem Tatort aus. Der Grund, sein Radius war minimal. Für ihn war die Zeitsache nicht zu vergleichen mit dem Radius von Sutcliffe, der erheblich mehr damit rechnen musste. Ein Weg zur Basis zurück, von 10-20 km, ist eben anders anzusehen, als eine Rückkehr zur Basis von 800-900m. Weiterhin kommt es darauf an, welche Parameter man für ein solches Profil verwenden möchte. Dazu gehören die Orte, an denen die Opfer zuletzt gesehen wurden, welche Opfer man mit aufnimmt, Smith und/ oder Tabram, die Goulston Street mit dem Schürzenteil oder die Batty Street mit der blutigen Wäsche usw.

Für Jack the Ripper war es nicht so wichtig, in Richtung Basis zu gehen, weil er sich stets in unmittelbarer Nähe befand. Außerdem neigen schizophrene Täter dazu, auch mal auszuscheren und direkt vor der Haustüre zuzuschlagen, weil ihr Risikoempfinden ein anderes ist. Aber immer im Zusammenhang mit den anderen Tatorten gesehen und damit, dass es eine Ausnahme gewesen sein könnte.

Ich glaube, es war die Kreistheorie von Canter, die besagte, dass im schmalsten Kreis, das Zentrum des Mörders war, 80m nördlich entfernt von der St. Mary Matfelon Church auf der Whitechapel High Street. Knapp 250m davon entfernt, wurde Tabram ermordet. Zu diesem Zentrum gehörte die Osborn Street, der Ort, an dem an der Kreuzung zur Whitechapel High Street, Nichols das letzte Mal gesehen wurde und in die Straße ging Emma Smith bevor sie attackiert wurde, verfolgt von eben jener Kirche dort aus. Zu der Kirche gehörte auch die Church Lane, wo ein Mann nach der Stride Attacke gesehen wurde, wie er sich die Hände reinigte. Das Problem mit dieser Kreistheorie ist, dass man zu sehr auf die Informationen der ersten beiden Verbrechen einer Serie aufbaut, wie Dr. Karen Shalev heraushebt. Joshua David Kent oder Colin Roberts weisen ebenfalls da noch auf weitere Probleme hin und machen andere Vorschläge. Man kann das alles im “Prime Suspect“ von Rob House nachlesen, auch die Theorien von Canter mit seinen “marauder“ und “commuter“ Modellen im Kreis. Weitere Information von D. Kim Rossmo sind dort ebenfalls zu finden, Harbort oder Douglas/ Ressler kann man diesbezüglich auch noch aufsuchen. Mir gefällt die Theorie mit der Barriere Aldgate/ Whitechapel High Street/ Road am besten, gemeinsam mit der Dreieckstheorie (Douglas/ Ressler). Ich glaube es war Rossmo, oder abgeleitet von ihm, die die Flower and Dean Street als Zentrum angibt, nicht weit von der Osborn Street entfernt und ganz nahe mit den Tatorten Kelly und Chapman verbunden. Da sind wir ja in ähnlicher Konstellation wie bei Levy in der Middlesex Street. Aber wie erwähnt, diese Modelle sind, jedes auf seine Art, erfolgreich, sind aber, eben auch unter den Experten selber, kontrovers diskutiert und abhängig davon, wie man die vorhanden Umstände interpretiert oder gar mit aufführt. Und hierbei ist dieses winzige Gebiet des Rippers schon ein Problem. Wir wissen, dass er irgendwo dort lebte und ob man nun die Flower and Dean Street benennt oder die Osborn Street, beide miteinander mit einem Katzensprung zu erreichen, ist vollkommen egal. Ich denke, es geht darum, keine bestimmte Straße ganz genau vorherzusagen, was wohl unmöglich ist, sondern einen bestimmten Bereich Drumherum zu bezeichnen, indem der Täter zu Hause sein muss. Dafür ist diese Art Profiling, meines Erachtens, viel zu komplex. Du kannst sagen, Middlesex Street, ich Greenfield Street, ein andere Flower and Dean Street, ein anderer noch die Osborn Street oder die Wentworth Street, von mir aus noch die Little Alie Street, wir werden alle recht haben, denn der Ripper lebte davon maximal 5 Minuten entfernt, wir befinden uns in jedem Falle in seiner Zone, so bizarr das auch klingen mag. Wie gesagt, ich glaube an jene Barriere der Hauptstraße und das Dreieck. Die meisten Prostituierten waren zu finden im nördlichen Bereich über der Hauptstraße, Thrawl Street, Dorset Street, Flower and Dean Street usw. Hierher ging er primär, dass waren auch die Orte, wo Smith, Tabram, Nichols, Chapman, Stride, Eddowes und Kelly “zu Hause“ waren, auch, wenn er sie letztendlich in der Bucks Row, auf dem Gebiet der City oder in St. George in the east ermordete. Sein Zentrum war um die Kirche St. Matfelon gelegen, an der Barriere Hauptstraße. Wenn sie diese Barriere war, dann lebte er eben südlich davon, dort, wo St. George in the east seinen Anfang nahm. Ich finde, dass uns das auch Cox erzählt, dass es eben auch in Richtung blutige Wäsche ging, in Richtung Batty Street. Anderson sagte, der Täter konnte einen Ort aufsuchen, kommen und wieder gehen und seine Blutflecken unbemerkt entfernen. Landeten sie in der Batty Street gegenüber des Dutfields Yard in der Berner Street, dann kann nur St.George in the east der Wohnsitz des Rippers gewesen sein, nicht weit von diesen Straßen entfernt. Die Greenfield Street lag noch in der Comfort Zone des Rippers, nur 500 m vom Zentrum der Kreistheorie entfernt. Es ist natürlich klar, dass dies passen würde und wird bestätigt auch durch die Dreiecks- als auch durch die sekundäre Zone nördlich der Hauptstraße. In meinen Augen ist das nicht mal eine Kunst, gegeben durch die Umstände. Vielleicht ist es einfach auch so, Arthur, dass das geographische zwar wichtig ist aber aufgrund bestimmter Konstellationen gar nicht SO wichtig. Wir wissen, dass er jemand war, der in dem Bereich lebte.

Macnaghten in der Aberconway Version:

  "No 2. Kosminski, a Polish Jew, who lived in the very heart of the district where the murders were committed.

Das passt zur Canters Kreistheorie, zur Greenfield Street und auch zu den Schilderungen von Cox.

Viel wichtiger wäre es, in meiner Überlegung eines geographischen Profils, die blutige Wäsche in der Batty Street als auch die Sichtung eines Mannes in der Church Lane mit einzubeziehen. Dann würde sich die Basis des Täters sicherlich in St. George in the east zu erkennen geben. Dass er die indirekte Fluchtroute via Goulston Street nahm, könnte daran gelegen haben, dass ihm DC Daniel Halse und zwei seiner City Police Kollegen auf der Aldgate High Street, an der Ecke Houndsditch, St. Botolph´s Kirche, den Weg blockierten. 

Nun gut…

Howard Brown hat einen Artikel ins JTRForums gestellt, der wie folgt zu lesen ist:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=26780

Mich erinnert das an Cox Bemerkung mit der zweiten Frau in seinen Schilderungen, die nach einer gewissen Distanz von Verdächtigen einfach weggestoßen wurde. Die Größe, als auch die dunklen Haare werden von Cox ja ebenfalls erwähnt. Ich frage mich immer, was an Konversation zwischen dem Ripper und den Opfern bzw. potentiellen Opfer stattgefunden hatte. Einmal, in Cox seinen Memoiren, lacht die erste Frau und schreit dem Mann nach, im zweiten Falle, wie auch im Zeitungsartikel, kommt es zu einer überraschenden Attacke des Mannes. Auch von Stride wissen wir, dass sie nach einem Augenblick plötzlich attackiert wurde, dann aber auch eher leise schrie. Sie wollte sich von ihm nicht in den Yard drücken lassen. Was erzählte er ihnen, war es jemand der Lächerlich wirkte? Cox sagte auch, dass sein Blick auf seinem ohnehin üblen Antlitz irrer als gewöhnlich in jener Nacht ausfiel. Es könnte ja sein, dass das Gesicht des Mannes, durch eine Entstellung oder durch Akne oder andere Hautkrankheiten kein schöner Anblick war. 

Aber das ist wohl ein anderes Thema…

Ich wünsche dir und deiner Familie ebenfalls einen guten Rutsch und bedanke mich herzlich für deinen Wunsch. Kommt gut rüber.

Beste Grüße, Lestrade.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #354 am: 01.01.2017 12:20 Uhr »
Hallo und ein frohes neues Jahr!


Ich habe einmal zwei neue Karten angelegt:

Die erste Karte zeigt allgemein die Tatorte und Tatzeiten in Beziehung zu den Hauptverkehrsachsen und den Prostituiertentreffpunkten, von denen ich weiß.

Ich nehme mal an, in der Nähe der zentralen Kreuzung Whitechapel High / Commercial bzw. bei St. Mary Matfelon gab es auch noch einen Strich.
Falls jemand noch weitere Zentren des Straßenstrichs kennt, wäre ich über die Info sehr dankbar

Diese Karte zeigt m.E. recht deutlich, dass sich JTR vermutlich entlang der beiden Hauptachsen zu den an ihnen gelegenen Prostitiertentreffs als seinen eigentlichen "Jagdgebieten" orientiert haben dürfte.

Für mich sieht das, was die Karte zeigt, keineswegs so aus, als sei die Whitechapel Road eine Art psychologische Barriere für JTR gewesen, denn die Prostituiertentreffs bei St. Botolphs, an der Whitechapel High bzw. St. Mary Matfelon und London Hospital / Whitechapel Station liegen genau auf dieser angeblichen Barriere.

 

Die zweite Karte zeigt zudem hinsichtlich der Levy-These noch seine beiden bekannten Lebensmittelpunkte mit grünen Pufferzonen von jeweils rund 600 Metern Durchmesser darum.

Dabei fällt auf, dass diese zwei Punkte in der Nähe der beiden Brennpunkte der Ellipse von etwa 1400 Metern Breite und 700 Metern Höhe liegen, welche JTRs Wirkungsbereich ausmachte, und dass die Tatorte ungefähr in Äquidistanz um diese beiden Brennpunkte angeordnet sind.

Aber selbst wenn man Levys alte Adresse weglässt, ändert sich nicht allzuviel an der Geometrie, da Nichols ja als einzige nicht zuletzt in unmittelbarer Tatortnähe, sondern an der Ecke Whitechapel High / Osborn Street gesehen wurde, wie sie Richtung Osten wankte und JTR ihr einfach gefolgt sein kann.
Ebenso muss Stride irgendwann auf dem Weg nach Süden die Whitechapel High Street überquert haben.



P.S. Alternativ ließe sich als Nord-Süd-Achse auch noch Brick Lane / Osborn Street / Church Street ansetzen - ich habe Commercial Street gewählt, weil direkt daran Christ Church und die Zugänge zu Hanbury Street und Dorset Street liegen und sie die Hauptkreuzung mit der Whitechapel Road ist. Darüber hinaus sagte Hutchinson ja, dass Kelly dort den Astrachan Man traf.



Soviel zur Verfeinerung meines geographischen Profils.


MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 01.01.2017 12:30 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jacob Levy
« Antwort #355 am: 01.01.2017 14:15 Uhr »
Frohes neues Jahr!

Gibt es einen bestimmten Grund, warum Du dich für einen Durchmesser von 600m Durchmesser, mit Levys Adressen (nicht eines Tatortes) in der Mitte entschieden hast? Ich bin mir nicht ganz sicher, denke, dass es sich dabei jeweils um ca. 450m handelte. Es scheint, dass Du bewusst Tabram, Eddowes und Kelly aus der "grünen Zone" herausgelassen hast, wobei es sich dabei wohl stets nur, durchschnittlich, um rund 50m handelte. Chapman erscheint dadurch auch etwas herausgedrückt. Es kommt mir so vor, als ob du eine Art Basis für Levy schaffen wolltest, zu der nicht direkt jene Tatorte gehörten, falls sie bei tatsächlich 600m nicht ohnehin dazugehören würden. Wo liegt die Ursache, bei so wenig Metern, sie nicht in diese Zone aufzunehmen?
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Re: Jacob Levy
« Antwort #356 am: 01.01.2017 16:15 Uhr »
Hallo Lestrade, frohes neues Jahr!



Zitat
Gibt es einen bestimmten Grund, warum Du dich für einen Durchmesser von 600m Durchmesser, mit Levys Adressen (nicht eines Tatortes) in der Mitte entschieden hast?

In Wesley Englishs GeoProfiling Programm fängt die Rote Zone von JTRs wahrscheinlicher Ausgangsbasis bei etwa 300 Metern Abstand zu den Tatorten an. (Die gelbe Übergangszone geringerer Wahrscheinlichkeit habe ich sogar ignoriert, das wären noch mal 50-100 Meter weniger Distanz gewesen.)
Er setzt also eine Pufferzone von rund 300 Metern um JTRs Basis in jede Richtung - das macht rund 600 Meter Durchmesser um diese Basis aus.
Das ist eine Pufferzone, die über ein Drittel der Länge und fast die gesamte Höhe von JTRs Wirkungskreis ausmacht - das erscheint auch mir eine plausible Größenordnung.

Selbstverständlich sind die Kreise eine Vereinfachung im Vergleich zu Englishs professioneller Software, die eine kontinuierliche Steigerung der Wahrscheinlichkeit farblich von Grün über Gelb bis Rot anzeigt.
Präziser wäre es gewesen, meine Kreise von ganz hellgrün am Rand bis zu kräftig grün zum Zentrum hin anzulegen, aber ehrlich gesagt war ich für die Einrichtung eines konzentrischen Farbverlaufs zu faul.

Ich habe die Kreise etwas geändert, um zu hervorzuheben, dass eine solche Pufferzone natürlich ein Kontinuum der Wahrscheinlichkeiten darstellt und keine scharf umrissene Grenze. Sind noch nicht perfekt, aber zumindest nicht mehr so scharf umrandet wie zuvor.


Zitat
Ich bin mir nicht ganz sicher, denke, dass es sich dabei jeweils um ca. 450m handelte. 

Und von wem stammt diese Zahl?



MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 01.01.2017 16:54 Uhr von Arthur Dent 2 »

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #357 am: 01.01.2017 19:50 Uhr »
Danke Arthur!

Ich versuche mal zu verstehen:

Wesley (bin auf seiner Seite) arbeitete doch mit keinem vollkommenden Kreis, wie du es tust, was sein Rot angeht! Der rote Bereich von ca. den Minories bis zur Vallance Road ist doch ca. 1km bei ihm, auf der Hauptstraße gehend. Von der Thrawl Street bis zur Plumpers Row sind es Luftlinie 300m im anderen Durchmesser. Nehme ich selbst davon den Durchschnitt, liege ich bei 650m. Die Middlesex Street Adresse von Levy liegt bei ihm doch schon fast im grünen Bereich. Ich verstehe dich da jetzt nicht ganz. Wesley erschaffte das Profil des Rippers aufgrund der Tatorte, und du möchtest das Profil aufgrund von Levys Adresse darum aufbauen? Damit lägen doch die Tatorte Chapman, Eddowes und Kelly, schiebst du sein Profil, Levys Adresse inmitten der roten Markierung, auf deines, eben im roten Bereich, nicht mehr im Grünen. Dein linker Kreis steht doch in keinem Verhältnis zu allen Tatorten, so wie bei ihm.

Wesley setzte folgendes Verhalten voraus:

Jack would not kill right outside his home.

The probability of Jack killing would increase with distance from his home until it peaked at some point.

The probability Jack killing would then decrease with further distance from his home.

Das heißt, Jack tötete nie direkt in seiner Basis (rot) sondern außerhalb davon (grün). Die Tatorte laufen nicht von Grün in Rot über. Tabram würde direkt inmitten vom Rot ermordet worden sein. Du hast sie in deinem Profil, er nicht. Alle seine Tatort der K5 miteinander verbunden, ein Kreis, sind der äußere Bereich, wo sein Jagdgebiet endete. Darüber hinaus würde er nicht viel weiter zuschlagen. Du übernimmst gewisse Annahmen von ihm im Bezug der Tatort der K5 auf dein Profil der K 6 aber im Bezug zur Levy Adresse als Mittelpunkt. In Wesleys Profil, umschließt der rote Bereich doch gar nicht die nördliche Middlesex Adresse von Levy. Sie liegt doch an einem gelblich-grünen Bereich. Wie sähe denn Wesleys Profil mit Tabram aus? Du schreibst: “In Wesley Englishs GeoProfiling Programm fängt die Rote Zone von JTRs wahrscheinlicher Ausgangsbasis bei etwa 300 Metern Abstand zu den Tatorten an.“ Aber was hätte das mit deinem grünen Kreis im Falle von Stride und Nichols zu tun? Im Falle von Nichols, liegt dein grüner Rand selber ja schon knapp einen Kilometer von der Bucks Row entfernt. Bei Stride ist es ja genauso, gar vom Kreiszentrum entfernt. Vom roten Mittelpunkt bei Wesley liegen die Tatorte Eddowes und Nichols doch weit über 300m entfernt, über doppelt soweit weg, Nichols weiter als Eddowes. Solch ein Profil zeigt doch auch nicht direkt eine Straße an, sondern nur einen Bereich mit mehreren Straßen, dass man dabei einen direkten Punkt angegeben kann, der dann tatsächlich der Tatsache entspricht, habe ich noch nie gehört. Die roteste Stelle entsteht doch nur aufgrund mathematischer Berechnungen. Das tiefere Rot bei ihm, entsteht doch gleich hinter den Minories bis fast an die Vallance Road bzw. beginnt an der Thrawl Street und endet auf Höhe Plumbers Row. Wenn man das Profil eines solchen Profilers annimmt, kann man nur auf sein Ergebnis kommen. Man muss wissen, dass er nur von den K5 ausging und ich weiß nicht wirklich, wie sein Profil mit Tabram aussieht. Wenn er sagt, dass Jack nicht vor seiner Haustüre tötete, dann würde sein roter Bereich doch überhaupt nicht mehr so Rot sein, sondern an der Stelle von Tabram, grün, wie bei allen anderen Opfern. Wenn wir auf deinem Profil den Tabram Tatortbereich grün machen, was er ja im Prinzip ist, sowie auch Eddowes, Kelly und Chapman, dann würde sich der ganze Bereich um Levys Adresse dort aufhellen und Wesleys roter Bereich sich östlicher und südlicher darstellen. Ganz klar liegt Levys Adresse auch ohne Tabram bei Wesley noch gerade so am roten Bereich. Haarfeiner, aber schon rot, lägen noch die Greenfield Street und die Fieldgate Street darin. Mit Tabram würde die Middlesex Street grün erscheinen bei ihm. Sich auf Wesley zu beziehen und dabei Tabram einzubauen, damit machst Du dir ja selber die Levy Adresse in der Middlesex Street kaputt. In Wesleys Annahmen, welche u.a. auf die Tatorte beruht, ist eben das rot was rot ist, und die nördliche Middlesex Street Adresse ist es nun mal nicht. Da kann man doch nicht um die Adresse von Levy einen Kreis ziehen und es darstellen als sei es Wesleys roter Bereich. Das ist doch keine Lösung. Aufgrund des kleinen Gebietes, bleibt die Middlesex Street, gerade der südliche Bereich, absolut interessant hat aber nichts mit Wesleys gänzlich roten Bereiches zu tun.

Was du gemacht hast ist, einen Kreis um Levys Adresse gezogen und dabei die Tatorte Eddowes und Kelly wie auch Tabram und Chapman grün erscheinen lassen (im Vergleich mit Wesleys grünen Bereichen). Deine 300m als Ausgangsbasis, vom Mittelpunkt an ausgesehen, plus noch einmal 300m, was haben diese 600m mit den Tatorten Nichols und Stride zu tun? Die musst du auch in deine 600m mit aufnehmen um dich auf Wesleys Profil Ansichten zu beziehen.

Kurz mal das, bevor ich es vergesse:

Vorausgesetzt, dass seine Basis die Fieldgate Street war, dann ist der Stride Tatort, unterhalb der Hauptstraße, der Tatort, wo am frühesten in einer Nacht ein Opfer getötet wurde. Deiner Ansicht nach zu schlussfolgern, wäre der Täter wieder nach der Stride Attacke in Richtung Basis gegangen, also Fieldgate Street. Ging er aber nicht, sondern weiter Richtung Mitre Square. Angenommen, Levy ging nach den beiden Morden wieder plötzlich nach Hause, zu seiner alten Adresse, wie hätte seine Frau reagiert, wenn sie mitbekommen hätte, dass ihr Mann plötzlich wieder daheim ist, nachdem nahe seiner alten neuen Adresse bzw. an der normalen, plötzlich zwei Mordopfer gefunden wurden und unweit ihrer regulären Adresse, um die Ecke, auch noch ein Schürzenteil auftaucht, welches einem der Opfer gehörte? Lebt Levy in der Fieldgate Street, ging er eben nicht Richtung Basis. Weitere Morde, Chapman und Kelly, auch Nichols, fanden später des Nachts statt. Hier würde man wieder sehen, desto früher ein Mord, desto dichter an der Basis.

Dein linker Kreis bezieht sich doch eher auf die Tatorte Tabram, Chapman, Eddowes und Kelly. Und ob da die angenommenen 600m stimmen, ich schaue einfach auf Karten mit Maßstab, bin ich mir nicht sicher. Und Nichols und Stride lagen weiter von Levys Adresse in der Middlesex Street entfernt. Man fährt ja heute noch relativ gerade um die 1,5 km von der Bucks Row bis zur Middlesex Street. Und wie gesagt, Wesley bezog sich auf alle Tatorte der K5.

Du würdest ja selber erkennen, wenn das bei Wesley so stimmt mit den von dir vermuteten Angaben, dass sein roter Bereich auf Levs Adresse gelegt, den Tatort Nichols weit über die angenommen 300 bzw. 600m erscheinen lässt. Ein Oval, wie bei Wesley, hat ja auch eine Mitte, die Tatorte können nicht alle gleich entfernt gelegen haben. Gehe ich vom äußeren Rand des roten Bereiches aus, dann liegt z.B. der Nichols Tatort nur knapp 80 m von der Vallance Road entfernt, dort wo eben der rote Bereich endet.

Noch einmal, ich finde Wesleys Profil Klasse. Aber es würde sich verändern, wenn er Tabram mit aufnehmen würde. Vermutlich rutscht bei ihm dann die Levy Adresse weiter in den grünen Bereich. Einem Bereich in dem Jack eher mordete anstatt zu leben. Roter würde es dann werden in Richtung Osten und Süden. Richtig Rot wären dann wohl auch die Fieldgate als auch die Greenfield Street.

Tabram hin-oder her, Wesleys Profil zeigt m.E. an, wo der Ripper zu finden war. Er kann überall im rötlichen Bereich zu finden gewesen sein oder ganz dicht dabei. Wo es roter wird, da wahrscheinlicher aber nicht absolut sicher. Aber Levys Adresse roter zu machen als sie bei Wesley ist (Wesley Basis/rot bei dir/grün), aufgrund einer Verdächtigen Adresse anstelle einer vollkommenen Tatortkarte, auch gerade durch die Aufnahme von Tabram, erscheint mir ungünstig und auch unnötig. Auch deshalb, weil sie Levy grüner macht auf Wesleys Karte und er noch "weniger in Frage" käme. War allerdings Tabram wirklich ein Ripper Opfer, dann wird seine Adresse bei Wesley tatsächlich auch grüner, weil Jack in solchen Bereichen eher tötete als gelebt hätte. Im Falle von Tabram und Kosminski in der Greenfield Street, müssten wir das wohl auf seiner (mit Tabram) Karte auch anerkennen. Die Ecke Levy wäre da Opfer, nicht Wohngebiet gewesen.

Beste Grüße,

Lestrade.
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #358 am: 02.01.2017 19:51 Uhr »
Hallo Lestrade!


Die Sache mit der zweiten Karte ist eigentlich ganz einfach:
Ich wollte damit zeigen, dass die von Wesley Englishs Programm für JTR angenommenen Pufferzonen um seine Basis auch für den Tatverdächtigen Jacob Levy gültig sind.

Du darfst dich nicht davon verwirren lassen, dass das Programm von English das mögliche Wohngebiet in Rot-Tönen darstellt und die Tatorte im Grünen liegen.
Ich habe es umgekehrt gemacht, sowohl vom Ansatz her als auch von den Farben und für die Pufferzone um die konkreten Adressen deshalb Grün gewählt, weil auf der Karte schon die Tatorte rot sind - und Grün als dessen Gegenteil gut auf die Zone passt, in der JTR nicht zuschlagen würde. So nach dem Motto: Rot = tot, Grün = sicher.

Ich habe also aus dem GeoProfiling Programm die Werte über die Breite des Pufferbereichs zu den Tatorten genommen - die rund 300 Meter Abstand bis zu Englishs Roter Zone - und diese konkret auf die Adressen von Jacob Levy angewandt.
Dabei entsteht logischerweise ein Kreis von rund 600 Metern Durchmesser um die jeweilige Adresse, innerhalb dessen JTR - in diesem Falle also Levy - höchstwahrscheinlich nicht zuschlagen würde, weil es zu nahe bei ihm gewesen wäre.
(In der Realität wird JTR sich natürlich an Häuserblocks und Straßenzügen orientiert haben, und nicht mit einem Zirkel einen Kreis um seine Basis gezogen haben.)

Mehr steckt da nicht dahinter: Es ging mir darum zu zeigen, dass auch bei der Annahme, dass Levy JTR war, die postulierten Pufferzonen eingehalten werden.

P.S.
Zitat
Tabram hin-oder her, Wesleys Profil zeigt m.E. an, wo der Ripper zu finden war.

Ähm, nicht ganz: Es zeigt ein Kontinuum von Wahrscheinlichkeiten für die mögliche Position von JTRs Basis an: Von Grün (Wahrscheinlichkeit sehr gering) über Gelb (Wahrscheinlichkeit höher) bis zu Rot (Wahrscheinlichkeit hoch). Das ist ein Unterschied.
Und nebenbei: Das funktioniert auch unter der Prämisse "He occupied several shops in the East End" und unabhängig davon, ob man Tabram mit einbezieht oder nicht (English hat beide Versionen erstellt).


Wichtiger war mir aber, mit den Karten einmal den Blick auf die Geometrie von JTRs Wirkungsbereich zu schärfen:
Es ist ein Kreuz entlang der beiden Hauptachsen mit jeweils einem Prostituiertentreff an drei der Enden - nur von der Umgebung der Berner Street ist mir bisher nicht bekannt, dass dort irgendwo ein Strich war.
Diese Symmetrie finde ich interessant - ob sie eine tiefere Bedeutung hat oder nur aus den Zufällen der Stadtentwicklung resultiert, weiß ich nicht. Jedenfalls würden in diese Geometrie auch gut mehrere Basen passen ("he occupied several shops").
Aber die Karte macht m.E. vor allem deutlich, dass die beiden großen Verkehrsachsen für JTR wohl keine psychologischen Barrieren darstellten, sondern vielmehr die Highways to Hell.


MfG, Arthur Dent

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #359 am: 02.01.2017 23:08 Uhr »
Guten Abend Arthur!

Das soll jetzt nicht kleinlich sein, nur der Korrektheit halber:

Du darfst dich nicht davon verwirren lassen, dass das Programm von English das mögliche Wohngebiet in Rot-Tönen darstellt und die Tatorte im Grünen liegen.Ich habe es umgekehrt gemacht

Das habe ich schon bemerkt, war ja auch offensichtlich, siehe hier: (Wesley Basis/rot bei dir/grün)

Zitat
Tabram hin-oder her, Wesleys Profil zeigt m.E. an, wo der Ripper zu finden war.

Ähm, nicht ganz: Es zeigt ein Kontinuum von Wahrscheinlichkeiten für die mögliche Position von JTRs Basis an: Von Grün (Wahrscheinlichkeit sehr gering) über Gelb (Wahrscheinlichkeit höher) bis zu Rot (Wahrscheinlichkeit hoch). Das ist ein Unterschied.

Wesleys roter Kreis ist ja nur ein Teil des Gebietes. Ich meinte dabei das gesamte Gebiet, ging dann etwas genauer auf den roten Bereich ein. Es handelt sich ja um Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Gebe zu, dass dies unglücklich formuliert war. Mein "Wesleys Profil zeigt m.E." bezog sich auf das gesamte Gebiet, nicht einzig um den roten Bereich. Sieh es mir nach...

Dein rechter Kreis, bezüglich der Fieldgate Street, passt zu den bekannten Profilen. Das fand ich gut. Er entsprach noch den Bereich, wo es mehr Sinn macht, diese Kreise des Profilings leicht zu verschieben. Diese Profile sind ja nur eine unterstützende Berechnung, die man flexibler betrachten kann. Desto weiter man jedoch diese Kreise verschiebt, ab einem bestimmten Punkt, gehen die Relationen zu den Tatorten immer mehr flöten. Das heißt nicht, dass der Täter woanders zu finden war. Diese Kreise sind nur ein Ausgangspunkt, eine Orientierung, die man auch verschieben kann. Irgendwann hört diese Kreistheorie dann auf, wenn man diese Kreise zu weit von den Grundlagen, auf welche sie aufbauen, entfernt. Diese Grundlagen und Theorien beruhen ja auf Erfahrungen, genug Fälle scheren davon mehr oder weniger aus. Aber ein Beweis, dass diese Profile ein Anfang sind auf dem man aufbauen kann.

Dein linker Kreis, so sah ich es, stand nicht mehr gänzlich in den Annahmen, die diese Kreistheorie eröffnete. Ich hätte es besser gefunden, wenn du etwas ovaler die Theorie von Wesley übernommen und nicht die Middlesex Adresse als Mittelpunkt genommen hättest. Wenn du nicht ganz so weit nach links gerückt wärst, diese Adresse dann dennoch schon im Rot, hätte das für mich sinniger und erklärender gewirkt, weil du dann wie im rechten Kreises, nicht allzuweit vom angenommen Mittelpunkt der Kreistheorie entfernt gewesen wärest. So wie eben beim rechten Kreis. Rob House hat das ja auch mal gemacht, allerdings noch mit der Sion Square Adresse von Kozminski, bevor er wusste, dass sie für 1888 falsch war. Die Greenfield Street/ Yalford Street, nicht weit weg, passte aber ja auch noch. Diese Verschiebungen der Kreise war da noch vertretbar, bei der Providence Street wäre das dann nicht mehr ganz so klar gewesen.

Wann wird der innere Kreis, die primäre Zone, bezüglich der Kreistheorie, nicht mehr richtig tragbar? Die Comfort Zone besteht aus primärer und sekundärer Zone. Beide stehen in Abhängigkeit zueinander und müssen, so meine Bobachtung, gleichzeitig miteinander verschoben werden. Denn der Gesamtkreis wurde um den Bereich der Tatorte gezogen und diese ergeben ja auch tatsächliche eine Art von Kreis. Der Durchmesser des Kreises selber, liegt bei ca. 1000m und etwas imaginär darüber hinaus (wegen Eddowes). Der innere Kreis, die primäre Zone, die Basis also, hat einen Durchmesser von 500m und der Mittelpunkt von ihm liegt mittig im Gesamtkreis. Der äußere Bereich um die innere, primäre Zone, ist die sekundäre Zone und der gänzlich äußere Rand die Begrenzung derselben. Nun kann man den Gesamtkreis so verschieben, dass sich die Tatorte der K5 immer noch um diesen Kreis bewegen, wie bei deiner Fieldgate Street Adresse und bei Rob´s Sion Square/ Greenfield Street Adressen. Alle drei lagen dicht zusammen.

Bei deinem Kreis, mit Levys Adresse als Mittelpunkt in der Middlesex Street, wird diese Kreisannahme so weit nach links verschoben, dass sich Nichols als auch Stride von diesem äußeren Kreisrand entfernen und man keinen sinnigen Tatortkreis mehr ziehen kann. Es sind ja allein von Levys Adresse dort, bis zum Mittelpunkt der bekannten Kreistheorie, schon 500m, so ja schon der Durchmesser des inneren Kreises. Neben Wesley´s Oval, wäre auch eine ähnliche Kreisverschiebung, wie du sie bei der Fieldgate Street sehr sinnig angewandt hast, auch links günstiger gewesen. Levy als Mittelpunkt in der Middlesex Street war m.M. nach nicht nötig. Ich fand das zu sehr aufs Auge gedrückt. Auch wäre Wesleys "Oval", nicht ganz so weit links passender gewesen, sie drücken die "nahen Tatorte" noch etwas weiter weg, als es ein nicht so weiter Kreis auch ohnehin schon getan hätte. Diese Tatorte hätten dann nicht so "primärzonig" gewirkt. Und Tabram wäre, als mögliches erstes Opfer, auch gut gelegen. Ich glaube, kein Profiler würde einen Täter genau im Mittelpunkt des inneren Kreises erwarten. Eine leichte Kreisverschiebung, zum Ort eines Verdächtigen hin, macht da mehr Sinn, denke ich. Im Falle von der Fieldgate Street und Kozminskis Straßen, kann man das allerdings auch punktgenau verschieben, im Falle von der Middlesex Street wäre Levy aber deutlich roter geworden ohne ihn Punkt auf Punkt zu legen. Der Gesamtkreis wäre erhalten geblieben. Natürlich macht der Kreis um die Levy Adresse als Mittelpunkt, die sehr nahen späteren Opfer drumherum, Levy etwas zunichte aber nur Aufgrund von Erfahrungen, es muss in seinem Falle (als JtR) sich eben nicht mit den Erfahrungen decken. Wir sind uns einig, denke ich, dass diese Profile ein Modell sind aber wenn wir sie anwenden, müssen wir sie auch immer so betrachten, wie sie angelegt wurden, auch wenn die Realität in einigen Fällen nicht ganz mit dem hinkommt. Das könnte so im Falle von JtR auch gewesen sein. Davon abgesehen, Levy lebte im Bereich der Ripper Morde und käme ohnehin in Frage, Geographie und psychologisches Profil passen. Ich wollte dir nur darauf hinweisen, diese Profile bei Verschiebungen von deren Kreisen etwas vorsicht walten zu lassen. Laut diese Profilen liegt der Mittelpunkt eben da wo er liegt aber es war nicht die Middlesex Street, in keinem Falle. Das zu diesen Profilen, das bedeutet ja nicht, dass Levy als Jack the Ripper nicht in der Middlesex Street gelebt haben könnte. Dann war das eben nicht der Mittelpunkt, der wahrscheinliche, sondern eben 500m davon entfernt. Immer noch eine tolle Arbeit der Profiler. Ich wollte nicht, dass dein Kreis um Levy in der linken Darstellung so aussieht, für Mitleser, als ob Levy´s Adresse der Mittelpunkt der primären angenommenen Zone war. Dafür liegt sie bezüglich dieser Kreise zu weit links. Ich denke auch, dass dein linker Kreis nur knapp 500m erreicht. 600m erscheinen mir zuviel. Hast du noch einmal selbst nachgeschaut? Ich vermute, bei genau 500m, liegen Eddowes als auch Kelly noch auf dem Kreisrand des inneren Kreises und Chapman relativ dicht dran aber ich kann mich auch täuschen. Vielleicht täuscht mich aber auch nur mein tausendfacher Blick auf Karten dieser Zeit. Du siehst, wir berechnen hier einen so kleinen Bereich, man muss sich fragen, ob wir das wirklich müssen. Mein Eindruck war, dass du den linken Kreis zu weit überzogen hattest, im rechten hast du das aber klasse gemacht. Ich wollte deine Arbeit und deinen Fleiß nicht schmälern, sondern nur behilflich sein. Anstelle den Kreis um 500m, mit Levy als Mittelpunkt nach links gezogen, hätte eine Annäherung von 250m zu dieser Adresse ein "perfektes" Profil ergeben. Ich denke, dass ist der Sinn um ein Ausgangsprofil richtiger zu nutzen zu können und dann passen zu Levy auch deine "Fluchtgedanken" Richtung Mitre Square bzw. auch der nahe Tatort Kelly (er entfernte sich nach dem Double Event nicht mehr weit weg) bzw. auch die Goulston Street passt dann. Für nahe Tatorte an der Basis kann es eben jene Gründe gegeben haben. Passen nicht gänzlich zu den Erfahrungen oder Erwartungen können aber dennoch absolut richtig sein.

Noch einmal zu den anderen Profilen:

Sei es Dr. Rossmo oder Wesley English, in ihren geographischen Profilen sehen wir innerhalb einer Art Kreises, einer primären Zone, den wohlmöglichen Wohnsitz des Rippers. Wesley Mittelpunkt in seinem roten Bereich stellt die Umgebung um die Kreuzung Osborn Street/ Brick Lane dar. Rossmo sieht es offenbar ähnlich, hebt jedoch die Flower and Dean Street bzw. deren nahe Umgebung hervor, weil er es als wichtig betrachtet, dass alle Opfer der K5 mit dieser Straße oder deren unmittelbaren Umgebung zu tun hatten. Er erweitert damit die Annahmen von Wesley. Dessen roter Bereich verändert sich damit ein paar Metern nach Norden, vorher kratzt er nur an der Flower and Dean Street. Beide erstellten Profile mit den K5, wie ich aber nur zunächst dachte. Canters Profil, so wie ich es verstehe, schließt die Möglichkeit von Tabram mit ein. Er hat eine klare Kreistheorie, welche die Comfort Zone des Rippers definiert, mit einer primären und sekundären Zone, natürlich jeweils ein Kreis. Aus der primären Zone würde sich der Täter nach der ersten Tat zurückziehen. Diese Comfort Zonen sehen Rossmo und Wesley ebenfalls so. Wesley markiert die primäre rot. Canters Zentrum (Mittelpunkt) ist das gleiche wie bei Wesley. Für alle ist klar, dass die gesamte Comfort Zone, die ist, welche alle Tatorte umkreist. Im sekundären Bereich, finden fast alle Morde statt. Es könnte sein, dass Canter Tabram als erstes Opfer ansieht und sie im primären Bereich des Rippers vermutet. Für die anderen beiden, scheint der erste Tatort weniger interessant, sie sehen das Ganze eher unabhängig davon. Wenn man Tabram bei Rossmo und Wesley mit eingibt, kann das wiederum zu unterschiedlichen Bildern kommen, bei Rossmo muss sich nicht viel ändern, aufgrund seiner Sichtweise, bei Wesley kann das jedoch anders aussehen. Dazu weiter unten mehr. Nimmt man noch Douglas/ Resslers Dreieckstheorie, stellt sich das so dar, dass sich nach dem ersten Mord (Nichols) ein Dreieck bilden lässt, Chapman, Stride, Eddowes und  Kelly nacheinander miteinander verbunden. Dort wäre dann die sekundäre Zone. Wäre jedoch Tabram das erste Opfer, dann bildet sich ein Dreieck in die andere Richtung, wird aber zunichte gemacht, mit den Taten an Eddowes und Kelly. Dass dabei Eddowes aber direkt auf Stride folgte, kann man wohl vernachlässigen. Verbindet man Kelly dann aber wieder mit Stride und Chapman ergibt sich eine Art zweites Dreieck. Beide Dreiecke miteinander verbunden, ergeben dann wieder auf der mittleren Geraden ungefähr den Tabram Tatort. Diese Figur passt dann wieder in eine Art Kreis. Aber das ist nur meine Beobachtung. Das alles so zusammen gesehen, schafft immer eine Art Mittelpunkt, sowie von Canter und Wesley beschrieben und auch ähnlich von Rossmo angenommen. Ich denke, so gesehen, ist dass alles richtig und auch sinnig und ich glaube das. Bei Wesley war ich mir zunächst nicht ganz sicher, ob er mit Tabram nicht weiter östlich/südlich gewandert wäre. Wie bei der ersten Dreieckstheorie und vielleicht auch bei Wesley mit Tabram, wäre für Levy in der Middlesex Street, dass alles zu sehr "sekundäre" Zone. Aber egal wie man es dreht, er bleibt dennoch in der Gesamtzone, mal mehr drin, mal weniger, mal primärer, mal sekundärer.

Hier Wesley die Karte ohne Tabram:

http://www.wesleyenglish.com/geoprofile/infamous-cases/jack-the-ripper/

Hier mit Tabram, Wesley selber:

http://forum.casebook.org/showthread.php?p=125114#post125114

Dieser letzte Faden, wird eröffnet mit Colin Roberts, erwähnte ihn hier in unserer Diskussion bereits:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=2904

Der Faden war etwas früher:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=2473

Es sind interessante Fäden und man sieht, welche Arbeit dahintersteckt. Bei Wesley scheint sich der Bereich nordwestlich der Osborn Street mit Tabram etwas aufzuhellen, ohne sie wirkt er dunkler. Er scheint da nur etwas an Farbe herausgenommen zu haben.

Beste Grüße,

Lestrade.
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