Autor Thema: Das Schwartz-Enigma  (Gelesen 65306 mal)

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Offline Isdrasil

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Das Schwartz-Enigma
« am: 26.05.2007 21:34 Uhr »
Hi

Die Aussage von Israel Schwartz halte ich persönlich für eine der interessantesten und diskussionswürdigsten im ganzen Ripperfall. Im Allgemeinen wird Schwartz als äußerst wichtiger Zeuge angesehen und wurde auch von Scotland Yard durchaus ernst genommen. Dennoch lassen sich gewisse Unstimmigkeiten entdecken, überprüft man seine Beobachtung. Dies reicht von der schwer vorstellbaren Option, es handele sich um zwei Mörder, über die beiden existierenden Versionen seiner Aussage hin zu der Tatsache, dass Schwartz augenscheinlich nicht vor Gericht aussagte. Auch gibt es gewisse Tatsachen hinsichtlich des Mordes, die nicht so recht zu seiner Beschreibung passen wollen. Der Ausruf „Lipski“ und seine Interpretation geben beinahe soviele Möglichkeiten wie das höchstwahrscheinlich in der selben Nacht entstandene Goulston Street Graffito her.

Dieser Thread soll zum Einen die Aussagen des Israel Schwartz gegeneinander abwägen und zum Anderen dazu genutzt werden, die angesprochenen Unstimmigkeiten zu besprechen.

Ich möchte mit einer Tatsache beginnen, die womöglich eine simple Lösung hat und mir dennoch unheimlich Kopfzerbrechen bereitet:

In der linken Hand von Liz Stride wurde ein in Papier eingewickeltes Päckchen Cachous gefunden (Cachous = viktorianische Atemerfrischer).
Laut der Aussage Schwartz wurde der erste Mann (der Angreifer), mit dem er Stride sah, in beiden Versionen gewalttätig: In der polizeilichen Version stößt der Angreifer Stride auf den Gehweg, und der zweite Mann verfolgt Schwartz. In der zweiten in der Presse veröffentlichten Version versucht der Angreifer, Stride in den Hof zu zerren und der zweite Mann eilt ihr zu Hilfe.
Ich habe mir den Ablauf schon oft in Gedanken vorgestellt, und bin dabei stets auf ein Problem gestossen – die verflixten Cachous! Ich kann einfach nicht glauben, dass eine Frau, die tätlich angegriffen wird, die Nerven behält und die Bonbons nicht fallen lässt.
Was haben sie also in der Hand der Leiche zu suchen? Hat der Mörder sie dort platziert? Gibt es einen Tatablauf, der dies erklären kann? Oder hat sie tatsächlich einfach nur die Bonbons in der Hand behalten?

Was meint ihr?

Grüße, Isdrasil

PS: Ich weiss, vieles ist schon im Chat besprochen worden und ich habe dieses Thema auch schon beim Thema „Ripperduo“ anklingen lassen. Aber der Fairness halber sollte man dies auch für die Nichtchatter noch einmal diskutieren...das zählt eigentlich generell  :icon_wink:

JohnEvans

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #1 am: 27.05.2007 15:01 Uhr »
Nun, Hutchinson sagte auch nicht bei Gericht aus. Und man hielt ihn für glaubwürdig.

Für mich haben Hutchinson und Schwartz nicht nur gemeinsam, daß sie nicht bei Gericht aussagten. Beide sind Zeugen bei den Morden, die  nicht 100% dem Ripper zugeordnet werden. Und beider "Täter"beschreibungen klingen so, als wollten sie vom eigentlichen Täter ablenken.


Offline Phil

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #2 am: 27.05.2007 16:43 Uhr »
Also ich hab im Chat ja schon meinen Senf dazu gegeben, aber ich werde es hier natürlich nochmal tun  :icon_wink:

Glaubt man der in der Presse veröffentlichten Version, so könnte ich mir gut vorstellen, dass Liz von einem betrunkenen Freier oder ähnlichem in den Hof gezerrt wurde.
Der zweite Mann war der Ripper, der ihr zu Hilfe eilte und den anderen Mann in die Flucht schlug. Außerdem hat in dieser Version der zweite Mann ein Messer dabei  :icon_exclaim:
Jedenfalls könnte ich mir gut vorstellen, dass Liz ihrem Retter sehr dankbar war und er ihr oder sie ihm die Cachous geben wollte/gegeben hat.
Während sie die Cachous in der Hand hielt, benutzte der Ripper dann leider das Messer, welches er bei sich trug.
Möglicherweise krampfte Liz während sie starb ihre Hände zusammen, sodass die Cachous nicht herunterfielen, sondern in ihrer Hand blieben.

Was mich wundert ist, warum es zwei unterschiedliche Versionen gibt und ich frage mich, welche die richtige ist.
Man könnte annehmen, Schwartz hätte vor der Polizei gelogen, aber warum hätte er das tun sollen? Vielleicht weil er so einen Grund hätte angeben können, warum er Liz nicht zur Hilfe geeilt ist, schließlich wurde er von dem zweiten Mann verfolgt.
Allerdings ist es umso verwunderlicher, dass er der Presse eine andere Version erzählte. Der Ripper, der schließlich von Schwartz gesehen wurde, kriegt doch viel eher von der Presseversion als von der Polizeiversion zu hören, also wäre es umso gefährlicher für Schwartz.
Wenn er diese Version der Polizei erzählt hätte, hätte er außerdem auch einen Grund gehabt, warum er Liz nicht geholfen hat, schließlich hat der zweite Mann ihr schon geholfen.

Ich hoffe, mein Beitrag klingt nicht zu konfus und ist einigermaßen verständlich  :icon_rolleyes:

Schöne Grüße,

Phil
(die rechte Hand des Teufels  :icon_mrgreen:
"Happiness ain't at the end of the road, happiness IS the road" (Zitat aus dem gleichnamigen Lied von Marillion; Lyrics: Steve Hogarth)

Offline Isdrasil

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #3 am: 27.05.2007 17:28 Uhr »
Hi

@Phil

Ja, das ist die Variante, die mir die Sache mit den Cachous auch noch am ehesten erklären würde. Der Ripper war einfach zufällig in der Nähe (womöglich wohnte er ja ganz in der Nähe - zum Beispiel in der Batty Street?  :icon_wink:) und ist Stride gewissermaßen zu Hilfe geeilt, um sie danach selbst zu meucheln. Dazu müssen wir aber zwei Dinge bedenken:

1. Die Version der Presse müsste die Wahrheitsgemäßere sein - dies ist nach gesundem Menschenverstand eher nicht so.
2. Weshalb sollte sich der Ripper so verhalten? Er sollte auf Anonymität bedacht sein - hätte er das Paar nicht einfach streiten lassen und sich in aller Ruhe selbst ein Opfer gesucht? Noch dazu, da er von dem Zeugen (Schwartz) wusste.

So plausibel mir dieser Ablauf die Sache mit den Cachous erklärt, so seltsam verhält sich in diesem Fall der angebliche Ripper. Also, da passt immer noch irgend etwas nicht...

@John

So sehe ich das auch. Durch die ganzen Ungereimtheiten im Falle Schwartz bin ich schon beinahe dabei zu sagen, er spinnt sich diese ganze Geschichte zusammen...


Grüße, die linke Hand des Teufels  :drohen:

JohnEvans

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #4 am: 27.05.2007 21:36 Uhr »
Ich denke, die Version der Polizei stimmt eher, wenn überhaupt. Die Medien neigen zur Übertreibung. Im übrigen glaube ich, daß Schwartz´s Aussage dazu diente, um vom Mörder ab zu lenken.

Floh82

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #5 am: 27.05.2007 22:18 Uhr »
Um auch einen meiner Gedanken darüber aus dem Chat hier im Forum zu veröffentlichen:

Ich kann mir durchaus auch vorstellen dass das Opfer die Atemerfrischer in der Hand hatte, überfallen wurde und dabei so verkrampfte, dass die Atemerfrischer in der Hand blieben. Menschen reagieren unterschiedlich auf Gefahr, die einen lassen Dinge in den Händen fallen, andere wiederum halten die Dinge in der Hand noch fester (eine Theorie darüber ist, weil sie versuchen sich an etwas festzuhalten bzw. zu klammern).

Wie gesagt nur ein Gedanke über diese Schwartz-Geschichte.

Offline Isdrasil

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #6 am: 28.05.2007 11:03 Uhr »
@Floh

Ich kann mir durchaus auch vorstellen dass das Opfer die Atemerfrischer in der Hand hatte, überfallen wurde und dabei so verkrampfte, dass die Atemerfrischer in der Hand blieben.

Das ist ja genau das Problem. Es handelt sich nach Schwartz nicht um einen klassischen Überfall. Der Mann und Stride unterhielten sich noch vor der Attacke, danach wurde Liz auf den Gehweg geworfen bzw. in den Hof gezerrt. Von einem überraschenden Mord kann also nicht die Rede sein. Und - fällt man auf den Gehweg, entledigt man sich dann nicht instinktiv der Dinge, die man in der Hand hält? Man wird doch versuchen, sich mit beiden Händen abzustützen. Wird man in den Hof gezerrt, so denke ich auch, dass man sich mit beiden Händen wehren wird. Mit dieser Annahme müsstest du also die Aussage Israel`s als unwahr ansehen, oder siehst du keinen Widerspruch?

Also, die Erklärung mit einem Überfall und einer Verkrampfung aus Schock kann ich ausschließen, denn das erklärt im Angesicht der Schwartz-Beobachtung nicht die Cachous - dies ist lediglich die Problematik bei der Sache.

@John

Nun, ich denke, du siehst die Aussage eh nicht als wahrheitsgemäß an - wie erklärst du dir die Cachous in der Hand?

Grüße, Isdrasil

JohnEvans

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #7 am: 28.05.2007 15:13 Uhr »
@John Nun, ich denke, du siehst die Aussage eh nicht als wahrheitsgemäß an - wie erklärst du dir die Cachous in der Hand?
Sie hatte sie in der Hand als sie ermordet wurde. Kann nur heißen, daß der Täter schnell und für Liz überraschend zuschlug. Es war daher entweder nicht der Angreifer von der Straße, in dem Fall häte sie wohl mit weiteren Angriffen gerechnet, oder es gab eben keinen Überfall auf der Straße, sondern nur einen, im Hof.

Schwartz sagte mMn aus, um den Verdacht vom Club zu nehmen.

Mort

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #8 am: 28.05.2007 18:35 Uhr »
Vielleicht wusste Schwartz das der Ripper ein Jude war und wollte ihn deshalb nicht verpfeiffen :icon_confused: Aber dann hätte er ja von Anfang an den Mund halten können :icon_confused:

Offline Isdrasil

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #9 am: 28.05.2007 19:41 Uhr »
Hi John

Schwartz sagte mMn aus, um den Verdacht vom Club zu nehmen.

Klingt sehr interessant. Doch dann müsste man die Motivation klären, die hinter diesem Mord stecken könnte. Weshalb sollte ein Mitglied des Clubs daran interessiert sein, Liz zu töten? Außer natürlich, man ginge so weit und würde behaupten, der Ripper war Mitglied des Clubs  :icon_rolleyes:

Ist eigentlich eine Mitgliedsliste des Clubs bekannt?

Grüße, Isdrasil

Offline Pathfinder

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #10 am: 28.05.2007 20:19 Uhr »

also ich könnte mir diese variante vorstellen.

schwartz wurde zeuge, wie liz auf die strasse gestossen wurde und sah einen zweiten mann, der ihr zu hilfe eilte. da schwartz wahrscheinlich etwas die düse gegangen ist, entfernte er sich in der gewissheit, dass die zweite person liz zur hilfe eilt.
die zweite person verscheuchte die erste, die liz gestossen hatte und diese person flüchtete in die richtung, in der schwartz gegangen ist (daher evtl. die aussage, dass er von einer person verfolgt wurde).

nach dem die zweite person (evtl. jtr) die erste verscheucht hatte, bot er liz die nüsse an um evtl. ihr vertrauen zu ihm weiter zu stärken. "du kannst alle haben" und liz nahm die packung. ich stelle mir dies so vor, jtr reichte die packung mit der rechten hand und liz nahm sie mit der linken (wenn ich etwas anbiete, dann doch meistens mit der rechten hand, ausser ich wäre evtl. linkshänder). liz nahm die packung mit der hand, die der angebotenen am nächsten ist, ihrer linken.
daraufhin fand evtl. eine unterhaltung statt und jtr schlug plötzlich zu (sinnbildlich). er würgte sie und liz verkrampfte zumindest mit ihrer linken hand, daher file die packung nicht auf den boden. liz konnte nicht reagieren oder versuchen sich zu wehren, da der angriff blitzschnell von statten geht.

auch habe ich im chat  mal kurz anklingen lassen, dass ich mich schwer tue, schwartz als gläubigen juden, einer bewussten lüge zu bezichtigen. juden nehmen ihren glauben sehr ernst, wobei es natürlich auch ausnahmen geben kann. evtl. hatte er vor lauter angst den tathergang nicht alles erfassen können, wie es tatsächlich geschehen ist oder er wurde evtl. auch wegen seinen englischkenntnisse (von denen ich nicht weiss wie gut oder schlecht sie waren) nicht richtig verstanden.
UND ER WAR ES DOCH !!!!!!!!

Offline Phil

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #11 am: 28.05.2007 20:30 Uhr »

Wie alt war Schwartz zu dem damaligen Zeitpunkt eigentlich? Weiß man das?
"Happiness ain't at the end of the road, happiness IS the road" (Zitat aus dem gleichnamigen Lied von Marillion; Lyrics: Steve Hogarth)

JohnEvans

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #12 am: 28.05.2007 21:40 Uhr »
@Isdrasil,

mit "Verdacht vom Club" ablenken beschuldige ich niemanden dort, Liz getötet zu haben. Dennoch sieht es nicht gut aus, wenn da eine Leiche im Hof liegt. Schwartz Aussage vom Angriff auf der Straße läßt das Ganze dann wie einen Angriff von außerhalb aussehen. Somit kommen die Clubmitglieder nicht so schnell in Verdacht. UU gar nicht. Was ja auch geschehen ist.

@Pathfinder,

eine Wügeattacke mag überraschend erfolgen, ein anschließendes Bewußtloswürgen dauert seine Zeit. Und während man dich ein Weilchen würgt, wirst du dich bestimmt mit beiden Händen verteidigen, und nicht minutenlang ein dämliches Papiertuch mit Bonbons festhalten.

Denn Cachous sind und waren Bonbons mit Geschmack, keine Nüsse. Nüsse heißen nuts im Englischen.

Offline Pathfinder

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #13 am: 29.05.2007 07:27 Uhr »
@ john

ich zitiere mal aus der start page unter opfer l. stride.

Der Körper lag auf der Seite mit dem Gesicht zur Wand gedreht, der Kopf zeigte in Richtung des Hofs und die Füße Richtung Straße. Der linke Arm war ausgestreckt und hielt ein Päckchen mit Cachous (Anm. der Redaktion: Nüsse, die damals gekaut wurden, um schlechten Atem zu vertreiben) in der Hand.

darfst gerne nachlesen.

das mit dem würgen ist richtig, doch so eine würg-attacke kann wenn sie heftig genug ausgeführt kann jegliche gegenwehr von seiten des opfers unterbinden und ich denke mal, dass es so gewesen ist. fakt ist ja, das liz die tüte in ihrer verkrampften hand gehalten hat.
du glaubst doch selber nicht, dass liz sich gewehrt hat und als sie einsah, dass sie keine chance mehr hatte, sich die nüsse/bonbons gegriffen hat.

UND ER WAR ES DOCH !!!!!!!!

Offline thomas schachner

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Re: Das Schwartz-Enigma
« Antwort #14 am: 29.05.2007 09:36 Uhr »
Denn Cachous sind und waren Bonbons mit Geschmack, keine Nüsse. Nüsse heißen nuts im Englischen.


true! danke....das wurde auf der website wohl nie mehr korrigiert - und anscheinend ist es auch bisher niemandem aufgefallen .-)))
--> ich habs geändert.

die dinger sind wohl am ehesten mit den heutigen tictacs zu vergleichen....
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