Hi Ihr,
nein, da existieren keine Aufzeichnungen…wir waren ja meist mit den Patienten/Insassen (wie man es nimmt) auf einen Spaziergang unterwegs und haben uns ganz normal mit denen unterhalten. Da war keine „Interviewsituation“ in einem Raum und man hatte keinen Block dabei, um sich Notizen zu machen. Sozusagen einfache Gespräche, in denen öfter mal die Taten durchschimmerten. So dumm es klingt, man hat mit der Zeit einfach eine Art Beziehung zu den Menschen aufgebaut und hat sich auch mal mit einem über Weihnachtsplätzchen unterhalten…
Es liegt auch schon einige Jährchen zurück, aber an eine Situation kann ich mich noch sehr gut erinnern. Die betreffende Klinik ist eine Art autonomer Therapieplatz mit eigenem Bäcker, eigener Wäscherei, Metzger, Küche, usw. Unter anderem habe ich täglich mit einem Patienten das Essen in die einzelnen Stationen gefahren (per Handkarren). Eines Tages erzählte mir dieser Patient wie beiläufig, dass er hier sei, weil er seinen Bruder mit einer Axt erschlagen hatte. Im ersten Moment ist man erst einmal baff und wagt gar nicht, irgendetwas zu sagen, und so war es für die nächsten Minuten auch.
Ich muss dazu sagen, dass dieser Patient ein sehr umgänglicher, netter und zuvorkommender Mensch war. Er litt an einer Störung im Gehirn, ihm fehlte irgendwie das logische Denken und das Erkennen von Zusammenhängen. Und seltsamerweise hatte er trotz seiner eigentlich sozialen Art absolut kein Verständnis vom Tod. Ich habe oft gemerkt, dass der Tod für ihn so etwas ist wie schlafen gehen, auch die Folgen wurden von ihm irgendwie nicht „wahrgenommen“. Auf alle Fälle landete er aufgrund dieser Störung in der forensischen Psychatrie und nicht im Knast. Er war schwachsinnig und auf dem geistigen Stand eines Pubertären. Solche Patienten werden solange medikamentiert, bis die Dosis den geeigneten Punkt erreicht hat und das Bewusstsein oder den betreffenden Trieb lähmt. Ist ja auch wieder so ein Streitfall – im Prinzip kann so Mensch in der Therapie aufgrund der ganzen Psychopharmaka und der einfach fehlenden Gelegenheiten brav wie ein Lamm sein, in freier Wildbahn kann er aufgrund der neu erhaltenen Unabhängigkeit und seiner eigenen Inkonsequenz schnell wieder in sein Verhaltensmuster zurückfallen…
Aber ich schweife ab…ich habe ihn dann doch noch gefragt, weshalb er seinen Bruder umgebracht hat. Und seine Antwort hat mir wieder gezeigt, dass dieser Kerl, mit dem ich eigentlich ganz gut klarkam, nicht ganz richtig beisammen war. Er erklärte mir, als sei es das normalste der Welt, dass sein Bruder ein Spielzeug von ihm hatte und nicht wieder hergeben wollte. Sie lebten auf einen Bauernhof, und so ist er in die Scheune gegangen und hat eben die Axt geholt…danach konnte er endlich mit dem Spielzeug spielen.
Aber das soll reichen, ich möchte hier keinen „Privatthread“ draus machen….
Grüße, Isdrasil