Vielleicht ist das alles gar nicht so seltsam, wie wir immer meinen Agatha! Möglicherweise, und davon bin ich überzeugt, ist alles ganz simpel. Die Nacht des Double Events mit dem Doppelmord an Stride und Eddowes war in meinen Augen das Verhängnis des Rippers. Zunächst hatte er erst einmal viel Glück. Mehr Glück noch als vorher bei Nichols und Chapman oder, nach dieser Nacht, im Falle von Kelly. Ich bin mir sicher, dass die gefundene Kleidung in der Batty Street , kurz nach dieser Nacht, zu Aaron Kozminski gehörte. Die Batty Street lag ja parallel gegenüber der Berner Street. Zwischen beiden Straßen gab es, so meine ich, sogar einen Durchgang. Vom Tatort Stride ging man quer links über die Straße durch den Durchgang und kam bei der Wäscherin, die etwas gefunden hatte, direkt heraus. 30-45 Sekunden Entfernung per Fuß?! Der Täter, in meinem Falle eben Aaron Kozminski, wurde dann im Oktober 1888 observiert. In dieser Zeit geschah auch kein weiterer Mord. Diese Observation dauerte auch nicht lange weil, den Berichten zu folge, die Presse neben der Polizei ständig vor Ort war und Aaron Kozminski auch nicht mehr das Haus verließ. Also hat man diese Sache erst einmal abgeblasen. Die Identifikationen durch Zeugen waren vielleicht gar nicht so einfach aber vielleicht auch nicht ganz unmöglich. Ich denke, dass einige ihn dann gesehen haben aber nur aus der Entfernung. Der beste von allen Zeugen, meiner Meinung nach, war Joseph Lawende. Es gab da noch den Konstabler vom Mitre Square aber der, so denke ich, sah nur jemanden von der Gestalt und vom Gang her aber kein Gesicht und keine weiteren Details. Lawende war entspannt, er war mit Freunden unterwegs, er war etwas neugierig, hatte keine Angst oder Panik, wie der andere gute Zeuge, Israel Schwartz. Der schien mir eher überfordert gewesen zu sein. Einen wirklich guten Blick hatte Lawende. Und ich glaube, das was er sah, war die beste Beschreibung. Und er sah einen Mann, der die Erscheinung eines, wenn auch rauen, Seemannes oder Matrosen bzw. ähnlichem hatte. Die Jacke, der Schal, die Mütze, den Schnauzer, das Gehabe vielleicht. Ich denke, genauso sah Aaron Kozminski bis zum Double Event aus. Vielleicht war es auch sein Trick, wie ein potentieller Kunde für die Prostituierten auszusehen, denn Matrosen und Co. waren schon die Hauptkundschaft für die Prostituierten dort. Vielleicht war das auch gar nicht seine Alltagskleidung. Ein ähnlicher Killer, Richard Trenton Chase, trug während der Mordserie einen orangefarbenen Parker o.ä., wenn ich mich recht erinnere. Sein Vater hatte ihm diesen geschenkt und er zog ihn einfach nicht mehr aus. Vielleicht passierte etwas Ähnliches auch mit der Kleidung von Aaron Kozminski. Ich denke, man hatte den Zeugen Aaron Kozminski aus der Ferne gezeigt, vielleicht aus einer Kutsche heraus. Der Streifenpolizist sagte vielleicht, dass es gut der Mann sein könnte, so vom Gang her und von der Größe, Schwartz winkte vielleicht ab aber Lawende hätten gesagt haben können: Ich weiß nicht, mein Bauch sagt er könnte es sein aber er ist anders gekleidet und frisiert. Der Grund könnte der gewesen sein, dass Aaron Kozminski nach dieser Nacht des Double Events sein Äußeres radikal geändert hatte. Er hatte allen Grund dafür, denn er wurde mehrmals gesehen. Haare ab, Schnauzer ab, andere Kleidung. Im Prinzip keine Chance für die Zeugen, zunächst...
Sein verändertes Äußeres hätte er sicherlich erst einmal beibehalten. Nach Kelly, so vermute ich, machte sein Schwester Matilda nicht mehr mit und suchte den Kontakt zur Polizei. Vielleicht war ihr etwas nach dem Mord an Kelly bei ihrem Bruder aufgefallen. Ich denke, er wurde danach erneut observiert und zwar für ca. drei Monate, bis er (wieder) in eine private Anstalt kam (für einige Zeit). Ich vermute, die Schwester informierte die Polizei stets in der Folgezeit, wenn er aus einer Behandlung entlassen wurde. So, dass Aaron Kozminski quasi unter Dauerbewachung war (Polizei/Anstalt/Familie). Kann ja auch sein, dass der Messerangriff auf seine Schwester (es kann eigentlich nur Matilda gewesen sein) eine Reaktion darauf war, dass Sie ihm die Tour vermasselte und ihm vielleicht sogar in´s Gesicht sagte, dass Sie wüsste, dass er Jack the Ripper war. Das er zweimal in ein öffentliche Einrichtung (Arbeitshaus) kam, Juli 1890 und Februar 1891, für jeweils wenige Tage, könnte damit zusammenhängen, dass sein Zustand immer unerträglicher wurde, so dass die Familie schon aus unvorstellbarer Verzweiflung handelte. Auch ein Grund, warum man ihn dann dem Staat übergab, der öffentlichen Einrichtung Colney Hatch. Wichtig war für alle, ihm vom Morden abzuhalten. Wichtig, ihn einfach aus dem Bereich der Prostitution zu entfernen, so oft und so lange es ging.
Aber gerade als es ihm schlechter ging, hätte es Aaron Kozminski nicht mehr schaffen können, sein “Jack the Ripper- Gesicht“ vom Herbst 1888 aufrechtzuerhalten. Da waren vielleicht wieder die längeren Haare, ein Schnauzer und ein Bart und vielleicht griff er wieder zu der Verkleidung als Matrose. Dann sah er das erste Mal für die Polizei so aus, wie er von Lawende beschrieben wurde. Gut möglich, dass die Polizei dann überzeugt war, dass Lawende ihn nun identifizieren könnte und zwar mit Sicherheit. Irgendwann zwischen Juli 1890 und Anfang 1891 brachte die Polizei Kozminski nach Brighton, Polizeisanatorium, in der Überzeugung, dass er bis zur Verhandlung da bleiben konnte, medizinisch versorgt und dass man dafür sorgen würde, dass er nicht wieder seinen Look verändern würde. Lawende sollte ihn tatsächlich wiedererkannt haben und umgekehrt wohl auch. Aber dann bekam Lawende mit, dass dieser Mann auch Jude ist…
Man muss sich vorstellen, dass die gesamte Kozminski- Familie als auch Lawende, ihr ganzes Leben unter Antisemitismus gelitten haben und das es sicherlich nicht so einfach war, dass mit allen anderen Dingen zu händeln.
Und so hätte der Schal irgendwann in die Hände von PC Amos Simpson gelangt worden sein können, eines der Beweisstücke aus dem Wäschesack, der bei Frau Kuer in der Batty Street gelandet war. Wer hätte das überhaupt noch gebraucht? Hier nimm mit, stammt vom Eddowes Tatort…