Wer sich jemals detailliert für die Ereignisse rund um den “Batty Street Lodger“ interessierte, der bekam letztes Jahr eine Information, die wie die berühmte Faust auf´s Auge passte. Mich traf es wie ein Blitz:
Im Herbst 1888 lebte mit großer Sicherheit Woolf Abrahams mit seiner Familie in der 25 Providence Street!
Dieser war einer der Brüder von Aaron Kozminski. Möglicherweise jener “Kosminski“ also, über den Macnaghten, Anderson und Swanson von der Metropolitan Police sprachen und da er irgendwann der City Police zur Überwachung übergeben wurde, möglicherweise auch jene Person, welche die City Police Beamten Sagar und/oder Cox erwähnten und auch observiert hatten.
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit sehr, sehr hoch ist, müssen wir bedenken, dass es sich nicht unbedingt um Aaron Kozminski handelte. Als Alternative bieten sich David Cohen, als auch ein völlig unbekannter “Kosminski“ an. Kozminski war ein sehr gewöhnlicher Name in Polen und auch im EastEnd gab es eine gewisse Anzahl von Personen, welche diesen Namen trugen und wir können davon ausgehen, dass viele Personen diesen Zunamen eintauschten. Ein gutes Beispiel ist die Familie von Aaron Kozminski selber. Aus Isaac und Woolf Kozminski wurden Abrahams, aus Jacob Kozminski ein Cohen und aus Golda Kozminski einmal eine Lubnowski- Cohen/ Cohen. In einem anderen Faden erwähnte ich kürzlich einen weiteren Wolf Kosminski, unmittelbar am Tatort Berner Street/Liz Stride, wo auch ein Maurice Kozminski zu finden war. Überhaupt finden wir in der Nähe aller Tatorte bzw. relevanter Locations, in einem Radius von einigen Jahren, die verschiedensten Kosminski. Über den Mitre Square Zeugen Joseph Hyam Levy wissen wir ebenfalls über eine Verbindung zu einer Kozminski Familie, nämlich die von Martin Kozminski. Auch wenn ich mich im folgenden Faden auf die Familie von Aaron Kozminski beziehe, sei angemerkt, dass es mir mehr oder weniger um “Kosminski“ aus dem Memorandum geht und den von Macnaghten erwähnten “many circs“ (Natürlich steht das auch im klaren Zusammenhang zu den Aussagen der bereits erwähnten Beamten). Eine passende, dort ansässige Familie mit ähnlichem Hintergrund, Name, Abstammung und Religion ist durchaus möglich, wenn auch nicht so hoch in der Wahrscheinlichkeit, die Chance ist auf jeden Fall vorhanden.
Robert House (Robert House, Jack The Ripper And The Case For Scotland Yard´s Prime Suspect) hat einen hervorragenden, chronologischen Ablauf der “Batty Street Lodger“ Story herausgearbeitet und im Laufe der Meldungen kann man gut verfolgen, dass hinter der anfänglichen Geschichte, eine ganz ernsthafte Ermittlung stand, wo am Ende nun jeder sehen kann, was sich tatsächlich im Oktober 1888 rund um die Batty Street abspielte. Darauf beziehe ich mich.
Ich gehe davon aus, dass es sich dabei um “Kosminski“ handelte und hier auch Macnaghten´s “many circs“ zu finden sind.
Für mich stellt es sich so da, dass der Mann, den die Polizei für Jack the Ripper hielt, bereits im Oktober 1888 für eine Weile bobachtet wurde. Die Polizei kam nicht weiter, weil gleichzeitig die Presse Wind von der Aktion bekam und die Ermittlungen so stark gefährdete, dass die Polizei die Aktion abbrach. Hier könnte auch ein Hinweis zu Sir Robert Anderson Bemerkung verborgen liegen, dass “seine Abteilung im Nachhinein darunter leiden könnte“. Wie werden sehen, wie die Polizei verzweifelt versuchte, die Presse, als auch die Zeugen, zu einer anderen Gangart zu bewegen.
Weiterhin sehe ich die Möglichkeit, dass der Verdächtige, der wusste, dass er beobachtet wurde, nicht die Polizei für die Verfolger hielt, sondern Lusk seine Truppe mit der Bürgerwehr. So bekommt in dieser Konstellation auch der “From Hell“ Brief im Päckchen mit der Niere, einen ganz andere Bedeutung.
Ich werde die Post innerhalb weniger Tage setzen. Es mag spannend sein, sie nach und nach zu lesen aber wer will, kann zwischendurch natürlich bereits Kommentare abgeben. Fühlt euch frei.
Was sollte man vorher wissen?
Wo lag die 25 Providence Street?
Die Batty Street lag parallel östlich zur Berner Street, dem Tatort im Liz Stride Fall. Beide Straßen verband offensichtlich ein Durchgang nahe dem Tatort in der Berner Street/Dutfield´s Yard und der Nummer 22 der Batty Street. Die Berner Street verlief in südlicher Richtung bedeutend länger als es die Batty Street tat. Dort lag eben, wieder parallel östlich zur Berner Street, die Providence Street.
Verließ man nun die Providence Street in nördlicher Richtung, lag der Ausgang quasi zwischen Berner Street und Batty Street. Man ging entweder links heraus und sofort wieder recht und war in der Berner Street am Dutfield´s Yard oder man ging rechts heraus und sofort wieder links und befand sich an der 22 Batty Street, dem Ort der Lodger Geschichte.
Matthew Packer als auch Mrs. Kuer beziehen sich auf eine Straße in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Straßen, also der Berner Street und der Batty Street. Dies erfüllt die Providence Street und deshalb war ich sehr überrascht und erfreut, als ich davon las.
Schauen wir, ob wir darin die von Macnaghten angeführten “vielen Sachverhalte“ und “Kosminski“ wiederfinden können:
Die erste Version des "Batty Street Lodger", erschien am 15. Oktober, als das ECHO folgendes druckte:
EAST END TRAGÖDIEN.
EIN GEHEIMNISSVOLLER UNTERMIETER.
SEINE BLUTBEFLECKTE KLEIDUNG.
WAS SEINE WIRTIN SAGT.
Die Polizei, schreibt ein Berichterstatter an diesem Morgen, beobachtet unter großer Besorgnis
ein Haus im East End, von dem man glaubt, dass es als gegenwärtige Unterkunft von jemandem genutzt wurde, der mit den East End Morden in Verbindung steht. Von den verschiedenen Aussagen, die von den Nachbarn kamen, hatte die Wirtin einen Mieter, der seit dem Sonntagmorgen des Mordes vermisst wurde. Es scheint, den Aussagen nach, welche die Wirtin gegenüber ihren Nachbarn machte, dass ihr Untermieter am frühen Sonntagmorgen heimkehrte und sie von seinem umherwandern gestört wurde. Sie stand sehr früh auf und bemerkte, dass ihr Untermieter einige seiner Kleider gewechselt hatte. Er sagte ihr, er wäre für kurze Zeit weg und er bat sie, das Hemd,
das er ausgezogen hatte, zu waschen und es bis zum Zeitpunkt seiner Rückkehr fertig zu machen. Als sie das Hemd annahm war sie erstaunt, die Ärmelbündchen und ein Teil der Ärmel komplett mit nassem Blut getränkt vorzufinden. Auf Anraten einiger ihrer Nachbarn, gab sie diesen Hinweis an die Polizei weiter und zeigte ihnen das Hemd, das diese dann konfiszierten und erhielten von ihr außerdem eine vollständige Beschreibung des Untermieters. Ein Reporter besuchte das Haus am frühen Morgen. Er hatte ein Gespräch mit der Vermieterin, einer Deutschen, die sehr zurückhaltend erschien. Sie erklärte jedoch, dass bereits ein Detektiv und zwei Polizisten im Haus gewesen waren, nachdem sie ihre Angaben gemacht hatte.
Um es vorweg zu nehmen:
Es gab nie einen vermissten Untermieter und auch ansonsten ist diese Geschichte unrund. Sie beruht auf Nachbarschaftstratsch, hat sich aber so, in der Ripperologie als auch außerhalb davon, manifestiert.
Diese Version könnte gar Alfred Hitchcock gefallen haben:
Alfred Hitchcocks Stummfilm von 1927, The Lodger, war quasi der erste Fim, der auf die Jack the Ripper Morde Bezug nahm. Basierend auf Marie Belloc Lowndes Roman gleichen Namens von 1923, dreht sich die Handlung um eine Mordserie, verübt durch "den Rächer", einem verrückten Mörder, der die nebligen Straßen Londons durchstreift und es dabei auf junge Mädchen mit "goldenen Haaren" abgesehen hat. Ein geheimnisvoller Untermieter zieht in ein Zimmer ein, das über einer Familie mit einer kleinen Tochter liegt. Des Mannes seltsames Verhalten- er geht spät in der Nacht aus und besitzt eine Karte der Tatorte- weckt bald den Verdacht seines Vermieters.
Am Ende stellt sich heraus, dass des Mieters Schwester, das erste Opfer des Rächers war, der arme Mann war durch die Straßen gestreift und versuchte den Mörder zu fangen, dies erklärte sowohl seine Besessenheit an dem Fall als auch sein recht eigenartiges Verhalten. Lowndes Roman wurde möglicherweise durch ein wahres Ereignis im Ripper Fall angeregt, über welches in den Londoner Zeitungen Mitte Oktober 1888 berichtet wurde.
Und da machen wir jetzt auch weiter…
Der nächste Artikel erfolgt alsbald.
Beste Grüße,
Lestrade.