Autor Thema: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!  (Gelesen 54748 mal)

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Offline Lestrade

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Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« am: 11.10.2012 16:51 Uhr »
Ich mache mal hier mit dem Aaron Kozminski Artikel in der aktuellen Ausgabe des Ripperologist weiter.

Nach der Adresse in 1882, 38 Berner Street, ist die 25 Providence Street wohl die wahrscheinlichste Adresse von Aaron Kosminski während des Herbstes 1888 (zumindest für eine erhebliche Zeit).

Der Link zeigt in Bildern auf, wie nahe der damalige Wohnort 1888, 25 Providence Street, vom Tatort, dem zwischen der 40 und 42 Berner Street gelegenen Dutfields Yard bzw. des 1882er Wohnsitzes, 38 Berner Street, gelegen war.

Auch die räumliche Nähe zur Greenfield Street/Road, dem Wohnort des anderen Bruders und auch einer Schwester dort, kann man gut in diesen Bildern nachfühlen. Ebenso die der Parallelstraße der Berner Street, Batty Street, die bei den Ermittlungen ebenfalls eine große Rolle spielte.

http://forum.casebook.org/showthread.php?p=241147#post241147

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Chriswald

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #1 am: 11.10.2012 21:53 Uhr »
Hallo Lestrade!

Es wäre schon ein zu merkwürdiger Zufall, dass die Tatorte so nahe an der damaligen Wohnung eines der Hauptverdächtien gelegen hätten ohne dass er daran beteiligt gewesen wäre. Bei der kurzen Entfernung wäre es auch kein Wunder gewesen, dass er entkommen konnte, ohne dass er jemanden aufgefallen wäre. Da dürfte er ja nicht allzuvielen begegnet sein. Außerdem hätte er seine Nachbarschaft sicher gut genug gekannt um Schlupflöcher zu finden.

Wir hatten uns ja vor einiger Zeit über die Zeugenaussage von Israel Schwartz unterhalten über zwei Männer, die Liz Stride angegriffen haben sollen. Da wäre es doch vorstellbar, dass Kosminski das von seiner Wohnung aus bzw. auf dem Weg von oder zu der Wohnung mitbekommen haben könnte und die Gelegenheit ergriffen haben könnte.

Diesbzgl. wär es noch ganz interessant, wo im Verhältnis zu dieser alten Adresse das blutige Stück von Cate Eddowe's Schürze gefunden wurde. Wenn das zwischen Tatort und Kosminski's Wohnung gewesen wäre, wäre das eine verdammt heisse Spur!

Viele Grüße

Chris




Offline Lestrade

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #2 am: 12.10.2012 00:49 Uhr »
Hallo Chris,

Betrachten wir es als Vorschlag vielleicht einmal so:

Kosminski, wie er durch Swanson und über Macnaghten genannt wurde, war gleichzeitig Anderson sein Verdächtiger, eben dessen polnischer Jude. Diese Beamten des Bereiches Metropolitan Police bekommen, in meinen Augen, “Unterstützung“ durch ihre Kollegen der City Police. Cox sowie Sagar, so meine ich, sprachen über den gleichen Verdächtigen, nämlich Kosminski. Von Cox wussten wir bisher, dass er in einer jüdisch geprägten Straße observierte und die Beschreibung seiner Zielperson eher osteuropäischer Natur war.
Sagar sprach über die Butcher´s Row. Durch den neuen Artikel im Ripperlogist 128 erfahren wir eventuell Neues über Jacob Cohen. Dieser erzählt uns bekanntlich einiges bei der letzten Einweisung von Aaron Kosminski. Jacob Cohen könnte nun auf irgendeine Weise als Butcher tätig gewesen sein,laut des Berichtes im Ripperologist. Dass er bereits mit Aaron Kosminski´s Bruder, Woolf Abrahams, für kurze Zeit Geschäfte als Schneider machte, war ein bereits bekannter Fakt. Jemand der als Butcher agierte, Aaron Kosminski einweisen lies, in Kombination mit Sagar´s Verdächtigen in der Butcher´s Row, lassen nun naheliegen, dass auch Beamter Nummer 5 über Kosminski sprach.
Nun wissen wir, dass Aaron Kosminski sein Wohnsitz in 1888, tatsächlich nur wenige Meter vom Tatort Dutfields Yard (Stride) entfernt lag. Wir müssen es annehmen. Ebenso wichtig: Er wohnte weniger Jahre zuvor direkt am Tatort. Auch Major Smith von der City Police sagte einmal, sinngemäß, “er könne nicht sagen, wo der Mann nun tatsächlich gelebt hatte. Er war ein junger Mann“. Aaron Kosminski könnte und dies sehr wahrscheinlich, zeitweise bei verschiedenen Angehörigen gelebt haben. Bei Bruder Woolf Abrahams in der Providence Street, bei Bruder Isaac Abrahams in der Greenfield Street oder dort gegenüber bei seiner Schwester Matilda Lubnowski. Dann wäre wohl noch dieser Jacob Cohen. Woolf zog gerne hin- und her. Als da wären noch mehrere Adressen in der Greenfield Street, Yalford Street und Sion Square. Bis auf Cohen seine Adresse, lagen alle Wohnorte ganz nah beieinander. Wo Cohen (oder die anderen) noch Geschäfte hatten, sei einmal dahin gestellt. Aaron Kosminski hätte temporär in verschiedenen Haushalten wohnen und arbeiten können. Und dies z.B. in den verschiedensten Tätigkeiten, solange er zumindest dazu Lust hatte oder überhaupt dazu in der Lage war.

Richard Trenton Chase, als ein Beispiel, ein Serienkiller ähnlicher Art wie Jack the Ripper, mordete auch um die Ecke, im nächsten Block. Wenn die Polizei im Falle des Rippers einen Hauptverdächtigen hatte, der scheinbar besonders ernst zu nehmen war, dieser Kosminski hieß und wir nun annehmen können, dass Aaron Kosminski in unmittelbarer Tatortnähe wohnte, dort direkt gar einmal gelebt hatte, dann würde ich sagen ja, es handelte sich tatsächlich um Aaron Kozminski. Swanson “Brother´s House“,  könnte nun die 25 Providence Street gewesen sein.

Und aus meiner Sicht ganz wichtig ist die Beziehung zu Jacob Cohen. Swanson meinte ja, der Verdächtige starb recht schnell in Colney Hatch. Da starb auf diese Art ein junger polnischer Jude namens Cohen tatsächlich. Aaron Kozminski, der sich ja offenbar weigerte der Namen seiner Brüder anzunehmen, nämlich Abrahams, hätte durchaus einmal auf den Namen Cohen zurückgreifen können. Denn zu einem Mann namens Jacob Cohen hatte er ja eine Beziehung. Ich erinnere auch an die Bordellgeschichte Aaron Davis Cohen und N. Cohen während der Ripper-Morde. Ich vermute, es handelte sich dabei schon um Aaron Kozminski (Aaron Cohen). Weiß Gott was da nun tatsächlich passierte aber wir haben zwei 23jährige polnische Juden die offenbar echte Probleme Ende 1888 machten. Einer starb, der andere lebte bis 1919 weiter. Falls beide den Namen Cohen nutzen oder verpasst bekamen, hätte Swanson bei einer späteren Nachforschung den falschen erwischt haben können, nämlich den toten Cohen.

Wenn du auf die Hauptseite von jacktheripper.de gehst, dann findest du unter Schauplätze eine Interaktive Übersichtskarte. Dort sind die Tatorte und auch die Fundstelle von Eddowes ´Schürzenteil aufgeführt. Man nimmt an, ich denke auch so, dass der Täter aus der Goulston Street Richtung Wentworth Street, weiter Old Montague Street floh. Im Falle von Aaron Kozminski, hätte dieser von jenen Straßen nur eine nach Süden verlaufende Nebenstraße nehmen und über die Whitechapel Road, in das Wohnzentrum seiner Angehörigen und sein eigenes Zuhause fliehen können. Goulston Street und 25 Providence Street lagen wohl knapp 700-800m??? Luftlinie auseinander. Jemand der alle damaligen Winkel kannte, dürfte in 12-15 Minuten die Entfernung überwunden haben. Ich schätze mal jetzt ganz grob.

Zum Szenario beider Männer mit Stride und Schwartz. Laut den Berichten in der Presse, wurden zwei Männer gefunden, die auf Schwartz seinen Beschreibungen passten. Also der breitschultrige Mann und der Pfeifenmann. War einer von ihnen bereits Aaron Kozminski? Und wenn ja, welcher? Und warum bekam ihn Schwartz dann nicht zu Gesicht, zumindest vorerst nicht? Weil er vielleicht zu viel an die Presse weitergab? Wurden dann beide Männer, evtl. auch schon Aaron Kozminski, von der MET überwacht? Also zwischen Anfang und Ende Oktober? Da war ja eine auffallende Pause zwischen dem DoubleEvent und dem Mord an Kelly Anfang November.

Schwartz sah wohl überwiegend den Rücken des breitschultrigen Mannes aber den heraneilenden oder herangerufenen Pfeifenmann hätte er durchaus besser in das Gesicht blicken können.

Ich biete Dir jetzt einmal folgendes an:

Aaron Kozminski war der Pfeifenmann und der breitschultrige Mann ein Mitglied des Clubs in der 40 Berner Street oder ein Anwohner. Letzterer wollte Stride wegjagen, weil er der Meinung gewesen war, eine Prostituierte gehört da nicht hin. Stride lässt ihre Bonbons nicht fallen, weil sie solche Typen zu genügend kennt. Schwartz sein Eindruck eines Streites wäre also richtig gewesen. Und jetzt ruft der breitschultrige Mann etwas zum Pfeifenmann, was Schwartz als LipSKI versteht . Aber was, wenn er sich verhört hatte und der breitschultrige Mann rief zum Pfeifenmann KosminSKI? Der Pfeifenmann kam aus Richtung Providence Street, auch wenn er im Eingang des Public Houses stand, es war die Richtung. Aaron Kozminski lebte dort, früher gar genau einmal dort, von wo nun der Ruf herkam, wo das Verbrechen stattfand. Kannten sich aufgrund dessen beide Männer die auf Stride losgingen ohne dass sie gemeinsame Sache machten? Hätte die Polizei damals Verdacht schöpfen können zwischen Schwartz seinem LipSKi und einen Mann namens KosminSKI? Wollte sonst niemand etwas gesehen haben? Die Ortskenntnisse von Aaron Kozminski, die Abläufe in der Berner Street, an der er ja praktisch wohnte, in der er sogar früher einmal lebte, hätten ihn schnell erkennen lassen können, dass die herannahende Kutsche Diemschütz gehörte, der ihm nun mit dem Opfer in seinen Fängen stören würde. In diesem Szenario, wäre Stride das perfekte Zufallsopfer gewesen, was typisch für solche Art von Täter wäre.

Viele Grüße an Dich zurück,

Lestrade.
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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #3 am: 12.10.2012 09:28 Uhr »
Schaut bitte noch einmal in den Link. Rob House hat mit neuen Karten die möglichen Fluchtrouten  und die Wohnsitze graphisch dargestellt. Er erwähnt nun auch Jacob Cohen und Aaron Kozminski´s weitere Schwester, Helen Singer, über die wir im Ripperologist viel Neues erfahren. Wir erfahren auch, dass Woolf Abrahams, einen Tag nach Erscheinen der ersten Batty Street Lodger Geschichte, seine Tochter Rebecca (glaube das war ihr Name) von der Berner Street School nahm!!!

Über Pat Marshall, die gemeinsam mit Chris Phillips den Artikel im Ripperologist verfasst hat, erfahren wir über Rob House:

“Yes, Pat has indeed done some great work. She is the great-great niece of Detective Henry Cox... so she has detective genes I think.”

Detective Henry Cox hat wahrscheinlich Aaron Kozminski observiert. So schließen sich manchmal die Kreise des Lebens. Sie führt des “Onkels“ Arbeit weiter. Was für eine Geschichte. Respekt und was für eine Frau.

Btw.: Hier kann man sich ganz aktuell, weitere interessante Fotos aus der damaligen Zeit anschauen:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=16212

« Letzte Änderung: 12.10.2012 09:55 Uhr von Lestrade »
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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #4 am: 12.10.2012 12:06 Uhr »
Durch die Abmeldung im Oktober von Aaron Kozminski´s Nichte aus der Schule in der Berner Street, gegenüber vom Stride- Tatort, kam mir natürlich ein kompletter Umzug dieses Haushaltes in den Sinn (vielleicht wußte die Familie da etwas oder bekam etwas mit). Gerade auch deshalb, weil es ja nun einmal so ist, dass Swanson vom Bruder in Whitechapel spricht.

Wir wissen, die Taten an Smith, Tabram und Nichols fanden in Whitechapel statt. Chapman und Kelly in Spitalfields, Stride in St. George in the East und Eddowes in Aldgate/ City of London. Da die ersten Verbrechen in Whitechapel stattfanden, spricht man noch heute allgemein von den Whitechapel-Morden.

Der nächste bekannte Aufenthaltsort von Bruder Woolf Abrahams war die Yalford Street. Meines Erachtens, genau wie die Berner Street, die Greenfield Street oder eben auch die Providence Street, lag diese Straße in St. George in the East. Alles grenzte natürlich auch direkt an Whitechapel selber.

Detective Henry Cox hingegen:

“a man living in the East End of London was not unlikely to have been connected with the crimes.”

“He occupied several shops in the East End“

“He made his way down to St George's in the East End, and there to my astonishment I saw him stop and speak to a drunken woman.”

Er sprach vom East End. Zum East End gehörten natürlich Whitechapel, Spitalfields, Mile End, Bethnal Green, Stepney usw. Ob Swanson, St. George in the East bzw. dessen Grenzgebiet noch als “Whitechapel“ ansah weiß ich nicht, denke ich aber eher weniger. Cox´s “down to St George´s in the East“ lässt ja auch eher vermuten, dass der Verdächtige von Whitechapel aus, sich “herunter“ machte. Cox sein Mann war in verschiedenen Shops im East End beschäftigt und lebte auch dort. Zweifelsohne, könnte dies auf Aaron Kozminski gut zutreffen. Ich spreche jetzt auch gerade über die Zeit Ende 1888/ Anfang 1889. Sagar sein Butcher´s Row Verdächtigen,  könnte man für Ende 1890/1891 in Betracht ziehen:

“and after a time his friends thought it advisable to have him removed to a private asylum”

His friends? Jacob Cohen? Evtl. auch ein Butcher? Man muss jetzt nicht gleich an Colney Hatch denken, dies war ja keine private Anstalt sondern kurze Zeit davor an eine private Einrichtung. Möglicherweise kümmerte sich zeitweise Jacob Cohen um Aaron Kozminski und beschäftigte ihn auch, so gut wie es eben ging, bis es nicht mehr ging.

Zusammenfassend könnte man vermuten, dass es durchaus möglich gewesen wäre, dass zwischen der Providence Street 1888 und der Yalford Street 1889 , ein weitere Wohnsitz in Frage käme, eben direkt in Whitechapel selber. Zwischen Oktober/ November 1888 und ca. Februar 1889 wäre dies durchaus möglich. Im Oktober war die Abmeldung der Tochter von Woolf Abrahams, kurz vor März 1889 zog er in die Yalford Street. Inwieweit Aaron Kozminski zeitweise in jenen Tagen bei Isaac oder Matilda oder Jacob lebte, können wir nur erahnen. Möglicherweise war er auch immer wieder mal alleine. Anderson sagte ja mal sinngemäß, “wenn er nicht gänzlich alleine gelebt hatte, dann m u s s die Familie etwas mitbekommen haben“, er drückte sich jedenfalls so ähnlich aus. All diese Informationen, all diese Aussagen, lassen vermuten, dass Aaron Kozminski überall und nirgends im EastEnd unterwegs gewesen war, mal allein, mal nicht allein. Hierbei bitte ich besonders die Tage zu beachten, an denen die Morde sattfanden, Feiertags oder an den Wochenenden.  

Ergo, es wäre möglich, dass er während der Taten Nichols, Chapman, Stride und Eddowes, hauptsächlich in der Providence Street lebte und bei der Tat an Kelly irgendwo in Whitechapel. Zwischen vor März 1889 und bis nach Mai 1889 lebte Woolf Abrahams in der Yalford Street (die exakten Daten sind noch nicht bekannt) und zog dann wieder weg. Und wie schrieb Macnaghten?

“He was (and I believe still is) detained in a lunatic asylum about March 1889”
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Offline Shadow Ghost

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #5 am: 12.10.2012 18:21 Uhr »
Ich hatte bislang nur die Gelegenheit, den neuen Ripperologist-Artikel zu überfliegen, und das Ganze klingt auch toll, dennoch möchte ich entgegen der allgemeinen Euphorie ein paar Dinge zu bedenken geben:

1. Wir haben nur Aussagen über die Wohnorte von Woolf Abrahams/Kosminski, bzw. über andere Geschwister.
2. Es ist nur eine Annahme, dass Aaron zu bestimmten Zeiten - oder gar ständig - bei einem seiner Geschwister lebte. Soweit ich mich entsinne, können wir es nur für den Zeitraum vor dem 12. Juli 1890 sagen, da Woolf - bzw. Jacob Cohen - ihn von dort ins Workhouse übergab. Alles andere schwankt zwischen begründeter Annahme und Spekulation.
3. So wie ich die Zustände im East End damals überblicke, waren häufige Wohnungswechsel üblich. Von daher haben sehr viele Personen zum ein oder anderen Zeitpunkt in der Nähe eines der späteren Tatorte gelebt. Und entsprechend der damaligen Praxis wurden sicher etliche von diesen zu irgendeinem Zeitpunkt in ein Workhouse oder ein Asylum eingewiesen. Der Punkt einer möglichen Ortskenntnis ist für sich allein genommen ein schwacher, und wird nur durch den Bezug zur von Anderson/Swanson/McNagthen genannten Person bedeutsam. (Ich gebe zu, mit geschickter Argumentation lassen sich auch die Berichte von Sagar und Cox entsprechend deuten - kudos, Rob House - aber mangels weiterführender Informationen wie genauen Orts-, Zeit- und Namensangaben sind diese Berichte eben auch sehr interpretationsoffen).
4. Wir haben es also nicht mit neuen Beweisen zu tun, sondern nur mit einer eventuellen Unterstützung bereits vorhandenen Materials. Unter einem wirklich neuen Beweis würde ich etwas gelten lassen, dass auch unabhängig von den Kosminski-Drei (Anderson/Swanson/McNagthen) auf eine Täterschaft Aaron Kosminskis hinweisen würde, wie etwa das Tagebuch des Aaron K. (bitte nicht), Memoiren seiner Familienangehörigen, ein Polizeibericht über die Seaside Home-Geschichte,... (naja, man wird ja noch träumen dürfen, ein Foto von Aaron würde mir als Weihnachtsgeschenk schon genügen).
5. Ich finde es erschreckend, wieviel man nach über 100 Jahren noch über einen Menschen herausfinden kann! Da braucht man heute gar nicht mit dem Finger auf Facebook zeigen.

Dennoch ist meiner Meinung nach die Kandidatur von Aaron Kosminski durchaus möglich, sofern - und dass ist ein großes SOFERN - sich alle Annahmen dieser Theorie bewahrheiten sollten. Aber bei dem Tempo, dass manche Forscher in letzter Zeit an den Tag legen, bin ich mir sicher, dass es diesbezüglich eine Entwicklung in die ein oder andere Richtung geben wird. Es ist erfreulich, dass die Forschung wieder in großen Schritten in Richtung der Bestätigung oder Eliminierung eines ernsthaften Verdächtigen geht, und die blutrünstigen Tagebuchschreiber, van Goghs, Sickerts, Carrolls,... an den Rand gedrängt wurden. Lasst uns hoffen, dass dies so bleibt.

Liebe Grüße,
Shadow Ghost

Offline Lestrade

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #6 am: 12.10.2012 19:38 Uhr »
Kurzes Update:

Jacob Cohen war wohl der Cousin von Aaron Kozminski. Aaron´s Bruder Woolf Abrahams heiratete ja Betsy Kozminski, seine eigene Cousine. Ihr Bruder war wohl nun Jacob Cohen, dessen Geburtsname war natürlich auch Kozminski. Geschwisterpaare trafen auf Geschwisterpaare...

Da kommt noch einiges...

Ich gehe jetzt feiern und mache die anstehende Nacht zum Tag auf meiner Lieblingsparty.

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Damien

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #7 am: 14.10.2012 11:25 Uhr »
Hallo zusammen,

das ist wirklich eine spannende Entwicklung, die sich in dem Fall entwickelt.

Ich bin ja schon immer überzeugt davon gewesen, dass es sich bei dem Mörder um einen Anwohner aus dem East-End handelt.

Ich bin sehr gespannt was da noch alles herausgefunden werden wird und wie auch schon Shadow Ghost sagte, es ist wirklich faszinierend und auch etwas nachdenklich stimmend, was man über "unbekannte" Leute erfahren kann, die schon 100 Jahre tot sind. Wer weiß was man über uns in 100 Jahren noch so alles weiß, das wird einem erst immer durch solche "Fundstücke" bewusst.

Was ich mich aber Frage ist, hat Kosminski in der Anstalt oder anderswo dennwohl  nie von seinen Verbrechen, falls er der Ripper war berichtet?
Ich meine, ich kann mir schwer vorstellen, dass ein Eingewisener Irrer das nicht in irgendeiner Form preisgibt...

Beste Grüße,

Damien

Offline Lestrade

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #8 am: 14.10.2012 12:22 Uhr »

Ich bin ja schon immer überzeugt davon gewesen, dass es sich bei dem Mörder um einen Anwohner aus dem East-End handelt.

The Northeastern Daily Gazette, April 15, 1896, der hochgeschätzte Inspector Edmund Reid:

"I have always believed," continued Mr. Reid, "that the murderer lived somewhere in the neighborhood of Berner-street. The first of the murders (Emma Smith-TW) was in that district, and everyone [sic] was committed within a radius of a quarter of a mile of the Princess Alice public-house, in Commercial-street. All of the women lived in that district, and so, I believe, did the murdered [sic]."

Princess Alice Public House war angeblich der Pub von Leather Apron.

Was ich mich aber Frage ist, hat Kosminski in der Anstalt oder anderswo dennwohl  nie von seinen Verbrechen, falls er der Ripper war berichtet?
Ich meine, ich kann mir schwer vorstellen, dass ein Eingewisener Irrer das nicht in irgendeiner Form preisgibt...

Siehe da, hier sprachen wir schon George Hall an:

http://jacktheripper.de/forum/index.php?topic=1440.msg22697;topicseen#msg22697

Einen Monat nach Aaron Kozminski seiner Einweisung in Colney Hatch, wollte Anderson wissen, wann George Hall entlassen wird. Es gibt sicherlich einige Gründe, die logischer erscheinen würden als meine Überlegung, dennoch denke ich, dass die Polizei keine Möglichkeit ausließ, irgendetwas zu erfahren. George Hall hätte durchaus mit Aaron Kozminski in der Anstalt in Berührung kommen können und die Polizei hoffte aus erster Hand so etwas zu erfahren, wie Du es ansprichst. Falls Aaron Kozminski Jack the Ripper war, dann war er auch ein Typ, der noch auf freien Fuss, nach ein paar Glas Bier oder Gin, etwas über seine Taten erzählt hätte. Nicht unbedingt in der ICH- Form aber er hätte Dinge preisgeben können, die nur der Killer selber wissen konnte. Andere Insassen, wie z.B: George Hall, hätten zu einem Personenkreis gehören können, denen Aaron Kozminski "vertraut" hätte. Es ist eine Überlegung, natürlich, aber man sollte sie auf dem Schirm haben.

Es gibt Dinge, die "wollen" entdeckt werden. Sei es Swanson seine handschriftlichen Vermerke in Anderson´s Memoiren oder eben der Postverkehr zwischen Anderson und Colney Hatch wegen George Hall. Es soll ja bekanntlich keinen Zufall geben...

Bis jetzt wollte ich immer wissen, ob nicht wenigstens ein männlicher Kosminski den Namen Cohen wählte. Gerade wegen Swanson seinen Bemerkungen und dem frühen Tod seines Verdächtigen. Aaron Kosminski´s eigener Cousin änderte seinen Namen von Jacob Kozminski in Jacob Cohen. Beide Männer standen in einer wohl engeren Beziehung. So wäre es auch möglich, dass Aaron Kozminski eine zeitlang diesen Namen wählte. Auch daher, da er die "neuen" Zunamen seiner Brüder Isaac und Woolf, nämlich Abrahams, ablehnte. Er gab während einer Untersuchung Ende 1889 (Dezember) bereits schon einmal fiktive Adressen und Daten an.

Beste Grüße zurück,

Lestrade.
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Offline Shadow Ghost

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #9 am: 15.10.2012 22:33 Uhr »
Eine ihrer interessantesten Erkenntnisse hat sich Autorin Pat Marshall scheinbar für die casebook-Diskussion aufgehoben (oder ich habs im Artikel überlesen): die Tochter von Woolf war vom 10 November 1888 bis zum 6 Mai 1889 aus der Schule abgemeldet, also einen Tag nach dem Miller's Court. Es stellt sich daher die Frage, warum? Ist dies ein Hinweis darauf, dass die Familie wusste, was Aaron getan hat und mit ihm fort zog, um die Öffentlichkeit (und sich selbst) zu schützen? Das würde auch das Ende der Serie erklären, zumindest im East End, wer weiß schon, wo sie hingingen, und was dort alles passiert ist (wenn es denn so war). Nächster Mord im East End: Alice McKenzie, 17 Juli 1889.

Also entweder, an der ganzen Sache mit Aaron Kosminki ist wirklich etwas dran, oder er hat einfach das Pech, das sich die Zeitabläufe seines Lebens (oder was wir dafür halten) nahezu widerspruchsfrei in das Schema des Rippers einfügen.


Offline Lestrade

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #10 am: 15.10.2012 23:21 Uhr »
Ich müsste es dann auch überlesen haben aber ich denke, wir können davon ausgehen, dass da noch einiges an Informationen kommt... Gerade vieleicht auch deshalb, um immer wieder aufkommende "Kritik" und deren Versender mit neuem "Denkmaterial" zu konfrontieren...

Das wäre natürlich schon merkwürdig, bereits einen Tag nach der Batty Street Lodger Geschichte geht die Tochter von Woolf das erste Mal von einer Schule und dann das zweite Mal nach dem Mord an Kelly und diesmal sogar für längere Zeit. Woolf war dicke mit Jacob Cohen und der wohnte ja u.a. in Manchester.

Vielleicht waren Woolf und Familie alleine weg und ließen Aaron alleine zurück bzw. überließen ihm dem Schicksal.

Swanson:

"On suspects return to his brothers house in Whitechapel he was watched by police city CID by day and night"

Er sagte ja "in das Haus seines Bruders" und nicht "zum Bruder".

Und Cox wollte ja ca. 3 Monate seinen Verdächtigen in einer Straße observiert haben. Dabei hörte es sich nicht an, als ob noch weitere Personen im Haushalt des Mannes zu finden waren. Dazu passen auch Aussagen von Anderson, der nicht genau wußte ob sein Ripper nun alleine lebte oder nicht.

So ein vom Bruder (Woolf) und Schwägerin verlassener Typ (Aaron), dem auch die andere Angehörigen wie der älteste Bruder (Isaac) und Schwester (Matilda) plötzlich nicht mehr die Tür aufmachten, hätte durchaus leicht mit einem anderen "Verrückten" wie David Cohen verwechselt werden (der ja in seiner eigenen Welt lebend herumirrte) und kurzzeitig für Verwirrung bei Swanson und der Polizei (MET) gesorgt haben können. Jacob Cohen war "Hans Dampf in allen Gassen", vielleicht nahm er sich der verzweifelten Situation an und brachte Aaron hier und da mal Privat unter. Die Kohle hatte er und Isaac wohl auch. 


Also entweder, an der ganzen Sache mit Aaron Kosminki ist wirklich etwas dran, oder er hat einfach das Pech, das sich die Zeitabläufe seines Lebens (oder was wir dafür halten) nahezu widerspruchsfrei in das Schema des Rippers einfügen.

Da sagste was...

Gute Nacht, eigentlich viel zu spät um etwas zu schreiben...
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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #11 am: 16.10.2012 00:04 Uhr »
Das wäre natürlich schon merkwürdig, bereits einen Tag nach der Batty Street Lodger Geschichte geht die Tochter von Woolf das erste Mal von einer Schule und dann das zweite Mal nach dem Mord an Kelly und diesmal sogar für längere Zeit.

Ich vermute, am Tag nach der Batty Street-Lodger Geschichte war es ein normaler Schulwechsel nach einem Umzug. Nach dem Mord an MJK scheint sie (so klingt es zumindest, und mehr Informationen gibt es gerade nicht) um eine Abmeldung zu handeln, aber genaueres wissen derzeit wohl nur Pat Marshall et al.

Vielleicht waren Woolf und Familie alleine weg und ließen Aaron alleine zurück bzw. überließen ihm dem Schicksal.

Swanson:

"On suspects return to his brothers house in Whitechapel he was watched by police city CID by day and night"

Er sagte ja "in das Haus seines Bruders" und nicht "zum Bruder".

Und Cox wollte ja ca. 3 Monate seinen Verdächtigen in einer Straße observiert haben. Dabei hörte es sich nicht an, als ob noch weitere Personen im Haushalt des Mannes zu finden waren. Dazu passen auch Aussagen von Anderson, der nicht genau wußte ob sein Ripper nun alleine lebte oder nicht.

So ein vom Bruder (Woolf) und Schwägerin verlassener Typ (Aaron), dem auch die andere Angehörigen wie der älteste Bruder (Isaac) und Schwester (Matilda) plötzlich nicht mehr die Tür aufmachten, hätte durchaus leicht mit einem anderen "Verrückten" wie David Cohen verwechselt werden (der ja in seiner eigenen Welt lebend herumirrte) und kurzzeitig für Verwirrung bei Swanson und der Polizei (MET) gesorgt haben können. Jacob Cohen war "Hans Dampf in allen Gassen", vielleicht nahm er sich der verzweifelten Situation an und brachte Aaron hier und da mal Privat unter. Die Kohle hatte er und Isaac wohl auch. 

Ich glaube, wäre Aaron alleine zurückgelassen worden, hätte es wohl überhaupt keine soziale Kontrolle mehr gegeben, und es wäre zu weiteren Taten gekommen. Natürlich wäre es möglich gewesen, dass er a la David Cohen verwirrt durch die Straßen irrte, nur ist darüber eben nichts bekannt. Von daher ist es nicht unvernünftig anzunehmen, dass Aaron weiter ein nach außen unauffälliges Leben führte, und das heißt nach dem, was wir zu wissen glauben, dass er mit einem seiner Geschwister lebte. Wichtig ist es deshalb, dass geklärt wird, wo Woolf und seine Familie zwischen November 1888 und Mai 1889 waren. Dann können wir vielleicht auf die Gründe der Schulabmeldung schließen.

In meinen Gedanken nahm Woolf Aaron mit, wohin auch immer. Daher kam es auch zum Ende der Serie. In den Zeitraum von November 1888 bis Mai 1889 würde auch der von McNaghten erwähnte Aufenthalt in einer Anstalt passen: He was (and I believe still is) detained in a lunatic asylum about March 1889. Vielleicht ging ihm dann das Geld für die Anstalt aus, vielleicht fand er an diesem unbekannten Ort keine Arbeit und Woolf kehrte mit Aaron zurück ins East End. Keine zehn Wochen später kam es wieder zu einem Mord, der gewisse Charakteristika des Rippers aufweist.

Offline Lestrade

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #12 am: 16.10.2012 09:59 Uhr »
Guten Morgen Shadow,

Ja, kann man selbstverständlich auch so betrachten. Andererseits wäre es natürlich möglich, dass die Polizei bereits einmal Verdächtigte bzw. auch schon eine zeitlang Observierte, nach der Tat an Kelly "abklapperte" und im Falle Kosminski größere Veränderungen (z.B.: Angehörige spurlos weg) bemerkte und es dann auch kurzfristig zu der oder den Identifikationen kam. Die bzw. diese sollen Kosminski, laut Swanson, auch absolut bewusst gewesen sein. Ich meine, bei Woolf waren Kinder im Haus, kleine Kinder, war Betsy nicht auch schwanger? Sohn Joseph starb (Frühgeburt) zwei Tage nach seiner Geburt(9. März) am 11. März 1889 (ausgerechnet wieder March 1889). Tochter Rebecca war ja auch schon da. Millie auch? Ich weiß nicht. Wenn ich geahnt hätte, dass Jack the Ripper mein Bruder wäre, ich wäre nicht mit ihm, meinen Kindern und meiner Frau zusammen weggezogen. Wer ist so verrückt? Irgendeine Schwester hat er ja auch mal mit einem Messer bedroht. So ein identifizierter Killer, von der Familie auch noch im Stich gelassen, weil von der eigenen Sippe verdächtigt und von der Polizei observiert, was er sicherlich mitbekam, geht der weiter morden? Zeitweise muss er ja, wenn man allen Aussagen glauben schenkt, ganz offensichtlich "verrückt" gewesen sein, um dann wieder Phasen gehabt zu haben, in denen er "ganz normal" gewesen war. Das passt auch zu solcher Art von Erkrankungen, die sich dann bis Mitte 20 dermaßen manifestieren, dass man dann nicht mehr von guten oder schlechten Phasen sprechen kann, sondern von der Unmöglichkeit überhaupt noch etwas normales auf die Reihe zu kriegen, etwas, was "normal" aussieht.

Ich tendiere momentan dazu zu sagen, die (Familie) haben ihn (Aaron Kozminski) nach der Tat an Kelly im Stich gelassen. Zumindest die ganz nahen Angehörigen wie Bruder Woolf Abrahams und Anhang. Vielleicht hatten Cousin Jacob Cohen und Bruder Isaac Abrahams den entsprechenden Mut und das Geld, Aaron in eine oder mehrere private Anstalten unterzubringen, eben auch um dieses "Familiengeheimnis", nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Wissen wir, wie lange und oft er zwischen November 1888 und Februar 1891, vor seiner Einweisung nach Colney Hatch, in irgendwelchen privaten Einrichtungen untergebracht gewesen war oder die Familie ihn selber wegschloss? Solche Beispiele gab es wohl auch. Vielleicht haben sie ihn einfach im November 1888 in der Bude zurücklgelassen. Vielleicht gingen die folgenden Monate Jacob und Isaac mal nach dem Rechten sehen und bezahlten die Miete. Vielleicht musste er auch mal bei Jacob oder Isaac etwas für seine Brötchen tun. Und so wie Aaron Kozminski sich spätestens im Frühjahr 1891 benahm (wahrscheinlich lief es schon besonders extrem bei ihm seit Sommer 1890), machte es für die Familie gar keinen Sinn mehr, privat für ihn sorgen zu lassen. Was sollte die Polizei noch aus ihm herausbekommen? Er redete nur noch wirre und irre.

Folgendes habe ich schon relativ lange in meinen Unterlagen:

The Truth about the Whitechapel Mysteries told by Harry Cox
Ex-Detective Inspector, London City Police. Specially written for "Thomson's Weekly News"

It is only upon certain conditions that I have agreed to deal with the great Whitechapel crimes of fifteen years ago. Much has been written regarding the identity of the man who planned and successfully carried out the outrage...

It is my intention the relate several of my experiences while keeping this fellow under observation.

We had many people under observation while the murders were being perpetrated, but it was not until the discovery of the body of Mary Kelly had been made that we seemed to get upon the trail. Certain investigations made by several of our cleverest detectives made it apparent to us that a man living in the East End of London was not unlikely to have been connected with the crimes.

To understand the reason we must first of all understand the motive of the Whitechapel crimes. The motive was, there can not be the slightest doubt, revenge. Not merely revenge on the few poor unfortunate victims of the knife, but revenge on womankind. It was not a lust for blood, as many people have imagined.

The murderer was a misogynist, who at some time or another had been wronged by a woman. And the fact that his victims were of the lowest class proves, I think, that he was not, as has been stated, an educated man who had suddenly gone mad. He belonged to their own class.

Had he been wronged by a woman occupying a higher stage in society the murders would in all probability have taken place in the West End, the victims have been members of the fashionable demi-monde.

The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey.

While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months.

There were several other officers with me, and I think there can be no harm in stating that the opinion of most of them was that the man they were watching had something to do with the crimes. You can imagine that never    once did we allow him to quit our sight. The least slip and another brutal crime might have been perpetrated under our very noses. It was not easy to forget that already one of them had taken place at the very moment when one of our smartest colleagues was passing the top of the dimly lit street.

The Jews in the street soon became aware of our presence. It was impossible to hide ourselves. They became suddenly alarmed, panic stricken, and I can tell you that at nights we ran a considerable risk. We carried our lives in our hands so to speak, and at last we had to partly take the alarmed inhabitants into our confidence, and so throw them off the scent. We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age, and pointing out the evils accruing from the sweaters' system asked them to co-operate with us in destroying it.

They readily promised to do so, although we knew well that they had no intention of helping us. Every man was as bad as another. Day after day we used to sit and chat with them, drinking their coffee, smoking their excellent cigarettes, and partaking of Kosher rum. Before many weeks had passed we were quite friendly with them, and knew that we could carry out our observations unmolested. I am sure they never once suspected that we were police detectives on the trail of the mysterious murderer; otherwise they would not have discussed the crimes with us as openly as they did.

We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected, and, disguised, of course, we frequently stopped across in the role of customers.

Every newspaper loudly demanded that we should arouse from our slumber, and the public had lashed themselves into a state of fury and fear. The terror soon spread to the provinces too. Whenever a small crime was committed it was asserted that the Ripper had shifted his ground, and warning letters were received by many a terror stricken woman. The latter were of course the work of cruel practical jokers. The fact, by the way, that the murderer never shifted his ground rather inclines to the belief that he was a mad, poverty stricken inhabitant of some slum in the East End.

I shall never forget one occasion when I had to shadow our man during one of his late walks. As I watched him from the house opposite one night, it suddenly struck me that there was a wilder look than usual on his evil countenance, and I felt that something was about to happen. When darkness set in I saw him come forth from the door of his little shop and glance furtively around to see if he were being watched. I allowed him to get right out of the street before I left the house, and then I set off after him. I followed him to Lehman Street, and there I saw him enter a shop which I knew was the abode of a number of criminals well known to the police.

He did not stay long. For about a quarter of an hour I hung about keeping my eye on the door, and at last I was rewarded by seeing him emerging alone.

He made his way down to St George's in the East End, and there to my astonishment I saw him stop and speak to a drunken woman.

I crouched in a doorway and held my breath. Was he going to throw himself right into my waiting arms? He passed on after a moment or two, and on I slunk after him.

As I passed the woman she laughed and shouted something after me, which, however, I did not catch.

My man was evidently of opinion that he might be followed every minute. Now and again he turned his head and glanced over his shoulder, and consequently I had the greatest difficulty in keeping behind him.

I had to work my way along, now with my back to the wall, now pausing and making little runs for a sheltering doorway. Not far from where the model lodging house stands he met another woman, and for a considerable distance he walked along with her.

Just as I was beginning to prepare myself for a terrible ordeal, however, he pushed her away from him and set off at a rapid pace.

In the end he brought me, tired, weary, and nerve-strung, back to the street he had left where he disappeared into his own house.

Next morning I beheld him busy as usual. It is indeed very strange that as soon as this madman was put under observation, the mysterious crimes ceased, and that very soon he removed from his usual haunts and gave up his nightly prowls. He was never arrested for the reason that not the slightest scrap of evidence could be found to connect him with the crimes.
 
Henry Cox (known as Harry) was great grandfather George Cox's brother
The man he followed was Aaron Kosminski (I think)


Letzter Satz dürfte dann wohl von Pat Marschall stammen oder? Während ihrer Schulzeit ist sie wohl tagtäglich durch die Berner Street (Henrique Street) gelaufen, nicht ahnend, mit wem Sie da verwandt war... Kann das alles Zufall sein?

Grüße, Lestrade.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Shadow Ghost

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #13 am: 16.10.2012 12:13 Uhr »
Hallo Lestrade,

ich verstehe Dein Szenario und halte es durchaus nicht für abwegig, denn auch durch die Identifikation (Seaside Home) und Observation (Cox) lässt sich das Ende oder zumindest die Pause in der Serie erklären. Es ist auch verständlich, dass die Familie sich lieber von Aaron distanzierte anstatt ihn woanders hin zu verfrachten, um die Familie zu schützen (schließlich waren sie alle mehr oder weniger angesehene Geschäftsleute). Den Sohn Joseph, geboren im März 1889, hatte ich nicht so auf dem Schirm. Zumindest zu diesem Zeitpunkt war die Familie (wenn sie denn weggezogen wäre) wieder im East End, was zeitlich natürlich gut mit der Einweisung von Aaron in ein Heim passen würde (McNaghton). Doch warum ging Rebecca dann erst wieder im Mai 1889 zur Schule? Hat jemand Ahnung, wie damals in England das Schuljahr verlief?

Aber die Episode, Aaron sich selbst zu überlassen, kann ja dann nur eine kurzfristige gewesen sein, denn spätestens im März 1889 war die Familie von Woolf ja wieder im East End, nur ein paar Straßen von der alten Adresse entfernt. Ging Woolf seinem Bruder Aaron also nur solange aus dem Weg, bis er einen geeigneten Heimplatz für ihn gefunden hatte? Dabei kann es auch durchaus möglich sein, dass es kein lunatic asylum im klassischen Sinn war, sondern irgendeine private Pflegeeinrichtung oder eine Art Sanatorium. Das würde erklären, warum man in den Aufzeichnungen der lunatic asylums noch nichts gefunden hat, und warum er wieder raus kam, denn ich kann mir vorstellen, dass eine solche Einrichtung mit einem wie Aaron einfach überfordert war.

Warum unterstützte ihn Woolf im Dezember 1889 in der Maulkorb-Angelegenheit? Das wäre doch eine Möglichkeit gewesen, ihn zumindest für einige Zeit unter Gewahrsam zu wissen, wenn keiner seine Strafe bezahlt hätte.

Zu Deiner Theorie würde allerdings auch noch George Sims passen, dass der Verdächtige "the sole occupant of certain premises in Whitechapel" (Lloyd's Weekly, 22 September 1907) war. Die Mehrzahl 'premises' könnte natürlich darauf hindeuten, dass die anderen Geschwister auch untergetaucht waren.

Ich gebe zu, Lestrade, dass Dein Szenario in vielen Punkten besser zu passen scheint als meines, dennoch bin ich mir nicht sicher, ob eine Familie einen Angehörigen, von dem sie weiß, dass er ein Serienmörder ist, einfach sich selbst überlassen würde. Eine Familie würde doch zum einen sicherstellen, dass von der betreffenden Person keine Gefahr mehr ausgeht, und zum anderen versuchen, den Ruf der Familie zu wahren. In Deinem Szenario hätten die Identifikation und die Observation Aaron von weiterem Morden abgehalten. Damit die Familie sicher gehen kann, dass von ihrem mörderischen Angehörigen keine Gefahr ausgeht, hätten sie also von beiden wissen müssen, d.h. wissen müssen, dass er nicht völlig ohne (soziale) Kontrolle ist, sondern observiert wird.

Ob das aber Woolf bereits am Tag nach dem Miller's Court bewusst war, an dem er seine Tochter aus der Schule abmeldete, um das East End zu verlassen, weiß ich nicht. Und wollte Woolf überhaupt das East End verlassen? Hat er überhaupt das East End verlassen? Vielleicht gab es ja einen anderen Grund, seine Tochter aus der Schule zu nehmen? Wir wissen noch immer zu wenig! Manchmal habe ich ja die Befürchtung, dass wir uns hier die Gehirne verbiegen, um Aaron Kosminski mit dem Kosminski-Verdächtigen unter einen Hut zu bringen, und dann fällt eines Tages ein weiterer Kosminski vom Himmel, der alle Kriterien erfüllt, und dessen gesammelte Unterlagen auf dem Dachboden irgendeines Nachfahren eines Scotland Yard-Beamten auf ihre Entdeckung warteten. Schön wärs ja!

Offline Shadow Ghost

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Re: Aaron Kozminski, 25 Providence Street!
« Antwort #14 am: 16.10.2012 13:43 Uhr »
naja, man wird ja noch träumen dürfen, ein Foto von Aaron würde mir als Weihnachtsgeschenk schon genügen

Kurzes Update mit Selbstzitat: Auf der diesjährigen Jack-the-Ripper-Konferenz in York präsentierte Rob House zwei Fotos von Mathilda Kosminski und ihrem Mann Morris Lubnowski. Das eine zeigt sie als junges Paar, das andere zu einem späteren Zeitpunkt, eventuell um den Zeitpunkt von Aarons Einweisung nach Colney Hatch. Auf Bitten der Nachfahren der Kosminskis dürfen diese Bilder aber (derzeit) keinem größeren Publikum offenbart werden.

Vorsicht, Aaron, die Einschläge kommen näher!