Zitat aus Erichs Kriminalarchiv:
Vorübergehend festgenommen wurde ein reisender Schafhirte aus Frankreich, doch im Lauf der Ermittlungen stellte sich heraus, daß er wegen eines Klinikaufenthalts ein Alibi für die Tatzeit vorweisen konnte.
Spontan musste ich da an Francis Heaulme denken, aber der war zur Tatzeit bereits inhaftiert.
Zum Fall Kürten kann ich empfehlen: Karl Berg, Der Sadist - Der Fall Peter Kürten, belleville Verlag, 2004
Mit zeitgenössischen Artikeln von Kriminalrat Ernst Gennat, Karl Berg und Alex Wehners Verteidigungsrede.
Ich weiß nicht, ob ich hier einen jungen Täter erkennen kann. Die (scheinbare) Ruhe, mit der er agierte; die Zeit, die er sich nahm; die wohl gezielte Auswahl der Fleischstücke; die Wahl des Tatorts in einem Bach; die Inszenierung der Leiche (ob es sich dabei wirklich um einen Versuch der Wiedergutmachung handelte, sei dahin gestellt, vielleicht war es auch nur Teil seiner Phantasie); die Tatwaffe, die er zum Tatort brachte und auch wieder mit nahm
Das alles deutet für mich auf einen Täter hin, der schon lange seinen Phantasien nachging bis er sie endlich auslebte. Vieles an dieser Tat scheint geplant. Ich kann nun nicht wirklich sagen, wie lange es dauert, bis sich aus solchen Phantasien ein ausgereifter Mordplan entwickelt, aber ich denke, dass es sich um einen Prozess handelt, der sich über Jahre erstreckt. Ein junger Täter müsste also ziemlich früh mit dem Phantasieren angefangen haben. Zudem ist, wie ich es verstanden habe, die Unterführung vor allem von Kindern und Jugendlichen genutzt worden. Ein junger Täter wüsste also um die Gefahr, dort gesehen werden zu können, es sei denn, er wäre ortsunkundig; aber ein junger Täter wäre wohl weniger mobil und mehr an seinen Heimatort gebunden.
Für die Möglichkeit eines Ortsunkundigen spricht natürlich die Tatsache, dass der Bahnhof nicht weit entfernt war, was mich (zusammen mit der Tatausführung) eher an einen Tätertyp wie Andrej Tschikatilo erinnert. Die "ungepflegte Gesamterscheinung" (BKA) des Täters könnte auf eine Art Tramp hindeuten, der heute hier, morgen dort ist, zu Fuß, per Anhalter oder schwarz mit der Bahn. Francis Heaulme war ein solcher Typ (Heaulme hatte keinen einheitlichen MO, was es erschwerte, eine Serie überhaupt erst zu erkennen). Auch das blasse Gesicht und die hagere Erscheinung könnten auf die Entbehrungen eines solchen Lebens hinweisen.
Auch das Phantombild und die Personenbeschreibung des BKA deuten auf einen etwas älteren Täter hin: 20-30 Jahre, womit wir im "normalen Anfängeralter" eines Serienmörders wären, und um einen Serienmörder handelt es sich, selbst wenn er nur eine Tat begangen haben sollte; er ist der Typus. Die Angaben stammen von jugendlichen Zeugen, die wohl einen 18- oder 19-jährigen auch als solchen erkannt hätten, aber sie schätzten ihn älter.
Aus diesen Gründen denke ich eher an einen "älteren" Täter, 20-30 Jahre mag hinkommen, eher in der Nähe der 30.
Ob es sich um einen Ersttäter handelt, ist wieder eine andere Geschichte, aber ich denke nicht. Vielleicht noch keinen Mord, aber zumindest schwere Körperverletzung oder versuchter Mord wären durchaus denkbar. Mir kommt dieser Täter einfach zu erfahren vor.