Vielleicht fällt es Dir (aber auch anderen) selbst nicht auf, dass Du auch von irgendwelchen Dingen oder Gegebenheiten ausgehst, die eben mal irgendwo standen oder immer noch stehen. Vieles davon beruht auch nur auf Spekulation, ist veraltet oder hat sich einfach nur manifestiert. Wir hatten das hier neulich mal in einer Diskussion, wo es um die Augenverletzungen (Lider etc.) bei Eddowes und Kelly ging. Die “ältere“ Version spricht von einer gezielten, sehr bewusst ausgeführten “Arbeit“ und hat viele Anhänger. Die “neuere Version“ spricht von reinen Abwehrverletzungen (Eddowes) sowie im Zuge gröberer Gesichtsverletzungen entstandenen Augenwunden (Kelly), wobei dort, entgegen einer weit verbreitete Annahme, eine bestimmten Verletzung gar nicht vorhanden war. Auch diese “neuere“ Theorie hat ihre Anhänger und lässt sich auch gut nachvollziehen. Solche Konstellationen gehören eben zur Ripperologie dazu. Widersprechen gehört ebenfalls dazu, tue ich ja auch.
Selbst dein:
Wenn Stride, zu einer Zeit als, wie du sagst, die ganze Gegend einen Serienkiller sucht, ein Messer gesehen hätte, dann hätte sie wohl eine stärkere Reaktion gezeigt als die von Schwartz erwähnten drei nicht sehr lauten Schreie.
Dass Stride ihren Angreifer überhaupt hätte identifizieren können, ist auch nur Spekulation.
...ist doch nichts gegebenes, auch nur Spekulation. Schwartz und Pipeman verschwanden sehr schnell aus der Szenerie, in der augenblicklich vorher Stride vom BS Man in einer Blitzaktion angegriffen wurde, da schrie Stride 2-3mal nicht ganz so laut. Schwartz war in diesem Moment dicht dran, hätte eventuell ein Messer gesehen aber dann war er auch schon auf der Flucht. Es war auf dem Gehweg auch kein Blut zu finden, sondern nur im Yard und als Stride dort hineingezogen wurde (wo Blut war), waren Schwartz und Pipeman wohl schon weiter weg. Was in diesen Sekunden alles passiert ist, können wir doch gar nicht sagen. Auch, ob das Messer zur Identifizierung überhaupt wichtig gewesen wäre und ob sie es überhaupt bemerkt hätte. Ein lauter Schrei im dunklen Yard, hätte genau wie im Miller´s Court, doch auch niemanden gejuckt, gerade auch dann, wenn im Sozialistenclub lautstark gefeiert wurde. Ein Mann griff plötzlich, ohne Vorwarnung, eine Prostituierte an und versuchte hinter sie zu kommen, sie auf den Boden zu zerren. Damit machte man sich zum damaligen Zeitpunkt verdächtig, ob nun ein Messer zu sehen war oder nicht. Die Chancen sind doch recht gut, dass ein Opfer, das so einen Angriff überlebt, ihren Angreifer vielleicht wiedererkennen würde. Aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass dieser Mann ein Messer bei sich trug, egal ob er der Ripper war oder nicht und Stride damit tötete. Ein Messer war doch ganz offensichtlich so oder so im Spiel. Ein Mord im Streit, eine Beziehungstat ist doch auch drin, wie ich ja auch heute zu Michael Kidney schrieb. Und dennoch: Ganz offensichtlich hatte die Polizei, als auch die Öffentlichkeit, eher keine Zweifel, dass Stride ein Ripper Opfer wurde. Der Ripper hatte auf jeden Fall ein Messer, mit dem er seine Opfer die Kehle durchschnitt und der Hals von Stride wurde durchtrennt. War es ein Rippervorfall, dann wurde er gestört, als er Stride getötet hatte und beginnen wollte zu verstümmeln oder er hat sie “einfach umgelegt“, weil er in seiner Phantasie, in seinem MO gestört wurde und er das Gefühl hatte, Stride könnte für ihn gefährlich werden. Er hatte ja noch weiteres vor und das war zeitlich nur 30-35 Minuten entfernt. Zu sagen, Stride hätte bei einem Überleben diesen Mann nicht identifizieren können, bleibt genauso eine Spekulation wie das Gegenteil, welches ich behaupte. Beides wäre möglich gewesen. Das hängt von vielen Faktoren ab. Es gibt im Ripper- Fall oft mehrere Möglichkeiten, die es zu prüfen gilt.
Es ist nicht das erste Mal hier im Forum, dass Dinge, ohne sie zu hinterfragen, angenommen werden, weil einst ebenso darüber spekuliert wurde. Es ist nicht das erste Mal, dass eigene Spekulationen als wahrscheinlicher angenommen werden, als die eines anderen und man ihm eben das unterstellt, was man selber nahezu ununterbrochen tut, nämlich von Annahmen und Spekulationen ausgehen. Ich empfinde das stets als sehr ambivalent. Was man selber auffährt, muss man auch anderen zugestehen. In der Psychologie sagt man, dass man die eigenen Schwächen gerne in anderen Menschen bekämpft. Was man an anderen nicht mag, mag man oft schlicht und einfach an sich selber nicht, eben auch aus unterschiedlichen Gründen.
Du gehst von deinen Annahmen und Spekulationen und denen von anderen aus. Ich tue das gleiche. In beiden Fällen können wir nichts Endgültiges beweisen.
Oder möchtest Du hier feststellen, dass Elizabeth Stride,
auf keinen Fall, aufgrund einer möglichen, späteren Identifizierung ihres Angreifers, von ihm getötet wurde? Und das auch noch ohne den leisesten Zweifel?
Könnte ich es genauso bezüglich des Gegenteils tun? Nein, kann ich nicht! Aber ich bin offen für verschiedene Varianten, die ich dann aber, so gut wie mir möglich, hinterfrage. Dabei erwarte ich noch nicht einmal, dass ein einziger Mensch diese Gedanken mit aufgreift, wobei ich mich schon über einen einzigen freuen würde. Von Dir würde ich es übrigens auch gar nicht erwarten.
Ich bin ja nicht hier, um Dir oder anderen zu gefallen und so mache ich auch weiter.