Hallo Max
Schön, dass Du zu uns gefunden hast und gleich zu Beginn eine Sache ansprichst, die mir sehr aus der Seele spricht. Ich möchte gleich erwähnen, dass ich deinen Zwiespalt sehr gut nachvollziehen kann und oftmals heutzutage nicht gerade eine Art Scham für mein Interesse empfinde, aber es gewiss nicht jedem gleich zu Beginn unter die Nase reibe. Anders wie bei meinen anderen Interessen (wie Ägyptologie und Mythologie) erzähle ich einem Menschen erst von meinem Interesse für die dunkle Seite des Menschen, wenn ich ihn besser kennen gelernt habe.
Ich weiß nicht, wieso das so ist. Es ist gewiss keine Scham, doch ich spüre doch, dass dieses Thema eine gewisse Grenzwertigkeit umgibt - und dies vor Allem, da die Allgemeinheit dieses Interesse meist mit Vergötterung, Bewunderung oder Faszination gleichsetzt. Deswegen möchte ich niemanden zu Beginn verschrecken, wenn gleich ich auch denken könnte: Wer damit nicht klar kommt, kann mir eh gestohlen bleiben.
Ich muss zugeben, dass ich damit einer gewissen Doppelmoral unterliege. Und muss anfügen, dass unsere Gesellschaft gleichwohl derselben Doppelmoral unterliegt: An jedem Stammtisch werden über Kindestötungen, Entführungen, Verbrechen diskutiert - doch wenn sich ein Mensch dafür näher interessiert und die Beweggründe verstehen möchte, wird er schnell schief angesehen und in eine Ecke geschoben. Dabei müssen wir uns alle im Klaren sein: Jeder, der diese Verbrechen bekämpft, seien es Profilier, Kriminologen, Kommissare oder der Polizist von nebenan, braucht ein natürliches Interesse für eben jene dunkle Seite.
Der Fall Jack the Ripper selbst interessiert mich aus den verschiedensten Gründen. Wenn ich es kurz fassen müsste, würde ich folgende Schlagworte bringen: Täterpsychologie, die Suche nach dem Täter, das viktorianische England und seine dunkle Seite, die Entwicklung der Ermittlungsmethoden, die Gänze des Kriminalfalls.
Doch letztenendes zählt für mich auch der Punkt, dass ich hier in diesem Forum Menschen gefunden habe, die dieses Interesse teilen und es verstehen, dass ich in diese Gemeinschaft gewachsen bin und sie nicht mehr missen möchte. Ich habe hier nette Menschen kennengelernt, auch schon nette Menschen verloren - und so pathetisch es sich anhören mag, so ist diese Gemeinschaft hier doch ein kleiner Teil meines Lebens abseits meiner Beziehung, des Berufes und der Freunde im "wahren" Leben. Es ist eben ein Teil der Dinge, die mich interessieren.
Und weiterhin zählt für mich, dass hier keiner Jack the Ripper vergöttert oder idealisiert. Gerade diese Plattform scheint mir geeignet, auf das Leid der Opfer und die Schwere der persönlichen und gesellschaftlichen Schuld aufmerksam zu machen. Ich sehe es also eher gegenteilig. Ich denke nicht, die Opfer zu verhöhnen. Ich denke, ihr trauriges Vermächtnis aufrecht zu erhalten und eventuell einen Teil dazu beizutragen, sie nach dem Tode noch zu rächen.
Aus diesem Grunde spreche ich auch oft von dem "Täter", um mich bewusst von der stilisierten und mythologisierten Person "Ripper" zu distanzieren. Der Ripper war ein Täter. Das sollte jedem bewusst bleiben.
Grüße, Isdrasil