Autor Thema: Jacob Levy  (Gelesen 308336 mal)

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Re: Jacob Levy
« Antwort #135 am: 05.05.2016 15:10 Uhr »
Interessant zu Jacob Levy´s Wohnort in der Middlesex Street ist natürlich auch der Zeuge George Hutchinson und seine Sichtung:

Hutchinson also said that he thought he saw Kelly's companion again in Middlesex Street (Petticoat Lane) on 11th November, but could not be certain. Also, he had apparently stayed out until 3.00am on 13th November looking for the man

Trotz meiner knappen Zeit, habe ich noch einmal die Berichte aus dem September 1889 überflogen. Zu dieser Zeit wurde berichtet, dass die Polizei die Theorie hatte, dass Jack the Ripper ein verrückter jüdischer Schlächter sei. Damals kursierten Berichte über drei Männer, Guzzling Jim, den Verdächtigen im Pinchin Street Mord und einem Geschäftsmann. Es war offenbar nicht der Fall, dass einer der beiden erstgenannten dieser Schlächter war, beim dritten wäre dies jedoch möglich.

Jedoch bemerkte ich erst jetzt, dass dieser Geschäftsmann erst seit einigen Jahren im East End lebte. Jacob Levy wurde jedoch in England geboren und das würde ihn dafür ausschließen. War dieser Geschäftsmann jedoch der verrückte jüdische Butcher, war er ein eingewanderter Jude.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #136 am: 05.05.2016 16:25 Uhr »
Hallo Lestrade,

natürlich hast du recht, ich habe mich vertippt. Es hätte entweder heißen müssen: Die Hausnummern sind ein Stück weiter westlich oder nicht so weit östlich...
Aber jetzt müsste die Lage in etwa stimmen.

Ich hatte da eine offenbar schon etwas ältere Seite von einem Geoff Cooper gefunden, der detaillierte Karten von Whitechapel ins Netz gestellt hat, inklusive Hausnummern und Angaben zu den ganzen Pubs, Lodging Houses, Police Stations usw:
http://www.jacktherippermap.info/index.php
War für mich recht nützlich, um eine genauere Vorstellung von der Geografie zu bekommen.


"Trotz meiner knappen Zeit, habe ich noch einmal die Berichte aus dem September 1889 überflogen. Zu dieser Zeit wurde berichtet, dass die Polizei die Theorie hatte, dass Jack the Ripper ein verrückter jüdischer Schlächter sei. Damals kursierten Berichte über drei Männer, Guzzling Jim, den Verdächtigen im Pinchin Street Mord und einem Geschäftsmann. Es war offenbar nicht der Fall, dass einer der beiden erstgenannten dieser Schlächter war, beim dritten wäre dies jedoch möglich.
Jedoch bemerkte ich erst jetzt, dass dieser Geschäftsmann erst seit einigen Jahren im East End lebte. Jacob Levy wurde jedoch in England geboren und das würde ihn dafür ausschließen. War dieser Geschäftsmann jedoch der verrückte jüdische Butcher, war er ein eingewanderter Jude."

Nun ja, wie ich schon sagte: Auch bei uns werden ja oft Leute noch als Ausländer und Eingewanderte angesehen, nur weil ihre Eltern oder Großeltern Migrationshintergrund hatten. Insbesondere wenn sie noch ihre eigenen Traditionen leben. Insofern würde mich nicht wundern, dass man auch im viktorianischen London die Mitglieder der jüdischen Gemeinde weiter als Ausländer sah, auch wenn sie bereits seit mehreren Generationen in England lebten.

Zudem gibt es ja leider jede Menge Ungenauigkeiten in den Überlieferungen, so dass wir nicht wissen, wieviel an diesem Detail dran ist.
Wenn wir hypergenau sein wollten, müsstest du ja Kosminski auch ausschließen, weil z.B. wichtige Polizeiquellen angaben, der Ripper-Verdächtige sei schon bald in der Irrenanstalt gestorben, während Kosminski noch lange Jahre weiter lebte. ;-)

Aber wir müssen uns ja auch nicht an der Person Jacob Levy festbeißen. Wie ich schon einmal irgendwo im Forum schrieb:
Seine Biographie und sein geographisches Profil passen für mich einfach viel besser auf JTR als so mancher Klassiker unter den diskutierten Verdächtigen.
Für mich war JTR so jemand wie Jacob Levy. Er könnte es tatsächlich selber gewesen sein, und zwar m.E. mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit als z.B. Druitt, Gull, Sickert, Maybrick...
Oder JTR war zumindest jemand, der eine verblüffende Ähnlichkeit zu Jacob Levy und seiner Vita aufweist: Verrückter-Metzger-Theorie eben.


"Trotz meiner knappen Zeit, habe ich noch einmal die Berichte aus dem September 1889 überflogen. Zu dieser Zeit wurde berichtet, dass die Polizei die Theorie hatte, dass Jack the Ripper ein verrückter jüdischer Schlächter sei."

Könntest du entsprechende Quellen dazu verlinken? Das wäre äußerst interessant für mich.


MfG, Arthur Dent

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #137 am: 05.05.2016 18:33 Uhr »
Ja, die Karten habe ich mir von Geoff Cooper damals auch schicken lassen, als Download und die große Karte auch zum in die Hand nehmen. Vielleicht hänge ich mir die noch eines Tages an die Wand... da stimmt allerdings die Sache mit den Hausnummern für 253 und 254 Whitechapel Road... hattest du noch was älteres?

Ich denke, es bedeutet ja nicht automatisch, dass der verrückte jüdische Schlächter zu den drei Verdächtigen gehörte. Könnte ja auch 3 + 1 sein. Es bleibt doch ein 50:50 Chance.

Hier der Link, dachte ich hätte ihn schon gepostet aber das waren wohl nur die Guzzling Jim Links. Gleich der erste Post von Howard:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=25467

Ansonsten macht man nichts verkehrt, da bin ich überzeugt, wenn man Typen wie Jacob Levy oder Aaron Kozminski als Ripperähnlich sieht. Auch in ihrer Geographie oder der, der Familie. Übrigens, auch Sagar war sich nicht sicher, was seinen Verdächtigen anbelangte:

it is believed that he made his way to Australia and died there... but what became of him we don't know...

Der "Kosminski" der starb, könnte ja auch David Cohen gewesen sein. Passt zeitlich nicht ganz mit dem vermuteten Seaside Home in Brighton und der dortigen Identifikation aber es war ja nicht das einzige dieser Art, wenn überhaupt dieser Art. Macnaghten wusste es 1894 ebenfalls nicht genau, als er schrieb, dass er denke, der Mann sei immer noch in einer Anstalt. Ich glaube jedoch, dass es sich um Aaron Kozminski handelte, wenn auch mit einigen Verstrickungen mit Umständen, die schwer zu verstehen sind. Habe darüber schon viel in den Foren geschrieben, Erklärungsversuche und Möglichkeiten aufgezeigt. Am Ende sind das natürlich nur Spekulationen und Hypothesen. Man könnte auch sagen, dass Swanson die Verlegung Kosminskis von Colney Hatch nach Leavesden in 1894 als Anlass nahm, ihn für bald tot anzusehen, weil sein Zustand (am Ende wohl eher vorübergehend) sich verschlechterte und er vielleicht eine schlechte Prognose hatte, wie ihm möglicherweise die Ärzte sagten. Aber Swanson sagte, er starb in Colney Hatch und nirgends anders also macht das diese Überlegung auch wieder sinnloser. Sims schrieb ja, dass auch der Pole (Kosminski), immer wieder eine bestimmte Zeit unter seinen Leuten (in Freiheit) verbrachte, bis er nicht mehr aus der Anstalt kam. Das passt irgendwie nicht zu Swanson´s Aussage.

Ich komme am Ende immer wieder auf David Cohen zurück. Hier könnte der Fehler bei Swanson liegen. Im Falle von "Kosminski" (Aaron Kozminski), übernahm die City Police die Überwachung (egal ob das jetzt der Mann von Cox und/oder Sagar war) noch vor Ende 1888 und die MET, zu der Swanson gehörte, war vorerst raus. Keine Ahnung wer dann alles in die Seaside Home ID (1890/91) involviert gewesen war aber Aaron Kozminski ging dann den gleichen Weg wie David Cohen. Erkundigte sich Swanson 1892/93/94 in Colney Hatch nach dem Mann, könnte er eine falsche Antwort erhalten haben. Und vielleicht gab es bereits früher eine Verwechslung beider Männer. Anderson und Swanson müssen so nicht gedacht haben, nur Swanson für sich selbst. Und mit einer früheren stattgefunden Verwechslung meine ich, dass ihm z.B. ein Kollege der City Police gesteckt hatte, dass der Verdächtige "Kosminski" bereits verstorben sei, von dem er überzeugt gewesen war, der Ripper zu sein. Nur er könnte einen andere Kosminski gemeint haben. Und jetzt komme ich wieder zurück auf "deinen Verdächtigen", denn im Bordell von Gertrude Smith, quasi im Hause des Bruders von Jacob Levy, John, gab es eben diesen rätselhaften Vorfall mit N. Cohen und Aaron Davis Cohen und wir wissen nicht, ob beide Männer vielleicht "Kosminskis" waren. Jacob Levy´s Bruder John ließ einen Puff in seinen Geschäftsräumen zu. Vielleicht holte sich Jacob da auch seine Krankheit weg. Vielleicht hatte er dort Sonderrechte und behandelte die Prostituierten entsprechend. Vielleicht verhielt er sich wie ein Zuhälter usw. Schon im September 1888, nach dem Chapman Mord, wenn ich korrekt bin, meldete sich eine Bordellbesitzerin anonym, dass sie wahrscheinlich wüsste, wer Lederschürze bzw. der Whitechapel Mörder sei. Vielleicht war das auch schon Gertrude Smith.

Wir wissen nicht genau, was dort in der Nummer 254 wirklich vorgefallen ist. Aber die Vorfälle könnten Jacob Levy und David Cohen in den Focus der Polizei gerrückt haben. Und da wir nicht genau wissen, was sich hinter den Cohens verbirgt, kommen auch "Kosminskis" irgendwie in Betracht. Es ist natürlich alles, ich wiederhole mich, pure Spekulation aber falls David Cohen ein Ripper Verdächtiger war, dann ist es nicht weit hergeholt, finde ich, dass aufgrund des Bordells, was Gertude Smith als "Zigarrenladen" von John Levy "übernahm", auch der Bruder von John, nämlich Jacob Levy, verdächtigt worden sein könnte, falls er dort ein- und ausging und dort auch krank wurde. Er war Schlächter, arbeitete sicherlich nachts, trug Messer und Lederschürze und falls es dort einst Verdächtigungen im Bordell gab... du kennst die weiteren Details von Jacob Levy... klar, er wird vielleicht nicht Jack the Ripper gewesen sein aber wer weiß, wie dicht er am wahren Geschehen gewesen war... 
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Re: Jacob Levy
« Antwort #138 am: 06.05.2016 20:05 Uhr »
Hallo Lestrade,

frag mich nicht, wie mir das trotz dieser Karten mit den Hausnummern passiert ist, ich weiß es nicht. Ich muss da was falsch im Hinterkopf gehabt haben, als ich die Punkte auf der anderen Karte eingetragen habe.
Jedenfalls habe ich es dank einem erneuten Stöbern im Kartenmaterial jetzt bemerkt.


"Schon im September 1888, nach dem Chapman Mord, wenn ich korrekt bin, meldete sich eine Bordellbesitzerin anonym, dass sie wahrscheinlich wüsste, wer Lederschürze bzw. der Whitechapel Mörder sei. Vielleicht war das auch schon Gertrude Smith."

Das ist interessant, das wusste ich bisher auch noch nicht (auch wenn es wohl einige gegeben haben dürfte, die irgendwelche Leute verdächtigten und damit zur Polizei gingen - düstere Gestalten gab es in Whitechapel ja genug).


"Es ist natürlich alles, ich wiederhole mich, pure Spekulation aber falls David Cohen ein Ripper Verdächtiger war, dann ist es nicht weit hergeholt, finde ich, dass aufgrund des Bordells, was Gertude Smith als "Zigarrenladen" von John Levy "übernahm", auch der Bruder von John, nämlich Jacob Levy, verdächtigt worden sein könnte, falls er dort ein- und ausging und dort auch krank wurde. Er war Schlächter, arbeitete sicherlich nachts, trug Messer und Lederschürze und falls es dort einst Verdächtigungen im Bordell gab... du kennst die weiteren Details von Jacob Levy... klar, er wird vielleicht nicht Jack the Ripper gewesen sein aber wer weiß, wie dicht er am wahren Geschehen gewesen war..."

Nun ja, aber wir haben ja auch nicht viel mehr als Spekulation: Wir können nur versuchen, die Puzzleteilchen, die wir finden, irgendwie daraufhin zu überprüfen, ob sie zusammenpassen könnten.
Immerhin denke ich, bewegen wir uns mit unseren nachgewiesenen Irren aus Whitechapel dichter an der historischen Wahrheit als so manche Spekulation über Leute wie Druitt, Gull oder gar Prince Albert Victor...


MfG, Arthur Dent

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Re: Jacob Levy
« Antwort #139 am: 06.05.2016 20:07 Uhr »
Hallo Zusammen!


Die Zeitungsartikel im Casebook, auf die Lestrade verlinkt hat (vielen Dank dafür) finde ich sehr erhellend, sie vervollständigen das Bild, das Anderson, Swanson, Cox und Sagar gezeichnet haben, m.E. auf sehr schlüssige Weise:

R.J. Palmer:
"The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion. He has a business, to which he scarcely ever personally attends. He goes about drinking, and is to be met at all hours of the night in the streets all over the neighborhood. He enters his house at hours when his wife and family have long been at rest. No member of his family dare question him as to his ramblings. He knocks about among the lowest class of women at unearthly hours, although, according to general report, their very appearance is hateful in his sight. His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible. His habits are such as to give one the notion that he is not altogether in a fit position to be allowed to roam at will. Whether he has anything to do with any crime, it is, of course, impossible to say, but he is kept in view."

"He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion." - offensichtlich meint er einen im East End lebenden Metzger.

"He has a business, to which he scarcely ever personally attends." - Er vernachlässigt sein Geschäft, so wie von Jacob Levys Frau beklagt. 

"He goes about drinking, and is to be met at all hours of the night in the streets all over the neighborhood." - Er hat angefangen zu trinken und streift nachts umher, so wie Levys Frau gesagt hat.

"He knocks about among the lowest class of women at unearthly hours, although, according to general report, their very appearance is hateful in his sight." - Er treibt sich bei Prostituierten herum, obwohl er sie hasst.

"His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible." - Sein Hass kommt von einer Syphilis-Infektion, wofür er die Schuld nicht bei sich, sondern bei anderen sucht.


Das ist eine sehr präzise Beschreibung des Profils, wie ich mir JTR vorstelle - und es passt vor allem gut auf Jacob Levy. ;-)


MfG, Arthur Dent

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Re: Jacob Levy
« Antwort #140 am: 06.05.2016 20:11 Uhr »
Die folgenden Zeitungsausschnitte sind auch sehr interessant:


Rochester Democrat And Chronicle, September 16, 1889:
"The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."


North Eastern Daily Gazette, September 18, 1889:
The Whitechapel Mystery - A Detective's Views:
"We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel. One man created some stir during the last murders under circumstances which I need not say anything about. He is a curious sort of fellow; in business, but not doing much to keep it going. His wife and daughter see to it, and he is out at all hours of the night. He says he is a member of the vigilance committee, but I can't answer as to that. No, I won't tell you his name, even if you do want to find out if he is a member or not. This man is out at all hours of the night, and he lets himself in some quietly that his wife does not know what time he really arrives home. She generally finds him in the shop when she comes down the morning. He is being watched, but we can't arrest him only on the suspicious we have. We must wait further developments."

"in business, but not doing much to keep it going" - er vernachlässigt sein Geschäft.

"This man is out at all hours of the night, and he lets himself in some quietly that his wife does not know what time he really arrives home."  - er streift nachts umher, und seine Frau weiß nicht, wann er zurückkommt.

"She generally finds him in the shop when she comes down the morning." - Die Erklärung dafür, warum seine Frau nichts bemerkt haben könnte: Sie schlief in der Wohnung, er im Shop. Ich vermutete ja schon früher: Wenn JTR Familie hatte, dann muss er wohl woanders genächtigt haben als seine Frau, vermutlich wegen ehelicher Differenzen.



Sunday Chronicle, October 15, 1905:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety.
Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."

"He was engaged in a large way of business in the city of London" - City of London, nicht Whitechapel! Das würde zum Butcher's Row Suspect passen, denn die Butcher's Row lag bereits auf City-Territorium - und die Middlesex Street war die Grenze zwischen Whitechapel und City of London.



@ Lestrade:
Die letzten Sätze des Textes erinnern mich übrigens an deine These, dass es einen uns noch unbekannten Zeugen nach dem Kelly-Mord gegeben haben muss.


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« Letzte Änderung: 06.05.2016 21:22 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jacob Levy
« Antwort #141 am: 07.05.2016 00:39 Uhr »
Ja Arthur, eben diese Berichte lassen vermuten, dass dieser Mann ein jüdischer Butcher gewesen sein könnte, der in der City arbeitete und vielleicht in Whitechapel mit seiner Familie lebte und an Syphilis litt. Und der Arbeitsort, klar, dies könnte die Butchers Row gewesen sein.

Ich bin an deiner Meinung interessiert:

"The second man is now being watched" bedeutete um den 13. September 1889 herum. Cox sollte zwischen November/ Dezember 1888 bis Februar/ März 1889 seinen Job getan haben.

Sagar:

"We had good reason to suspect a certain man who worked in 'Butcher's-row,' Aldgate," he said, "and we watched him carefully. There was no doubt that this man was insane, and after a time his friends thought it advisable to have him removed to a private asylum. After he was removed there were no more Ripper atrocities." und die andere Angaben von Sagar...

http://cgp100.pwp.blueyonder.co.uk/SagarReports.htm

klingen auch eher nach der Zeit kurz nach dem Kelly Mord.

Was meinst du? Cox als auch Sagar sprachen von einer Anstalt in Surrey bzw. von einer privaten Anstalt. Klingt das für dich mit ihren Zeitangaben (Ende 1888/ Anfang 1889) und "Der zweite Mann wird jetzt beobachtet" (13 September 1889) schlüssig? Klingt es danach, dass dieser zweite Mann bereits vor dem September 1889 beobachtet wurde. Cox sagte "fast drei Monate" (zumindest seine Zeit) und bei Sagar klingt es kürzer (für mich) und so müsste eine gewisse Pause zwischen diesen beiden Daten stattgefunden haben. Aber es ist nichts bekannt, dass Jacob Levy in irgendeiner privaten oder Surrey Anstalt eingeliefert wurde (was aber dennoch der Fall gewesen sein könnte). Wir wissen nur, dass er am 15 August 1890 nach Stone (Kent) kam und 1886 nach Essex in die Anstalt. Wenn wir alleine bei Sagar bleiben, passt das zu Jacob Levy?

Oder aber, wäre es möglich, dass die Polizei den von George Hutchinson beschriebenen Mann bei Kelly (und von ihm Tage später im November 1888 in der Middlesex Street sogar wieder wiedergesehen), um den September 1889 tatsächlich ermitteln konnte? Auch wenn er nicht der Mann von Sagar war, könnte es sich eben um einen jüdischen Metzger mit Syphilis gehandelt haben. Und es könnte Jacob Levy gewesen sein. Meine Überlegung lautet: Sah George Hutchinson Jacob Levy?

Laut Swanson wurden über 80 Fleischereibetriebe in und um Whitechapel herum ins Visier genommen. Das war auch nicht verwunderlich, denn solche Männer in Positionen dieses Berufszweiges wurden verdächtigt. Insgesamt gab es dabei sicherlich eine beachtliche Zahl von Personen die in Frage kamen und mehr wie einer von ihnen, dürfte psychische Probleme gehabt haben, damals, danach oder auch davor (siehe Issenschmid, Levy und De Leeuw). Ich finde es wichtig, vielleicht in Betracht zu ziehen, dass im Laufe der Zeit einige Metzger bzw. ihre Angestellten observiert worden sind. Der oben beschriebene Mann schien aber eher kein einfacher Angestellter zu sein, sondern mehr ein Geschäftsmann. Man könnte das auch bei Sagar denken aber keiner der Macher dort verschwand aus der Butchers Row zur Zeit der Morde (jedenfalls ist das nicht bekannt). Wer mir dazu einfällt, wäre nur John Attfield, da müsste ich noch einmal nachlesen bzw. recherchieren. Er war mit Thomas Knott einst nicht nur in der Butchers Row aktiv sondern auch auf dem zentralen Fleischmarkt in der City of London. Vielleicht war einer wie Attfield der "zweite Mann" bzw. jener "Geschäftsmann" und Sagar beobachtete eher einen Angestellten.

Nehmen wir mal noch den Polizisten Lesson aus meinem geposteten Link hier im Faden, er sagte:

After this a story circulated that the " Ripper " was a butcher, who wore blue overalls and a leather apron, and an English Jew named Jacobs, a perfectly harmless man, somehow attracted suspicion to himself. Possibly because, working in a slaughter-house, lie always wore a leather apron.

People would point Jacobs out in the street as the suspected man, and more than once he had to run for it. I myself was often obliged to take him into the police station for protection. The thing so preyed on the poor fellow's mind that it finally caused him to lose his reason.

I am afraid I cannot throw any light on the problem of the " Ripper's " identity, but one thing I do know, and that is that amongst the police who were most concerned in the case there was a general feeling that a certain doctor, known to nee, could have thrown quite a lot of light on the subject. This particular doctor was never far away when the crimes were committed, and it is certain that the injuries inflicted on the victims could only have been done by one skilled in the use of the knife.


Neben diesem "Jacobs" (Jacob Levy und/oder vielleicht der Mann aus dem September 1889?) erwähnt er einen Arzt, This particular doctor was never far away when the crimes were committed  . Wer war dieser Arzt?

Mich erinnert das an einen anderen Beamten, Keaton:

In 1969 ex-Inspector Lewis Henry Keaton, gave a tape recorded interview, in which he proposed the theory that the Ripper was a doctor who was collecting specimens of infected wombs for research puposes. Unfortunately, just as he was about to name his suspect as either Dr Cohn or Koch, or someone else whose name he could not recall, who used strychnine on his victims, the interviewer drowned out Keaton's words with interruptions. Keaton did not in fact join the police force until 1891, three years after the cessation of the Ripper murders, so therefore had no first hand knowledge of the Ripper case. Keaton appeared to have confused his Ripper suspect with Dr Thomas Neil Cream, who used strychnine on his victims. Keaton, at the time of his interview, was almost 100 years old.

Ein 100jähriger mixte hier vielleicht Tumblety und Cream miteinander aber er sagte auch Dr. Cohn und somit lande ich wieder bei John Levy´s Ex-Shop mit den beiden Cohen.

Jacob Levy wurde vielleicht und mutmaßlich von Hutchinson gesehen und wiedererkannt, ein Cohn, etwas wie ein Arzt, war immer in der Nähe wenn die Morde geschahen und nach allem und nur wenigen Beamten bekannt, wurde Kosminski gegen Ende 1890 wahrhaftig von einem Zeugen identifiziert und von diesen Beamten auch für den wahren Jack the Ripper gehalten. Levy, Guzzling Jim, Dr. Cohn, Tumblety und Cream waren damit raus... man kann natürlich mutmaßen, dass Dr. Cohn "Kosminski" war... das würde aber nichts daran ändern, dass Jacob Levy zum Kreis der Verdächtigen gehörte...


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Re: Jacob Levy
« Antwort #142 am: 07.05.2016 11:53 Uhr »
Hallo Lestrade,

ich muss die Zusatzinformationen dieser Zeitungartikel von 1889 erst mal verarbeiten und ein bisschen wirken lassen, bevor sich mir vielleicht ein klareres Bild ergibt.

Zunächst bestätigen sie ja, dass die Polizei in der zweiten Jahreshälfte von 1889 mehrere Verdächtige - mindestens drei - offenbar über längere Zeit observierte. Wir haben also dasselbe Problem wie schon bei Sagar und Cox allein: Welche Quellen und Informationen beziehen sich auf denselben Verdächtigen und denselben Observationszeitraum, und wo haben wir es mit einem der anderen Observierten zu tun?

Da die Polizei bereits im Oktober 1888 alle Metzgereien und Schlachterein überprüft hatte und alle Leute, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt gewesen waren, könnten auch mehrere jüdische Metzger oder anderweitig in der Butcher's Row Beschäftigte zu verschiedenen Zeiten beobachtet worden sein, wie du ja zurecht selbst schon angeführt hast.

Von der zeitlichen Abfolge her habe ich es bisher so interpretiert, dass Sagars Observation des Butcher's Row Suspect recht früh nach dem Kelly-Mord gewesen sein dürfte, also irgendwann von Ende 1888 bis Mitte 1889, weil er explizit erklärte, dass nach Beginn der Überwachung die Ripper-Morde aufhörten.
Und Cox kam für mich nach Sagar, weil er bereits nicht mehr von "worked" an einem bestimmten Ort schrieb, sondern nur noch von "occupied several shops" und "from time to time he became insane" - was für mich ein Hinweis auf den beginnenden Verfall des Verdächtigen war: Er konnte nicht mehr richtig arbeiten, man schob ihn untereinander herum, um sich beim Beaufsichtigen abzuwechseln und musste ihn schließlich gar einige Zeit in eine Anstalt bringen. Das wäre dann für mich der Zeitraum der zweiten Jahreshälfte 1889 bis zu der endgültigen Einweisung des Verdächtigen 1890 oder 1891 nach der Identifikation im Seaside Home gewesen (auch wenn wir bisher keine Anhaltspunkte für eine vorrübergehende Unterbringung eines Verdächtigen in irgendeiner Anstalt für diesen Zeitraum haben).

Wegen dieser Zeitungsartikel zum "Crazy jewish butcher" nach dem Coles-Mord stellt sich mir nun aber die Frage, ob sich Sagars Aussage des letzten Ripper-Mordes nicht auf Kelly, sondern auf Coles bezogen haben könnte, und die Überwachung vielleicht erst im Spätsommer 1889 nach dem Mord an Coles begann.
Dann würde sich aber alles zeitlich nach hinten verschieben und es gäbe eine erklärungsbedürftige Lücke von über einem halben Jahr von Ende 1888 an, wo uns weder Ripper-Aktivitäten noch Observationen bekannt wären. Ein ernsthaftes Problem, über das ich noch nachdenken muss.
 


Immerhin scheinen die Artikel das Verdächtigen-Profil vom verrückten jüdischen Metzger zu stützen (unabhängig davon, ob nun tatsächlich auf Jacob Levy bezogen oder jemand mit einer ähnlichen Vita).
Wichtig finde ich vor allem die Parallelen in der Beschreibung von Palmer, der North Eastern Daily Gazette und des Sunday Chronicle:
Ein einheimischer Geschäftsmann, bei den meisten explizit im Metzger-Business, der seltsam wurde und sein Geschäft vernachlässigte, und dessen Ehefrau und Familie seiner Veränderung hilflos gegenüberstanden. Diese Aussagen von Palmer, der North Eastern Daily Gazette und des Sunday Chronicle scheinen sich auf dieselbe Person zu beziehen.



Was Leesons und Keatons Anmerkungen zu diesen Doktor angeht, der immer in der Nähe der Morde gewesen sei, so denke ich auch, dass sich dies entweder auf Tumblety (Organsammler) oder Cream (Strychnin) beziehungsweise einer Vermischung beider bezieht.
Aber die Arzt-Theorie habe ich für mich eigentlich schon relativ früh als eher unwahrscheinlich in den Hintergrund gestellt - ein Arzt hätte wohl besere Möglichkeiten gefunden, als auf der Straße zu morden und zu verstümmeln wie JTR.
Da halte ich im Falle der Torso-Morde einen Mediziner für wahrscheinlicher: Irgendwie schaffte der Täter die zum Teil bis heute unbekannten Opfer an einen ungestörten Ort, wo er sie komplett zerlegen konnte. Das spricht m.E. für ein größeres Einzugsgebiet mit besserer Mobilität, für eigene private Räumlichkeiten und die Möglichkeit große Pakete durch die Gegend zu transportieren, es setzt mehr Planung, Zeit und Wirtschaftskraft voraus. Vor allem: Was tat der Torso-Mörder mit den Köpfen? Aber lassen wir das, ist ein anderes Thema.



MfG, Arthur Dent

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Re: Jacob Levy
« Antwort #143 am: 07.05.2016 12:39 Uhr »
Hallo zusammen!


Was den Fall JTR so knifflig macht: Wir stecken gewissermaßen in einem Mehrebenen-Dilemma aufgrund der begrenzten und zum Teil ungenauen oder widersprüchlichen Informationen aus unterschiedlichen Quellen.

1. Wir wissen zwar, dass es Verdächtige gab, aber wir haben nicht die komplette zeitgenössische Verdächtigen-Liste - somit wissen wir nicht, wieviele wirklich gute Verdächtige die Polizei überhaupt auf dem Schirm hatte, und auch nicht, ob auf der anderen Seite uns vielleicht wirklich gute zeitgenössische Verdächtige in unseren Überlegungen fehlen.
2. Wir wissen zwar, dass es Observationen von dringend Verdächtigen gab, wissen aber nicht, wer tatsächlich observiert wurde.
3. Wir wissen nicht, ob es gegen die von der Polizei Observierten tatsächlich Verdachtsmomente gab, die kriminologisch deutlich besser waren als bei den übrigen Verdächtigen, die über die Jahre ausgegraben wurden.

Folglich gibt es folgende Möglichkeiten:
1. Im besten Fall war JTR tatsächlich unter den Observierten, wir haben ihn auch auf unserer zeitgenössischen Verdächtigenliste und können am Ende beides zusammenfügen.
2. Im realistischeren Fall können wir die erwähnten Observationen zwar vielleicht bestimmten Verdächtigen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zuordnen, wissen aber am Ende immer noch nicht, wer davon JTR war oder ob er tatsächlich darunter ist.
3. Die Polizei hatte vielleicht JTR tatsächlich auf der Liste der Observierten, wir können ihn heute aber nicht mehr zuordnen, weil wir keine vollständige Verdächtigenliste und ihn überhaupt nicht auf dem Schirm haben.
4. Die Polizei hatte damals den echten JTR gar nicht unter den Observierten - d.h. selbst wenn wir diese zuordnen bzw. identifizieren können, hilft uns das nicht weiter.


MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 07.05.2016 12:55 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jacob Levy
« Antwort #144 am: 07.05.2016 12:53 Uhr »
Lieben Dank Arthur!

Kurz für mich zum Verständnis:

Meinst Du Mackenzie für Juli 1889 oder Coles für Februar 1891?

Für Coles unterstütze ich die Sagar Theory, da er ja tatsächlich im Dezember 1890 gegenüber der Butchers Row eine Observation tätigte. Zu der Zeit war Jacob Levy jedoch schon in Stone.

Cox schrieb, dass sie dem Mann nach Kelly auf der Spur kamen. Hier käme jedoch Eddowes als eine "Kelly" in Frage, da ihr Partner so hieß. Also dann sogar früher...

Keaton hörte sicherlich von verschiedenen Verdächtigen, darunter vielleicht Dr. Tumblety, Dr. Cream und Cohn/Koch und brachte sie wahrscheinlich durcheinander. Die beiden erstgenannten waren Doktoren und Tumblety sicherlich ein "spezieller", wie von Lesson erwähnt. Es ist aber tatsächlich so, dass via Macnaghten, "Kosminski" einst in einem Krankenhaus in Polen gearbeitet hatte, vielleicht ebenfalls ein spezieller Doktor. Ist das vielleicht der Cohn/Koch, den er erwähnte? Ich weiß es nicht...

Dein letzter Post: Perfekt!

Gruß, Lestrade.

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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #145 am: 07.05.2016 13:02 Uhr »
Hallo Lestrade,

Mann, ich habe das Gefühl, ich brauche echt endlich Urlaub. Sorry für die ganzen Fehler in den letzten Tagen, aber die Einarbeitung in mein neues Zuständigkeitsgebiet mit all den neuen Infos hat wohl meine alte Festplatte etwas überfordert und ich schmeiße derzeit zuvieles durcheinander.

Natürlich hast du recht: Ich meinte nicht Coles, sondern Alice McKenzie. Die Artikel erschienen ja nach dem Mord an McKenzie 1889, der Mord an Coles war erst 1891.
Vielleicht sollte ich das nächste Mal alles erst nochmal nachlesen, bevor ich was schreibe. :-(


MfG, Arthur Dent

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #146 am: 07.05.2016 13:17 Uhr »
Kein Sorry nötig, Arthur!

Du bist ja auffallend korrekt und Flüchtigkeitsfehler, ich selbst kann ein Lied davon singen, sind bei der Informationslage und Kompliziertheit allzu verständlich...

Ist ja schon wieder korrigiert.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #147 am: 14.05.2016 19:54 Uhr »
Hallo Lestrade!

Ich habe mir Gedanken über deine Frage gemacht, ob wir die Informationen der Zeitungsartikel von 1889 nach dem Mord an Alice McKenzie irgendwie sinnvoll mit den Aussagen von Mcnaghten, Anderson, Swanson, Sagar und Cox in Verbindung bringen können.


Schauen wir uns mal die Timeline an:


17. Juli 1889: Mord an Alice McKenzie

13. September 1889, London Evening News And Post:
"The second man is now being watched."

16. September 1889, Rochester Democrat And Chronicle:
"The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."

18. September 1889, North Eastern Daily Gazette:
"We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel."


Für mich hört sich das so an, als hätte die Polizei nach dem McKenzie-Mord neue Observationen gestartet.
Leider kann man aus den Artikeln nicht herauslesen, ob "the first man" vielleicht bereits seit kurz nach dem Kelly-Mord Ende 1888 observiert wurde, oder ob er nur die erste Überwachung nach dem McKenzie-Mord im Juli 1889 war.
Jedenfalls ist aufgrund McKenzie im September1889 erst ein zweiter und kurz darauf ein dritter Observierter hinzugekommen.

Naja, mindestens, denn es heißt auch: "besides the usual night-birds of Whitechapel."
Was wohl heißt, dass man daneben auch noch "die üblichen Verdächtigen" beobachtete - wer auch immer das gewesen sein mag.

Immerhin haben wir nun einen Anhaltspunkt, ab wann spätestens der Butcher's Row Suspect beobachtet wurde: Spätestens ab September 1889.
Denn am 16. September 1889 heißt es im Rochester Democrat And Chronicle: "The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."


Jetzt haben wir eine Lücke bis zum Mcnaghten-Memorandum 1894, in dem noch von drei Hauptverdächtigen die Rede ist (und von denen einer tot ist).

Aber 16 Jahre nach den Observationen heißt es:

15. October 1905, Sunday Chronicle:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety.
Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."

"We found our man." - Offenbar war sich die Polizei inzwischen sicher, den richtigen im Visier gehabt zu haben.
Dies passt zeitlich auch zu Robert Sagars Aussagen in der City Press am 7. Januar 1905 und Henry Cox in Thomson’s Weekly News vom 1. Dezember 1906 - nur leider hilft es uns m.E. nicht weiter, deren Observationen zeitlich genauer zu verorten.

Aber immerhin deutet es m.E. darauf hin, dass die Polizei irgendwann zwischen dem McKenzie Mord im Juli 1889 und dem Erscheinen der Zeitungsartikel 1905 zu dem Schluss kam, dass einer ihrer Observierten höchstwahrscheinlich der Ripper war.

Zudem passt dies in der Zeitabfolge auch zu den Memoiren von Anderson (1910) und Mcnaghten (1914) in denen beide schrieben, der mutmaßliche Ripper sei ein Jude gewesen, der in nächster Nähe zu den Opfern lebte und nach den Morden in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde - was ja von Swanson in seinen Anmerkungen bestätigt wurde.
Und H. L. Adam schrieb in "The People on Scotland Yard and its Secrets" ja 1912: "Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him."


Nun stellt sich die Frage nach der Bedeutung von Mcnaghtens Memorandum am 23. Februar 1894:
Darin erscheint es ja wegen der Aufzählung von Druitt, Kosminski und Ostrog, als sei sich die Polizei noch nicht einig gewesen.
Kristallisierte sich der Hauptverdächtige also erst zwischen 1894 und 1905 heraus - oder wollte die Polizeiführung hier vielleicht lediglich Nebelkerzen werfen?
Die Identifizierung des Verdächtigen im Seaside Home müsste ja schließlich schon vor 1894 erfolgt sein - denn je länger der Fall zurücklag, desto unwahrscheinlicher wäre eine solche Identifizierung gewesen (es sei denn der Zeuge war jemand, der den Täter schon vorher gekannt und nur so lange den Mund gehalten hatte).


MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 14.05.2016 20:08 Uhr von Arthur Dent 2 »

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #148 am: 14.05.2016 21:53 Uhr »
Danke, Arthur!

Immerhin haben wir nun einen Anhaltspunkt, ab wann spätestens der Butcher's Row Suspect beobachtet wurde: Spätestens ab September 1889.
Denn am 16. September 1889 heißt es im Rochester Democrat And Chronicle: "The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."

Die Frage die sich mir stellt ist, hat diese Feststellung mit jenen drei Männern zu tun oder ist sie ein Hinweis auf einen vierten Mann? Es wird lediglich diese Theorie erwähnt und muss nicht mutmaßlich auf jene drei Männer bzw. einen von ihnen zutreffen.

Du erinnerst dich vielleicht an folgenden Artikel von 1890:

"JACK THE RIPPER’S VACATION
A Possible Explanation of the Suspension of Whitechapel Horrors

Halifax, N.S. July 28.

A curious story has got out here that if true explains the long rest which Jack the Ripper has been taking from his diabolical work in the Whitechapel district, London. A lady from this city visiting a distinguished official in London, states in a letter written to friends here that the Ripper has been under arrest in the London metropolis for some time. He is a medical student and was arrested on the strength of information given by his own sister.

The authorities, the letter states, have kept the matter a strict secret in order to work up the case against the prisoner, and they are said to have a very complete chain of evidence.

These statements are vouched for by the writer of the letter who came into possession of the facts accidentally. The person who makes the story public, however, refuses to divulge her name."


Ab wann und wie lange wurde dieser Mann verdächtigt?


Aber 16 Jahre nach den Observationen heißt es:

15. October 1905, Sunday Chronicle:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety.
Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."

Das erinnert sehr an Inspector Cox im Thomson´s Weekly am 1. Dezember 1906:

It was not easy to forget that already one of them had taken place at the very moment when one of our smartest colleagues was passing the top of the dimly lit street.

In beiden Fällen wäre er beinahe, von Kollegen. geschnappt worden.

Die beiden 1905 Sachen und Cox 1906 könnten auf den gleichen Mann hindeuten.

Es ist schwierig dieses Puzzle zusammenzuführen.

Diese Jewish Butcher Theory könnte eben auch auf einen Mann hindeuten, der bereits nach Kelly verdächtigt wurde und im July 1890 noch immer nicht überführt worden war. Zu der Schwester im Halifax Report, könnte eine Verbindung zu Berichten im Oktober und Dezember 1888 bestehen, in welche ein naher Angehöriger/ eine nahe Angehörige den mutmaßlichen Täter in den Reihen ihrer Familie sahen. Dazu noch die Crawford Letter. Ich persönlich tendiere jedoch dazu, dass Cox und Sagar den gleichen Mann meinten und dieser jener Butcher gewesen war. Ob ein Zusammenhang zu den anderen behandelten Berichten besteht bleibt Spekulation (wie vieles andere eben auch). Auch ob eben jene anderen Berichte im direkten Zusammenhang stehen. Wahrscheinlich ist, dass auf jeden Fall mehrere Personen im Herbst 1889 verdächtigt und observiert wurden.   

Inspector Donald Swanson's report to the Home Office, 19 October 1888:

The alibis of local butchers and slaughterers were investigated, with the result that they were eliminated from the enquiry.[7] Over 2,000 people were interviewed, "upwards of 300" people were investigated, and 80 people were detained

Der dänische Ripperologe Kattrup hat neulich im JTRForums Berichte über 1389 "Verdächtige" gepostet. Die Nationalitäten (ich zitiere Howard Brown):

898 Englishmen
246 Americans
123 Tyskere ( Germans )
26 Frenchmen
20 Nordmand og Svenskere ( Norwegians and Swedes)
18 Ungarer (Hungarians)
14 Italians
9 Spaniards
9 Russians
3 Swiss
4 Belgians and Dutch
1 Dane
18 Indeterminate nationality (Kattrup can clarify if I'm correct of misinterpreting the Danish language here )

1389 Total


Gruß, Lestrade.
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #149 am: 15.05.2016 10:38 Uhr »
Hallo Lestrade!

Zitat
"Die Frage die sich mir stellt ist, hat diese Feststellung mit jenen drei Männern zu tun oder ist sie ein Hinweis auf einen vierten Mann? Es wird lediglich diese Theorie erwähnt und muss nicht mutmaßlich auf jene drei Männer bzw. einen von ihnen zutreffen."

Die Frage kann ich leider auch nicht beantworten, in den Texten ist explizit nur von Guzzling Jim und einem sein Geschäft vernachlässigenden Geschäftsmann mit Familie die Rede, der einem der Artikel zufolge im "verdächtigsten Businness" arbeitete, also offensichtlich Metzger war.
Zudem heißt es ja explizit, dass diese Personen "neben den üblichen Nachtschwärmern" unter Beobachtung kamen, es also wohl dazu noch "die üblichen Verdächtigen" gab.

Bedenken wir, dass nach dem Eddowes-Mord Anfang Oktober 1888 alle Metzger und Schlachtereien des Viertels überprüft wurden und Cox sagte, dass nach Beginn der Observationen die Mordserie abriss, muss m.E. mindestens ein dringend Verdächtiger schon kurz nach dem Kelly-Mord ab Jahresende 1888 unter Beobachtung gestanden haben.
Und nach dem Mord an McKenzie wurden dann weitere Verdächtige unter Beobachtung gestellt.

Was allerdings bedeuten würde, dass genau der/die seit dem Kelly-Mord observierten höchstwahrscheinlich nichts mit dem McKenzie-Mord zu tun haben konnten, weil ja unter Beobachtung (wenn die Polizei nicht im falschen Moment einen aus den Augen verlor).


Zitat
"Du erinnerst dich vielleicht an folgenden Artikel von 1890: "JACK THE RIPPER’S VACATION
A Possible Explanation of the Suspension of Whitechapel Horrors. Halifax, N.S. July 28. "

Selbstverständlich, und ist er deshalb so interessant (auch wenn hier nur über Hörensagen berichtet wird), weil er bereits viele Jahre zuvor spätere Aussagen der Polizisten von 1905 bis 1914 in wichtigen Teilen vorwegnimmt - und zwar genau im Sommer 1890, jenem Zeitraum, in dem die Identifikation im Seaside Home vermutet wird.
Nur Zufall? Wohl eher nicht: Gerüchte verbreiten sich i.A., wenn sich irgendetwas in einer Sache geändert hat, wenn etwas passiert oder in Bewegung gekommen ist - nicht wenn alles gleichbleibt.

Wir können diesen Artikel also m.E. als Hinweis darauf deuten, dass es tatsächlich im Sommer 1890 war, als sich bei der Polizei etwas ereignete, das ihren Verdacht gegen eine bestimmte Person erhärtete - Vermutlich tatsächlich die Identifikation im Seaside Home.

Damit hätten wir dann einen engeren Zeitkorridor für die Observationen und die Identifizierung jener Person, von der die Polizisten schrieben: Ende 1888 bis Juli 1890.

Jedoch bleibt das Problem mit dem Macnaghten Memorandum 1894 (das ich wegen gewisser Ungenauigkeiten ja sowieso nur mit spitzen Fingern anfasse):
Wieso hatte Macnaghten trotz der weitergehenden Observationen den toten Druitt noch mit auf der Liste? Und wieso schrieb er, niemand habe den Ripper je gesehen?

Mein Verdacht zu diesem Memorandum - das ja ein als internes Dokument für den Dienstgebrauch wegen der Cutbush-Verdächtigungen geschrieben wurde - ist schon seit längerem, dass es eine Nebelkerze für die niederen Dienstgrade und den Umgang mit der Presse war: Es sollte einerseits klarmachen, dass Cutbush kein Ripper-Verdächtiger war, aber andererseits zugleich über den wahren Erkenntnisstand im Ripper-Fall täuschen, weil man sich entschlossen hatte, gewisse Dinge aus bestimmten Gründen als Dienstgeheimnis zu behandeln.



MfG, Arthur Dent




P.S. Wie wir ja wissen, wurde Jacob Levy Anfang August 1890 offiziell nach Stone eingeliefert - das passt zeitlich genau zu unserer mutmaßlichen Identifikation im Seaside Home Sommer 1890 und dem Zeitungsartikel "Jack the Ripper's Vacation" im Juli. Wie hieß es noch zum Seaside Home: Der Verdächtige wurden unter großen Mühen dorthin gebracht, und nachdem er identifiziert worden war, kehrte er zunächst vorübergehend zu seiner Familie zurück, wo er unter ständiger Beobachtung stand, und kam kurz darauf in eine Anstalt...
« Letzte Änderung: 15.05.2016 11:23 Uhr von Arthur Dent 2 »