Hallo Lestrade,
ich bin beruflich immer noch stark in Beschlag genommen, daher beneide ich dich ein bisschen dafür:
Während der Fussball Europameisterschaft werde ich dieses Buch nebenher lesen und mal schauen, was es mit der "The Slaughterman" Theorie wirklich auf sich hat und ob damit die Jacob Levy Theorie noch mehr unterstützt werden kann.
Bin jedenfalls gespannt, was du über Odells Buch berichten kannst.
Da ich gerade etwas Luft habe, aber nun mal kurz zurück zum Fall Stride:
Am liebsten würde ich sagen, BS Man war der Killer und er hätte die Zeit gehabt, seine 10 Minuten (wie, vielleicht, bei Chapman und mit Sicherheit bei Eddowes) zum Verstümmeln bevor Diemschütz eintraf. Aber sie wurde nicht verstümmelt. Störte noch etwas oder jemand zwischen 00.45 Uhr und 01.00 Uhr? BS Man hätte mit rechnen müssen, dass Schwartz und Pipeman mit Hilfe zurückkehrten. Hätte er Sie dann überhaupt erst getötet? Sinn macht jemand, der das Szenario vorher gar nicht mitbekam bzw. so einschätzen konnte, dass niemand von beiden oder von allen dreien zurückkehren würde. Deshalb halte ich eher (ich sage das mit Vorsicht) den Mann vom PC Smith als auch einen gänzlich unbekannten Mann für den Killer und somit Jack the Ripper.
Mir geht es da ähnlich, der Fall hat auch für mich ein paar seltsame Facetten:
Sehen wir mal davon ab, dass manche Ripperologen Stride nicht für ein Ripper-Opfer halten, sondern gehen wir davon aus, dass es tatsächlich JTR war (was auch meine These ist).
Zunächst einmal halte ich es für unwahrscheinlich, dass JTR seine Opfer noch längere Zeit in der Öffentlichkeit ausführte und den Kavalier spielte, so mit spazierengehen und etwas spendieren, bevor es zur Sache ging.
Erstens hasste er diese Art von Frauen, und dann längere Zeit auf nett machen müssen und Geld ausgeben für sie? Er hätte sehr viel Selbstbeherrschung und Schauspielkunst aufbringen müssen, um das glaubhaft zu überspielen, damit die Opfer nichts merken. Bei einem Täter, der wahrscheinlich noch psychische Probleme hatte, nur schwer vorstellbar (anders, wenn wir von einem Psychopathen ausgehen würden).
Zweitens: Warum hätte er sich diese Mühe machen sollen, wenn er bei einer Prostituierten in ständiger Geldnot auch schneller hätte zum Ziel kommen können?
Drittens hätte das längere Herumflanieren in der Öffentlichkeit das Risiko von jemandem wiedererkannt zu werden, zu stark erhöht.
Daher glaube ich nicht, dass JTR jener beschriebene Mann war, der mit Stride früher in der Nacht gesehen wurde. Da bin ich schon eher geneigt zu glauben, JTR habe irgendwo in der Berner Street gelauert und sich Stride gegriffen, als ihr bisheriger Begleiter sie verlassen hatte...
Und Packer antwortete auf eine Frage, wo denn sein Verdächtiger lebe mit "in der Straße nebenan/ in der nächsten Straße". Aaron Kozminski war diese Ecke sicherlich besonders vertraut. Seine Familie könnte schlimmes geahnt haben, als genau dort die Mordserie ihre Fortsetzung fand... würde ein Aaron Kozminski dort, genau dort, sich so lange mit einem seiner Opfer gezeigt haben?
Genau das frage ich mich ja auch.
Ich weiß, Packer hat erzählt, der Begleiter von Stride sei ihm ein paar Tage später wieder in der Commercial Road über den Weg gelaufen, habe ihn beobachtet und bedrohlich angesehen - offenbar um ihn einzuschüchtern. Aber mir widerstrebt die Vorstellung, JTR hätte bei einem Händler, der ihn vom Sehen kannte, mit seinem künftigen Opfer Trauben gekauft, um sie dann kurze Zeit später wenige Meter weiter umzubringen. Nun ja: Hängt natürlich davon ab, wie weit unser Täter schon psychisch zerrüttet war...
Aber wenn Packer den Mann tatsächlich vom Sehen kannte und wusste, dass er in unmittelbarer Nähe wohnte, wieso konnte er dann nicht identifiziert werden? Wieso wurde Packer dann auch polizeiintern als unzuverlässiger Zeuge abgetan?
Was mir auch nicht einleuchtet:
Wenn die Aussage von Schwartz stimmt, und der Mann Stride zu Boden stieß, warum ging Stride dann noch mit ihm in den Yard? War dieser Mann gar nicht JTR, sondern der frühere Begleiter, der sich gerade im Streit von ihr trennte, oder hatte der Mann, vermutlich betrunken, sie einfach nur angerempelt - und JTR kam unmittelbar danach? Immerhin sagte selbst Schwartz, dass Stride nicht besonders heftig reagierte, nicht so, als fühle sie sich ernsthaft bedroht.
War vielleicht JTR selbst ein Besucher des Clubs gewesen, der gerade durch die Hintertür hinaus in den Yard ging, aus dem Dunkel heraus zufällig diese Szene sah, und die günstige Gelegenheit nutzen wollte? Er sieht, dass jener Mann sie im Streit verlässt, geht hin, hilft ihr auf, fragt ob alles in Ordnung ist und ob sie was trinken will und schlägt ihr vor, mit durch die Hintertür in den Club zu kommen. Er führt sie in den Yard, und sobald sie im Dunkeln sind, schlägt er zu - aber da hört er schon wieder jemanden kommen...
Sicher: Nur eine Spekulation. Aber für mich plausibler als die Vorstellung, JTR würde eine Stunde lang zusammen mit einem künftigen Opfer öffentlich durch die Straßen laufen, bei einem Mann, der ihn vom Sehen her kennt, Obst für die Frau kaufen, sich dann auch noch bei einer Auseinandersetzung beobachten lassen und Stride trotzdem noch töten, statt sich eine andere zu suchen.
MfG, Arthur Dent