Autor Thema: Krank  (Gelesen 19418 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Isdrasil

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2037
  • Karma: +2/-0
Krank
« am: 09.05.2008 10:23 Uhr »
Ein alter Konflikt:

Der eine behauptet, der Ripper wäre ein Sexualsadist gewesen – sozusagen ein Täter, der durch die individuell ausgeführten Verletzungen eine Art sexuelle Befriedigung sucht und  dadurch einen wie auch immer gearteten Mangel an sozialer und zwischengeschlechtlicher Kompetenz auszugleichen sucht. Meist wird dies vermischt gesehen mit frühkindlichen Prägungen, einschneidenden Verletzungen, körperlichen Defekten.

Der andere wiederum vertritt gerne anderweitig gelagerte Motivationen – da geht es um Rachegedanken, um Verschwörungen, Frauenhass, möglicherweise einfach nur Langeweile in einer schlimmen Zeit, einem Schlammloch der Armut und Kriminalität.

Man meint fast, es ginge um eine Grundsatzdiskussion nach dem Motto:
Psychisch krank vs. Einfach nur kriminell.

Ich musste für mich jedoch schon oft genug feststellen: Das Motiv spielt absolut keine Rolle – der Ripper war so oder so ein krankhafter Charakter, hatte so oder so Fantasien, die nicht in das Schema eines normal denkenden Menschen passen mögen. Fantasien bei einem Rachemotiv? Ja, auch hier. Und auch hier: Man muss krank sein, um aufgrund eines Rachgedankens solche Morde auszuüben, man muss krank sein, um wegen einer Wette solche Morde auszuüben, und man muss krank sein, um aufgrund ritueller Vorgaben so etwas machen zu können. Man muss einfach anders ticken als der Durchschnitt.

Man kann gerne über die Art dieses krankhaften Charakters diskutieren – welche Bereiche einer Persönlichkeit betroffen sein können, inwieweit sich dieser Charakter nach außen zeigen wird. Leider erleben wir zurzeit den äußerst traurigen und zutiefst kranken Fall eines Mannes, der angeblich keine Anzeichen seiner ekelhaften Fantasien nach außen trug. Kann man so etwas wirklich glauben? Ich leider nicht.

Und so auch beim Ripper: Egal, welches Motiv ich mir heraussuche. Langeweile, Ritus, Rache, Perversion, Verschwörung – immer bleibt ein kranker Täter übrig, und immer bleibt der Gedanke, dass es im Werdegang dieses Menschen wohl schon oft ein Ereignis, eine Handlung oder auch nur ein kleiner Hinweis darauf gegeben haben muss, dass dieser Mensch ein Monster in sich birgt. Und wenn es nur eine Attacke war, eine geprügelte Frau, ein anderes Delikt. Der Ripper muss im Zuge einer Persönlichkeitsentwicklung, die auch solche Täter durchlaufen, langsam zu dem geworden sein, der er war.

Ich sage nicht, dass man es vorher hätte merken können. Ich sage aber, wenn der Fall gelöst worden wäre, hätte man sagen können: Stimmt, sein Leben ist durchzogen von Anzeichen, sein Leben war eine Entwicklung hin zu dem, was wir kennen. Es ist kein Wunder, dass es so gelaufen ist. Früher oder später sucht sich jeder Dämon einen Weg – der eine so, der andere so.

Es gibt keinen Zweifel für mich: Psychisch krank bleibt psychisch krank – und das Motiv bleibt trotzdem in alle Richtungen offen.
 
Grüße, Isdrasil


Alexander-JJ

  • Gast
Re: Krank
« Antwort #1 am: 09.05.2008 10:48 Uhr »
JTR muss nicht zwingend psychisch krank gewesen sein. Es kann durchaus sein, das er ein Terrorist war, der gezielt solche Grausamkeiten beging um sein militärisches und/oder politisches Ziel zu erreichen. Genausogut könnte es sich um einen religiösen Fanatiker gehandelt haben, der die Taten beging weil es ihm sein Glaube vorschrieb. In beiden Fällen hätten wir es mit Menschen zu tun, die tiefe, kaum zu erschütternde Überzeugungen besitzen, aber nicht psychisch krank sind.

Das ist natürlich sehr weit hergeholt. Normalerweise ist es so, das die einfachste Erklärung auch die richtige Erklärung ist. Damit scheiden alle Verschwörungen, Terroristen, Fanatiker usw aus.

Ich persönlich gehen davon aus das Aaron Kosminski der Ripper war. Anderson und Swanson bezogen sich auf ihn. Kosminski war ganz sicher psychisch krank. Ziemlich sicher halluzinierte er, hörte Stimmen und benahm sich äußerst merkwürdig. Seine soziale und zwischenmenschliche Kompetenz war äußerst gering. Aber ich glaube nicht das er weitergehende Motive hatte. Die Morde haben ihn sexuell befriedigt, besser gesagt das Abschlachten hat ihn befriedigt. Mehr steckt meiner Meinung nach nicht dahinter, auch kein besonderer Hass. Wer in einer Frau sowieso nur ein "Ding" sieht, der muss auch nicht mehr hassen.

Hass ist für Leute, die tief in ihrem Inneren wissen das ihr "Feind" ein gleichberechtigtes, menschliches Wesen bin. Wenn ich aber davon überzeugt bin, das der "Feind" nur rattengesichtiges Niggerviehzeug ist, dann brauche ich nicht mehr heulen, wenn ich mit dem MG ganze Familien niedermähe. Dann ist kein Hass mehr nötig. Ich denke dem Ripper ging es ähnlich.


Ich glaube nicht das JTR Rachegedanken mit sich herumtrug, ich glaube auch nicht das er körperlich irgendwelche Einschränkungen aufwies oder Teil einer Verschwörung war. JTR war psychisch krank, dazu noch brutal und kaltblütig.



 :)

Floh82

  • Gast
Re: Krank
« Antwort #2 am: 09.05.2008 11:58 Uhr »
Ich muss hier, einmal mehr, die "psychisch kranken" etwas verteidigen. Wenn man hier von psychisch kranken spricht, hört sich das nach irren Massenkillern, Satanisten und Wahnsinnigen an. Das sind psychische Extremfälle! Der "normale" psychisch kranke, muss nicht nach außen hin auffallen. Depressive Veranlagungen können von Mitmenschen absolut übersehen werden und erst bei einem Ausbruch erkannt werden (Beispiele gewünscht? Gerne...leider sogar aus dem privaten Bereich). Manisch-Depressive Charaktere werden oft missverstanden, man kreidet ihnen andere Krankheiten an (Beispielsweise ADS), bevor man die tiefsitzende psychische Störung erkennt. Gespaltene Persönlichkeiten müssen nicht zwingend Männer/Frauen sein, die wie Jakill und Mr. Hide (der übrigens auch nicht sofort erkannt wurde) auf so krasse Art und Weise zwei völlig unterschiedliche Charaktere ausbilden. Psychische Krankheiten und/oder Störungen lassen sich nicht sofort und nicht sehr leicht zuordnen.

Ist der Täter, hier Jack the Ripper, psychisch krank gewesen? Mit Sicherheit hat er eine oder mehrere asoziale Charaktereigenschaften gehabt (asozial = anti-sozial = der Gesellschaft nicht angepasst = unnormal). Mit großer Wahrscheinlichkeit hat er ein oder mehrere Störungen gehabt, die entweder seine Wahrnehmung oder seine persönlichen Hemmschwellen verändert haben (ein so brutales Vorgehen, lässt mich darauf schließen).
Er war nicht unbedingt ein Irrer, ein verrückter Killer. Er war vermutlich nicht ganz richtig im Kopf, wie man so schön sagt.

Weil hier das Beispiel von dem "Inzest-Monster" genannt wurde: Hier haben wir es unter Garantie mit einer asozialen Störung zu tun! Aber mit Sicherheit können wir nicht sagen dass er psychisch krank in Form einer gespaltenen Persönlichkeit, einer manischen Verhaltensstörung etc war. Was wir wissen und beurteilen können ist, dass er einen krankhaften sexuellen Trieb hatte. Das muss keine psychische Störung sein, sondern kann auch eine rein biologische, sexuelle Störung sein. Diese wiederrum kann auf eine tiefen Störung in der Kindheit zurückgeführt werden (er wuchs alleine mit seiner Mutter auf, die ihn evtl. emotional völlig überfordert hat). Hier aber von einfach nur von "psychisch krank" zu sprechen, halte ich für gefährlich.
Psychisch krank hört sich wie gesagt für mich nach Manie, Depression, Persönlichkeitsstörung an.

"Einfach nur kriminell"....das muss ich jetzt leider mal etwas zerpflücken. "Einfach nur kriminell" ist ein Taschendiebstahl? Ein Ladendiebstahl? Mutwillige Zerstörung fremden Eigentums?
"Einfach nur kriminell" ist etwas schwierig zu fassen. Jemand der klaut, kann ebenso eine psychische Störung aufweisen. Mit großer Sicherheit hat er entweder eine Störung seiner Wahrnehmung ("das gehört eigentlich mir") oder in seiner Kindheit hat er wesentliche gesellschaftliche Regeln nicht gelernt oder angenommen ("Klauen ist nichts schlechtes"). Wir können, vielleicht mit Ausnahme der Beschaffungskriminalität (Klauen zum Zweck der Beschaffung von Drogen beispielsweise), also davon ausgehen dass auch der "einfache Kriminelle" evtl. unter einen "psychischen Störung" leidet.
Gehen wir weg vom Diebstahl und hin zu dem was wir hier vorfinden: Mord!
Mord ist in meinen Augen erstmal nicht "einfach nur kriminell". Klar ich weiß wie es gemeint war, aber auch so haut es nicht hin. Jemanden zu ermorden ist in erster Linie kriminell...aber meiner Meinung gehört dazu eine gewisse Portion (Über-)Mut, "kriminelle Energie" und das Überschreiten einer Hemmschwelle. Und besonders das Letztere kann auf eine psychische Störung hinweisen. Eine solche Hemmschwelle zu überschreiten ist nicht sehr einfach.
War hier vielleicht jemand beim Bund und hat sich mit der Ausbildung genau auseinandergesetzt? Es gehört eine gewisse psychische Struktur dazu, eine Waffe in die Hand zu nehmen und auf Menschen zu schießen. Bei jeder Armee dieser Welt gibt es Drill...warum? Relativ einfach...natürlich wegen der Ausbildung (logisch!) und um die psychische Struktur zu schaffen einen Menschen zu erschießen.
Als Beispiel möchte ich hier einmal sehr realistische Filme wie "Apocalypse Now" oder wohl am besten "Full Metal Jacket" von Stanley Kubrick anführen. Dort wird sehr genau und sehr realitätsnah beschrieben wie Menschen zu Killermaschinen gemacht werden. Einige von ihnen brechen psychisch brutal zusammen...ich erinnere an die Selbstmord-Szene im Bad (für die Leute die den Film kennen).

Kein Kind dieser Welt kommt mit einer psychischen Anomalie (geistige Behinderung die eine psychische Anomalie einschließen kann mal ausgeschlossen) auf die Welt. Entweder es wird angelernt oder es kommt durch persönliche Erfahrungen zu einem Ausbruch. Kein Kind dieser Welt kommt als Verbrecher auf die Welt. Kriminell zu werden hat in meinen Augen auch etwas mit psychischer Veränderung zu tun. Für mich ist jeder Mörder und Vergewaltiger psychisch abnormal, hat also eine psychische Störung.

Zusammengefasst: Ich kann den obigen Vergleich nicht nachvollziehen, da für mich beides automatisch zusammengehört. Sogar bei den bereits erwähnten Fanatikern, die beispielsweise aufgrund eines Glaubens töten, bin ich von solch einer psychischen Anomalie überzeugt.

Ergo: Jack the Ripper war definitiv psychisch nicht normal. Ob er eine psychische Erkrankung hatte kann ich nicht erkennen. Ich halte es für möglich.

Offline Isdrasil

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2037
  • Karma: +2/-0
Re: Krank
« Antwort #3 am: 09.05.2008 12:13 Uhr »
Hi

Ich fasse mich einmal kurz: Es hat sich hierbei um ganz einfache Gedanken gehandelt, die ich niederschrieb und kurz darauf hier veröffentlichte. Ich habe mir ehrlich gesagt keine großen Gedanken um einzelne Wortdefinitionen gemacht, sei es nun über den Ausdruck „Einfach nur kriminell“ oder „psychisch krank“.

Ich muss auch sagen, dass es mir absolut fern liegt, ein schlechtes Bild von psychischen Krankheiten zu verbreiten. Sollte dies so rüber gekommen sein – sorry.
Wie Floh habe ich genug Erfahrungen in diesem Bereich, sei es ganz früher beruflich, im persönlichen Umkreis und leider auch schon bei mir selbst. Ich denke, wir alle wissen, dass ich keine Depressionen gemeint habe, sondern eine psychische Krankheit im pathologischen Sinne die soziale Kompetenz betreffend, eine sexuelle Störung oder eine Störung des Empathieverhaltens.

Das wollte ich noch mal kurz klarstellen. Es war ein missglückter Ausdruck. Ich bitte, mir keine Aversion gegen psychische Krankheiten zu unterstellen. Für mich sind sie kein Tabuthema und sollten eh in der Öffentlichkeit offener behandelt werden. Auch der Ausdruck „körperliche Krankheit“ reicht vom Schnupfen bis zu Lebra. Das habe ich nicht bedacht, und es war auch nicht so gemeint.

Wir können aber gerne darüber reden, was sich jeder einzelne unter „Einfach nur kriminell“ und „psychisch krank“ vorstellt.

In einem Punkt möchte ich Floh beinahe (aber nur beinahe  :icon_wink:) widersprechen: Ich glaube schon, dass der Mensch mit einer "bösen" und einer "guten" Seite auf die Welt kommt. Man denke nur an die fehlende Empathie von Kleinkindern gegenüber Tieren - ich habe es schon erlebt, wie Kinder Tieren Beine ausrissen oder sie zerquetschten...bleibt dieses Verhalten so, kann man durchaus davon reden, dass dieses Verhalten von Geburt an vorhanden war. Ergo ist der Mensch bei seiner Geburt in meinen Augen sowohl gut als auch böse. Ein potentieller Heiliger und Verbrecher.
Es ist nicht schwarz-weiß. Und ich denke, es liegt an der Erziehung und an der Gesellschaft, den angeborenen schwarzen Teil zu minimieren und dem Menschen beizubringen, angemessen mit seiner dunklen Seite umzugehen. Das ist es doch, was schief gehen kann.

Und als Zitat von Floh:
Zusammengefasst: Ich kann den obigen Vergleich nicht nachvollziehen, da für mich beides automatisch zusammengehört. Sogar bei den bereits erwähnten Fanatikern, die beispielsweise aufgrund eines Glaubens töten, bin ich von solch einer psychischen Anomalie überzeugt.

Genau das war meine Aussage  :icon_thumb:

Grüße, Isdrasil
« Letzte Änderung: 09.05.2008 12:28 Uhr von Isdrasil »

MrsPeel

  • Gast
Re: Krank
« Antwort #4 am: 09.05.2008 12:56 Uhr »
Mein Senf:
Ich glaube auch das der Ripper sexuelle Befriedigung aus seinen Taten gezogen hat. Er fällt also unter die Kategorie Sexualstraftäter. Ich denke jedoch auch, dass er durchaus für seine Umwelt als höchst normal galt.
Deswegen habe ich auch meine Probleme mit Kosminski, der in seinem Wahn sehr auffälig agierte und meiner Meinung nach passt es eben da nicht mehr in das Bild der Tatabläufe.
Auch glaube ich, dass der Täter eher organisiert agierte.
(Beispiel: Auswahl der Opfer, Auswahl des Zeitpunktes, Auswahl der Tatorte, Mitführen einer oder mehrerer Tatwaffen, Beseitungen der Selben.)
Kosminski jedoch erscheint mir, nach allem was ich weiß, ziemlich unorganisiert zu sein.
Desweiteren halte ich den Ripper für durchaus fähig soziale Kontakte zu knüpfen, ja... den Opfern das Gefühl zu vermitteln, dass von ihm keine Gefahr ausgeht.
Als Beispiel für so einen Täter fällt mir immer Peter Sutcliff ein - der Yorkshire Ripper - und der war eben nicht der Einzige.
Ansonsten scheint es mir klar zu sein, dass JTR krank in einem klinischen Sinne war. Und, wenn die Bemerkung erlaubt ist, auch nicht thearapierbar. Doch wie (würde man ihn schnappen) würde dann mit ihm umgegangen werden?
Gefängnis?
Psychatrie?
Die Frage ist interessant und gar nicht leicht zu beantworten.
Vor 120 Jahren, ja bis zur Abschaffung der Todestrafe in Großbritannien hätte man ihn gehängt. Jetzt würde er, ungeachtet seiner Erkrankung, in einem Hochsicherheits-Knast enden, da dass britische Recht eine psychische Erkrankung in nur sehr wenigen Fällen anerkennt.
(In den USA ist es genauso).
Denn, egal wie wahnsinnig die Taten auch sein mögen, falls auch nur die Möglichkeit besteht, dass der Täter zwischen richtig und falsch unterscheiden kann, so ist er vor dem angelo-sächsiscchen Recht voll schuldfähig... weil voll schuldbewusst.
Deswegen auch das interessante Phänomen das die geschnappten Serienmörder plötzlich Stimmen hören, einer höheren Macht gefolgt sind oder einfach den Hund des Nachbarn als Urheber ihrer Taten ausgemacht haben.
Doch ungeachtet dessen ist JTR krank, aber eben nicht so, dass er zwingend auffallen musste.
Ich glaube eher, dass Gegenteil war der Fall.
 :icon_mrgreen:
       

Floh82

  • Gast
Re: Krank
« Antwort #5 am: 09.05.2008 13:53 Uhr »
Da wir gerade so ein wenig die Tiefenpsychologie anschneiden und über die menschliche Psyche sprechen, möchte ich gerne eine Buchempfehlung aussprechen.

Erich Fromm's "Anatomie der menschlichen Destruktivität" versucht anthropologisch und sozialpsychologisch den Grund für menschliche Destruktivität zu finden.
Er kommt auf einige interessante Ideen, verneint vehement andere Theorien z. B. von Freud.

Erich Fromm beschreibt den Menschen dort als generell "lebensbejahend" und versucht zu erklären wie Menschen zu Mördern werden. Bekannteste Beispiele die er für seine Untersuchungen herangeführt hat sind Heinrich Himmler, Adolf Hitler und Josef Stalin.
Ich habe zwar eine etwas andere Meinung als Fromm...aber trotzdem ein lesenswertes Buch (wenn man sehr sachlich, trocken geschriebene Texte ok findet).

Offline Isdrasil

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2037
  • Karma: +2/-0
Re: Krank
« Antwort #6 am: 09.05.2008 16:46 Uhr »
Hi Floh

Danke für den Buchtipp! Endlich auch mal ein Psychologe, der sich gegen Freud`s Theorien stellt.  :icon_thumb:

Ich habe noch einen kleinen Gedanken in die Richtung der angeborenen "Bosheit".
Vielleicht darf man es gar nicht so pauschal sehen und muss einzelne Charaktereigenschaften auch einzeln betrachten. Nehmen wir doch mal zum Beispiel die Empathie für die Gefühle anderer - diese fehlt Neugeborenen völlig. Sie besitzen einfach noch nicht die nötige Bewusstseinsreife, um Mitgefühl zu empfinden - und dies ist ja auch nicht schlimm oder verwerflich. Der Mensch kommt eben nicht geistig und somit charakterlich voll entwickelt zur Welt. Als Beispiel dieser fehlenden Empathie nehme ich immer gerne den Umgang mit Tieren her.
Wenn nun an irgendeinem Punkt versäumt wird, den Kindern Mitgefühl zu vermitteln - durch liebende Eltern, sozialen Kontakten oder sonstigen elementaren Dingen - kann ich mir gut vorstellen, dass das Kind auf einer bestimmten Bewusstseinebene die Empathie betreffend stehenbleibt. Dieser Umstand kann später ein Teil von vielen sein, der aus einem Menschen einen Täter macht.
War dieses Kind nun angeboren "böse" oder nicht, diese Eigenschaft betreffend? Im Prinzip doch ja - es wurde eben versäumt, das Bewusstsein des Kindes entsprechend zu fördern und zu stützen.

So kann ich es mir jedenfalls auch gut vorstellen - eben eine Art Mix aus guten und schlechten Eigenschaften, die uns angeboren sind. Die Guten gilt es zu fördern, die Schlechten zu Minimieren.

Grüße, Isdrasil

PS: Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich mit diesem Thema ausdrücken wollte und was nun eigentlich der Punkt ist. Aber egal - hauptsache, wir haben was zu quasseln  :icon_aetsch: 

Floh82

  • Gast
Re: Krank
« Antwort #7 am: 09.05.2008 17:28 Uhr »
Ich bin der Meinung dass ein Mensch weder gut noch böse auf die Welt kommt. Er kommt als unschuldiges Leben auf die Welt. "Es gibt nichts Unschuldigeres als ein Neugeborenes."
Die Bibel spricht von der Erbsünde, also einer bereits vorher vererbten Schuld, die bei Geburts bereits vorhanden ist. Diese Erbsünde wird durch die Taufe "gelöscht". Übrigens ein gutes Beispiel für die Doppelzüngigkeit der Religion, aber das ist ein anderes Thema.
Hier wird also davon ausgegangen dass der Mensch vom Grunde her Sünder und Schuldiger ist = Negatives Menschenbild.

Wie gesagt ich gehe von einer angeborenen Unschuld aus. Du kommst auf die Welt und bist im Prinzip ein leeres Zellbündel. Geist, Seele, Emotionen...alles was damit zusammenhängt, muss erst reifen, wie Isdrasil bereits sagte.

Ein Kind kann, wie bereits gesagt, nicht zwischen "Gut und Böse" unterscheiden. Moral, Wertevorstellungen etc. sind nicht vorhanden. Was also lässt einen Menschen nun bösartig machen? Wir hatten vor einige Zeit bereits einmal die Diskussion dass Kinder die keine Zuneigung bekommen, nach kurzer Zeit höchstwahrscheinlich sterben (dazu nocheinmal zum "Inzest-Vater" aus Österreich: Einer der Ärzte sagte dass die Kinder ohne den Schutz, die Kraft und die Liebe der Mutter wahrscheinlich tot wären).
Ich gehe davon aus dass ein Kind dass gar keine Zuneigung bekommt, keinen Schutz, keine Liebe...nicht lebensfähig ist. Das alleine kann nicht Grund für "Böse Verhaltensmuster" sein.
Das erste womit das Kind in Berührung kommt ist neben den Eltern, das gesamte Umfeld. Familie, Wohnung und Wohungsumfeld, Spielkameraden in Spielgruppen und auf Spielplätzen, Fernsehen, etc. Danach kommt erst Kindergarten, Schule, Freunde etc. Wann ist der eigentliche Zeitpunkt für das herauskristallisieren oder entwickeln "böser Charaktereigenschaften"?
Und ich glaube das ist individuell verschieden. Irgendwo in der Kindheit oder Jugend, vielleicht sogar erst im Alter eines jungen Erwachsenen, reifen Prozesse die in eine falsche Richtung führen. Enttäuschungen, Kontakte zu "bösen Menschen", Ausgrenzung, Mißbrauch um nur einige Beispiele zu nennen.

Ich glaube der idealste Zeitpunkt für die Entwicklung "des Bösen" dürfte die späte Kindheit und frühe Jugend, kurz: Vor und während der Pubertät sein. Ich spreche jetzt mal aus eigener Erfahrung, da ich glaube dass ich zu diesem Zeitpunkt am ehesten "verführbar" gewesen wäre. Allerdings bin ich sicher dass solche Entwicklungen auch im Erwachsenenalter stattfinden können. Nur müssen dort wohl die Ereignisse die dazu führen extremer sein.

Alexander-JJ

  • Gast
Re: Krank
« Antwort #8 am: 09.05.2008 19:27 Uhr »
Na ja, in den Genen liegen schon so einige Veranlagungen drin, die dann auch weitervererbt werden. Bestimmte Neigungen, Vorlieben usw werden schon vererbt. So wird ein superagressiver Vater, dessen eigener Vater auch superagressiv war, auch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen ziemlich aggressiven Sohn haben. Natürlich kann es passieren das dieser Sohn später seine "schlechten" Veranlagungen erkennt und sie mit Hilfe von anderen Menschen überwindet. Genauso kann es passieren das aus einem potentiellen Genie, durch Erziehung, Erlebnisse und Umwelt, ein versoffener Penner wird.

Natürlich wird "das Böse" nicht vererbt. Umfeld, Erziehung, Erlebnisse, Familie, usw prägen einen jungen Menschen natürlich mindestens genauso wie die Gene. Es gibt auch sicher kein "Killer-Gen", das einen Menschen zum Mörder macht. So etwas sind Wahnvorstellungen von Leuten, die zu gerne Polizist spielen. Dennoch darf der Faktor Vererbung nicht völlig negiert werden.

Menschen, so wie alles Leben, fällt nun mal nicht vom Himmel. Es entsteht aus Genen und das sind nun mal immer wieder dieselben Gene. Die Weisheit, das man in seinen Kindern weiterlebt, ist nicht nur ein dummer Spruch. Da steckt eine Menge Wahrheit drin. Das gilt leider nicht nur für gute, sondern auch für schlechte Veranlagungen. Ob und welche dieser Veranlagungen dann aber zum Durchbruch kommt, bestimmt das Umfeld des Menschen bzw seine Mitmenschen und später natürlich auch der Mensch selbst.



 :)

Offline Isdrasil

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2037
  • Karma: +2/-0
Re: Krank
« Antwort #9 am: 10.05.2008 19:59 Uhr »
Hi

@Alex
Sehe ich auch so. Man darf doch bei der Frage nach dem Verhalten eines Menschen nicht den Menschen an sich vergessen - sein Blutbild, seinen Hormonhaushalt, seine Gene. Auch das bestimmt uns. Leider sind wir keine rein spirituellen Wesen, sondern oft genug unseren körperlichen Gelüsten unterlegen...besonders jetzt bei diesem Wetter!  :icon_mrgreen:

Ich glaube nicht, dass wir nur durch Erziehung, Umfeld, usw. bestimmt werden. Das ist eine sehr schreckliche Vorstellung ehrlich gesagt. Auch wenn die Gegner der körperlichen Vererbung wohl auch Angst vor der vermeintlichen Entdeckung eines "Killergens" haben (welches es meiner Meinung nach nicht gibt), ich sehe viel größere Gefahren darin, den Menschen als reines Produkt seiner Umgebung zu sehen.

Grüße, Isdrasil

Mort

  • Gast
Re: Krank
« Antwort #10 am: 12.05.2008 15:51 Uhr »
hallo, bin auch mal wieder hier. :icon_wink:
inwiefern und wie weit der Ripper "krank" war ist gar nicht so leicht zu beurteilen. Sicherlich werden die Taten die er begangen hat als krank bezeichnet. Er war aber womöglich ansonsten ein ganz normaler Mensch. Womöglich so normal dass er nicht auffiel, bzw. nicht einmal grossartig verdächtigt wurde. Krank war er eigentlich immer nur wenn er in seinem Mordrausch war.  Es gibt ja diese 5 Stufen zum Serienmörder. Diese beginnen so viel ich weiß mit der Isolation von der Umwelt, dem zurückziehen.
Muss man also bei Eintritt der ersten Stufe also schon so "krank" sein? Oder ist man dies erst wenn man einen derartigen Mord begeht?
Und was mich mal interessieren würde, ob wenn man auf dem Weg der 5 Stufen ist, man durch ein bestimmtes Ereignis, einen bestimmten Menschen wieder geheilt
oder umgekrempelt werden kann, oder ob ab der 1. Stufe schon alles zu spät ist. Wann ist eigentlich der "Point of no return" endgültig erreicht?



Offline Isdrasil

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2037
  • Karma: +2/-0
Re: Krank
« Antwort #11 am: 12.05.2008 17:54 Uhr »
Hi Mort

Wann ist eigentlich der "Point of no return" endgültig erreicht?

Das ist eine Frage, die mich schon seit Beginn beschäftigt - wann ist ein Mensch ein Mörder? Mit dem Mord an sich oder schon davor? Wo und wann beginnt eigentlich der Mord?
Kommt eigentlich ganz darauf an - war die Tat spontan oder geplant?
...Aber auch bei dem spontanen Täter: Hat er den PONR schon vorher überschritten?

Tolle Antwort, was?  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil

Mort

  • Gast
Re: Krank
« Antwort #12 am: 12.05.2008 22:01 Uhr »
Hehe. Mach Dir mal nix draus.  :icon_wink: Wir können es bestimmt noch irgendwann herausfinden. Aber wo würdest Du einen grundlegenden Unterschied bei einer spontanen oder geplanten Tat sehen was den PONR angeht?

Offline Isdrasil

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2037
  • Karma: +2/-0
Re: Krank
« Antwort #13 am: 13.05.2008 07:06 Uhr »
Hi Mort

Ach, ich weiß nicht, ob man da überhaupt einen Unterschied machen sollte. Eigentlich denke ich, dass der Punkt bereits lange vor dem ersten Mord erreicht ist.
Bei einem geplanten Mord kann man nur davon ausgehen, dass es dem Mörder bekannt ist, ein Mörder zu sein – da er die Tat möchte, Vorbereitungen trifft, eventuell nachforscht.
Bei dem spontanen Mord überrascht es den Täter oft selbst – jedoch dürfte der Grundstein dafür schon lange vorher gelegt worden sein.

War also nur ein Gedanke – im Prinzip sehe ich bezüglich des PONR keinen großartigen Unterschied, jedoch im „bewusst sein“ des Täters (im wahrsten Sinne des Wortes).  :icon_wink:

Könnte man fast überlegen, ob geplante Taten dadurch einen besonderen Schuss Grausamkeit erhalten und eher dem Ziel und der Fantasie des Täters entsprechen als spontane Taten, insbesondere auf die Ersttat bezogen.

Grüße, Isdrasil

Floh82

  • Gast
Re: Krank
« Antwort #14 am: 13.05.2008 12:04 Uhr »
hallo, bin auch mal wieder hier. :icon_wink:
inwiefern und wie weit der Ripper "krank" war ist gar nicht so leicht zu beurteilen. Sicherlich werden die Taten die er begangen hat als krank bezeichnet. Er war aber womöglich ansonsten ein ganz normaler Mensch. Womöglich so normal dass er nicht auffiel, bzw. nicht einmal grossartig verdächtigt wurde. Krank war er eigentlich immer nur wenn er in seinem Mordrausch war.  Es gibt ja diese 5 Stufen zum Serienmörder. Diese beginnen so viel ich weiß mit der Isolation von der Umwelt, dem zurückziehen.
Muss man also bei Eintritt der ersten Stufe also schon so "krank" sein? Oder ist man dies erst wenn man einen derartigen Mord begeht?
Und was mich mal interessieren würde, ob wenn man auf dem Weg der 5 Stufen ist, man durch ein bestimmtes Ereignis, einen bestimmten Menschen wieder geheilt
oder umgekrempelt werden kann, oder ob ab der 1. Stufe schon alles zu spät ist. Wann ist eigentlich der "Point of no return" endgültig erreicht?

"ein ganz normaler Mensch"...ich sage das zwar auch öfter, aber meine damit eigentlich dass er nicht aufgefallen ist. Normal, im Sinne von seelisch gesund, halte ich eher für unwahrscheinlich. Wer so abartig schlachtet, muss eine psychische Grenze überschritten haben, die ein psychisch gesunder Mensch nie und nimmer (nicht einmal in Notwehr) überschreitet. Er muss eine psychische Abnormalität gehabt haben...wie schlimm bzw. wie ausgesprägt sie war ist fraglich. Daher war er nicht nur im Mordrausch krank, sondern seine psychische Abnormalität war auch in anderem Zustand da. Es sei denn du gehst von einer durch Fremdeinwirkung ausgelösten, zeitlich begrenzten Abnormalität aus (Drogen beispielsweise).

Wie ich bereits sagte ist man schnell "psychisch abnormal" oder "psychisch nicht gesund"...dann gleich von "krank" zu sprechen bedeutet immer die Gefahr die Person auszugrenzen bzw. in eine Ecke zu stellen, in die sie nicht gehört. Um zu deiner Frage zu kommen: Wenn man die 1. Stufe (du sprichst von Isolation, sich abrenzen von der Umwelt) erreicht ist man bereits psychisch abnormal. Soziopathen beginnen beispielsweise mit so einer Isolation. Dieser erste Schritt ist nicht unbedingt sehr extrem, kann auch sehr "ungefährliche, simple" Gründe haben (als Beispiel: Ein Rollenspieler von WoW, dem großen Online-Rollenspiel, den ein Freund von mir kennt, hat sich irgendwann komplett in seiner Wohnung aufgehalten, WoW gespielt und nur FastFood gegessen...weh getan hat er niemandem und negativ aufgefallen ist er höchstens durch Abwesenheit), trotzdem ist das nicht "normal". Hier kann man also durchaus schon von "psychisch krank" sprechen. Sich von seinen Freunden, seiner Familie, allgemein seiner Umwelt abzukapseln ist nicht die normale, soziale Lebensart des Menschen...ergo asozial...ergo psychisch krank, da aufgrund einer emotionalen, seelischen Abhängigkeit (in meinem Beispiel) geschehen.

Hoffe das hat ein wenig geholfen ;)