Autor Thema: Auf offener Straße  (Gelesen 14122 mal)

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Stordfield

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Auf offener Straße
« am: 17.12.2007 19:15 Uhr »
Hallo !

Der Ripper tötete Mary Kelly in ihrer Wohnung , Catherine Eddows in einer absolut dunklen Ecke , Elizabeth Stride in einer Toreinfahrt und Annie Chapman in einem Hinterhof . Nur Polly Nichols wurde auf offener Straße ermordet . Glaubt ihr , daß dies etwas zu bedeuten hat ? Warum ist er mit ihr nicht an einen vermeintlich ungestörteren Ort gegangen ?
Und dann habe ich gleich noch eine Frage : Weiß jemand , was sich hinter dem Tor befand , vor dem sie gefunden wurde ?

Gruß Stordfield

Offline Chris Jd

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Re: Auf offener Straße
« Antwort #1 am: 18.12.2007 07:58 Uhr »
Hi Stordfield,

ich glaube dass "offene Straße" als Bezeichnung für den Tatort "Polly" etwas übertrieben ist. Das war schon dunkel dort.
Ich nehme an, dass nicht der Ripper sondern die Prostituierten die Plätze ausgesucht haben. Die hatten sicher Erfahrung, wo's ungestört genug für 'n kurzen "Kneetrembler" war.

C

Offline Isdrasil

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Re: Auf offener Straße
« Antwort #2 am: 18.12.2007 08:15 Uhr »
Hi

Das geschlossene Tor, vor dem Mary Ann Nichols gefunden wurde, führte zu "stables", also Stallungen. Ob diese jedoch benutzt wurden oder nicht, entzieht sich meiner jetzigen Kenntnis. Falls sich keiner meldet bis dahin - werde heute Abend mal nachblättern  :icon_wink:

Laut Ivor Edwards, der die Bucks Row auch Nachts in Augenschein nahm und dessen Tatortbeschreibungen eigentlich sehr genau und detailiert ausfallen, ist sie auch heute noch eine sehr uneinsichtige Straße geblieben. Damals war dieser Effekt (auch durch die kaum vorhandene Beleuchtung) wohl noch stärker. Ich habe irgendwie im Gedächtnis, dass es nur eine einzige Strassenlampe am Ende der Bucks Row gab - dies sei aber mal in Fragezeichen gesetzt. Erinnern wir uns aber auch an die Aussage von Charles Cross, der den toten Körper Pollys vorfand:

...He discerned on the opposite side something lying against the gateway, but he could not at once make out what it was. He thought it was a tarpaulin sheet. He walked into the middle of the road, and saw that it was the figure of a woman.... (aus dem Inquest zum Fall Mary Ann Nichols)

Cross lief auf der gegenüberliegenden Straßenseite und sah etwas vor/an dem Tor auf der anderen Seite liegen. Er dachte zuerst, es handele sich bei dem toten Körper um eine Plane. Erst, als er darauf zuging und in der Mitte der Straße war, bemerkte er, dass es sich um eine Frau handele. Dies spricht natürlich auch für sehr uneinsehbare Verhältnisse am Tatort.

Weiteres Argument: siehe Chris  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
« Letzte Änderung: 18.12.2007 08:29 Uhr von Isdrasil »

Stordfield

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Re: Auf offener Straße
« Antwort #3 am: 18.12.2007 08:53 Uhr »
Hallo Chris , hallo Isdrasil !

Sicher habt ihr Recht und die Straße war nicht sehr beleuchtet . Aber sie war immerhin ( zumindest auf einer Seite ) bewohnt . Mir geht nicht ganz auf , warum Polly sich mit ihrem Freier nicht in eine Nische oder einen Hauseingang zurückgezogen hat . Wollte sie ihn vielleicht hinter dieses Tor führen , das ausgerechnet in dieser Nacht geschlossen war ? Könnte es sein , daß dies Grund genug für den Ripper war , um wütend zu werden und sie zu töten ?

Gruß Stordfield

Offline Pathfinder

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Re: Auf offener Straße
« Antwort #4 am: 18.12.2007 09:18 Uhr »

also ich denke, dass polly so und so opfer geworden wäre, mit oder ohne geöffnetem tor.
das tor war vermutlich öfters geschlossen als offen und wohl erst recht zu dieser späten stunde. dunkel genug war die strasse ebenfalls, wer weiß, vllt wollte polly sogar noch ein stück weiter gehen und jtr konnte sich nicht mehr beherrschen und wartete nicht erst ab, bis noch ein stilleres plätzchen gefunden wurde.

verstehe ich dich richtig stord, dass du evtl. denkst, dass jtr eigentlich nicht unbedingt töten wollte, sondern sich nur über das geschlossene tor und die damit verbunden unwegbarkeiten so geärgert hatte, dass er zum mörder wurde ?
falls ja, siehst du diesen mord als einstieg an (er hatte daran gefallen gefunden und machte weiter) ?

naja, ein geschlossenes tor als auslöser  :icon_rolleyes: da sind menschen schon wegen anderen bagatellen ausgerastet, warum nicht auch ein geschlossenes tor ? in der bekloppten welt ist nichts unmöglich (und nicht erst seit doyoda)
UND ER WAR ES DOCH !!!!!!!!

Offline Isdrasil

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Re: Auf offener Straße
« Antwort #5 am: 18.12.2007 09:36 Uhr »
Hi

Eine gute Frage: Möglich ist natürlich, dass Polly mit dem Freier hinter das Tor gehen wollte. Das die Tatsache des verschlossenen Tores den Ripper wütend machte, vermute ich nicht - jedoch wird er situationsbezogen gehandelt haben und aufgrund günstiger Gelegenheiten zugeschlagen haben – im Endeffekt plante er in meinen Augen nicht, genau dort hinter dem Tor die Tat zu begehen. Er wartete auf eine günstige Gelegenheit. Und die bot sich ihm genau in diesem Moment. Vielleicht war Polly abgelenkt, weil sie versuchte, das Tor zu öffnen?
Das Polly ihren Freier nicht dort auf der Straße zufrieden stellen wollte, ist eine Möglichkeit. Man müsste dazu klären, ob die Stallungen benutzt wurden und öfters offen standen. Aber endgültig beantworten könnte man diese Frage eh nicht – wer hätte es gedacht?  :icon_wink:

Andererseits befinden wir uns im East End: Es war eigentlich für den Hauptteil der Prostituierten ziemlich unwichtig, ob sie eventuell gesehen wurden oder nicht. Der Sex fand oft genug auf offener Straße statt. Schaut man sich die Tatorte an, dann findet man keinen wirklich abgelegen Ort vor (außer Millers Court, ich weiß). Ich persönlich glaube nicht, dass die Prostituierten sehr viel Zeit darauf verwendeten, einen völlig ungestörten Ort zu finden. Sie hatten wohl ihre Standard-Örtlichkeiten, und wenn gerade jemand in der Nähe war, wurde eben gewartet, bis derjenige verschwunden war. Sex war in dieser Form wohl eine Sache von wenigen Minuten/Sekunden.

Ich finde die Frage nach Pollys Motivation, hinter das Tor zu gehen, interessant – da sie beim Versuch, das Tor zu öffnen, ungeschützt der Attacke ausgeliefert gewesen sein könnte. Dies würde einen Aspekt des Tathergangs darstellen.
Ich glaube es zwar nicht, aber interessant ist der Gedanke allemal…wenn auch nebensächlich :icon_wink:

Grüße, Isdrasil

Stordfield

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Re: Auf offener Straße
« Antwort #6 am: 18.12.2007 12:22 Uhr »
Hallo !

Das stimmt , es bringt uns nicht wirklich weiter , ob sie hinter das Tor wollte , oder nicht . Viel mehr kommt es mir darauf an , zu erfahren , ob JtR bei diesem Mord seine Ungeduld noch nicht so zügeln konnte , wie bei den späteren Taten .

Gruß Stordfield

Offline Isdrasil

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Re: Auf offener Straße
« Antwort #7 am: 18.12.2007 20:55 Uhr »
Hi

Naja, ganz so negativ war das gar nicht gemeint. Ich fände es schon interessant zu wissen, ob sie hinter das Tor wollte - auch wenn wir dies wohl niemals wissen werden. Diese Möglichkeit würde eventuell einen neuen Tatablauf ergeben und die Tat im Gesamtkontext besser erklären. Deshalb halte ich deine Idee durchaus für interessant.  :icon_thumb:

Denn wenn Polly hinter das Tor wollte, dann hätte dies den Ripper in seiner Tatausführung immens begünstigt, da sein potentielles Opfer von ihm abgelenkt war. Dieser Aspekt hätte ihn schließlich zum Mord bewegen können - die Tat wäre ihm leichter gefallen, die Schwelle zur Überwältigung des Opfers wäre ein Stück geringer gewesen als bei einem direkten Augenkontakt. Für den "ersten" ausgereiften Mord ein durchaus wichtiger Aspekt. Vielleicht war genau dieser Punkt, den Du angesprochen hast, Pollys Verhängnis - wer weiß?

Ich denke, der Ripper hatte bei dem Mord an Polly eine völlig andere psychische Konstitution als beispielsweise bei dem Mord an Chapman. Der Mörder wächst mit seinen Taten, wird professioneller, hochmütiger, größenwahnsinniger. Irgendwann kommt meiner Meinung nach der "Turning Point", an dem die Einschätzung des Risikos versagt. Hier begeht der Täter aufgrund seiner gefühlten Unverwundbarkeit seine ersten gröberen Nachlässigkeiten und Fehler bei der Tatbegehung, weitet seine Fantasien aus, wird zügellos. Beim Ripper dürfte es die Nacht des Double-Events gewesen sein.

Ich denke mir mal, dass der Ripper seine Ungeduld bei Polly noch nicht so zügeln konnte wie bei späteren Taten. Aber im Gegensatz dazu denke ich, dass er bei dieser Tat das Risiko noch vorsichtiger und reeller einschätzen konnte als bei den Folgetaten. Er war also zwar ungeduldiger, aber dennoch vorsichtiger - im Endeffekt dürfte er daher leichter aufgegeben haben, es aber trotzdem vehementer versucht haben, war vermutlicher öfter und länger auf Tour. Er war zu dieser Zeit noch nicht "geboren", und der Weg zur "Ersttat" (als bereits vorgedachte Tat gemeint) ist noch oft geprägt von Ungeduld und besonderer Vorsicht - meiner Meinung nach.

Grüße, Isdrasil

Achja, ich habe mal bei Begg "The Facts" nachgeblättert: Ich habe nur herausgefunden, dass die Stallungen einem gewissen Mr. Brown gehörten. Doch ob sie benutzt wurden oder nicht immer abgeschlossen waren - keine Ahnung...
 
« Letzte Änderung: 18.12.2007 21:49 Uhr von Isdrasil »

Offline Pathfinder

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Re: Auf offener Straße
« Antwort #8 am: 19.12.2007 09:17 Uhr »

Ich denke, der Ripper hatte bei dem Mord an Polly eine völlig andere psychische Konstitution als beispielsweise bei dem Mord an Chapman. Der Mörder wächst mit seinen Taten, wird professioneller, hochmütiger, größenwahnsinniger. Irgendwann kommt meiner Meinung nach der "Turning Point", an dem die Einschätzung des Risikos versagt. Hier begeht der Täter aufgrund seiner gefühlten Unverwundbarkeit seine ersten gröberen Nachlässigkeiten und Fehler bei der Tatbegehung


kurze zwischenfrage, welche fehler meinst du ? ich sehe da keine, er hinterließ meines wissens keine spuren, die auf seine identität deuten lassen um nicht zu sagen, perfekt.
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Offline Isdrasil

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Re: Auf offener Straße
« Antwort #9 am: 19.12.2007 09:21 Uhr »
Och, PF

Das war doch ein allgemeiner Satz und gar nicht auf den Ripper bezogen  :icon_rolleyes: :icon_wink:

War vielleicht auch etwas verwirrend. Ich meinte "ein" Mörder und nicht "der" Mörder. Der Ripper hat in dem Sinne keine Fehler gemacht, aber die Nacht des Double-Events lässt schon Vermutungen zu, dass er zumindest unvorsichtiger wurde (aber dennoch erfolgreich war).

Grüße, Isdrasil

Offline Pathfinder

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Re: Auf offener Straße
« Antwort #10 am: 19.12.2007 09:47 Uhr »

dann bin ich ja beruhigt. und ich dachte, dass ich schon wieder was verpasst habe  :icon_cool:

den einzigen fehler, den jtr aus meiner heutigen sicht begangen hat ist der, dass er eben keinen fehler gemacht hat (zumindest keinen der offensichtlich ist)
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Mort

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Re: Auf offener Straße
« Antwort #11 am: 21.12.2007 17:46 Uhr »
Die Straße war komplett dunkel. Nur ganz hinten brannte ein Licht, eine Laterne. Die Einfahrt zu den Stallungen war doch wie eine Niesche. Zudem war es noch dunkel in der Straße. Also eigentlich ist dieser Ort doch gar nicht unüblich. Da ist doch die Hanbury Street viel belebter. Ich denke hier würde der Begriff "Auf offener Straße" eigentlich viel eher passen.