Autor Thema: Die Ortskenntnis des Rippers - wie gut kannte er sein "Jagdgebiet"?  (Gelesen 11020 mal)

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Offline Isdrasil

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Hi

Eine weit verbreitete Annahme in der Welt der Ripperologie ist zweifelsohne, dass sich der Ripper im East End ausgekannt hat – dies reicht von der Kenntnis der Tatorte über die benötigten Fluchtwege bis hin zu der Theorie, der Täter habe selbst die Beats der Polizei und seine zukünftigen Opfer studiert und verinnerlicht.

Dieser Thread soll zur Diskussion der Ortskenntnis dienen. Sicher wird es wieder einige Überschneidungen geben, bei der Fluchtfrage wird wohl unsere heiß geliebte „Blutfleckenfrage“ wieder auftauchen, aber das lässt sich einerseits nicht vermeiden und andererseits sind wir es ja alle gewohnt  :icon_wink:

Ich persönlich stelle mir seit kurzem eine Frage: Ich war lange Zeit der Ansicht, der Täter habe die Beats der Polizei gekannt. Wie sonst hätte er die Taten so einplanen können? Irgendwann habe ich versucht, die Sache aus einer anderen Sicht zu sehen: Was, wenn der Ripper das East End gar nicht so gut kannte, wie ich lange Zeit angenommen hatte? Wie wäre es mit der Sicht aus einer anderen Perspektive: Nicht der Ripper wusste um die Beats der Polizei – die Prostituierten kannten sie! Schließlich waren die Prostituierten doch diejenigen, die das East End wie ihre Westentasche kannten. Der Ripper musste sich gar nicht um die Tatorte oder die Polizei scheren. Denn, sollte er ein nicht ganz so gerissener und intelligenter Killer gewesen sein, hätte er die Wahl eines ungestörten Örtchens ruhig seinen Opfern überlassen können.

Ich möchte damit nicht aussagen, dass der Ripper damit einen sicheren Weg beging, seine Taten zu begehen. Sie wären bei dieser Annahme etwas riskanter als die der eigeninitiativen Wahl der Tatorte und Tatzeiten. Doch erinnern wir uns an PC Harvey und den Mitre Square und überlegen uns zusätzlich: Wie hätte der Täter einen vorher gewählten Tatort und eine vorher gewählte Tatzeit derart genau mit seiner Tat vereinbaren sollen?

Grüße, Isdrasil

Floh82

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Die Theorie halte ich keinesfalls für abwegig. Durch ihr tägliches Geschäft mussten die Prostituierten die Wege der Polizisten zumindest teilweise kennen oder ahnen. So konnten sie ihrem Geschäft viel besser nachgehen und wurden seltener oder gar nicht erwischt.

Offline Pathfinder

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also meiner meinung nach musste der ripper das eastend und die beats der poliziestreifen wie seine westentasche gekannt haben. dass er nicht erwischt wurde kann und ist wahrscheinlich ein zufall. wobei isdrasil es schon richtig angesprochen hat, wenn eine prostituierte ihr geschäft nachging, zu wird sie es wohl so gemacht haben indem, wo sie den ärger mit der polizei aus dem weg ging. es bleibt auch die frage, ob jtr plötzlich zuschlug, oder ob er sich erst einmal als potenzieller (passt irgendwie der ausdruck  :icon_lol:) kunde ausgegeben hat (manche zeugenaussagen könnten darauf schliessen lassen).

weiter bleibt die frage nach dem fluchtwege, geplant ? ich glaube nicht, dass sich diese so planen ließen, oder jtr müsste wirklich die örtlichkeiten, die opfer und die polizei über längere zeit hinweg ausspioniert haben. es ist meiner meinung nach wahrscheinlicher, dass er die fluchtrichtung spontan gewählt hatte, sozusagen "der polizist kommt von links, dann haue ich nach rechts ab" oder von mir aus auch ab durch die mitte.

ich möchte jetzt nicht behaupten, dass jtr sich im eastend nicht auskannte, aber meiner meinung nach waren westentaschenmäßige kenntnisse für ihn nicht zwingend.
UND ER WAR ES DOCH !!!!!!!!

Alexander-JJ

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Gute Ortskenntnis war schon nötig. Er musste sich ja normal und unauffällig bewegen, was nicht geht, wenn man sich ständig nach dem Weg erkundigen muss und/oder immerzu die Strassenschilder studiert.

Das er die Polizei beobachtet hat, halte ich für Unsinn. JTR ging größere Risiken ein. Ein paar Mal hätte man ihn erwischen können. Es lag nicht an JTR sondern an der "Gleichgültigkeit" der East-End-Bewohner das er immer wieder entkam. Nebenbei hatte er eine Menge "Glück". Die ganze Sache hätte auch schon beim zweiten Mord ganz anders ausgehen können. Dann hätte es die Mordserie nie gegeben.


 :)

Offline Pathfinder

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Gute Ortskenntnis war schon nötig. Er musste sich ja normal und unauffällig bewegen, was nicht geht, wenn man sich ständig nach dem Weg erkundigen muss und/oder immerzu die Strassenschilder studiert.


"entschuldigen sie bitte, wie komme ich hier am schnellsten zu einer alleinstehende prostituierte, deren arbeitsplatz nicht ständig von polizeistreifen gestört wird ?"  :icon_lol:

(sorry alex, den musste ich einfach los werden)  :icon_mrgreen:

ne ganz ohne kenntnis der örtlichkeiten wird es wohl nicht gegangen sein, doch wie stark die waren ist eigentlich auch relativ egal. vielleicht war jtr ja ein bewohner des eastends oder die mordserie hat deshalb ein ende gefunden, weil jtr das eastend nicht mehr gefunden hat. 

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LondonFog

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Wie wäre es mit der Sicht aus einer anderen Perspektive: Nicht der Ripper wusste um die Beats der Polizei – die Prostituierten kannten sie! Schließlich waren die Prostituierten doch diejenigen, die das East End wie ihre Westentasche kannten. Der Ripper musste sich gar nicht um die Tatorte oder die Polizei scheren.


Deja vue (bzw. ecrit  :icon_mrgreen:)

 Ich meine mich zu erinnern, genau das gleiche schonl an anderer Stelle (an der es um den Organisationsgrad des Rippers ging) 
 geschrieben zu haben.
 Dem kann ich daher nur voll zustimmen. :icon_thumb:


Denn, sollte er ein nicht ganz so gerissener und intelligenter Killer gewesen sein, hätte er die Wahl eines ungestörten Örtchens ruhig seinen Opfern überlassen können.


Das der Ripper wahrscheinlich nicht die Tatote im voraus planen und/oder bestimmen konnte und hat, lässt m.E. keinen Schluß darauf zu, wie  gerissen oder intelligent er war. :SM032:


 :icon_arrow: Ein "gerissener" Täter wäre wohl genau auf die selbe Art verfahren. Denn das Wissen der Personen (die Prostituierten),
                  die die Beats der Polizei und die Gegend wohl am besten kannten auszunutzen ist allemal  effektiver und einfacher,  als
                  wochenlang die Gegend zu  beobachten.





Offline Isdrasil

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Hi

Danke für die Zustimmung. Dann haben wir doch tatsächlich mal dieselbe Meinung  :icon_thumb:

Das der Ripper wahrscheinlich nicht die Tatote im voraus planen und/oder bestimmen konnte und hat, lässt m.E. keinen Schluß darauf zu, wie  gerissen oder intelligent er

Sicher. Aber es bleibt von einem intelligenten Killer trotzdem zu erwarten, dass seinen Taten ein größerer Rahmenplan zugrunde liegt als den Taten eines strohdummen Killers. Intelligente Menschen machen gerne alles ein wenig komplizierter. So war das gemeint.
War auch mehr in Zusammenhang auf meine vorangegangenen Sätze zu sehen: Wenn er die Beats und das ganze drumherum studiert und verinnerlicht hätte (was ich nicht denke), dann hätte er bestimmt schon ein wenig intelligent sein müssen (ich drücke das nun extra vorsichtig aus).

Grüße, Isdrasil

Offline Isdrasil

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Hi

Und noch eine kleine Überlegung...

Schaut man sich die relativ kurzen Abstände zwischen den Taten an, dann kann man daraus eventuell folgern:
Die kurzen Abstände waren aus der permanenten Konfrontation des Rippers mit seinen Schlüsselreizen bedingt. Angenommen, das allgemein angenommene Opferschema des Rippers stimme und es waren Prostituierte aus dem East End und nur diese, die ihn zu seinen Taten animierten. Dann wäre er, würde er im East End wohnen, tagaus und tagein mit ihnen in Kontakt gekommen, sie hätten ihn angesprochen, er hätte sie gesehen...womöglich begründet dies die kurz aufeinanderfolgenden Taten?
Oder ist dies im Gegenzug ein Argument dafür, dass der Ripper eben nicht im East End wohnte, denn sonst hätte man ja durchaus eventuell mehr Morde oder auch fehlgeschlagene Attacken zu verzeichnen?

Was meint Ihr? Welche Rolle spielte der Schlüsselreiz "Prostituierte" und wie ist er aus Sicht der Ortsansässigkeit zu bewerten?

Grüße, Isdrasil

Offline Pathfinder

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also ich bin der meinung, dass die opfer zwar alle prostituierte waren, aber ob jtr es speziell auf prostituierte abgesehen hat ist für mich noch nicht so klar. daher tendiere ich eher zu der these, dass es für jtr einfacher gewesen ist, sich aus diesem umfeld ein opfer zu suchen. bei einer "normale" frau hätte er es schwieriger, diese zu einem relativ abgelegenen ort zu führen. er hätte zwar die alternative, sich irgendwo auf die lauer zu legen und zu hoffen, dass da eine einsame frau ihres weges geht, aber dies ist doch sehr unwahrscheinlich, da er ja seine tat aus einem vermutlich inneren drang vollbringen wollte und das höchstwahrscheinlich sehr bald. da passt es nicht, sich nach jägermanier auf die lauer zu legen.

ortskenntnisse wird jtr in der art und weise gehabt haben, dass er wusste, wo sich die prosituierten aufhalten, bzw. zu finden sind, denke mal sowas war allgemein bekannt. ob eine prostituierte wirklich einen "schlüsselreiz" bei jtr ausgelöst haben konnte ist rein spekulativ. das  erweckt bei mir eher den eindruck wie "aktion (schlüsselreiz) - reaktion (tat)". sollte dies der fall gewesen sein, dann hat jtr entweder wirklich in unmittelbarer nähe dort gewohnt oder er ist absichtlich ins eastend gegangen um dort seinen schlüsselreiz zu bekommen.

mit beiden möglichkeiten habe ich da so meine probleme. hätte er in tatortnähe gewohnt, wäre er bestimmt öfters aufgefallen, nicht unbedingt durch angriffe auf prostituierte, sondern wahrscheinlich in seinem verhalten frauen gegenüber (gibt ja ein paar verdächtige, die durch so ein verhalten auffällig geworden sind). das mit den kurzen abständen kann man sehen wie man will, wenn ich bedenke, dass zwischen den doppelevent (blödes wort) und dem mord an mjk immerhin fünf wochen vergangen sind, ist dieser zeitabstand im vergleich mit den anderen vier morden relativ lang. man könnte jetzt spekulieren, war jtr in dieser zeit aus dem verkehr gezogen, im ausland oder gar nicht der mörder von mjk, aber das gehört nicht in dieses thread.

so, jetzt zu der anderen möglichkeit, jtr ging ins eastend um sich einen schlüsselreiz für seine tat zu holen. hört sich doch schon beim schreiben/lesen etwas unlogisch an oder etwa nicht ? wenn dem so wäre, dann müsste er doch schon vorher den drang/reiz verspürt haben, sonst würde er sich doch nicht mit dem messer auf den weg machen und das bedeutet nichts anderes, als die möglichkeit, dass jtr einen anderen schlüsselreiz gehabt haben könnte, als der anblick von prostituierten.

mein fazit:
hätte jtr in der nähe oder gar im eastend gewohnt, müsste er irgendwie öfters auffällig geworden sein (könnte es noch ausführlicher versuchen zu begründen, doch dann würde dieser beitrag ein buch werden, daher diese kurzbegründungen  :icon_lol:)
ging er ins eastend um seinen schlüsselreiz für die tat zu bekommen ? für mich eher unwahrscheinlich.

deshalb glaube ich nicht, dass prostituierte der schlüsselreiz waren, meiner meinung nach war es etwas anderes, was jtr dazu bewog zu töten und die armen opfer waren nur das ventil.

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Alexander-JJ

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Um solche Fragen zu beantworten müsste erst einmal geklärt werden, ob JTR seine Triebe auch auf andere Weise befriedigen konnte. Vielleicht stand diese Alternative nicht immer zur Verfügung und in der alternativlosen Zeit ging er los und mordete. Das ist freilich etwas weit hergeholt.


 :)

Offline Pathfinder

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high alex, soweit hergeholt ist es eigentlich nicht, aber es wird schwer zu klären sein, wie alles in diesem fall, wenn überhaupt.

gut möglich, dass er sich an andere objekte/ersatzbefriedigungen verdingt hat um sich "über wasser" zu halten, warum auch immer. wenn er keine gelegenheit gehabt hätte, seinen trieb nachzugehen, dann musste rein logischer weise eine art ersatz her (vergleiche es mit suchtkranken, weiß nicht ob man das darf).

die zweite möglichkeit wäre die, dass er seinen treib so lange wie möglich hinaus gezögert hat, aber warum sollte er dieses machen ? fand ein innerer kampf in jtr statt ? hat die "dosis" eines mordes für eine gewisse zeit ausgereicht ?

ups, ich wollte jetzt eigentlich nicht zum fragekönig werden  :icon_rolleyes:, aber eine überlegung über alexanders argument ist durchaus berechtigt.
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Offline Isdrasil

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Hi

Ja, die Frage nach der Ersatzbefriedigung ist interessant. Doch wo hätte er diese Befriedigung finden können? Wenn man davon ausgeht, dass ihn an sich das „Ausweiden“ und „Schlitzen“ befriedigte, dann würde uns diese Überlegung wieder schnell zu einem Metzger führen, der eventuell selbständig tätig war und diesen Trieb in den Zwischenzeiten an Tieren ausleben konnte. Welcher Mensch konnte sonst eine Ersatzbefriedigung bewerkstelligen?
Andererseits müsste diese Ersatzbefriedigung gar nicht unbedingt etwas mit den eigentlichen Taten zu tun haben, sie müsste nur für einen Kanal, ein Ventil für die Gelüste des Rippers sorgen…sexuelle Energien können ihre Befriedigung auch in anderen Dingen als Sex finden. Hm… :SM032:

Die Sache mit dem Ersatz würde zusätzlich ein völlig anderes Bild auf den Mord an Mary Jane Kelly werfen...wie erklärt man sich dann die Verstümmelungen - wenn nicht durch Stress?  :icon_wink: :icon_mrgreen: Nur durch die Zeit?

Wäre zumindest dann ein Punkt Abzug für Kelly als Ripperopfer. Zumindest tendenziell - in meinen Augen.

Grüße, Isdrasil

« Letzte Änderung: 06.12.2007 14:00 Uhr von Isdrasil »

Offline Pathfinder

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naja, um irgendwelche kreaturen aufzuschlitzen muss man ja nicht unbedingt das handwerk eines metzgers nachgegangen sein.
der ansatz mit dem ventil ist schon irgendwie richtig, doch welches ventil es hätte sein können ist natürlich vielseitig und nicht mehr zu erfahren.

ich sehe da keine begründung dafür, dass wenn jtr ein ventil gehabt haben sollte, heisst es doch lange nicht, dass auf grund dessen, die verletzungen bei den opfer weniger stark ausgeprägt waren. das ventil diente ja nur als ersatzhandlung und nicht dazu, seine opfer zu schonen. also für mich ist kelly noch voll im rennen und der faktor "zeit" ja nur eine möglichkeit von vielen.
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From Hell

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Ich denke schon das er sich sehr gut in seinem Jagdgebiet auskannte,schon alleine ob der tatsache das ein immenses Polizeiaufgebot in Whitechapel aktiv, die Jack dingfest machen sollten.
Ich erinnere mich düster an einen Satz aus Tom Cullens Buch das sogar feminin wirkende Polizisten( weibliche Polizistinnen gabs ja da noch nicht) in Frauenkleider gesteckt wurde, um Jack in die Falle tappen zu lassen.

Und wie man sieht er hat lustig weiter gearbeitet...ohne das man ihn gefasst hat.:)

Stordfield

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Hallo !

Der Ripper mußte sich nicht im East End auskennen.
Das Areal, in dem die Morde geschahen, umfaßte doch nur wenige Quadratkilometer. Unser Dorf ist größer, hat allerdings nicht so viele Versteckmöglichkeiten. In Whitechapel konnte man überall ganz leicht untertauchen; fadenscheinige Zäune bildeten keine wirklichen Hindernisse und die völlig verwahrlosten Hinterhöfe luden lichtscheues Gesindel geradezu ein, um sich dort zu verbergen. Dort war es sicher noch dunkler, als auf den Straßen, wenn das überhaupt möglich war. Ich kann mir nicht vorstellen, daß man dort in den Mordnächten gesucht hat.

Gruß Stordfield
« Letzte Änderung: 04.04.2009 22:54 Uhr von Stordfield »