Autor Thema: Murder Ballads  (Gelesen 7766 mal)

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Seelenecho

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Murder Ballads
« am: 14.05.2007 10:55 Uhr »
Hiermit möchte ich ein neues Thema beginnen, das ich unter den Titel "Murder Ballads" stelle. (Anmerkung: Der Titel ist inspiriert von Nick Cave.) Ich finde es interessant, einmal Gedichte, Songtexte, kleine Geschichten etc. zusammenzutragen, die das Thema "Mord" behandeln. Ich bin auf die Idee gekommen, weil mir in letzter Zeit einige solcher Texte über den Weg gelaufen sind. Eigene Texte sind ebenso angsprochen wie Texte anderer Autoren. Große Namen sind durchaus erwünscht.
Ich möchte auch gleich den Anfang machen mit einem Liedtext, den ich jüngst fand.

Long Black Veil
(Danny Dill and Marijon Wilkin)

Ten years ago on a cold dark night
Someone was killed 'neath the town hall light
The people who saw they all agreed
That the slayer who ran looked a lot like me

She walks these hills in a long black veil
she visits my grave when the night winds wail
Nobody knows, nobody sees
Nobody knows but me

The judge said, "son, what is your alibi?
If you were somewhere's else, then you won't have to die"
I said not a word, though it meant my life
For I'd been in the arms of my best friend's wife

The scaffold is high and eternity near
She stands in the crowd and she sheds not a tear
But sometimes at night when the cold winds moan
In a long black veil she cries o'er my bones.


(Zit. nach http://sniff.numachi.com/pages/tiLGBLVEIL;ttLGBLVEIL.html)

Seelenecho

  • Gast
Re: Murder Ballads
« Antwort #1 am: 14.05.2007 10:56 Uhr »
Die Kindsmörderin.

      Horch - die Glocken hallen dumpf zusammen,
    Und der Zeiger hat vollbracht den Lauf,
Nun, so sei's denn! - Nun, in Gottes Namen!
    Grabgefährten, brecht zum Richtplatz auf.
Nimm, o Welt, die letzten Abschiedsküsse!
    Diese Thränen nimm, o Welt, noch hin!
Deine Gifte - o, sie schmeckten süße! -
    Wir sind quitt, du Herzvergifterin!

Fahret wohl, ihr Freuden dieser Sonne,
    Gegen schwarzen Moder umgetauscht!
Fahre wohl, du Rosenzeit voll Wonne,
    Die so oft das Mädchen lustberauscht!
Fahret wohl, ihr goldgewebten Träume,
    Paradieseskinder, Phantasien!
Weh! sie starben schon im Morgenkeime,
    Ewig nimmer an das Licht zu blühn.

Schön geschmückt mit rosenrothen Schleifen,
    Deckte mich der Unschuld Schwanenkleid,
In der blonden Locken loses Schweifen
    Waren junge Rosen eingestreut.
Wehe! - die Geopferte der Hölle
    Schmückt noch jetzt das weißliche Gewand;
Aber, ach! - der Rosenschleifen Stelle
    Nahm ein schwarzes Todtenband.

Weinet um mich, die ihr nie gefallen,
    Denen noch der Unschuld Liljen blühn,
Denen zu dem weichen Busenwallen
    Heldenstärke die Natur verliehn!
Wehe! - menschlich hat dies Herz empfunden!
    Und Empfindung soll mein Richtschwert sein!
Weh! vom Arm des falschen Manns umwunden,
    Schlief Luisens Tugend ein.

Ach, vielleicht umflattert eine Andre,
    Mein vergessen, dieses Schlangenherz,
Überfließt, wenn ich zum Grabe wandre,
    An dem Putztisch in verliebten Scherz!
Spielt vielleicht mit seines Mädchens Locke,
    Schlingt den Kuß, den sie entgegenbringt,
Wenn, verspritzt auf diesem Todesblocke,
    Hoch mein Blut vom Rumpfe springt.

Joseph! Joseph! auf entfernte Meilen
    Folge dir Luisens Todtenchor,
Und des Glockenthurmes dumpfes Heulen
    Schlage schrecklich mahnend an dein Ohr -
Wenn von eines Mädchens weichem Munde
    Dir der Liebe sanft Gelispel quillt,
Bohr' es plötzlich eine Höllenwunde
    In der Wollust Rosenbild!

Ha, Verräther! nicht Luisens Schmerzen?
    Nicht des Weibes Schande, harter Mann?
Nicht das Knäblein unter meinem Herzen?
    Nicht was Löw' und Tiger schmelzen kann?
Seine Segel fliegen stolz vom Lande!
    Meine Augen zittern dunkel nach;
Um die Mädchen an der Seine Strande
    Winselt er sein falsches Ach!

Und das Kindlein - in der Mutter Schooße
    Lag es da in süßer, goldner Ruh,
In dem Reiz der jungen Morgenrose
    Lachte mir der holde Kleine zu -
Tödtlichlieblich sprach aus allen Zügen
    Sein geliebtes theures Bild mich an,
Den beklommnen Mutterbusen wiegen
    Liebe und - Verzweiflungswahn.

Weib, wo ist mein Vater? lallte
    Seiner Unschuld stumme Donnersprach';
Weib, wo ist dein Gatte? hallte
    Jeder Winkel meines Herzens nach -
Weh! umsonst wirst, Waise du ihn suchen,
    Der vielleicht schon andre Kinder herzt,
Wirst der Stunde unsres Glückes fluchen,
    Wenn dich einst der Name Bastard schwärzt.

Deine Mutter - o, im Busen Hölle! -
    Einsam sitzt sie in dem All der Welt,
Durstet ewig an der Freudenquelle,
    Die dein Anblick fürchterlich vergällt.
Ach, mit jedem Laut von dir erklingen
    Schmerzgefühle des vergangnen Glücks,
Und des Todes bittre Pfeile dringen
    Aus dem Lächeln deines Kinderblicks.

Hölle, Hölle, wo ich dich vermisse,
    Hölle, wo mein Auge dich erblickt!
Eumenidenruthen deine Küsse,
    Die von seinen Lippen mich entzückt!
Seine Eide donnern aus dem Grabe wieder,
    Ewig, ewig würgt sein Meineid fort,
Ewig - hier umstrickte mich die Hyder -
    Und vollendet war der Mord.

Joseph! Joseph! auf entfernte Meilen
    Jage dir der grimme Schatten nach,
Mög' mit kalten Armen dich ereilen,
    Donnre dich aus Wonneträumen wach;
Im Geflimmer sanfter Sterne zucke
    Dir des Kindes grasser Sterbeblick,
Es begegne dir im blut'gen Schmucke,
    Geißle dich vom Paradies zurück.

Seht! da lag's entseelt zu meinen Füßen, -
    Kalt hinstarrend, mit verworrnem Sinn
Sah ich seines Blutes Ströme fließen,
    Und mein Leben floß mit ihm dahin! -
Schrecklich pocht' schon des Gerichtes Bote,
    Schrecklicher mein Herz!
Freudig eilt' ich, in dem kalten Tode
    Auszulöschen meinen Flammenschmerz.

Joseph! Gott im Himmel kann verzeihen,
    Dir verzeiht die Sünderin.
Meinen Groll will ich der Erde weihen,
    Schlage, Flamme, durch den Holzstoß hin! -
Glücklich! glücklich! Seine Briefe lodern,
    Seine Eide frißt ein siegend Feu'r,
Seine Küsse! - wie sie hochan flodern! -
    Was auf Erden war mir einst so theu'r?

Trauet nicht den Rosen eurer Jugend,
    Trauet, Schwestern, Männerschwüren nie!
Schönheit war die Falle meiner Tugend,
    Auf der Richtstatt hier verfluch' ich sie! -
Zähren? Zähren in des Würgers Blicken?
    Schnell die Binde um mein Angesicht!
Henker, kannst du keine Lilje knicken?
    Bleicher Henker, zittre nicht!



(Zit. nach http://gutenberg.spiegel.de/schiller/gedichte/kindsmrd.htm)

Seelenecho

  • Gast
Re: Murder Ballads
« Antwort #2 am: 14.05.2007 19:45 Uhr »
Der Glockenguß zu Breslau

          War einst ein Glockengießer
Zu Breslau in der Stadt,
Ein ehrenwerter Meister,
Gewandt in Rat und Tat.

Er hatte schon gegossen
Viel Glocken, gelb und weiß,
Für Kirchen und Kapellen
Zu Gottes Lob und Preis.

Und seine Glocken klangen
So voll, so hell, so rein:
Er goß auch Lieb und Glauben
Mit in die Form hinein.

Doch aller Glocken Krone,
Die er gegossen hat,
Das ist die Sünderglocke
Zu Breslau in der Stadt.

Im Magdalenenturme
Da hängt das Meisterstück,
Rief schon manch starres Herze
Zu seinem Gott zurück.

Wie hat der gute Meister
So treu das Werk bedacht!
Wie hat er seine Hände
Gerührt bei Tag und Nacht!

Und als die Stunde kommen,
Daß alles fertig war,
Die Form ist eingemauert,
Die Speise gut und gar:

Da ruft er seinen Buben
Zur Feuerwacht herein:
Ich laß auf kurze Weile
Beim Kessel dich allein.

Will mich mit einem Trunke
Noch stärken zu dem Guß;
Das gibt der zähen Speise
Erst einen vollen Fluß.

Doch hüte dich, und rühre
Den Hahn mir nimmer an:
Sonst wär es um dein Leben,
Fürwitziger, getan!

Der Bube steht am Kessel,
Schaut in die Glut hinein:
Das wogt und wallt und wirbelt,
Und will entfesselt sein.

Und zischt ihm in die Ohren,
Und zuckt ihm durch den Sinn,
Und zieht an allen Fingern
Ihn nach dem Hahne hin.

Er fühlt ihn in den Händen,
Er hat ihn umgedreht:
Da wird ihm angst und bange,
Er weiß nicht, was er tät.

Und läuft hinaus zum Meister,
Die Schuld ihm zu gestehn,
Will seine Knie umfassen
Und ihn um Gnade flehn.

Doch wie der nur vernommen
Des Knaben erstes Wort,
Da reißt die kluge Rechte
Der jähe Zorn ihm fort.

Er stößt sein scharfes Messer
Dem Buben in die Brust,
Dann stürzt er nach dem Kessel,
Sein selber nicht bewußt.

Vielleicht, daß er noch retten,
Den Strom noch hemmen kann:
Doch sieh, der Guß ist fertig,
Es fehlt kein Tropfen dran.

Da eilt er, abzuräumen,
Und sieht, und will's nicht sehn,
Ganz ohne Fleck und Makel
Die Glocke vor sich stehn.

Der Knabe liegt am Boden,
Er schaut sein Werk nicht mehr.
Ach, Meister, wilder Meister,
Du stießest gar zu sehr!

Er stellt sich dem Gerichte,
Er klagt sich selber an:
Es tut den Richtern wehe
Wohl um den wackern Mann.

Doch kann ihn keiner retten,
Und Blut will wieder Blut:
Er hört sein Todesurtel
Mit ungebeugtem Mut.

Und als der Tag gekommen,
Daß man ihn führt hinaus,
Da wird ihm angeboten
Der letzte Gnadenschmaus.

Ich dank euch, spricht der Meister,
Ihr Herren lieb und wert,
Doch eine andre Gnade,
Mein Herz von euch begehrt.

Laßt mich nur einmal hören
Der neuen Glocke Klang!
Ich hab sie ja bereitet:
Möcht wissen, ob's gelang.

Die Bitte ward gewähret,
Sie schien den Herrn gering,
Die Glocke ward geläutet,
Als er zum Tode ging.

Der Meister hört sie klingen,
So voll, so hell, so rein:
Die Augen gehn ihm über,
Es muß vor Freude sein.

Und seine Blicke leuchten,
Als wären sie verklärt:
Er hatt in ihrem Klange
Wohl mehr als Klang gehört.

Hat auch geneigt den Nacken
Zum Streich voll Zuversicht;
Und was der Tod versprochen,
Das bricht das Leben nicht.

Das ist der Glocken Krone,
Die er gegossen hat,
Die Magdalenenglocke
Zu Breslau in der Stadt.

Die ward zur Sünderglocke
Seit jenem Tag geweiht:
Weiß nicht, ob's anders worden
In dieser neuen Zeit.



(Zit. nach http://gutenberg.spiegel.de/muellerw/gedichte/glockeng.htm)

Seelenecho

  • Gast
Re: Murder Ballads
« Antwort #3 am: 20.05.2007 16:06 Uhr »
Heinrich Heine
Belsazar

Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.

Nur oben in des Königs Schloss,
Da flackert's, da lärmt des Königs Tross.

Dort oben in dem Königssaal
Belsazar hielt sein Königsmahl.

Die Knechte sassen in schimmernden Reihn
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
So klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.

Und blindlings reisst der Mut ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

Und er brüstet sich frech und lästert wild;
Die Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.

Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovahs geraubt.

Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.

Und er leert ihn hastig bis auf den Grund
Und ruft laut mit schäumendem Mund:

"Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn -
Ich bin der König von Babylon!"

Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward's heimlich im Busen bang.

Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.

Und sieh! und sieh! an weisser Wand
Das kam's hervor, wie Menschenhand;

Und schrieb, und schrieb an weisser Wand
Buchstaben von Feuer und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da sass,
Mit schlotternden Knien und totenblass.

Die Knechtschar sass kalt durchgraut,
Und sass gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsazar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.


(zit. nach http://gutenberg.spiegel.de/heine/gedichte/belsazar.htm)