Autor Thema: Nietzsche vs. Ripper  (Gelesen 6170 mal)

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keule

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Nietzsche vs. Ripper
« am: 09.02.2007 12:34 Uhr »
Ich glaube zwar nicht, dass das Thema hier hingehört, aber ich befasse mich gern mit Friedrich Nietzsche. Erst jetzt ist mir aufgefallen ,dass die Rippermorde zeitgleich zu den letzten Monaten in Nietzsches Leben geschahen, als er noch bei Bewusstsein war, bevor er Anfang 1889 in geistige Umnachtung fiel. Ist alles nicht so wichtig, aber wenn man darüber nachdenkt, sind beide wohl die zwei geheimnisumwittertsten und legendenbelastendsten Personen aus dieser Zeit, die beide, natürlich auf vollkommen gegensätzliche Weise irgendwie völlig am Durchdrehen waren und die Welt bis zum heutigen Tage mächtig erschüttert haben. Und in der"Blütezeit" des Rippers, September 1888, wurde das Buch "der Antichrist" veröffentlicht. Eine Bezeichnung, die irgendwie auch auf Jack the ripper gut passen würde. Ich habe mir einfach überlegt,dass Jack the Ripper für den äusseren Wahnsinn der Zeit steht, und Nietzsche, als Übergenie, für den Inneren.Ob das jemanden interessiert, weiss ich nicht, aber es wäre interessant, ob jemand noch andere Geschichten über Wahn oder Wahnsinnige dieser Zeit kennt. Vielleicht könnte man feststellen, dass diese Zeit besonders prädestiniert dafür war.  :icon_twisted:

Alexander-JJ

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Re: Nietzsche vs. Ripper
« Antwort #1 am: 09.02.2007 12:56 Uhr »
Nein, die damalige Zeit war ganz und gar nicht "wahnsinnig" oder etwas in der Richtung. Der echte Wahn, Revolutionen, Weltkriege, ethn. Konflikte von extremen Ausmaß, waren das Markenzeichen des 20. Jahrhunderts. Für 50 bis 60 Jahre schlugen die Völker mit aller Kraft aufeinander ein (tatsächlich und bildlich gesprochen). Zwei Supermächte machten diesem Wahnsinn dann ein Ende. Die Entwicklung dorthin begann freilich schon vor 1871 oder 1895 oder welche Jahreszahl man auch annehmen möchte. Aber gerade England war ja der Ruhepol in einer stürmischer werdenden Welt und die wahre "Unruhe" kam dann von Osten (von England aus gesehen). England war ja der Vorläufer der westlichen Supermacht, also die Keimzelle der späteren (heutigen) Ordnung.


Man kann das ganze Problem auch global betrachten und muss feststellen das die Erschütterungen der damaligen Welt nicht den ganzen Globus betrafen wiegleich die Ordnung späterer Zeiten (also heute) auch nicht den ganzen Globus betreffen.

Ja, ja, ich weiß, sobald die USA im Irak einen Helikopter verlieren, haben sie "schwere" Verluste erlitten und der Weltfrieden steht auf dem Spiel und wir werden alle im Chaos untergehen ... ;)


Oder einfacher: Nietzsche und JTR sind an sich selbst bzw an ihren Leidenschaften, Trieben und Ideen (obwohl fraglich ist, ob JTR überhaupt Ideen hatte) wahnsinnig geworden und am Ende elendig zugrunde gegangen.

Nietzsche stand und steht für den Wahnsinn, den manche Diktatoren/Regime und auch gewählte Regierungen befällt, JTR für den Wahnsinn, der einen einzelnen Menschen befallen kann. Aber sie sind beide keineswegs Abziehbilder ihrer Zeit oder repräsentativ für die Bevölkerung.


 :)

Floh82

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Re: Nietzsche vs. Ripper
« Antwort #2 am: 09.02.2007 15:59 Uhr »
Da Nietzsche einer meiner Lieblingsphilosophen ist und leider sehr oft missinterpretiert wird, möchte ich mich mal dazu äußern.

Nietzsches Wahnsinn entstammt wohl eher einer wirklichen Krankheit, heute würde man vielleicht Psychose dazu sagen. Wenn man bedenkt das unter anderem Schopenhauer einer der "Lehrer" Nietzsches war, ist es gar nicht verwunderlich das ein Mensch der von der Überwindung des Mensch-Seins spricht, von einer Art Übermensch (wobei über bei Nietzsche für darüber hinweg, nicht für darüber stehend steht, soll heißen: Der Mensch ist die Übergangsstation die der Übermensch nehmen muss um erst zum Übermenschen zu werden), verrückt wird. Schopenhauer war ein zutiefst depressiver Mensch, kein Menschenfreund eher ein Misanthrop. Schopenhauer bezeichnet, so hat auch Einstein ihn gerne zitiert, den Menschen als ein Wesen dass von seinem Willen versklavt wird ("Der Mensch kann zwar tun was er will, aber nicht wollen was er will.". Nietzsche und Schopenhauer sind, Schopenhauer noch sehr viel mehr, also eher als Philosophen zu betrachten die ihre Umgebung und die Menschheit als schwierig betrachteten. Als nicht vollkommen. Nietzsches Ausspruch "Gott ist tot." passt auch in den Kontext eines sehr zweifelnden Menschens der seiner Zeit ein wenig vorraus war.

Vom Philosophen zu JtR, nun der Übergang ist etwas schwierig, wie ich finde. Hier haben wir es mit einem Menschen zu tun der höchstwahrscheinlich aus einem Trieb heraus gehandelt hat. Das lustige daran ist...er wäre das ideale Beispiel Schopenhauers gewesen...ein Mann der Untertan seines Willens ist, seiner Triebe.

Nietzsche und JtR sind keine Modegeschöpfe gewesen, sondern rein zufällig einer Zeit entsprungen (dazu muss man aber auch sagen: In völlig anderen Ländern, die politisch und gesellschaftlich völlig anders standen).

Stordfield

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Re: Nietzsche vs. Ripper
« Antwort #3 am: 09.02.2007 17:40 Uhr »
Hallo !

Es gab doch aber zur Zeit der Ripper - Morde ziemlich viele Irrenanstalten und eine Menge Leute wurden dort eingeliefert . Immer wieder kann man lesen , daß der und der wahnsinnig wurde ; darunter auch einige Verdächtige .

Gruß Stordfield

Offline Claudia

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Re: Nietzsche vs. Ripper
« Antwort #4 am: 09.02.2007 17:49 Uhr »
@Alex:

Deine politische Meinung in allen Ehren, aber ich glaube, den Gegnern des Irakkriegs geht es nicht darum, ob und wann die Welt im Chaos versinkt, es geht auch nicht darum, die amerikanischen Verluste hochzujubeln.
Vielmehr stellt sich die Frage, ob dieser Krieg berechtigt ist oder vielmehr Ausdruck einer amerikanischen Außenpolitik, die sehr fragwürdige Ziele verfolgt (das merken mittlerweile sogar die Amerikaner ). Es geht hier auch nicht um irgendwelche Helikopter, sondern um zahlreiche Todesopfer auf beiden Seiten (Experten sprechen von mindestens 20.000 irakischen Opfern). Ich wollts nur mal gesagt haben. So einfach scheint mir die Weltordnung nicht gestrickt zu sein, wie Du das darstellst.
So, das war offtopic.

Und was Nietzsche betrifft steht er meines Erachtens auch nicht für den Wahnsinn, der Diktatoren oder Regime befällt, das sind zwei Paar Schuhe...
Ansonsten würde ich mich Flohs Interpretation anschließen, die trifft es recht gut.

Grüße, Claudia



Alexander-JJ

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Re: Nietzsche vs. Ripper
« Antwort #5 am: 09.02.2007 19:07 Uhr »
@ Claudia: Das der derzeitige Irak-Krieg ein illegaler Angriffskrieg zu Lasten des irak. Volkes, begonnen von der USA und ihren Verbündeten, ist, bezweifle ich nicht. Ich meinte eher das trotz dieses Krieges, und anderer Scheußlichkeiten, die Welt eben nicht im Chaos versinkt. Vielmehr geht es meiner Meinung nach seit 45 nach oben, was aber auch nicht heißt das morgen (oder überhaupt irgendwann) das Paradies ausbricht.

Gott ist eben nicht tot (jedefalls nicht total) und die letzten Menschen erfinden auch nicht das Glück (was ihnen das Blinzeln erspart).


 :)

Offline Claudia

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Re: Nietzsche vs. Ripper
« Antwort #6 am: 09.02.2007 19:31 Uhr »
@Alex:

Ok, dann hatte ich das falsch verstanden. Ansonsten stimme ich Dir zu,ich sehe auch eine insgesamt positive Entwicklung, wobei ich mir bewusst bin, daß das eine sehr westliche Sichtweise ist, in manchen afrikanischen Ländern zB mag man das (zurecht) anders sehen. Aber wir wollen nicht in politische Diskussionen abgleiten :icon_wink:

Was Gott betrifft (ob tot oder nicht ) überlasse ich das Spekulieren darüber denen, die an den Kerl glauben :icon_mrgreen:
Wobei ich Nietzsche immer sehr putzig zu lesen fand. Alle Typen die es nach Höherem gelüstet, die aber trotzdem mit 40 noch bei Mami wohnen und sich Stullen schmieren lassen dürfen noch Hoffnung haben...Philosoph kann man immernoch werden :icon_thumb: :icon_wink:

Grüße, Claudia

Offline Isdrasil

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Re: Nietzsche vs. Ripper
« Antwort #7 am: 09.02.2007 19:38 Uhr »
Hi

Ich denke prinzipiell lässt sich an jedem Philosophen, Dichter oder Denker auch der Zeitgeist seiner Epoche festmachen.
Zu Zeiten der industriellen Revolution lassen sich die Spätfolgen der Aufklärung und Säkularisierung sehr gut am Beispiel Nietzsches erkennen. Der Werte und Moralverfall der Gesellschaft lässt ihn darüber nachdenken, ob Gott nun tot sei, er redet von dem Übermenschen (den später die Nazis für ihre Zwecke missbraucht haben) und setzt die Menschheit in seinem Weltbild in einen chaotischen, ungeordneten Zustand, aus dem nur die geistig starken Profit ziehen. Diese Gedankenströmungen lassen sich nur schwer in Geschichtsbüchern und politischen Belangen erkennen. Man denke dabei doch nur einmal an das ständig wachsende ökologische Bewusstsein und die entgegengesetzten politischen Aussagen - der Geist des Volkes bewegt sich meist konträr zum Weltgeschehen.
Ich denke schon, dass wir in dem Chaos leben, das Nietzsche vorausgesagt hat. Erst gestern hat mir ein Kollege gesagt, der endlich von zuhause ausgezogen war, "ich weiss irgendwie nicht, was ich mit meiner Zeit anfangen soll. Ich glaube, ohne Computer wäre ich aufgeschmissen...".
Denken wir doch einmal an uns und jeder einzelne sollte nun ganz ehrlich zu sich selbst sein: Was wären wir ohne Computer, ohne Fernseher, ohne Auto und Technik. Was würden wir mit unserer Zeit anfangen?
Und wenn wir das beantwortet haben, müssen wir uns vor Augen führen, dass all dies zu Zeiten Nietzsches nicht vorhanden war.
Was mein Schluss ist: All der ganze Technikkram wurde vom Menschen kreiert, um genau diese Leere, Gefühlslosigkeit und schließlich das Chaos zu überwinden und sich davon abzulenken. Demnach geht es meiner Meinung nach nicht nach oben, sondern nach unten. Sagt euch "Second Life" etwas? Und hat jemand "Otherland" gelesen? Der Mensch erweitert sich nicht mehr in sein Bewusstsein hinein, sondern er erweitert viel lieber die Aussenwelt durch sein vorhandenes Bewusstsein.

Gott ist tot, und ein Übermensch ist in meinen Augen jemand, der auch losgelöst von den Ablenkungen des Menschseins noch einen Sinn im Leben erkennt. Vielleicht werden die Menschen doch noch erkennen, dass man Geld nicht fressen kann.

Amen, meine Brüder und Schwestern  :icon_wink:

Aber nocheinmal zum Thema: Jack the Ripper und Nietzsche sind für mich eindeutig die Spiegel einer orientierungslosen Gesellschaftsschicht - ich muss jedoch ehrlicherweise hinzu sagen, dass es diese Schicht wohl schon immer gab.

Grüße, Isdrasil

PS: Haltet mich jetzt bloss nicht für so einen Esso-Fuzzi mit Birkenstocksandaletten  :icon_wink:

 

keule

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Re: Nietzsche vs. Ripper
« Antwort #8 am: 09.02.2007 20:31 Uhr »
Dass Genies oder geistige Menschen nur zufällig oder einer Laune der Zeit heraus entspringen, entspricht meiner Meinung nach nicht der Realität. Dabei fällt mir als bestes und aktuellstes Beispiel Thomas Bernhard ein, der mit dem Staat Österreich derartig verwoben erscheint, dass weder Thomas Bernhard ohne Österreich, noch Österreich ohne Thomas Bernhard vorstellbar wäre. Bei Massenmördern ist das sicherlich etwas anderes,  man verbindet hier vielleicht nur zeitliche Gegebenheiten mit der jeweiligen Person. So wie jetzt bei einem Amoklauf die Diskussionen über Computerspiele entstehen, vor zwanzig Jahren hätte man Horrorvideos dafür verantwortlich gemacht. Könnte jemand anhand dieser Vergleiche sagen, was zur damaligen Zeit im öffentlichen Bewusstsein als besonders gefährlich galt, also unter welchem negativen Einfluss Mörder und Durchgeknallte aller Art betrachtet wurden.

Floh82

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Re: Nietzsche vs. Ripper
« Antwort #9 am: 10.02.2007 10:59 Uhr »
@Isdrasil: Nein das tuen wir nicht....ich bin ja auch keiner ;) Ich sitze in meinem Arbeitsleben auch im Anzug vorm Laptop und sinniere nicht auf meinem Sofa über Gott und die Welt *g*. Aber man darf sich auch so mit solchen Fragen beschäftigen ;)

Offline Isdrasil

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Re: Nietzsche vs. Ripper
« Antwort #10 am: 10.02.2007 16:54 Uhr »
...na, da haben wir ja schon einmal eine Gemeinsamkeit  :icon_wink: