Autor Thema: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms  (Gelesen 7584 mal)

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Offline Lestrade

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Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« am: 27.12.2019 14:59 Uhr »
Hallo Freunde!

TV Tipp für Samstag den 28.12.2019 auf ZDF Info:

Jack the Ripper – Auf den Spuren eines Phantoms.

Diese Dokumentation aus diesem Jahr beginnt um 18 Uhr.

Moderiert wird das ganze von der Schauspielerin Emilia Fox ("Silent Witness") und Professor David Wilson.

Gruß, Lestrade.
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Offline Stordfield

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Re: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« Antwort #1 am: 27.12.2019 16:27 Uhr »
Danke schön!
Mr. Wilson ist mir schon des Öfteren durch sehr sachliche und fundierte Interviews und Statements positiv aufgefallen. Durch seine Arbeit als Emeritierter Professor für Kriminologie weiß er, wovon er schreibt bzw. spricht. Da können wir also sehr gespannt sein.

Gruß Stordfield
Du kannst fliehen, wohin Du willst; Du nimmst Dich immer mit.

Offline Arthur Dent 2

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Re: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« Antwort #2 am: 29.12.2019 12:09 Uhr »
Hallo allesamt!

Was haltet Ihr von der neuen Doku? Ich fand, dass sie zwar kaum wirklich Neues an Erkenntnis brachte, aber dafür sehr verständlich und nachvollziehbar einige wesentliche Aspekte des Falles herausgearbeitet und zusammengefasst hat. Außer einzelnen Ungenauigkeiten und Übersetzungsschwächen der Synchro ist mir beim ersten Gucken eigentlich nichts Negatives aufgefallen.

Bedeutend war für mich vor allem die Verwendung des "Holmes"-Programmes, dass den Fall Martha Tabram als höchstwahrscheinlich auch von JTR begangenen Mord einstufte.

Darüber hinaus bestätigte die Doku wieder zentrale Punkte, wie z.B. dass JTR mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Einwohner Whitechapels war, und dass er irgendwo zwischen den Tatorten des Double Events sein Heim oder zumindest einen Rückzugsort hatte.

Zusammenfassend fand ich es eine recht gute - wenn auch aufgrund des dreiviertelstündigen Formats sehr knappe - Einführung in den Fall. Was meint ihr?

Hier für alle Interessierten der Link zur Doku in der ZDF-Mediathek (der Beitrag ist dort bis 27.01.2020 verfügbar):
https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/jack-the-ripper-auf-den-spuren-eines-phantoms-102.html


MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 29.12.2019 12:22 Uhr von Arthur Dent 2 »

Offline Lestrade

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Re: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« Antwort #3 am: 29.12.2019 15:46 Uhr »
Hallo ihr Beiden!

Du, Arthur, sagst eigentlich schon alles. Ich hatte diese Doku, möglicherweise auch nur ein Teil davon, bereits vor einiger Zeit gesehen.

Was mir weniger gefällt, wenn man auf diesem Niveau auftritt, ist, dass "Kosminski" immer automatisch Aaron Kozminski darstellen soll. Natürlich ist das sehr wahrscheinlich aber es bleibt immer noch die kleine Möglichkeit, dass es sich um einen anderen Mann handeln könnte. Gerade Swanson Aussage, dass jener Kosminski alsbald starb, lässt diese Möglichkeit etwas offen. Möglich ist doch vieles und "Zufälle", sollte man in diesem Falle wahrhaftig nicht ausschließen.

Adam Wood´s Buch Anfang kommenden Jahres könnte vielleicht neue Überlegungen hervorbringen.

Ich weiß nicht, ob ihr das schon mitbekommen habt:

https://www.dailymail.co.uk/news/article-7831203/Is-final-proof-Jack-Ripper-Polish-barber.html?fbclid=IwAR0TnTemVnD86ed1HFoH0MngtXR4Jrmp7cYIfSvXRvP1KGH3QXTMdfyuNPE

Dazu möchte ich euch aber lieber persönlich meine Meinung mitteilen.

Gruß, Lestrade.
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« Antwort #4 am: 29.12.2019 16:55 Uhr »
Hallo Lestrade!

Zitat
Was mir weniger gefällt, wenn man auf diesem Niveau auftritt, ist, dass "Kosminski" immer automatisch Aaron Kozminski darstellen soll. Natürlich ist das sehr wahrscheinlich aber es bleibt immer noch die kleine Möglichkeit, dass es sich um einen anderen Mann handeln könnte.

Ja, dass sie das Thema der eigentlich großen Anzahl an diskutierten Verdächtigen so knapp abgehandelt haben, dürfte wohl die größte Schwäche der Doku sein - da gebe ich dir recht.
Man hätte ja zumindest in zwei, drei Sätzen sagen können, dass eigentlich Dutzende von Verdächtigen diskutiert werden, und dass es so absurde wie z.B. den vorgestellten Prinz Albert Victor, aber auch durchaus ernst zu nehmende wie den von der Polizei selbst genannten "Kosminski" gibt.
Aber darüber auch noch die Diskussion zu eröffnen, ob "Kosminski" nun tatsächlich Aaron war, hätte dann wohl m.E. doch den knappen Rahmen gesprengt. Und damit kann sogar ich als Verfechter der Jacob-Levy-These leben, wenn man so eine 45-Min-Doku als knappe Einführung in das Thema sieht - da gab es wesentlich schlechter gemachte.
Alles, was sie an Schlussfolgerungen angeführt haben, passt ja auch auf andere ernstzunehmende Kandidaten wie Levy.

Was mir besonders wichtig war, hatten sie im Gegensatz zu den meisten anderen Dokus drin:
Nämlich dass erstens das Double Event aus der Perspektive des Geoprofilings einen deutlichen Hinweis darauf gibt, dass JTR wohl einen Ankerpunkt oder sogar sein Heim irgendwo zwischen den beiden Tatorten hatte, weil er m.E. nach der unterbrochenen Tat erst mal in Richtung Zuflucht unterwegs war, bevor er sich wegen des inneren Drucks entschied, es woanders noch mal zu versuchen.
Und dass zweitens so ein marodierender Täter versucht, einen gewissen Mindestabstand zu seinem Heim/Ankerpunkt zu halten, um das Risiko zu verkleinern, zufällig von jemanden gesehen zu werden, der ihn kennt. Ich hatte doch mal diese Karten mit den Pufferzonen um Jacob Levys Lebensmittelpunkt gepostet, wie du dich vielleicht erinnerst (s.u.).


MfG, Arthur Dent

Offline Arthur Dent 2

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Re: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« Antwort #5 am: 29.12.2019 17:00 Uhr »
Hier noch mal mein kleines geographisches Profil für Jacob Levy als möglichen Ripper:

Ich finde es ja sehr interessant für den Fall, dass die bekannten bzw. wahrscheinlichen Fluchtwege von JTR in Richtung Butcher`s Row bzw. Middlesex Street zu führen scheinen.

Offline Arthur Dent 2

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Re: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« Antwort #6 am: 29.12.2019 17:50 Uhr »
Hi Leute!

Ich habe das geographische Profil mit den Fluchtrichtungen und "Sicherheitszonen" um die Ankerpunkte jetzt auch mal schnell für Aaron Kozminski angefertigt. Auch im Fall Kozminski sieht man, wie gewisse Pufferzonen um die Wohnorte seiner Familie und die Butcher's Row eingehalten werden, und dass die Fluchtrichtungen des Double Event zu der Zone um Kozminskis Lebensmittelpunkt zu führen scheinen. Und auch für Kozminski gilt wie für Jacob Levy, dass das mutmaßlich erste Opfer Martha Tabram auch räumlich sehr nahe am Lebensmittelpunkt des Verdächtigen war - moderne Profiler betonen ja  immer, dass man ein besonderes Augenmerk auf das erste Opfer eines marodierenden Serienmörders werfen sollte, weil diese erste Tat oft in der Nähe eines Ankerpunktes geschieht.

Falls noch etwas hinzugefügt oder korrigiert werden müsste, teilt es mir bitte mit.


MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 29.12.2019 18:37 Uhr von Arthur Dent 2 »

Offline Lestrade

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Re: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« Antwort #7 am: 29.12.2019 21:11 Uhr »
Danke Arthur!

Was ich noch sagen kann, via Pat Marshall und Chris Phillips, ist, dass es mit den Adressen von Woolf Abrahams etwas verwirrend ist. Die Tochter Rebecca wurde in der Schule (gegenüber des Tatortes Stride) am 28.11. 1887 angemeldet. Abgemeldet wurde sie am 11.10. 1888 nach dem Double Event. Ihre Adresse war dabei 25 Providence Street. Man kann bei letzeren von einem Umzug ausgehen es aber nicht beweisen. Im März 1889 lautete die Adresse dann 34 Yalford Street wo bei Rebecca´s Schulanmeldung (Settle Street) ihr Geburtsdatum geändert wurde. Dabei fehlen dann ein knappes halbes Jahr. Warum macht man das? Es entsteht der Eindruck, als sei sie nie in der Berner Street Schule gewesen. Auf einer Wahlrolle findet man Woolf allerdings noch im Juli 1888 in der 62 Greenfield Street. Eine Möglichkeit könnte sein, dass Woolf tatsächlich im November in die 25 Providence Street zog aber dennoch nicht ganz aus der 62 Greenfield Street verschwunden war. Bei einer kranken Person dieser Art, Aaron, könnte man nun spekulieren, dass Woolf einmal mit seiner Frau und Kinder separat wohnte und einmal mit seinem Bruder zusammen (auch später noch "his brother´s house in Whitechapel"?). Passen würde es auch zu diversen Presseberichten (Oktober 1888 "he lived some time ago with a woman, by whom he has been accused. Her statements are, it is stated, now being inquired into" &"He has been reported to the police by a woman who he has been living with and is at present under close surveillance"). In diesem Falle könnte auch Woolf der Wäschebringer und Wäscheabholer bei Mrs. Kuer in der Batty Street gewesen sein, gerade dann, wenn er sich um seinen Bruder kümmerte. Vielleicht führte die blutige Hemden Spur zu einer Befragung von Woolf´s Frau Betsy durch die Polizei mit wichtigen Informationen. Das wären zwei wichtige Ankerpunkte für Aaron Kozminski als möglichen Ripper gewesen, die 62 Greenfield Street und ein Shop in der Butchers Row (falls er auch Sagar´s Verdächtiger war). Zwei Locations, wo er nachts und an Wochenend- und Feiertagen alleine sein konnte. Der in der Doku angesprochene Kleiderwechsel wäre hierbei schnell und unbemerkt möglich gewesen. Nun gut, konstruieren kann man viel.

Lestrade.
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« Antwort #8 am: 30.12.2019 00:49 Uhr »
Hi Lestrade!

Zitat
Was ich noch sagen kann, via Pat Marshall und Chris Phillips, ist, dass es mit den Adressen von Woolf Abrahams etwas verwirrend ist.

Ja, das mit dem Umzug kurz nach dem Double Event hattest du ja schon früher thematisiert und das finde ich auch ein auffälliges Zusammentreffen, das im Verdachtsfall Kosminski Beachtung als Facette für das Gesamtbild verdient. Ich hatte Woolf auf der Karte nur allein in der Providence Street platziert, weil er bei fünf von den sechs Morden dort gemeldet war und das mit der Yalford Street nur zu mehr Kuddelmuddel auf der Karte geführt hätte, ohne noch einen echten Mehrwert an Info bezüglich des Lebensmittelpunkts zu bieten.

Zitat
Der in der Doku angesprochene Kleiderwechsel wäre hierbei schnell und unbemerkt möglich gewesen.

Ja, wobei die Beschreibungen dennoch sehr ähnlich waren und der wesentliche Unterschied eigentlich in dem roten Halstuch bestand. Eine clevere Idee: Man kann das Blut damit abwischen, ohne dass die Flecken im Dunkeln gleich auffallen würden.

Zitat
Nun gut, konstruieren kann man viel.

Das schon, aber letztendlich besteht die ganze Detektivarbeit ja aus der Konstruktion eines Gesamtbildes. Wesentlich sind hierbei doch die Teile, die nicht ins Bild passen, weil sie den anderen Teilen widersprechen - denn sowas kann eine Theorie zerstören, wenn die Widersprüche nicht aufgelöst oder zumindest erklärt werden können. Können die Teile hingegen schlüssig eingepasst werden, können sie helfen das Puzzlebild zu vervollständigen.

Was den von dir verlinkten Artikel mit dem Bild von Kozminski angeht:
Bisher hatte ich ja kein Bild von ihm gesehen. Und ich finde, dieses Bild von Kozminski ist ein weiteres gutes Indiz, das für den Tatverdacht gegen ihn spricht. Er hatte ja schon Ähnlichkeit mit den Beschreibungen der Zeugen: Dunkle Haare, ein dünner und damit heller erscheinender Schnurrbart, offenbar blasse Haut... Vor allem wirkt der Mitzwanziger auf diesem Bild auch tatsächlich älter, als er ist, und könnte für über 30 Jahre gehalten werden - das Alter von Kosminski war ja einer der wesentlichen Widersprüche zu den Zeugenbeschreibungen, die den Verdächtigen als über 30 einschätzten. Möglicherweise ließen seine Krankheit und Lebensweise ihn tatsächlich älter erscheinen. Ein weiterer Punkt, der für die Kozminski-These spricht.


MfG, Arthur Dent


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Re: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« Antwort #9 am: 30.12.2019 16:38 Uhr »
Gut gesagt, Arthur!

Heuer bin ich mir halt nicht mehr so sicher, ob BS Man (Schwartz) und der Mann am Mitre Square (gesehen von Lawende, Levy und Harris) ein und dieselbe Person waren und ob es sich überhaupt dabei um den Ripper handelte. Selbstverständlich ist das auch aus meiner Sicht immer noch möglich. Was ich für wahrscheinlicher halte ist, dass Mrs. Long (Chapman Mord) den Ripper sah. Ihr "schäbig vornehm" passt gut zu der Beschreibung von Sergeant White (natürlich mit Vorsicht zu genießen). Überhaupt könnte die Sichtung (und die Storys darüber) durch einen Polizisten am Mitre Square zumindest Lawende´s Verdächtigen eliminieren. Wir sind also jetzt wieder beim Aussehen von "Kosminski". Das kreierte Bild von Aaron Kozminski aufgrund von Familienbildern finde ich ebenfalls gut. Ich würde allerdings ein finsteres Gesicht erwarten auch aufgrund von Cox Beschreibung "sein teuliches Antlitz wirkte wilder als sonst" (dazu sagte er ja 1,65m groß und kurze, schwarze lockige Haare - letztere "Locken" gab es tatsächlich bei weitere Nachkommen der Kozminskis-).

Du erinnerst dich sicherlich an Presse Berichte u.ä. aus 1889 und später die wir vor längere Zeit beim, glaube ich, Levy Thema diskutierten. Da ging es um Beschreibungen von drei Männern. Eine davon erinnerte durch die Ausdrucksweise als ob sie aus dem Hause Anderson (Sims, Griffiths und Macnaghten) stammte. Gerade aufgrund dessen, bewahre ich mir stets etwas Skepsis ob es sich bei "Kosminski" um Aaron Kozminski handelte. "Kosminski" könnte ja auch deshalb ein Mann gewesen sein, der einst anerkannt, verheirat war und Kinder hatte und wohlmöglich sogar einmal ein "fähiger Geschäftsmann gewesen ist (nichts ist feststellbar bei Aaron Kozminski). So, wie man es z.B. bei Jacob Levy feststellen kann. Alles zusammengenommen, habe ich immer intuitiv das Gefühl, dass "Kosminski" etwas älter als 23 Jahre in 1888 war. Das und die Aussagen Swanson mit dem zeitigen Ableben bereiten mir bis heute noch etwas Kopfschmerzen. Auch hierbei wirkt ein Mann wie Jacob Levy passender. Manchmal frage ich mich, ob es vielleicht tatsächlich möglich war, dass der Ripper- Verdächtige dennoch aus der Familie von Aaron Kozminski stammte aber eben nicht jener war, auch wenn dieser ebenfalls in Colney Hatch landete. Warum sollen nicht zwei Personen aus einer (sehr großen) Familie stammen und die gleiche oder eine ähnliche Erkrankung gehabt haben? Einer (Aaron) mit nach außen hin nicht (so) gefährlichen Verhaltensweise und einer ("Kosminski") mit "mörderischen Tendenzen"? Lücken für einen unbekannten "Kosminski" (vielleicht über die Lubnowskis) sollten in dieser Familie sogar möglich sein. Klar, wirkt das etwas spinnert aber bestimmte Zufälle will ich einfach nicht ausschließen. Auch sollten wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es vielleicht möglich war, den "wahren Jack the Ripper" nach Colney Hatch (und ins Arbeitshaus) zu bringen ohne das es dafür offizielle Aufzeichnungen gegeben hätte... aus Gründen... Wie gesagt, sehr unwahrscheinlich das alles aber wirklich auch unmöglich? Aber gerade die Bewegungen von Woolf Abrahams (beschrieben in meinem letzten Post) bringen Aaron Kozminski in den Rahmen. Hatte vielleicht aber eben auch andere Gründe. Wer weiß...

Immer wenn ich Swanson Aussagen lese, denke ich jedesmal, dass er erwartet hatte, dass der Verdächtige "Kosminski" dem Tode geweiht war. Zurück zu den Presseberichten aus 1889 und später wo von Syphilis und Alkoholismus die Rede war (auch hier muss man wieder an Jacob Levy denken). Bei Aaron Kozminski ist dort nichts von zu finden aber vielleicht war das bei "Kosminski" der Fall. Glaubt man der Kosminski und der Halifax Letter, dann könnte "Kosminski" immer noch am Leben gewesen sein, Sommer 1889 und Sommer 1890. Passt immer noch zu Aaron Kozminski, schließt aber nicht aus, dass ein anderer "Kosminski" vor Aaron´s Einweisung in Colney Hatch starb, kurz nachdem er eingeliefert worden war. "Nichts konnte in dieser Angelegenheit weiter unternommen werden" sagte Anderson einst. Nun ja, vielleicht konnten sie ihn zumindest "verschwinden" lassen.     

Ich erwarte im Swanson Buch von Adam Wood Anfang des neuen Jahres für mich noch etwas mehr Klarheit in der Sache Aaron Kozminski.

Lestrade.
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« Antwort #10 am: 30.12.2019 18:19 Uhr »
Hi Lestrade!


Zitat
Lücken für einen unbekannten "Kosminski" (vielleicht über die Lubnowskis) sollten in dieser Familie sogar möglich sein. Klar, wirkt das etwas spinnert aber bestimmte Zufälle will ich einfach nicht ausschließen.

Also für mich wirkt das gar nicht "spinnert" - mir ist ebenso wie dir bewusst, dass wir nur mit den Verdächtigen arbeiten können, die uns aktuell bekannt sind. Es kann auch m.E. sehr gut sein, dass wir einige "bessere" Verdächtige noch gar nicht auf dem Schirm haben und scheinbare Widersprüche "unsere" Verdächtigen betreffend auch dadurch und nicht nur aufgrund der durchwachsenen Quellenlage mit ungenauen oder gar fehlerhaften Informationen zustande gekommen sind.

Ich habe ja selber schon vor einiger Zeit hier im Forum geschrieben, dass ich Jacob Levy persönlich lediglich deshalb für den am besten passenden Verdächtigen halte, weil ich JTR aus diversen Gründen für einen psychisch krank gewordenen jüdischen Metzger aus dem East End halte - und Jacob unter allen Metzgern aus der Gegend, die ich bisher kenne, am besten auf diesen Prototypen passt. Sollte mir irgendwann ein anderer psychisch krank gewordener jüdischer Metzger aus der Gegend begegnen, auf den die uns bekannten Infos besser passen, würde auch ich ihn sofort als Verdächtigen fallen lassen. Sollte sich gar irgendwann vielleicht herausstellen, dass ich mit der Metzger-These völlig falsch liege, hätte ich auch keine Probleme damit, wenn mir ein besserer Verdächtiger präsentiert wird - ebenso wie du bereit bist, zwischen den von der Polizei als "Kosminski" bezeichneten Hauptverdächtigen und Aaron Kozminski zu differenzieren und weitere Indizien zu suchen, die deren Identität zu bestätigen oder widerlegen helfen.

Es ist ja tatsächlich gut möglich, dass wir uns hier an den Falschen abarbeiten, nur weil uns allen der echte JTR in der ganzen Forschung noch nie über den Weg gelaufen ist, oder wir zwar mal von ihm gehört haben, aber wegen schlechter Quellenlage einfach nicht genug über ihn wissen, um bemerken zu können, dass das eigentlich ein besserer Verdächtiger ist.
Man denke nur z.B. mal an Charles Lechmere/Cross: Ich glaube zwar nicht, dass er JTR war, aber bevor Holmgren ihn sich mal genauer unter die Lupe genommen hatte, war er nur einer von zahlreichen unauffällig wirkenden Zeugen. Heute wissen wir z.B., dass er auf seinen Wegen durchs East End verdammt nah an den Tatorten vorbei kam und auch noch Fleischauslieferer war - und er ist als erster am Nichols-Tatort inzwischen ein ernsthafterer Verdächtiger als die meisten der "Klassiker".

Zitat
Immer wenn ich Swanson Aussagen lese, denke ich jedesmal, dass er erwartet hatte, dass der Verdächtige "Kosminski" dem Tode geweiht war. Zurück zu den Presseberichten aus 1889 und später wo von Syphilis und Alkoholismus die Rede war (auch hier muss man wieder an Jacob Levy denken). Bei Aaron Kozminski ist dort nichts von zu finden aber vielleicht war das bei "Kosminski" der Fall.

Deine gesunde Skepsis in allen Ehren, aber wenn ich daran denke, wie herunterkommen er in der letzten Phase seine Freiheit gewesen sein soll: Da kann so ein Polizist, der ja kein Arzt ist, schon mal den Eindruck bekommen, dass der Mann es vermutlich nicht mehr lange machen würde. So ein rascher gesundheitlicher Verfall bis zum frühen Tod war ja kein Einzelfall in dem Elend im East End.

Allerdings gebe ich dir Recht, dass der Fall JTR so spektakulär auch für die Profis von der Polizei war, dass simple Verwechslungen wohl eher unwahrscheinlich gewesen wären. Man verwechselt vielleicht ein paar Taschendiebe, mit denen man mal vor längerer Zeit zu tun hatte, aber sicher nicht so einfach die Hauptverdächtigen in der übelsten Mordserie des ganzen Berufslebens. Das könnte man nur damit erklären, dass selbst diese leitenden Polizeibeamten nach dem Ende der Ermittlungen praktisch nur noch Infos vom Hörensagen über das weitere Schicksal ihrer Hauptverdächtigen bekamen und dass diese Polizisten auch unterschiedliche Hauptverdächtige hatten. Allerdings wussten die Beamten das ja auch untereinander, wer welchen als seinen Hauptverdächtigen ansah. An diesem Punkt der Fallgeschichte knabbere ich auch schon die ganze Zeit: Es ist ja ziemlich unwahrscheinlich, dass die alle sich nur mit ihren eigenen Lieblingskandidaten wichtig machen wollten. Insbesondere bei solchen privaten Notizen wie denen Swansons gibt es ja keinen Grund, dabei an seiner Lauterbarkeit zu zweifeln: Er glaubte das wirklich, was er da schrieb. 


MfG, Arthur Dent


« Letzte Änderung: 30.12.2019 19:52 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« Antwort #11 am: 30.12.2019 20:19 Uhr »
Hi Arthur!

Er glaubte das wirklich, was er da schrieb.

Und glaubte das bereits 1895... es ist so schwer vorstellbar, dass Swanson diesen Fehler machte, falls es denn überhaupt einer war...

Bei Isaac Abrahams, Aaron´s Bruder, waren beim CID Report zu dessen Einbürgerung 1901 u.a. Swanson und Anderson beteiligt, letzterer bestätigte den Bericht mit seiner Unterschrift. Auch sah man sich wohl zu dieser Zeit Isaac Abrahams noch einmal persönlich an.

War man sich bewusst, dass dieser Mann der Bruder des vermeintlichen Jack the Ripper war? Das alles war ca. 10 Jahre her und niemand, sprich Swanson oder Anderson, hätte darin jetzt automatisch einen Bruder sehen müssen, selbst wenn sie zur Zeit der Ripper Morde miteinander zu tun hatten. So ein (normaler) Name geht vielleicht schnell mal über den Schreibtisch. Ist ja auch nicht wichtig, was die Todesfrage bezüglich Aaron Kozminski betrifft, wenn man ohnehin glaubt, dass dieser Mann bereits lange tot ist. Aber hier hätte eine Chance bestehen können, einen möglichen Fehler zu korrigieren (Swanson). Ob das Thema damals noch einmal zur Sprache kam oder nur bei diesen und jenen Assoziationen weckte, wissen wir nicht.

Klar ist eben, dass für Swanson und Anderson der Ripper früh in´s Gras biss. Macnaghten ist klar, er war sich nicht sicher, ob "Kosminski" noch in einer Anstalt war oder nicht und das im Jahre 1894.

Zum Verdächtigen von Cox, äußerte sich dieser selbst in etwa so:

"Das Rätsel bleibt ungelöst, bis nicht jemand auftaucht, der sich selbst einwandfrei belasten kann, jener blutrünstige Dämon zu sein bzw. der wahre Mörder wieder mit seinen Taten auf der Bildfläche erscheint und auf frischer Tat ertappt wird. Dann ist er noch am Leben fragen sie? Ich weiß es nicht. Soviel ich weiß, ist er möglicherweise tot. Persönlich kann ich aber eh nichts beweisen.

Sein Kollege Sagar:

"Man nimmt an, dass er sich auf den Weg nach Australien gemacht hat und dort dann starb. "Die Polizei ist zufrieden mit der Identität des Mannes", bemerkte der Inspektor, "aber was aus ihm geworden ist, wissen wir nicht."

Für "Australia" lasse ich eventuell noch "Austria" gelten.

Angenommen auch Cox und Sagar sprachen über "Kosminski", dann waren sie, genau wie Macnaghten", tatsächlich unsicher was diesem Mann wirklich widerfuhr. Aber, dass der Mann nicht mehr unbedingt lange lebte ist auch deren Tendenz. Wenn jemand etwas mehr oder besser wusste, dann sicherlich ein Mann wie Swanson in seiner Position (Anderson natürlich auch). 

Etwas, was ich eher ungern formuliere, weil "Verschwörung", ist, dass es tatsächlich Menschen gegeben haben könnte, mit mehr Einfluss als ein Anderson, die daran interessiert waren, Aaron Kozminski "sterben" zu lassen. Beinahe unvorstellbar für mich.

Lestrade.
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Re: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« Antwort #12 am: 31.12.2019 16:09 Uhr »
Hallo Lestrade!

Zitat
Etwas, was ich eher ungern formuliere, weil "Verschwörung", ist, dass es tatsächlich Menschen gegeben haben könnte, mit mehr Einfluss als ein Anderson, die daran interessiert waren, Aaron Kozminski "sterben" zu lassen. Beinahe unvorstellbar für mich.

Also, ich bin da hin- und hergerissen:

Einerseits lässt sich vieles damit erklären, dass man schließlich keinen eindeutig überführten Täter hatte, sondern verschiedene Hauptverdächtige der verschiedenen Ermittler, und dass sie nach Abschluss der offiziellen Ermittlungen praktisch nur noch als Privatleute über inoffizielle Kanäle etwas zu deren Schicksal erfuhren wie jeder andere in der Stadt auch - da können sich Fehler über das Stille-Post-Prinzip eingeschlichen und/oder sich korrekte Informationen mit Gerüchten vermischt haben bzw. irrtümlicherweise den falschen Verdächtigen zugeordnet worden sein. Zumindest für die niedrigeren Dienstränge in der Polizei und jene Spitzenbeamte, die nicht in alle Details des Falles eingeweiht waren, wäre das recht gut nachvollziehbar.

Andererseits war der Fall aber auch ein Politikum:
Er hätte entweder zum sozialen Aufstand im East End oder gar, falls man JTR als einen Juden identifiziert hätte, zum Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung eskalieren können.
Und da schon während der Ermittlungen explizit aus diesem Grund Beweise vernichtet wurden (das Goulston Street Graffiti), halte ich es durchaus für möglich, dass man zumindest während der ersten Zeit nach der Mordserie, als das gesellschaftliche Klima noch aufgeheizt war, in den oberen Etagen von Polizei und Politik der Ansicht gewesen sein könnte, deeskalierende Infos seien besser als vielleicht verunsichernde Fakten (Z.B. "Wir sind uns nicht ganz sicher, ob der es wirklich war, oder ob JTR doch noch frei rumläuft").
Das Streuen der Info von der sicheren Überwachung und baldigen Einweisung bis zum frühen Tod des mutmaßlichen Täters hätte dann vor allem dazu gedient, die Bevölkerung und die einfachen Polizisten zu beruhigen und zur Entspannung der Lage im East End beizutragen. Und man hätte das eigene Versagen bei der Ergreifung von JTR relativieren können. Macnaghtens Memorandum hatte ja auch die Funktion, die wieder aufkochenden Wogen zu glätten: Er präsentierte darin drei "Hauptverdächtige", von denen keine Gefahr mehr ausging, weil sie entweder tot oder zu der Zeit weggeschlossen waren.
Die Frage wäre dann, wer wieviel wusste. Hatte z.B. Swanson tieferen Einblick, oder glaubte er selbst am Ende einfach die Aussagen von höherer Seite? Es ist ja auch heutzutage noch eine heikle Frage, wie mit Dienstgeheimnissen umgegangen wird.
Leider wird es für so etwas wohl keine belastbaren Dokumente geben, denn einen Entschluss zur Täuschung der Öffentlichkeit und der einfachen Polizisten wird man wohl kaum schriftlich festgehalten haben.
Viele Jahre nach Ende der Mordserie dann, als klar war, dass die Bedrohung durch JTR und den Mob auf den Straßen tatsächlich zu Ende war, sah die Sache anders aus: Nun trauten sich einige vielleicht wieder, etwas mehr von dem preiszugeben, was sie wussten oder zumindest zu wissen glaubten.

Vielleicht war es auch eine Kombination von beidem. Aber das sind natürlich alles nur Gedankenspiele, solange wir nicht über mehr Hintergrundinfos dazu verfügen.


MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 31.12.2019 16:35 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms
« Antwort #13 am: 01.01.2020 16:25 Uhr »
Frohes neues Jahr, Arthur!

Wie Du es formulierst, da kann man nichts weiter hinzufügen.

Mal sehen, wie sich alles so weiterentwickelt.

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