Autor Thema: Verborgene Akten?  (Gelesen 18118 mal)

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Offline Shadow Ghost

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Verborgene Akten?
« am: 11.01.2017 17:29 Uhr »
Hallo!

Bei meinen Recherchen zum Mord an Hedwig Nitsche (Berlin, 1891) bin ich auf folgenden interessanten Zeitungsschnippsel gestossen:

Berliner Gerichts-Zeitung (Berlin)
Thursday, 29 October 1891


[...] es ist daher der Anregung Folge gegeben worden, von der Londoner Polizeibehörde die gegen den Whitechapler Frauenmörder "Jack the Ripper" geführten Akten kommen zu lassen, um aus denselben festzustellen, zu welchem Resultat man dort bezüglich des Motivs zu den unheimlichen Verbrechen gekommen ist, welche mit dem in der Holzmarktgasse so große Aehnlichkeit haben.


Es stellten sich mir sofort die Fragen:

Haben die Berliner wirklich Akten angefordert?
Könnten diese Akten noch heute in Berlin existieren?
Wären diese Akten vielleicht heute einsehbar?

Viele Grüße,
Shadow Ghost

Offline Lestrade

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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #1 am: 11.01.2017 20:17 Uhr »
 :good:
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Offline thomas schachner

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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #2 am: 12.01.2017 15:26 Uhr »
..und dann haben sie diese in ein kloster zum abschreiben gegeben?
scannen und ausdrucken war zur damaligen zeit eher schwierig .-)
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Offline Shadow Ghost

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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #3 am: 12.01.2017 16:11 Uhr »
..und dann haben sie diese in ein kloster zum abschreiben gegeben?
scannen und ausdrucken war zur damaligen zeit eher schwierig .-)

Hallo Thomas,

dessen bin ich mir durchaus bewusst. Aber dass einzelne Dokumente tatsächlich handschriftlich kopiert wurden, dürfte doch auch nicht so unüblich gewesen sein... oder bin ich da gänzlich auf dem Holzweg in meiner jugendlichen Begeisterung?

Und selbst, wenn aus London nur eine Synopsis diverser Akten gekommen wäre, wäre das doch toll, falls wir die heute noch fänden.

Ich persönlich glaube auch nicht, dass es da noch viel gibt. Ich meine zwar, einmal gehört zu haben, dass das Polizeipräsidium am Alexanderplatz im Weltkrieg nicht so sehr zerstört wurde, aber was heißt das schon.

Dennoch könnten sich auf diesem Wege neue Möglichkeiten eröffnen zu erfahren, was die Londoner Polizei damals über den Fall dachte und anderen Polizeibehörden mitteilte. Und Ripper-ähnliche Morde gab es ja nicht nur in Berlin... Und wenn die Berliner Polizei auf eine solche Idee kommt, können es andere Polizeibehörden auch.

Und wenn das Ganze eine Sackgasse ist, was haben wir verloren? -- Okay, wertvolle Lebenszeit, aber das ist ein anderes Kapitel...

Offline thomas schachner

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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #4 am: 18.01.2017 08:23 Uhr »
gut möglich, dass bestimmte passagen handschriftlich übertragen wurden, falls man wichtige infos entnehmen konnte. man müsste halt mal die nitsche-akten organisieren und einsehen .-)
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Offline esm

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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #5 am: 20.01.2017 04:31 Uhr »
wertvolle Lebenszeit, die ich schon vergeudet habe   :morning1:

siehe
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1082.msg15903.html#msg15903

Offline Shadow Ghost

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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #6 am: 28.02.2017 17:04 Uhr »
Die Berliner Behörden haben dann wohl doch Akten aus London bekommen:

Norddeutsche allgemeine Zeitung (Berlin)
Tuesday, 10 November 1891
Abend-Ausgabe

Aus Berlin
rg. In der Mordsache Nitsche sind jetzt die Berichte der Londoner Polizeibehörde über die fünf Frauenmorde in Whitechapel bei der hiesigen Kriminalpolizei eingegangen. Es befindet sich darin eine Notiz, auf welche man hier großen Werth legen zu sollen glaubt, und welche möglicherweise Licht in die räthselhafte Angelegenheit bringt. Das Nähere entzieht sich noch der Oeffentlichkeit.


Viele Grüße,
Shadow Ghost

Offline Lestrade

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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #7 am: 28.02.2017 17:14 Uhr »
Nach einigen Versuchen, verschiedenster Art, an die Informationen zu kommen, telefonierte ich mit der Behörde und stellte darauf eine offizielle Anfrage! Das war am 8. Februar. Bis jetzt keine Antwort. Werde noch einmal nachhaken aber wohl erst am Wochenende, momentan viel Arbeit.

Die Akte existiert noch und so, wie ich es verstand, wird sie sogar noch irgendwie genutzt. Uns bleibt zu hoffen, dass sie vollständig ist und noch die Informationen der Londoner Polizei enthält.

Danke, für diesen weiteren Fund, Shadow.

Gruß, Lestrade.
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Offline CRoW

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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #8 am: 01.03.2017 08:06 Uhr »
Das ist ja alles hoch Interessant!

Es spicht sich alles zu

Offline esm

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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #9 am: 01.03.2017 11:26 Uhr »
Hi,

welche Stelle sagt denn, dass die Akte noch existiert?
Ich habe mir meine damalige Recherche eben nochmal angesehen, nach meinen Informationen hat das Landesarchiv zwar Akten zu  Fahndungen und Todesermittlungen aus den Jahren 1869 bis 1945. Allerdings haben dortige Archivbestände alle kriegsbedingte Lücken.  Laut konkreter Auskunft des Landesarchives existiert keine Akte zum Fall Nitzsche/Schulze. Diese Aussage ist allerdings 10 Jahre alt, es würde mich trotzdem wundern, wenn sich der Aktenbestand in der Zwischenzeit geändert hätte...
Die Polizeihistorische Sammlung Berlin hält ebenfalls keine Akten zu dem Fall (Aussage ebenfalls 10 Jahre alt).

Als einziges offizielles Dokument zu Nitsche liegt mir glaube ich aber irgendwo deren Totenschein vor, dieser stammt aber aus keinem der oben genannten Archive. Habe wohl auch noch diverse Zeitungsartikel dazu.

Offline Lestrade

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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #10 am: 01.03.2017 18:36 Uhr »
Hallo esm!

Ich kann nur sagen, dass man mir dort eine andere Auskunft am Telefon gab. Name, Mordfall und Jahr sowie Adresse ergaben einen Treffer für eine Akte. Wie erwähnt, wird diese sogar noch genutzt, es war für Lehrzwecke o.ö., ich weiß es nicht mehr genau. Die Einsicht der Akte, war der auskunftgebenen Person nicht möglich. Sie gab mir die Adresse einer Person, die diese Akte auch einsehen und weitere Auskunft geben kann. Dahin schickte ich meine Anfrage. Mehr kann ich nicht sagen. Keine Ahnung, was da in 10 Jahren passiert sein könnte. Wir müssen einfach abwarten. Ich werde am Wochenende noch einmal nachfragen. Wir können ja nicht einmal ahnen, was und wieviel diese Akte wirklich enthält und ob sie vollständig ist. Mein ursprünglicher Vermittler riet mir auch dringend, vor ein paar Tagen, an der Sache dranzubleiben und nachzuhaken. Sollten tatsächlich darin wichtige Informationen enthalten sein, ich bin da eher pessimistisch, dann informiere ich Shadow ersteinmal, da ich niemals dort, ohne seinen interessanten Fund, nachgefragt hätte.

Gruß, Lestrade.
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Offline Lestrade

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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #11 am: 01.03.2017 19:34 Uhr »
Btw.:

Neil Bell, Fachmann in Polizeifragen, hat mir erzählt, dass die Londoner Polizei und Polizeibehörden auf dem Kontinent sehr gut miteinander kommunizierten und sie sich gegenseitig unterstützten. Die Franzosen schulten z.B. ihre englischen Kollegen in Forensik. Ohne Zweifel, so sagt er, ist es möglich, dass die Londoner Polizei wichtige Informationen des Ripper Falles an ihre deutsche Kollegen weitergaben.
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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #12 am: 03.03.2017 12:52 Uhr »
Erneute Anfrage ist raus, auch mit dem Hinweis auf Shadow´s zweiten Artikel.
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Offline Lestrade

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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #13 am: 03.03.2017 14:38 Uhr »
Antwort soeben erhalten!

Meine ursprüngliche Anfrage kam an und wurde auch in die Bearbeitung gegeben. Allerdings erhielt der Kontakt noch keine Zuweisung diese zu beantworten. Man schaut nun, wo sie hängengeblieben ist.
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Offline Lestrade

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Re: Verborgene Akten?
« Antwort #14 am: 11.03.2017 00:14 Uhr »
Heute kam die Antwort aus Berlin!

Krankheit war wohl der Grund der Verzögerung.

Nach Absprache mit Shadow, kann ich folgende Informationen mitteilen:

In der Zentralkartei für Mordsachen und Lehrmittelsammlung befindet sich eine Akte (Nr. 1749), in der es um eine Reihe von Delikten geht (Aufschlitzen des Unterleibes), die zwischen dem 18. März 1890 und dem 21. Februar 1891 in Küstrin und Umgebung begangen wurden.

Opfer waren sechs Prostituierte, u.a. eine Frau Nitsche (als einzige Tote), der Vorname ist hier nicht angegeben. Als Hauptverdächtiger galt ein gewisser Fritz Sturzebecher, dem die Taten jedoch nicht nachgewiesen werden konnten. Der Ausgang der Ermittlungen ist aus den Unterlagen nicht zu ersehen. Die Akte enthält u.a. Berichte, Signalements und Schriftwechsel zwischen den Behörden. Man hatte den bekannten Berliner Kommissar Ernst Gennat hinzugezogen. Nach Durchsicht der Akte konnte ich keine Hinweise auf einen Kontakt mit Behörden in London finden. Die eigentlichen Ermittlungsakten befanden sich also in Küstrin. Ob sich dort Unterlagen erhalten haben ist zweifelhaft.

Ich fragte sofort umgehend danach, was zu tun ist, um wohlmöglich in Küstrin noch selber aktiv werden zu können. Die Antwort muss ich abwarten. Wir wollen ja nichts ungenutzt lassen.

Der Name Fritz Sturzebecher ergab via Google dann sogar einen Treffer, nämlich genau dahin, wo die Informationen auch herkamen:

http://www.14641-bredow.de/aprbrrep030-03.pdf

Es war eine Reihe von Taten, sechs insgesamt, wobei nur eine tödlich endete, die an Hedwig Nitsche.

Die anderen Betroffenen waren:

Pauline Wilden
Wilhelmine Zimmermann
Ernestine Fricks
Lucie Belgerin
Emilie Müller

Der Verdächtige war der Anstreicher Fritz Sturzebecher. Er wurde am 17.08. 1869 in Morrn bei Landsberg/ Warthe geboren.

Beim Beginn dieser Verbrechen, wäre Fritz Sturzebecher 20 Jahre alt gewesen und am Ende dieser Serie, 21 Jahre.

Ohne genaueres zu wissen, fand diese Serie offenbar in Küstrin und Umgebung statt, alle ohne Todesfolge. Die Ausnahme war der Mord in Berlin an Frau Nitsche. Alle Opfer waren Prostituierte. Kann mir vorstellen, dass man nach dem Mord in Berlin, von Küstrin aus, die Berliner Polizei informierte und jener Kommissar Gennat auch in Küstrin tätig wurde. Könnte gut sein, dass der Verdächtige irgendwie mit der Tat in Berlin in Verbindung gebracht werden konnte.

Küstrin liegt nur 50km von meiner Heimatstadt in Brandenburg weg, fast genauso weit, wie von Berlin- Zentrum. Früher nutzen wir diesen Ort, um günstig einzukaufen, zu Tanken und Zigaretten zu kaufen, da Küstrin heute in Polen liegt. Ich muss schauen, ob es da noch deutsche Ortsteile gibt.

Ich muss zugeben, dass ich bei Shadow´s gefundenen Artikel: "Es befindet sich darin eine Notiz, auf welche man hier großen Werth legen zu sollen glaubt" sofort daran dachte, dass die Berliner Polizei einen Verdächtigen hatte, der dem Alter von Aaron Kozminski entsprach. Diese Ahnung, so sinnig oder unsinnig sie auch sein mag, hat sich heute nun bestätigt.

Ich frage mich natürlich, wie die nicht tödlichen Attacken an den anderen Opfer ausgeführt wurden. Auch frage ich mich, ob alle überlebenden Opfer ihn nicht hätten identifizieren können und was aus ihm wurde. Dazu fehlen natürlich bisher die Details. Ich werde noch einmal nachfragen, ob man diese Unterlagen auch persönlich einsehen kann und inwieweit man darüber etwas veröffentlichen kann. Ist dem so, dann würde ich u.U. auch nach Berlin fahren bzw. auch nach Küstrin. Verbinde ich mit einem Besuch meiner Familie in meiner alten Heimatstadt.

Londoner Akten, wären dann wohl nur noch in Küstrin zu finden aber das scheint recht unwahrscheinlich.

Ich weiß jetzt nicht, wie ihr das seht aber es scheint mir, so sieht es auch Shadow, ein spannender Fall zu sein, der uns möglicherweise im Ripper Fall tatsächlich irgendwie weiterhelfen kann.

Ich denke, es gilt dranzubleiben an der Sache.

Nochmals recht vielen und großen Dank an Shadow.

Ich setze das dieser Tage auch in das JTRForums und/oder Casebook.

Lestrade.

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