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Andromeda1933

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Der Skandal um Lady Harriet Mordaunt
« am: 12.04.2016 19:54 Uhr »
Der Mordaunt Skandal

Lady Harriet Mordaunt (geb. Moncreiffe) 7/2/1848 – 9/5/1906

Lady Harriet wuchs in Perthshire/Schottland auf. Die Familie war riesig, ihre Eltern hatten insgesamt 16 (!) Kinder. Die Atmosphäre im Schloss der Familie Moncreiffe wurde als liberal und ungezwungen beschrieben. Die acht Töchter der Familie waren oft in den Salons der örtlichen Gesellschaft gesehen. Offenbar gab es in der schottischen Familie Moncreiffe eine Lebensfreude, die dem viktorianischen England fremd war. Die spätere Lady Mordaunt war hübsch und dem Flirten nicht abgeneigt, eigenwillig und etwas unausgeglichen. So wie es auch heutige Teenager sind.
Bereits mit 18 Jahren heiratete sie Sir Charles Mordaunt, der 12 Jahre älter war. Das Paar lebte fortan in Walton Hall, Warwickshire.

Das Ehepaar gehörte nun zum sogenannten „Marlborough House Set“, einem Gesellschaftskreis, der auch mit dem Prinzen und der Prinzessin von Wales verkehrte. Die Ehe erschien glücklich. Allerdings verhielt sich die junge Lady mit der Zeit nicht mehr den viktorianischen Regeln entsprechend. Sie empfing Besuch anderer Herren, auch wenn ihr Gatte nicht zu Hause war.
Damals ein untragbares Benehmen.
Im Juni 1886 bereitete sich Sir Charles auf seine jährliche Angelreise nach Norwegen vor.
Lady Harriet wollte scheinbar nicht mitreisen und schlug ihm vor, allein zu fahren. Es wurde vereinbart, dass eine ihrer Schwestern und und auch eine andere Dame bei ihr in Walton Hall blieb.
Als Sir Charles vorzeitig zurückkehrte, fand er seine Frau allein vor. Später bezeugte eines der Hausmädchen, die Lady hätte Besuch gehabt, einen gewissen Viscount Cole, der nach dem Essen mit ihr allein blieb („bis zu sehr später Stunde“). Einen anderen Tag waren die beiden zusammen mit dem Zug von Paddington nach Reading gefahren, wobei sie die einzigen Reisenden in einem Abteil waren (Schockschwerenot!). Weitere Bedienstete gaben ebenfalls später ihre Meinung zu Coles Besuch in Walton Hall zum Besten.
Am 28.2.1869 gebar Lady Harriet vorzeitig eine Tochter, Violet Caroline. Das Kind wurde zuerst fälschlicherweise als blind bezeichnet, worauf die Lady hysterisch reagierte, denn dies sollte, nach Aussage des Arztes, die Folge einer sexuell übertragbaren Erbkrankheit sein.
Die Gerüchteküche brodelte, weil ein gewisser Freddy Johnstone, ein guter Freund des Prinzen von Wales, unter einer solchen Krankheit litt – und die Lady soll angeblich ihrem Mann gegenüber geäußert haben, dieser Johnstone wäre einer (!) ihrer Liebhaber gewesen.
So soll sie ihrem Mann erklärt haben, dass das Kind nicht von ihm, sondern von Cole sei und sie hätte ihn ebenfalls mit diesem Freddy Johnstone, dem Prinzen von Wales und anderen betrogen, „oft und am helllichten Tag“.
Der Skandal nahm enorme Ausmaße an – aber war eigentlich wirklich etwas derartiges passiert?

Sir Charles erbrach den Schreibtisch seiner Frau und fand u.a. einige Briefe des Prinzen von Wales an Lady Harriet. Der Prinz hatte, und das nicht zum ersten Mal, dumm gehandelt, diese Briefe zu schreiben (er wurde später auch einmal mit einem Brief erpresst, aber das ist eine andere Geschichte). Eine Untugend, die er zeitlebens beibehalten sollte....
Der Inhalt dieser Briefe war völlig harmlos (sie wurden später in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht) und entsprach denen, die er später an eine andere Frau schreiben sollte. Jene Frau war des Prinzen Geliebte (Alice Keppel), aber war es auch Lady Harriet?
Die oft angeführte Geschichte mit den beiden Ponies ist vermutlich wahr und entspricht dem Handeln eines verletzten „Nobelman“ jener Epoche. Sir Charles kam eines Tages nach Walton Hall zurück und fand seine Frau in Begleitung des Prinzen von Wales und 2 weißen Ponies vor.
Diese waren vermutlich ein Geschenk des Prinzen. Nachdem er diesen des Hauses verwiesen hatte, erschoss Sir Charles die beiden Ponies in Gegenwart seiner Gattin.
Am 20.April 1869 klagte Sir Charles auf Scheidung. Angesichts ihres nervösen und irrationalen Wesen nach der Geburt ihrer Tochter Violet und den zahlreichen Details der Affaire, die sie von den Bediensteten in Walton Hall erfuhren, betrachte Lady Harriets Familie ihre Tochter offiziell für geisteskrank und verteidigungsunfähig.
Vermutlich tat sie das in Wirklichkeit nicht, sondern es ging den Eltern Harriets lediglich darum, den Ruf ihrer noch unverheirateten Töchter zu schützen.
Sir Charles hingegen bestand während des Scheidungsprozesses darauf, dass Lady Harriet einen geistigen Zusammenbruch nur vortäuschen würde. Eine Kommission wurde einberufen, die feststellen sollte, ob Harriet Mordaunt wahrhaftig geisteskrank war. Der Prince of Wales wurde seitens des Anwalts der Lady sieben (!) Minuten lang befragt, dieser verneinte energisch, dass es bei seinen Besuchen auf Walton Hall (in Abwesenheit von Sir Charles) zu „kriminellen Handlungen“ gekommen sei. Der Anwalt von Sir Charles befragte den Prinzen nicht.
Nach sieben Verhandlungstagen entschied das Gericht, dass Lady Mordaunt zur Zeit der Anklagepunkte unzurechnungsfähig und später nicht mehr in der Lage war, ihren Anwalt auf den Prozess vorzubereiten. Dennoch wurde die Lady einem Irrenhaus überstellt. Das Niveau der Betreuung psychisch/geistig Kranker jener Epoche verdient das Wort „Krankenhaus“ nicht.
Gleichzeitig wurde der Scheidungsantrag von Sir Charles verworfen. Der Dreckskerl hatte sein eigentliches Ziel nicht erreicht, wurde seine Gattin jedoch auf andere Weise los.
Lady Harriet kam in eine Anstalt nach Chiswick. Der Klinik des Direktors Thomas H.Tuke wurde ein, für die damalige Zeit, gewisses Maß an Menschlichkeit nachgesagt.
Nach mehreren weiteren Versuchen, bis hin zu einem Antrag beim House of Lords, erreichte Sir Charles sein Ziel. Die Ehe wurde 1875 geschieden. Nun war der Weg frei für den Herrn.
Im Jahr 1878 konnte er, inzwischen 42 Jahre alt, erneut heiraten. Seine zweite Frau, die Pfarrerstochter Mary Cholmondeley, war bei der Hochzeit 16 Jahre alt..... Mary erlangte später als Schriftstellerin einen guten Namen. Einer ihrer Romane trug den Titel „Prisoners“.
Harriet Mordaunt starb im Mai 1906, bis zu ihrem Tod blieb sie hinter den Mauern einer Anstalt weggesperrt. Insgesamt 35 Jahre lang.
Ihre Tochter Violet heiratete 1890. Ihr Vater, Sir Charles, wurde von der Familie Moncreiffe nicht zur Hochzeit eingeladen und soll darüber tatsächlich erbost gewesen sein.

Ann Druitt, die Mutter eines der Jack-The-Ripper-Kandidaten (Montague Druitt) beendete ihr Leben gleichfalls hinter den Mauern einer Irrenanstalt. Sie starb 1890.
Interessant daran ist, dass die landesweite Kommission für Patienten dieser Anstalten über lediglich 12 Fälle regelmässigen Bericht führte. Auf dieser winzigen Liste finden sich Lady Mordaunt und eben Ann Druitt.
Später wurde Annie Crook über Monate hinweg im Guy's Hospital festgehalten, bevor auch sie für geisteskrank befunden wurde. Annie Crook hatte eine (uneheliche) Tochter mit dem Prinzen von Wales. Im Krankenhaus kannten sie die Bediensteten unter dem Namen „Mordaunt“!
Eine schmutzige Anspielung darauf, dass beide Frauen eine Beziehung mit dem Prinzen hatten.
Viele Indizien deuten auf den Leibarzt ihrer Majestät Sir William Gull hin, der vermutlich hinter den schicksalsschweren Befunden „Geisteskrank“ der beiden Frauen steckte. Sir Gull war auch der Leiter des Guy's Hospital.
Die Queen hatte von ihrem Sohn eine vernichtende Meinung, so warf sie ihm auch zeitlebens vor, für den frühen Tod seines Vaters (aus Gram über dessen unmoralischen Lebenswandel) verantwortlich zu sein. Sicherlich versuchte sie alles, um das Ansehen der Krone vor weiteren Schaden zu bewahren. Innerhalb der Bevölkerung und seitens der Presse gab es bereits massive Kritik an der Lebensweise des Thronfolgers. Lady Harriet Mordaunt und Annie Crook waren hinter den Mauern der Anstalten zum Schweigen gebracht worden. Die Einweisung in ein „Asylum“ kam damals einer lebenslänglichen Haftstrafe gleich.



Nachbetrachtung

Der Mordaunt-Skandal war maßgeblich daran beteiligt, dass die Proteste gegen die Monarchie große Ausmaße annahm. Die Queen war in der Öffentlichkeit nicht mehr zu sehen, gleichzeitig forderte sie 30.000£ für die Hochzeit ihrer Tochter. Der allgemeine Unmut war groß.
Die „Reynold's Newspaper“ fragte, warum der Prinz (ein junger verheirateter Mann) so eifrig bemüht war, einer jungen verheirateten Dame wöchentlich Besuche zu machen, wenn alles so unschuldig wäre?
Die Empörung der Öffentlichkeit über das Königshaus, insbesondere in Person des Prinzen von Wales, verschärfte sich nach der Entscheidung des Gerichts, Lady Harriet für wahnsinnig zu erklären. Die „Daily News“ bezweifelte beides, den Wahnsinn Lady Harriets und die Aussagen des Prinzen. Die „Reynold's Newspaper“ forderte sogar den Ausschluss des Prinzen aus der Gesellschaft und den Verzicht auf das Thronerbe.
Auch die politische Parteien betrachteten den Skandal als ernsthafte Gefahr für das Königshaus.
Die großen Zeitungen, bis hin zur „Times“ und dem „Daily Telegraph“ fanden in ihrer Kritik an der Monarchie erstmals harte Worte. Der Prinz hätte ein Leben in „domestic purity“ zu führen, da er an sich kein Privatleben habe. Der Thronfolger erschien wie ein Relikt aus frühesten Zeiten, fern aller Moral.