Autor Thema: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.  (Gelesen 18708 mal)

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Offline Sherlock

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Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« am: 13.01.2015 12:36 Uhr »
Hallo zusammen,

zu erst möchte ich mich für die Freischaltung im Forum bedanken und hoffe hier einen regen Austausch zu finden, um unser aller Lieblingsthema.
Persönlich befasse ich mich seit einigen jahrzehnten mit dem JtR Fall, wenn auch nicht so konsequent und fachlich versiert wie man es z.B. von Lestrade und seinen Beiträgen lesen darf und erwartet.

Ich habe im Laufe der Jahre einige mehr oder weniger bekannte Sachbücher zu dem JtR Fall gelesen, sei es das Werk von Tom Cullen,Shirley Harrison, Begg und Fido etc.

Vieles mag Humbug gewesen sein, manches brachte mich zum schmunzeln oder gar zum angeregten nachdenken.

Eines haben die Bücher doch allesamt gemeinsam, worüber ich mich seit Jahren darüber wundere. Die selben, uns bekannten Fotos der Opfer.

Und das ist der Punkt den ich nicht so ganz verstehen möchte, bzw wo ich nicht wirklich einen geschichtlichen Hintergrund finde, wann Tatortfotos für die Ermittlung und Aufklärung eines Falles eminent wichtig geworden sind. Ebenso umfassen die Obduktionsfotos.

Nehmen wir unser aller Lieblingsfall JtR.

Für damalige Zeiten mag ein Mord im East End nichts besonderes gewesen sein. Betrachtet man aber die Umstände des ersten, dem Ripper zugeschriebenen Mordes und dem darauffolgenden an Chapman, fragt man sich schon, warum eine Bedrohung ( etwas neues) wahrgenommen, aber aus heutiger Sichtweise stiefmütterlich behandelt wurde. Zumindest Fototechnisch..
Das die Rippermorde etwas neues und besonderes waren, dürfte jedem Ermittler und Aussenstehenden damals schon klar gewesen sein,spätestens nach dem Chapmanmord.

Daher meine Frage wollte oder konnte man aus technischer Sicht nicht mehr tun, als das was uns bekannt ist?

Ich meine irgendwann mal gelesen zu haben ( kann mich da auch im Fall täuschen) das die Augen der Toten fotografiert wurden, um eventuell das "letzte Bild" auf den Augen der Opfer zu bannen. Wenn man solche Wege einschlug, warum gab es nur so wenig Tatortfotos die gemacht und veröffentlicht wurden,bzw in den Archiven landeten?
Hat man damals nicht das nötige Gefühl gehabt das Fotos in der Beweislage wichtig sein könnten? Das man eventuell "später" auf den Bildern etwas entdecken könnte was den Fall vorrantreibt?
Betrachtet man sich andere Ermittlungswege wie z.B. die Leichenschauen und Obduktionen, dann wirkt das aus damaliger Sicht schon sehr professionell, für den damaligen Standart und sicher dienlich für die Verbrechensaufklärung.

Die Ripperbriefe wurden im Bild festgehalten. Strassenzüge der damaligen Gegend wurden in diversen Einstellungen aufgenommen. Das Leben wie es sich in Whitechapel abspielte kann man auf diversen Bildern betrachten.Ermittler,Verdächtige...alle auf Bildern verewigt. Und schaut man sich hingegen die Fotos der Opfer an.....dann ist das sehr überschaubar.

Nicols 1 Bild Im Sarg(?)
Chapman 1 Bild im Sarg
Stride Obduktionsfoto (?)
Eddowes,nach der Autopsie an die wand gelehnt.
Kelly 2 bekannte Bilder aus 2 verschiedenen Perspektiven.


Gab es damals sowas wie ein Tatortfoto nicht ( abgesehen von Kelly), oder wollte man die Leichen so schnell wie möglich von der Strasse bekommen, um keine Aufstände zu forcieren?

Fragen über Fragen....ich hoffe jemand hat darauf eine Antwort.
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Miyamoto Musashi, 1584-1645. Samurai und Rōnin.

Offline Shadow Ghost

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Re: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« Antwort #1 am: 13.01.2015 20:25 Uhr »
Die Ripperbriefe wurden im Bild festgehalten. Strassenzüge der damaligen Gegend wurden in diversen Einstellungen aufgenommen. Das Leben wie es sich in Whitechapel abspielte kann man auf diversen Bildern betrachten.Ermittler,Verdächtige...alle auf Bildern verewigt. Und schaut man sich hingegen die Fotos der Opfer an.....dann ist das sehr überschaubar.

Hallo Sherlock, willkommen im Forum.

So weit ich das überblicke, wurden die Fotos der Briefe und die Aufnahmen der Strassenzüge erst (deutlich) später als 1888 gefertigt. Viele der Bilder vom East End, die so durch Bücher und Internetseiten geistern, stammen beispielsweise aus dem Buch von Leonard Matters (1929). Auch andere Aufnahmen sind nicht aus der Zeit der Ripper-Morde, sondern erst in den Jahrzehnten danach entstanden. Zum Glück für uns hat sich in der damaligen Zeit eben nicht alles so schnell verändert, so dass uns diese späteren Aufnahmen immer noch einen guten Einblick in den uns interessierenden Zeitraum gewähren.

Auch die Ripper-Briefe wurden wohl zunächst nur archiviert und erst später fotographiert. Es lässt sich sicher auch feststellen, wann und von wem; leider weiß ich das jetzt nicht auswendig. Auch bei den East End-Bildern lässt sich noch feststellen, wann und von wem sie aufgenommen wurden. Im casebook gibt es dazu einen (wenn nicht sogar zwei) ewig lange Threads.

Tatortfotos waren damals nicht üblich. Das liegt zum einen daran, dass die Polizei darauf bedacht war, den Tatort möglichst schnell zu räumen, um Gaffern zu entgehen und wieder Normalität im Verkehr zuzulassen. Größere Zusammenrottungen von Leuten, noch dazu an solch emotional aufgeladenen Plätzen wie Tatorten war wohl auch eher unerwünscht. Bei Kelly lag das natürlich anders, weil der Tatort zum einen innen lag, zum anderen ließ sich Millers Court auch leicht abriegeln. Man denke nur an den schmalen Zugang zum Court.

Ein weiterer Grund dürfte wohl auch in der damaligen Fototechnik zu suchen sein. Denn damals konnten Kameras nicht nach ober oder unten geneigt werden. Deshalb wurden die Leichenfotos der Opfer auch so angefertigt, dass entweder die Särge mit den Leichen leicht schräg gestellt wurden, oder gar die Leichen an einer Art Gestellt aufrecht justiert wurden. Von daher war es ziemlich schwierig, ein auf dem Boden liegendes Opfer zu fotographieren. Kelly lag dagegen auf ihrem Bett leicht erhöht. Ein weiterer Punkt dürfte auch in der Möglichkeit der Ausleuchtung der Tatorte gelegen haben.

Nagel mich bitte nicht auf alles fest, ich gebe Dir nur schnell meinen Meinungs- und Wissensstand wieder; wenn jemand alles genauer erklären kann, würde ich mich über diesen Beitrag sehr freuen.

Viele Grüße,
Shadow Ghost

Offline Lestrade

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Re: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« Antwort #2 am: 13.01.2015 21:01 Uhr »
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Offline Lestrade

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Offline Sherlock

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Re: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« Antwort #4 am: 13.01.2015 22:23 Uhr »
Erstmal vielen lieben Dank für eure Antworten.

Die aufgelisteten Bücher in den Links kannte ich in der Tat noch nicht. Ich hoffe sie sind noch leicht erhältlich, um einen tieferen Eindruck zu erhalten.

Was mich allerdings ein wenig irritiert ( habe die Texte aus dem Casebook noch nicht durchgelesen), ist die Tatsache das die Polizei die Tatorte so schnell räumte.
Ich meine mich zu erinnern das während der Ripper Morde viele (zusätzliche) Polizisten im East End unterwegs waren.  Desweiteren denke ich das man auch über Absperrungen verfügte und genügend Polizisten vor Ort hatte, um die Ermittlungen durch Aussenstehende nicht zu behindern.

Chapman z.B wurde auf einem Hinterhof gefunden, den man zwar durch die angrenzenden Wohnungen einsehen konnte, wo aber der Zugang zum Hinterhof nur durch 2 Zugänge gewährt wurde, einer sogar durch eine Holzwand geschützt, an der Chapman lag. Zugang durch den pöbelnden Mob wäre da eher unwahrscheinlich gewesen.
Ich hole jetzt mal ein wenig aus und führe eine Szene aus dem sicher nicht wirklich relevanten Film "From Hell" ins Feld. Dort war zu beobachten, wie ein Fotograf vom gegenüberliegenden Dach ,den Hinterhof wo Chapman lag, im Bild festhielt. Diese Kamera, bzw das Stativ ließ sich wohl nach oben und nach unten verstellen. Es gibt sogar einige Modelle aus dem Jahre 1888, wo so ein Mechnismus zu sehen ist, sowohl in gezeichneter Form, als auch auf alten Bildern.
Von daher ist es verwunderlich warum solch eine "moderne" Technik nicht Einzug  in die Ermittlungsarbeiten gefunden hat. Zumal man wußte das diese Morde sich doch sehr von den üblichen Verbrechen abhoben, die im East End geschahen. Und wo man unter Hochdruck an einer Lösung ,bzw der Überführung des Mörders arbeitete. Das man solch ein Detail nicht mal annähernd in Betracht zog......

Wäre wirklich interessant zu erfahren wie damals wirklich die Beweisaufnahme,Tatortermittlung etc von statten ging.

"Edith" sagt gerade das ich eben auf die schnelle dieses Bild aus dem Jahr 1888 gefunden, welches eine Kamera mit höhenverstellbaren Einstellungsmöglichkeiten zeigt.



Die technischen Möglichkeiten wären also gegeben gewesen, um die Tatorte auch in aller "schnelle" zu fotografieren, selbst wenn man bemüht war die Tatorte so schnell wie möglich zu räumen.
« Letzte Änderung: 13.01.2015 22:34 Uhr von Sherlock »
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Offline Lestrade

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Re: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« Antwort #5 am: 13.01.2015 23:59 Uhr »
Das wäre noch was, denke ich:

http://www.casebook.org/dissertations/dst-cozart.html

Vom Auffinden der Opfer bis zum Transport ins Leichenschauhaus ging es unterschiedlich schnell, Chapman und Eddowes nicht mal eine Stunde, bei Nichols sollte es nicht anders gewesen sein, Stride 3,30 Stunden, Kelly 2,5 Stunden.

In diesen Timelines findest Du auch noch Hinweise auf die Tatortarbeit der Polizei:

http://www.casebook.org/timeline.nichols.html

http://www.casebook.org/timeline.chapman.html

http://www.casebook.org/timeline.stride.html

http://www.casebook.org/timeline.eddowes.html

http://www.casebook.org/timeline.kelly.html

Die Polizei hielt die Leute dann irgendwann draußen und durchsuchte die Tatorte gründlich (Hinterhof der Hanbury Street, den Dutfields Yard, Mitre Square und Kellys Raum im einzelnen ganz speziell) aber auch die unmittelbare Nachbarschaft usw. Bei Nichols auf dem Gehweg war das zunächst wohl etwas schwieriger. Dazu könnte man, zum Beispiel, auch auf die Tatorte Tabram und Mackenzie schauen.

Es fanden auch Befragungen in den betroffenen Straßen statt, sowie vom 3- 18 Oktober eine ganz groß angelegte Aktion diesbezüglich. Da möchte ich übrigens noch etwas anmerken, weil Anderson behauptete, dass diese Aktion bestimmte Erkenntnisse brachte, er aber gleichzeitig sagte, dass er zu dieser Zeit im Ausland war. Er war da aber schon zurück. Die house-to-house Suche die er meinte, konnte nur die unmittelbare Befragungsrunde nach dem Mord an Stride in der dortigen Gegend gewesen sein, also 30. September/ 1 u. 2 Oktober.

Ich empfehle dir noch folgende Bücher, falls du diese nicht schon hast:

The Ultimate Jack the Ripper Sourcebook von Evans und Skinner sowie The Complete History of Jack the Ripper von Sugden. Da steht auch vieles zur Polizeiarbeit in Bezug zu den einzelnen Verbrechen.

Was Bilder und das Fotografieren angeht, sollte unser lieber Andromeda geeigneter mit seinem Wissen sein, glaube ich. Vielleicht schaust Du da mal unter seinen Beiträgen und Fäden. Auch Isdrasil ist da viel fitter, meine ich.

Nun aber gute Nacht. 
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Offline Sherlock

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Re: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« Antwort #6 am: 14.01.2015 08:45 Uhr »
Danke für die Links, ich sollte wirklich mein Englisch wieder entstauben und mich auch mehr auf englische Foren und Literatur konzentrieren. Auf jedenfall sind die Timelines sehr lesenswert,danke dafür.  :biggrin:
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Offline Shadow Ghost

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Re: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« Antwort #7 am: 14.01.2015 10:11 Uhr »
Hier noch der Link, den ich meinte:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=61

Noch mal meine Meinung (!) zum Fotographieren der Tatorte. Es war ja meistens mitten in der Nacht bzw sehr früh am Morgen als die Leichen entdeckt wurden. Gegen ein schnelles Fotographieren sprechen daher auch die Lichtverhältnisse. Denn auch wenn es wohl doch kippbare Kameras im Jahre 1888 gab - wieder etwas gelernt - so stellt sich mir natürlich die Frage, wie das mit mobilen Beleuchtungsanlagen aussah, die einen Tatort hinreichend gut ausleuchten konnten.

Außerdem bin ich mir nicht sicher, welchen Mehrwert (ich hasse dieses Wort eigentlich) Aufnahmen vom Tatort gebracht hätten. Böse gesagt hätte man darauf wohl nicht mehr erkannt als die Polizisten am Tatort selbst erkannt hätten. Sicherlich wäre es im Nachhinein interessant zu sehen, wie sorgfältig angeordnet die Habseligkeiten der Chapman wirklich zu ihren Füßen arrangiert waren. Aber ich denke, man darf sich nicht vorstellen, dass die damals dutzende hochauflösende Detailaufnahmen hätten machen können wie sie heute üblich sind. Welchen "Nutzen" diese Aufnahmen haben, im Nachhinein noch Spuren zu entdecken, zeigt ja auch die Diskussion im Rahmen des Maybrick-Tagebuchs, ob denn nun an der Wand von Kellys Zimmer die Buchstaben "F" und "M" zu erkennen sind oder nicht.

Mir stellt sich eh die Frage, warum die Leichen im Leichenschauhaus überhaupt fotographiert wurden. Ich habe mir immer eingeredet, dass dies zu Zwecken der Identifikation geschah, aber sicher bin ich mir da nicht. Vor allem, wenn ich mir das ein oder andere Bild der Eddowes ansehe, bin ich mir nicht sicher, ob die damit von Tür zu Tür gezogen sind, um die Leute zu fragen, ob sie diese Frau kennen.

Prinzipiell würde ich aber schon sagen, dass die Polizei damals neuen Technologien oder Methoden gegenüber schon aufgeschlossen war. Nur waren sie stellenweise eben Pioniere und trauten ihren eigenen Eingebungen nicht. Die Geschichte mit den Spürhunden ist so ein Beispiel. An sich eine prima Idee, die wohl auch schon bei anderen Polizeieinheiten Erfolge erzielte. Aber die Londoner Polizei hatte eben ihre Zweifel, ob das Ganze auch unter den Umständen einer Großstadt wie London Erfolge erzielen könnte. Vielleicht waren sie zum Zeitpunkt des Kelly-Mordes schon derart verunsichert, dass sie das Risiko eines weiteren Fehlschlages in Form von nicht-effektiven Hunden nicht eingehen wollte. In gewisser Hinsicht war der Ripper-Fall wohl auch zu groß, um neue Techniken "Ausprobieren" zu können.

Aber auch die Sache mit dem Verteilen von Flugblättern und der Veröffentlichung von Faksimiles des "Dear Boss"-Briefes ist in meinen Augen eine moderne Methode: Öffentlichkeitsfahndung. Im Prinzip handelt es sich um einen Vorläufer von "Aktenzeichen XY ungelöst"

Die Möglichkeit von Fingerabdrücken wurde in dem ein oder anderen Leserbrief mal angedeutet, war aber noch zu sehr in den Kinderschuhen, um wirklich genutzt werden zu können.

Offline Sherlock

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Re: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« Antwort #8 am: 14.01.2015 14:33 Uhr »
Nun ja, welchen "Mehrwert" solche Fotos gebracht hätten, sei einfach mal dahin gestellt.
Ich möchte mal das Wort "Betriebsblind" einwerfen. Die Morde geschahen alle in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden. Jeder der schon mal Nachtdienste gemacht hat, weiß das man ab einem gewissen Punkt unaufmerksam wird und vielleicht auch mal etwas übersehen könnte, was auf dem ersten Blick nicht so sichtbar ist. Zumal man auch bedenken muß das die Umstände der Rippermorde etwas besonderes und neues waren, etwas das man so in der Form noch nicht kannte.

Manchmal sind es ja genau die Details an einem Fall, der unscheinbar erscheint und dann später zur Lösung hätte beitragen können. Der Druck der Öffentlichkeit war ja dementsprechend groß den Fall zu lösen.

Was deine Theorie mit den Lichtverhältnissen anbelangt.....


In New York gab es einen Polizeireporter ( Jacob August Riis) der in den nächtlichen Stunden zwischen 2-4 Uhr Morgens durch die Slums lief und mit seiner Kamera und Blitzlicht ( Magnesiumpulver-Gemisch) durch die Gegend lief und ziemlich gute und teilweise sehr scharfe Fotos machte.Der Sinn dahinter war es die Lebensumstände der dortigen Bevölkerung einzufangen und zu dokumentieren.1888 wurden Zeichnungen angefertigt, die auf Grundlage seiner Bilder basierten.Diese wurden in einem Buch veröffentlicht. Riis, der 1888 zur New York Evening Sun wechselte, galt als einer der ersten die den investigativen Journalismus betrieben.


Möglichkeiten gab es sicher zu Genüge "schnell" die Tatorte abzulichten, auch bei nicht so guten Lichtverhältnissen.
Letztendlich kann man nur über das wieso,weshalb und warum spekulieren.
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Offline Lestrade

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Re: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« Antwort #9 am: 14.01.2015 20:05 Uhr »
Laut Anderson wurden zu seinem Bedauern zwei Spuren zerstört. Eine Pfeife die von einem Arzt ins Feuer geworfen wurde (Kelly, die Feuerstelle?) und eine Schrift an der Wand (Graffito Goulston Street?). Beides hätte den Täter überführen können.

Das Graffito sollte eigentlich auch fotografiert werden, da sich aber die Straßen (Goulston Street, Wentworth Street, Middlesex Street/ Petticoat Lane) gerade anfingen mit (jüdischen) Händlern zu füllen, wollte man lieber nicht warten. Schade eigentlich… aber da hatte gerade jemand zwei Frauen innerhalb einer Stunde getötet und schon einige vorher und nun bekamen in dieser Schrift die Juden die Schuld… die Luft hätte da doch gebrannt… Die Leute standen doch immer vor den Eingängen, Hanbury Street, Berner Street, später Dorset Street… und nun vor einem Eingang, wo dieser Satz an der Wand stand… und das vor Schreck auch einmal ein Arzt an einem Tatort, wie den von Kelly, etwas irritiert reagiert und eine Pfeife als Brennholz verwendet ist zwar tragisch aber auch menschlich.

Vielleicht hätte das wirklich entscheidend sein können und wenn ja, hat da die Polizei dabei nicht wirklich gut funktioniert trotz allen Verständnisses.
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Offline Shadow Ghost

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Re: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« Antwort #10 am: 14.01.2015 22:19 Uhr »
In New York gab es einen Polizeireporter ( Jacob August Riis) der in den nächtlichen Stunden zwischen 2-4 Uhr Morgens durch die Slums lief und mit seiner Kamera und Blitzlicht ( Magnesiumpulver-Gemisch) durch die Gegend lief und ziemlich gute und teilweise sehr scharfe Fotos machte.Der Sinn dahinter war es die Lebensumstände der dortigen Bevölkerung einzufangen und zu dokumentieren.1888 wurden Zeichnungen angefertigt, die auf Grundlage seiner Bilder basierten.Diese wurden in einem Buch veröffentlicht. Riis, der 1888 zur New York Evening Sun wechselte, galt als einer der ersten die den investigativen Journalismus betrieben.

Wenn ich das richtig sehe, wurde Riis 1887 auf die Erfindung eines brauchbaren Blitzlichtpulvers aufmerksam. Diese Erfindung wurde in Deutschland gemacht, also wird wohl auch zunächst in deutscher Sprache darüber berichtet worden sein. Deutsch war damals als Sprache für technisch-wissenschaftliche Publikationen noch sehr verbreitet. Riis als gebürtiger Däne könnte Deutsch gesprochen haben, und so recht früh von dieser Erfindung erfahren haben, so dass er sie 1888 bereits verwenden konnte. Wie dem auch sei, dass dieses Blitzlichtpulver im Folgejahr 1888 noch nicht allzu weit verbreitet war, ist nicht wirklich verwunderlich.

Wenn ich mir einige der Bilder von Riis auf Wikipedia ansehe, so sind sicherlich nicht alle zwischen 2 und 4 Uhr früh entstanden, es sei denn, in New York steht zu dieser Zeit bereits die Sonne hoch am Himmel. Dennoch sind das interessante Bilder vom Leben in der damaligen Zeit.

Letztlich wird sich (durch uns) wohl nicht klären lassen, warum damals nur so wenige Bilder von den Leichen und den Tatorten und möglicherweise tatrelevanten Wandschmierereien gemacht wurden. Die Verantwortlichen damals werden sicherlich ihre Gründe gehabt haben, auch wenn man sie vielleicht nur im Zeitkontext nachvollziehen kann. Wir stecken eben nicht in den Schuhen eines Ermittlers von 1888, sondern sitzen in den Sesseln von 2015.

Wir können ja noch nicht einmal mit Sicherheit sagen, welche Spurenaufnahme an den damaligen Tatorten eigentlich erfolgt ist, da viele Akten eben verloren gegangen sind. Vielleicht wurden ja auch mehr Fotos gemacht, nur sind diese verschollen. Ich glaube, es war 1987 als das Foto vom Kelly Tatort auftauchte, von dessen Existenz bis dahin niemand wusste. Auf solche Überraschungen kann man nur hoffen. Vom Eddowes-Tatort wurden für den Inquest detaillierte Zeichnungen angefertigt, sowohl vom Tatort als auch von der Leiche und ihrer Auffindeposition. Vielleicht gibt es ja auch von anderen Tatorten ähnliche Zeichnungen, die leider bis heute verschollen sind. Zwar werden diese bei den Inquests nicht erwähnt, aber vielleicht wurden sie auch für andere Zwecke angefertigt.

Vielleicht, hoffentlich, möglicherweise,... Ich weiß auch nicht, was man noch mehr sagen kann. Uns fehlen einfach die Akten, die Fakten, einfach fast alles... Ist das Thema deshalb so spannend oder trotzdem?

Offline Sherlock

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Re: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« Antwort #11 am: 15.01.2015 07:47 Uhr »
@Lestrade, also das mit der Pfeife am Kelly Tatort lese ich jetzt zum ersten Mal. Kann mich nicht erinnern das in Büchern oder sonst wo irgendwann mal gelesen zu haben. Beim Graffito ist man sich ja bis Heute nicht eindeutig sicher, ob es wirklich vom Ripper stammt. Wirft aber Fragen auf, ob nicht an anderen Tatorten ähnlich verfahren wurde....sprich das Beweise einfach verschwunden sind, die zur Aufklärung hätten dienen können.
Will mich da jetzt nicht um Kopf und Kragen reden, aber habe ich nicht mal irgendwo gelesen, das schon im Vorfeld einige Unterlagen,Beweise etc aus den Ermittlungsakten im Laufe der Zeit verschwunden sind, bzw das ein hochrangiger Polizeiangehöriger diese wohl verbrannt hat? Mir geistert gerade Warren und/oder Swanson im Kopf herum. Vielleicht irre ich mich da auch gerade.Ist schon einige Zeit her, das ich das letzte Sachbuch zum Thema in der Hand hielt.

Betrachtet man dann noch die Tatsache das die Ripperakte weit über 125 Jahre unter Verschluß ist/war und die Gerichte und Scotland Yard sich verbissen weigern Aussenstehenden Zugang zu verschaffen.....hm hm hm.
Wirft die Frage nach dem warum auf, und wenn es stimmt das Akten,Ermittlungen etc frisiert wurden, wer sollte da geschützt werden? Versuchte man hohe Polizeiangehörige zu beschützen, oder eher den Täter, oder beide Seiten?
Fürchtet Scotland Yard eventuell einen Imageverlust, wenn bekannt würde, wie damals die Ermittlungen geführt wurden? Kannte man letztendlich doch den Täter und will ihn bis zum heutigen Tage schützen, bzw die Nachkommen? Nein, ich ziele nun nicht auf die royale Verschwörung ab, obwohl die gewiss ihren Reiz hat. Fragen über Fragen.
Ist jedenfalls schon sehr merkwürdig.

@Shadow,

ja es mag durchaus möglich sein, das sich die "neue" Fototechnik noch nicht in die Londoner Polizeiarbeit durchgesetzt hat. Ich wollte auch nur an Hand des Beispiels sagen, das man durchaus in der Lage gewesen wäre bessere und schärfere Bilder zu machen. Ob die in der Nacht/frühen Morgenstunde aufgenommenen Bilder nun besser oder schlechter gewesen wäre....wir werden es nie erfahren. Mir spukte halt nur im Kopf herum, ob man damals wirklich alles erdenkliche getan hat, um den Fall zu lösen, da der Druck von Aussen doch enorm war. Und ob man gedanklich schon soweit "war" auch solche Ermittlungsmethoden in Betracht zu ziehen.
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Andromeda1933

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Re: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« Antwort #12 am: 15.01.2015 11:52 Uhr »

Lieber Sherlock,

herzlich willkommen im Forum. Endlich mal einer, der sich nicht nur einfach hin und wieder einloggt! Ich finde es auch schön, dass Du gerade dieses Thema anschneidest, denn meistens dreht es sich bei uns um „wer hat wen gesehen“ oder „welchen Weg ist er gegangen“.
ABER, was Bilder und Fotografieren angeht......besser Panoptikum fragen!!!
Das Fotografieren der Augen war tatsächlich ein (letzter) Versuch, der aber letztendlich nichts hergab. Die Verwertbarkeit der Fingerabdrücke war gerade erst in jenem Jahr in Deutschland eingeführt worden, in Frankreich wohl ein Jahr früher. Aber wie dem halt so ist mit neuen Technologien, sie stoßen anfangs auch auf viel Ablehnung, insbesondere bei älteren Leuten, die nun „umdenken“ müssen. Zu diesen beiden Themen fand ich einmal etwas im Internet und habe es im Forum gepostet, falls es Dich interessiert. Allgemeine Diskussion:
Die Beweiskraft des Abdrucks feiert Geburtstag
„Optografie“ oder das letzte Bild dass ein Lebewesen vor seinem Tod sieht.

Die Polizei arbeitete seinerzeit noch mit Tatortzeichnern. Ich persönlich vermute, dass es auch Detailzeichnungen gab, z. B. von der Anordnung der Habseligkeiten neben den Opfern. Doch vieles ging mit den Jahren einfach verloren oder wurde von Polizisten oder „Forschern“ auch geklaut. Denk mal an den „Dear Boss Brief“, der 1987 anonym an den Yard zurück geschickt wurde. Angeblich soll sein Verschwinden bereits kurz nach „Ende der Ermittlungen“ bemerkt worden sein. Dazwischen liegen problemlos 80 Jahre, da müsste dann ein Enkelsohn bemerkt haben, was er da in Opas Papieren fand und sandte es zurück. Angesichts dieses Diebstahls kann man nicht mal erahnen, was alles aus den Unterlagen als „Souvenir“ mitgenommen wurde.
Die bemerkenswerten Fotos vom Miller's Court wurden auch nur zufällig in einer „dunklen Ecke“ entdeckt, die mit den eigentlichen Ripperakten nichts zu tun hatten.

Das hier stammt aus dem „Casebook“:


The Kelly Crime Scene Photographs
Stewart P. Evans
Regarding the provenance of the original prints of the famous photographs of the murder scene at 13 Miller's Court, 26 Dorset Street, Spitalfields, two relevant references have been written. They are as follows --
From The Complete Jack the Ripper, Donald Rumbelow, 1975, pp. 146-147:--
Several years ago, through the permission of the Commissioner of the City Police, I was able to place in the Eddowes and Kelly file [at New Scotland Yard] copies of the original photographs which were in their possession and to deposit similar sets with the Black Museum and Bow Street Historical Museum. One can only assume that the Kelly photograph was removed from the file at a much earlier date, since Sir Melville Macnaghten refers to it in his notes. Stranger still was the fact that the photograph was the work of the City Police, in spite of the dressing down they had received from Sir Charles Warren for being in Whitechapel. A story which explains this, although it is at variance with the newspaper accounts, is that although the Metropolitan Police didn't dare to disobey Warren's order and break down Kelly's doorway before the bloodhounds arrived, the City Police did so as they ran no such risks. Apparently as the morning dragged on, and nothing happened in Miller's Court, somebody quietly asked the City Police for their help which they gave by breaking into Kelly's room and taking the photograph of her body as their only justification for doing so. Certainly all the surviving photographs of Ripper victims were taken by the City of London Police. Curiously enough, they may have taken others. The photograph of Miller's Court is now a well-known one, but it was only by chance that I found it and published it in Police Journal in 1969. In 1967 the City Police photographic department were clearing out a lot of old negatives, including some glass ones, and by chance I happened to spot them. Two were of immediate interest. One was of some Metropolitan policemen, taken about 1870, and the other - which I instantly recognized - was of Miller's Court, of which no photograph was known to exist. When I tried to trace their source, I was told that they had come from a large album of photographs which disappeared when the force museum was broken up in 1959 and lost at the same time as the 'From Hell' letter, which vanished with it. I don't believe that they have been lost forever. But their present whereabouts is still a mystery.
Bill Waddell, The Black Museum, 1993:-
In 1988, on the centenary of the Ripper murders, I received an envelope which contained papers from the Ripper files that had not been seen for many years, including the original 'Dear Boss' letter. They were sent from Croyden, and the envelope was tested for fingerprints. After eliminating the prints of those who had handled it, one set was found of which there was no trace. Who sent them has never been discovered. I also found other interesting material relating to the Ripper. While going through some old photograph albums that had been used for CID training, I found pictures of the five victims. The scramble to release them to the press was one of the most remarkable experiences of my forty years with the Metropolitan Police.

Jack the Ripper letter and pictures returned to Yard 100 years after Killing.
By Neil Darbyshire
Crime Correspondent
... Also shown publicly for the first time yesterday were original post mortem photographs of three of the Ripper's victims which had been presumed lost. They were returned to Scotland Yard separately [from the 'Dear Boss' letter, Bond report, Crippen items etc.] by the family of a senior police officer who died recently.
   It is not known how the photographs came into his possession but he is believed to have used them to illustrate criminology lectures.
Extract from The Independent, Friday 19 August 1988:-

Offline Sherlock

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Re: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« Antwort #13 am: 15.01.2015 14:32 Uhr »
Hallo Andromeda, vielen Dank für die freundliche Begrüssung deinerseits. :yahoo:

Was die Bilder und die damaligen Möglichkeiten anbelangt, denk ich, das man auch Heute nicht mehr sonderlich viel neues finden wird. Ich persönlich hatte mich nur immer wieder gewundert warum man bei so einem Fall, manche Dinge einfach stiefmütterlich behandelt hat. Dinge und Ermittlunsgverfahren, die für uns Heute selbstverständlich erscheinen. Wer weiß, vielleicht findet man ja im Laufe der Zeit wirklich noch Dokumente und Bilder, die in irgendeiner dunklen Ecke verstauben.
Wo man sich dann allerdings fragen müßte, warum es eventuell 2 Akten zum Fall gab. Klingt fast nach einer öffentlichen Ripperakte, und einer Akte die unter strengster Geheimhaltung stand.Was einen noch ziemlich fuchsig werden lassen könnte, ist die Tatsache, das sovieles aus den damaligen Akten verschwunden ist, sei es durch Sammler,"Forscher", oder Polizeiangehörige. Wirft natürlich dann noch die Frage auf, ob vorhandenes und von damaligen Kräften ermitteltes Material nicht im nachhinein noch abgeändert/verändert wurde...wenn man Warrens teilweise merkwürdige Entscheidungen so betrachtet....ich weiß nicht ich weiß nicht.

Dein Posting zur Optografie werde ich die Tage mal suchen, klingt jedenfalls sehr interessant. Auch wenn es aus heutiger Sicht ein ziemliches Armutszeugnis für die damalige Polizeiarbeit ist. Die Hoffnung stirbt aber zuletzt....sagt man zumindest, und man wußte es ja damals auch nicht besser.


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Re: Frage zu den Tatortfotos und deren Geschichte.
« Antwort #14 am: 15.01.2015 14:48 Uhr »
@Lestrade, also das mit der Pfeife am Kelly Tatort lese ich jetzt zum ersten Mal. Kann mich nicht erinnern das in Büchern oder sonst wo irgendwann mal gelesen zu haben...

Schau mal hier, das wird dich dann sicherlich interessieren:

http://www.casebook.org/dissertations/brokenpipe.html

Anderson hielt McKenzie allerdings für kein Ripperopfer und so bleibt eigentlich nur Kelly über:

“I am here assuming that the murder of Alice M'Kenzie on the 17th of July 1889, was by another hand. I was absent from London when it occurred, but the Chief Commissioner investigated the case on the spot and decided it was an ordinary murder, and not the work of a sexual maniac”.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...