Autor Thema: War "Jack" impotent?  (Gelesen 13539 mal)

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Andromeda1933

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War "Jack" impotent?
« am: 18.12.2013 16:49 Uhr »
Ertragt Ihr einen laienhaften Versuch, die Person „Jack The Ripper“ zu deuten?

Als ich noch jung war (Der Kanzler hieß aber nicht mehr Adenauer), ging meine Volleyballgruppe abends oft noch ins „zweite Trainingslager“, also den Durst löschen.
Damals schlich in den Kreuzberger Szenekneipen eine Type herum, der, weil niemand seinen wirklichen Namen kannte, allgemein nur „Der Faschist“ genannt wurde. Das lag an den wenigen Sprachfetzen, die man gelegentlich von ihm verstehen konnte. „Früher war Ordnung usw.“.
Er war aber kein alter Mann, so um die Ende 30 etwa. Er sah immer aus, als würde er gegen die Sonne blicken. Die Augen zugekniffen, die Zähne bissen aufeinander, Nickelbrille, aber nicht sonderlich heruntergekommen. Ich kann mich auch nicht erinnern, ihn mal besoffen gesehen zu haben. Allerdings war er überall unbeliebt und ging wirklich jeden auf den Sack.
Einen Abend saßen wir so um die 10 Mann plus einige Freundinnen an einem großen Tisch, da kam er durch die Kneipe geschlichen, blinzelnd, sabbelnd usw. Zu meinem Entsetzen fragte ihn tatsächlich einer meiner Kumpels, ob er sich nicht setzen wollte. Das tat er dann auch und mein damaliger Freund fing mit ihm ein Gespräch an, dass ich einigermaßen mitbekam, weil ich nahe genug dran saß. Seltsam, dass mir das alles nach all den Jahren wieder einfällt. Das bringt wohl die Beschäftigung mit „Jack“ als Nebenwirkung mit sich.... Natürlich erinnere ich mich nach etwa 30 Jahren nicht mehr an vieles, aber etwas war ganz besonders.
In irgendeinem Moment hörte ich den „Faschist“ zu meinem Freund sagen, dass er Philosophie studiert hatte (kann mich aber nicht erinnern, ob er abgeschlossen hatte). UND, er habe noch nie etwas mit einer Frau gehabt.
Mein Freund versuchte mit ihm darüber zu sprechen und fragte ihn, was denn seiner Meinung nach eine Frau für ihn sei (irgendwie lautete die Frage derart – ich kriege es nicht mehr genau hin). Wichtig war aber die Reaktion. Es began ganz fürchterlich im Gesicht des Verrückten zu arbeiten an, er blinzelte immer mehr, sagte aber nichts. Das dauerte so ungefähr eine Minute, dann stand er plötzlich auf und versuchte wortlos, meinen Freund zu schlagen.
Wir entfernten ihn daraufhin ganz schnell vom Tisch und der Wirt schmiss ihn auch gleich hinaus.
Mir blieb dieses Verhalten im Gedächtnis, dass auch irgendwie zu „Jack“ passen würde.
Der „Faschist“ war mit der Frage, was eine Frau für ihn sei (oder wie auch immer die Frage wirklich lautete) völlig überfordert und seine Hilflosigkeit schlug daraufhin in Aggression um.
Seit einiger Zeit habe ich den Gedanken, dass „Jacks“ Gewalttätigkeit womöglich daher rührte, dass er impotent und/oder sozial inkompetent war.
Abgesehen davon, dass bei einer schweren Geistesstörung nun wirklich so ziemlich jedes (leider!) Szenario möglich ist, kann ich mir den Mörder durchaus ungefähr so vorstellen, wie eine Person, die hier auch recht oft erwähnt wird (den Namen habe ich jetzt vergessen...).
Ich glaube jedoch nicht so recht, dass dieses Verstümmeln der Opfer eine Art von Sex für ihn darstellte. Also, dass er dabei Lust oder Erregung empfand.
Eher scheint mir die dafür nötige – und vermutlich erst in diesen Momenten freigewordene – Gewalt das Resultat von Frustration, Hass, Enttäuschung, Angst gewesen zu sein.
Was wir heute als „emotionelle Intelligenz“ oder „soziale Kompetenz“ bezeichnen, war für Jack völlig unbekannt. Gut möglich, dass er  kein Idiot an sich war, denn mangelnde Bildung ist kein Beleg für mangelnde Intelligenz, aber in sozialer Hinsicht war er wohl ausgesprochen hilflos.
Er wusste ungefähr was Sexualität bedeutete, konnte sie aber nicht „erreichen“.
Normale Frauen ließen sich vermutlich nicht mit ihm ein, deshalb suchte er die Nähe zu Prostituierten. Denen gegenüber entwickelt man ja in aller Regel keine Gefühle der Liebe.

Gehörte er nun tatsächlich zu den zahlreichen Einwanderern aus Osteuropa? Ohne jetzt vorein-genommen zu sein, lernte er dort (auf dem bitterarmen Land) vielleicht nichts anderes als Lieblosigkeit, Trostlosigkeit und Gewalt zwischen Mann und Frau kennen. In dieser Welt war die Frau war dem Mann Untertan. In manchen Landstrichen in Osteuropa ist das immer noch der Fall. Auf einem Bauernhof wird viel geboren und gestorben. Sieht man Tiere bei der Fortpflanzung, schlachtet Tiere, weidet sie aus. Wenn man derart aufwächst, ist Blut nichts mehr, dass Ekel oder Angst hervorruft. Und das Männer ihre Frauen (und Kinder) schlugen, war sicher alltäglich.
Wer weiß, was so einer alles in seine Kindheit erlebte und ansehen musste. Man braucht zeitlich gar nicht so weit zurück gehen. In den U.S.A. beispielsweise waren in den 20/30er Jahren die weißen Landarbeiter im Süden oft noch ärmer, als viele Schwarze. Gewalt, Inzucht, Hoffnungslosigkeit, eine einzige atemraubende Spirale. Starb die Frau, nahmen einige ihre Töchter als neue „Ehefrau“. In einer vergleichbaren Welt könnte „Jack“ aufgewachsen sein.
Bevor die Morde begannen, hatte er vielleicht versucht, auf normale Weise mit einer Frau zusammen zu sein. Ich kann mir vorstellen, dass er abgewiesen wurde, weil er vielleicht unbedarft und zu grobschlächtig war und keine Zärtlichkeit zeigen konnte. Vielleicht einfach nur „ran“ wollte, wie er es von anderen gesehen hatte. Er wurde womöglich sehr schroff abgewiesen oder vielleicht auch ausgelacht. Eine Frau, vielleicht auch eine der alkoholisierten Prostituierten, könnte sich über seine (eventuell sehr kleine) Männlichkeit lustig gemacht haben. Oder auch, weil er den Sex nicht vollziehen konnte, weil er im entscheidenden Moment nicht wusste, „wie weiter“.
Ein ganzes Sammelsurium von Enttäuschungen, Frustrationen und vielleicht auch an Demütigungen durch Frauen, hat dann die Gewalt in ihm entstehen lassen. Und ich denke, er lebte einige Zeit damit (innerlich brodelnd wie ein Vulkan), bevor er im Jahre 1888 „auf Tour“ ging.
Ohne jeden Zweifel haben die Messerstiche in den Unterleib eine sexuelle Motivation, doch ich denke dabei nicht an „seine Version“ von Sex. In ihnen könnte sich seine Unfähigkeit zum Verkehr mit Frauen wieder spiegeln. Wenn er es schon nicht auf die „richtige Art“ konnte, so  vielleicht auf diese tödliche Weise. Und es war auch eine Art Vergeltung an Frauen, weil sie sich nicht mit ihm einließen. Wenn er sie vorher tötete, waren sie still und konnten nicht (mehr) über ihn lästern. Sie machten sich über ihn  lustig. Das taten sie nun nicht mehr, wenn sie so vor ihm lagen. Seine Taten waren die eines Zerstörers, Vernichters. So grausam er auch vorging, er quälte seine Opfer nicht. Der Wahnsinn geschah nach dem eigentlichen Mord.
Ich sehe in den Verletzungen kein wirklich erkennbares, wiederholtes Muster. Die Frauen lagen doch nicht unter Lampen auf einem OP-Tisch. Der Mörder stach und schnitt in fast völliger Dunkelheit vor sich hin, da war kein Feinmechaniker am Werk. Wenn man 20x in einen Unterleib sticht, sieht das doch nicht jedes mal gravierend anders aus (denke ich).
Wer er auch immer war, von woher er auch kam, der „Gentleman-Killer“ aus besseren Gegenden, der seine Mordlust im  East End ausleben wollte, war er wohl nicht.

PS: die Option, das die Opfer (zumindest 3 von ihnen) aus „Rache“ ermordet wurden (Donovan) halte ich mir aber offen. Auch die Drohung weiterer Postings.
« Letzte Änderung: 18.12.2013 20:48 Uhr von Andromeda1933 »

Offline Lestrade

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Re: War "Jack" impotent?
« Antwort #1 am: 18.12.2013 17:11 Uhr »
Beeindruckendes Posting! Hervorragend durchdacht. Die Erfahrung mit dem “Faschisten“, die in deiner Erinnerung wieder zum Vorschein kam, finde ich persönlich auch sehr interessant. Inwieweit für ihn bestimmte Handlungen Sex waren, ist der einzige Punkt, an dem ich leicht anders tendiere. Aber das ist auch ganz schwierig zu betrachten. Es gibt ja doch auch einige Spielarten der Sexualität, wo ich mich stets frage, was diese mit Sexualität zu tun haben? Ab wann ist ein Fetisch keine Sexualität mehr und ab wann ist er eine ernsthafte Störung? Ab einer bestimmten Stelle, fehlt einem dann wohl doch die Vorstellungskraft. Aber wenn das deine Vorstellung von der Ripper- Persönlichkeit ist, dann liegen wir wohl nicht allzu weit auseinander.

Ob er impotent war? Ganz sicherlich für alles das, was wir Sexualität nennen. Diese Begriffe, Impotenz und Sexualität, sind sicherlich nur im Vergleich mit der Normalität diesbezüglich zu betrachten. Ich denke, in der Ripper Welt haben diese Begriffe ganz andere Definitionen und auch ganz andere Dimensionen. 
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Andromeda1933

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Re: War "Jack" impotent?
« Antwort #2 am: 18.12.2013 20:45 Uhr »
Klar, bei diesen Wahnsinnigen kann man wirklich nicht ausschließen, dass sie sich beim Morden auch noch erregen, vielleicht gar einen Orgasmus erleben. Der berüchtigte BTK-Killer hat ein kleines Mädchen erhängt und ihr onanierend beim Todeskampf zugesehen. Es gibt da Abgründe, die uns unverständlich bleiben (vielleicht sogar zum Glück) und ich beneide die Ermittler und Ärzte nicht, die sich mit einem solchen Individuum unterhalten müssen.
Mir kam die Idee mit der Impotenz, weil ich las, dass diese oft in Aggression umschlagen kann. Sich selbst (und auch nicht seine Partnerin) nicht befriedigen zu können, hat wohl schon so manch einen böse werden lassen. Dazu noch ein gehässiges oder abwertendes Wort der Frau... Manchmal frage ich mich, ob die Taten nicht „spontan“ nach einem erfolglosen Sexversuch geschahen.

Thorsten

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Re: War "Jack" impotent?
« Antwort #3 am: 19.12.2013 20:00 Uhr »
So wie Du das beschreibst, Andromeda, mußte ich zwangsläufig an Tschikatilow denken.

Andromeda1933

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Re: War "Jack" impotent?
« Antwort #4 am: 20.12.2013 08:37 Uhr »
Hallo Thorsten,

ich muss gestehen, dass ich mich mit diesem Kerl noch nie näher befasst habe. Muss ich nachholen. Willkommen im Forum!

Offline Lestrade

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Re: War "Jack" impotent?
« Antwort #5 am: 20.12.2013 09:09 Uhr »
"Thorsten", bist Du Stordfield?
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moriaty

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Re: War "Jack" impotent?
« Antwort #6 am: 21.12.2013 05:50 Uhr »
hallo, Andromeda1933.
andrej chikatilo (oder tschikatilo) ist ein ziemlich interessanter vogel, man braucht aber starke nerven, um sich mit seinen "gewohnheiten" näher zu beschäftigen. er stand nebenbei bemerkt auch pate für den jungen hannibal lecter in "hannibal rise" u. kommt m.m. dem ripper sehr nah. worauf "thorsten" anspielt, glaube ich, ist eine von chikatilos gepflogenheit (zitat aus: "der mann aus der hölle" von mikhail krivitch und olgert olgin (isbn: 3-453-06367-8)):
""An den Körpern seiner Opfer fanden die Gerichtsmediziner Spuren, die beweisen, daß er Dutzende Male zustach, ohne das Messer aus der Wunde zu ziehen, als wolle er den Geschlechtsakt imitieren. Sexualpathologen halten das für eine Art rituelle Masturbation." (S. 168) (weiß gar nicht ob ich das so direkt zitieren darf...) er schnitt und biß auch geschlechtsteile seiner opfer (männlich u. weiblich) ab und hat u.u. auch kannibalismus damit betrieben, obwohl er es stets abstritt. chikatilo war nicht völlig impotent (das war leider genau das problem). er hatte immer probleme beim "normalen" sex mit frauen und als er 1978 seinen ersten mord beging, kam es wahrscheinlich zu der fatalen erkenntnis für ihn: wie rader bemerkte er, dass ihn das quälen und töten der opfer sexuell erregte und er somit leichter dazu kam, was er sonst nur schwer oder gar nicht zustande brachte.

gruss m.

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Re: War "Jack" impotent?
« Antwort #7 am: 22.12.2013 10:18 Uhr »
Hallo Andromeda,

wenn ich ehrlich bin muß ich zugeben das mir dieser Gedanke auch schon gekommen ist.  :good:

Sicherlich hat der Ripper Huren gehasst, ob er auch generell alle Frauen gehasst hat? Möglicherweise hat er nur Huren umgebracht weil er bei "normalen" Frauen keine Chance dazu hatte. Ich könnte mir aber auch sehr gut vorstellen das es für ihn zwei "Arten" von Frauen gab, zum einen die "anständigen" wie z.B. seine Mutter, eventuelle Schwestern oder falls er religiös war die Frauen mit denen er in einer Kirche / einem Tempel gebetet hat.
Dann gab es noch die "gefallenen", "unreinen" die ihren Körper verkauften und von ihm als "nicht menschlich" angesehen und daher ermordet wurden.

Natürlich wäre es auch denkbar das er persönlich schlechte Erfahrungen mit solchen Frauen gehabt hat. Sei es durch Erfahrungen wie von dir Beschrieben oder weil er sich selbst möglicherweise mit einer Krankheit bei ihnen angesteckt hat. Es könnte ja auch sein das z.B. sein Vater öfters zu Prostituierten gegangen ist und seine Mutter davon wußte und ihm als Kind immer wieder erzählt hat wie "schlecht" solche Frauen sind.

Das er zuerst versucht hat normalen Sex zu haben, was dann nicht geklappt hat und er danach Quasi im Affekt diese Morde verübt hat, kann ich mir aber jetzt nicht vorstellen, da die Zeitfenster ja oft sehr knapp waren und daher das Risiko bestanden hätte sozusagen "mit heruntergelassener Hose" erwischt zu werden (im wahrsten Sinne des Wortes  :biggrin:).

Möglicherweise bei MJK hätte es anders sein können? Eine junge hübsche Frau, anders als seine früheren Opfer. Eventuell wollte er ja einfach nur Sex mit ihr und dann ist die ganze Sache außer Kontrolle geraten? :scratch_one-s_head:

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Re: War "Jack" impotent?
« Antwort #8 am: 27.12.2013 13:14 Uhr »
Hi,

wenn ich mir meinen letzten Beitrag nochmal durchlese, bin wohl etwas am Ziel vorbeigeschossen  :scratch_one-s_head:

Der Treat dreht sich ja eigentlich um die Theorie das er möglicherweise IMPOTENT war  :blush:

Also das wäre natürlich gut möglich, es wurde ja so weit ich weiß niemals Sperma an den Opfern gefunden, was ein Indiz dafür sein könnte. Wahrscheinlich hat ihn nur das Verstümmeln der Opfer erregt (und jetzt kommt mir ein seltsamer Gedanke: möglicherweise hat er deshalb Körperteile mitgenommen um zu Hause alles in Gedanken nochmal durch zu spielen und der Anblick der Organe hat ihn nur noch mehr gepuscht). Ob er damit wirklich impotent war oder "nur" eine sehr gestörte Sexualität hatte steht dann auf einem anderen Blatt.

Lestrat

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Andromeda1933

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Re: War "Jack" impotent?
« Antwort #9 am: 28.12.2013 19:25 Uhr »
Mir kam der Gedanke nachdem ich im Film „From Hell“ die eine Szene sah, in der Nichols von einem Fettsack beim Sex an einem Zaun fast zerdrückt wurde. Mir ging die Zeugenaussage im Hanbury-Fall durch den Kopf, „es klang, als würde jemand gegen den Zaun fallen“.
Ich gebe zu, dass der Täter von vornherein einzig eine Mordabsicht hatte, dürfte viel wahrscheinlicher sein. Für mich ist es aber immer wieder ein Rätsel, dass ihm keine Frau kreischend davon lief. Der Mörder konnte scheinbar mit den Frauen sprechen, irgendeine Unterhaltung führen, die ihn ungefährlich erscheinen schien. Ich verstehe einfach zu wenig von Psychologie. In meinem Kopf erscheinen aber sofort ??? wenn ich daran denke, wie ein zwanghafter Mörder sich unmittelbar vor dem, was ihn eigentlich auf die Straße trieb, sich soweit unter Kontrolle haben kann, eine Frau zu kontaktieren. Natürlich kam ihm hier „entgegen“, dass seine Opfer zu den East End Nutten gehörten, denen in aller Regel die Aussicht auf das Geld für weiteren Gin alle Vorsicht vergessen ließ. Und so schießt mir manchmal durch den Kopf, dass es zu den Morden erst bei/nach einem Versuch kam. Klar, wer auf Sex aus ist, steckt sich kein Messer in die Tasche... Oder war er für den Fall „gerüstet“, damit die Frau nicht von seiner Impotenz erzählen konnte? Der Mörder kam höchstwahrscheinlich aus der gleichen oft zitierten  Viertelmeile, so manch einer aus dieser Gegend hätte womöglich (z.B. in der Kneipe) durch das Geschwätz der Frau davon erfahren.
Ich glaube aber, dieser gedankliche Faden führt nicht weiter...

Offline Lestrade

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Re: War "Jack" impotent?
« Antwort #10 am: 29.12.2013 23:39 Uhr »
Hi Lestrat,

es wurde ja so weit ich weiß niemals Sperma an den Opfern gefunden, was ein Indiz dafür sein könnte.

Kommt Dir das bei Prostituierten nicht irgendwie merkwürdig vor? Vielleicht gab es da kein frisches Sperma aber vielleicht Spermaspuren, so wie man sie heute leicht nachweisen kann.

Bei einem Opfer soll allerdings rektal Sperma gefunden worden sein. Kann sein, dass man den Kelly zuordnen müsste. Ich glaube, Du findest das über unsere Suchfunktion hier im Forum. Ich habe darüber geschrieben. Mir jetzt zu spät um selber die Quellen zu suchen.

Kelly macht Sinn, weil er da wohl die Sicherheit und die Zeit gehabt hätte, eine Penetration durchzuführen. Vaginal war er dazu vielleicht nicht fähig aber möglicherweise eben Anal. Bei einem ähnlichen Verstümmelungsmörder, Richard Trenton Chase, war das offenbar der Fall. Bei einem Opfer fand man eine enorme Menge Sperma im rektalen Bereich.

Hallo Andromeda,

Für mich ist es aber immer wieder ein Rätsel, dass ihm keine Frau kreischend davon lief.

Wir wissen nur möglicherweise davon nichts. Oder vielleicht doch? Wir wissen nicht, wie es bei Annie Millwood ablief oder wie es wirklich bei Annie Farmer oder Emma Smith war. Da waren Schreie bei Stride und offenbar auch bei Kelly. Die Prostituierten beschuldigten selbst “Leather Apron“ der Mörder zu sein. Von ihm war bekannt, dass er sie attackierte, schlug, bedrohte und so weiter. Es wird zu jener Zeit einige Frauen gegeben haben, die vor ihm flohen und schrien. Ich glaube, sogar in der Nacht des Nichols Mordes gab es in der Buck´s Row, Stunden vor dem Mord, eine Frau, die vor Lederschürze flüchtete. Steht hier auch alles im Forum und woanders. Ich kann mir vorstellen, dass auch während des Schrecken Herbstes 1888 Prostituierte diesem Killer entkamen aber aus nachvollziehbaren Gründen nicht zur Polizei gingen. Vielleicht rannte ja auch eher der Killer weg, wenn seine Opfer anfingen zu schreien und Krawall zu machen. Das muss aber nicht zwangsläufig immer der Fall gewesen sein.

Oder schaue hier:

The Star, 10. September 1888

“With regard to the bright farthings, a woman has stated that a man accosted her on Saturday morning and gave her two "half-sovereigns," but that, when he became violent, she screamed and he ran off. She discovered afterwards that the "half-sovereigns" were two brass medals. It is said that this woman did accompany the man, who seemed as if he would kill her, to a house in Hanbury-street, possibly No. 29, at half-past two a.m. This woman, Emily Walter, a lodger in one of the common lodging-houses of Spitalfields, was asked to describe the man, but her description of him was not considered clear. Still the police determined to follow up the matter, more particularly because the woman states that the man seemed ready to kill her. The woman's description did not answer the description of the man "Leather Apron," for whom they have been searching in connection with the murder of Mary Ann Nicholls.”

Erinnere Dich auch an die Story vom Kripobeamten der City Police Cox:

“He made his way down to St George's in the East End, and there to my astonishment I saw him stop and speak to a drunken woman.

I crouched in a doorway and held my breath. Was he going to throw himself right into my waiting arms? He passed on after a moment or two, and on I slunk after him.

As I passed the woman she laughed and shouted something after me, which, however, I did not catch.”


Und falls dieser Mann, dieser Verdächtige, der Killer gewesen war, was war in diesem Augenblick geschehen? Was rief diese Frau Cox hinterher und warum lachte sie? Cox bekam es ja leider nicht mit. (Btw.: Ich dachte immer, dass dieser obervierte Mann die betrunkene Frau wegschubste. Das war aber offenbar nicht der Fall.)

Wie verhielt sich der Ripper wirklich?

Gute Nacht.
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Andromeda1933

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Re: War "Jack" impotent?
« Antwort #11 am: 30.12.2013 11:37 Uhr »
@Lestrade:  Im Grunde muss man sich wohl nicht darüber wundern, dass dies doch möglich ist. Wenn man allein an all die Täter denkt, denen es gelingt, ihre Opfer ins eigene Haus zu locken oder zum Mitfahren zu bewegen. Für uns „Normalos“ oder nur „eingeschränkt verrückte“ (zu denen ich mich zähle) nicht zu verstehen.

Offline Lestrade

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Re: War "Jack" impotent?
« Antwort #12 am: 30.12.2013 12:26 Uhr »
Guten Morgen Andromeda,

Ich denke, dass es am Ende gar nicht so kompliziert war, wie wir es uns manchmal vorstellen. Der Ripper sollte ein Täter gewesen sein, der schon länger, noch bevor er zum Mörder wurde, sein Jagdgebiet hatte und dies auch regelmäßig ablief oder besser ausgedrückt, in dem er Prostituierte allgemein stalkte. Da gab es sicherlich schon länger Mord- und Verstümmelungsabsichten und irgendwann passierte auch der erste Mord. Vorher waren es, und da bin ich mir sicher, erste Annäherungen an die Opfer mit Gewalt- Mord- und “Aufschlitz“-Androhungen. Alles zu den nächtlichen Stunden, an dunklen und wenn möglich verlassenen Orten. Ob nun vor oder während der Serie, nicht jeder Nacht wollte oder konnte er bedrohen oder töten. Viele Nächte wird er einfach nur seine Machtgefühle für sein Territorium ausgeübt haben, er, der Herrscher über Leben und Tod und vielleicht auch als Auserwählter zur Ausrottung der Prostituierten. Anderseits wird er einfach zu allen möglichen Tatorten zurückgekehrt sein und Erlebtes gedanklich aufzufrischen. Bei einem Mord selber musste alles für ihn passen. Aus seiner Sicht, wir dürfen dafür dann nicht unsere Maßstäbe ansetzten. Sagte ihm Opfer und/oder Situation nicht zu, wird er einfach weitergegangen sein. Vielleicht schlug er während eines solchen Abganges auch einmal ein potentielles Opfer oder stieß es einfach nur um. Ansonsten wird es einfach ein “normale“ Freier/Prostituierten Begegnung gewesen sein. Man einigte sich irgendwann, mal schneller, mal langsamer und dann wird er, so schnell wie eben möglich, eine Blitzattacke gestartet haben. Plötzlich war das Messer da, das er zog. Da war vielleicht kaum Zeit für das Opfer zu reagieren, sprich, sich wirklich so bemerkbar zu machen, dass es ausgereicht hätte. Aber letztendlich war der Ripper keine Maschine. Auch er musste erst einmal lernen, wie es am besten funktioniert und er wird sich auch einmal geirrt haben, denn auch er war kein Perfektionist. Stride könnte ein Opfer gewesen sein das er, vielleicht in einer besonderen Stresssituation, unterschätzte. Chapman und Eddowes sind für mich die eigentlichen typischen Beispiele des Rippers. Vielleicht sollte man Nichols noch da zu zählen. Sie waren wirklich schwach, in jeder Hinsicht und genau das war sein Ding. Stride war vielleicht noch nicht ganz in dieser Phase und Kelly ganz bestimmt nicht. Möglicherweise war bei Kelly auch alles anders und er brach ein, weil er bei seiner Tour durch das East End zufällig auf ihre Behausung traf. Er sollte dann allerdings mitbekommen haben, dass es sich um eine Prostituierte handelte. Du erinnerst Dich sicherlich an unsere Diskussion zur Wasserstelle in der Dorset Street. Neulich hast Du dir ja auch die 3D Darstellung des Miller´s Court angeschaut. Stell Dir vor, er erfrischt sich dort an der Wasserstelle und ein Freier verlässt die Behausung bei Kelly und die Situation stellt sich für ihn eindeutig da. Auch ein solcher Tatablauf würde zum Ripper passen. Natürlich kann sie ihn auch schlicht und einfach nur aufgegabelt haben, wie so viele in den Tagen zuvor. Aber Kelly war mit Sicherheit von allen Opfer die gesündeste und hellste. Dennoch kann sie auf ihn hereingefallen sein. Aber: Jeder Mensch hat eben auch seine eigenen Wahrnehmung. Ich bin mir sicher, dass es Prostituierte gab, deren Warnsignale angingen, als sie diesen Mann begegneten. Die besten Voraussetzungen dafür waren sicherlich die, nicht todkrank, sturzbetrunken, halb verhungert oder vollkommen verzweifelt zu sein. Das sind Momente, wo alle Menschen nicht mehr normal reagieren können und alles ignorieren, was eventuell gefährlich sein könnte. So wie es Chapman oder Eddowes erging, war es denen scheißegal mit wem sie in die Dunkelheit gingen. Da braucht er nur noch die Sekunde abwarten, wo seine Intuition ihm sagte: Jetzt! So schnell wie das Messer da zu sehen war, so schnell kann gar keiner schauen. Das bedeutet nicht, dass die Opfer sich nicht mehr wehren konnte, es mit Sicherheit mit letzter Kraft und dem letzten Aufbäumen auch taten aber es hätte nicht mehr ausgereicht um zu überleben. Seine eigentliche Tat begann in dem Moment, wo die Opfer getötet worden sind.   

Eine Prostituierte die gesund, klar und nicht betäubt auf den Ripper zugegangen wäre, eventuell noch bei gutem Licht, hätte sich meiner Meinung nach nicht mit ihm eingelassen. Ihr wäre er suspekt erschienen. Nur wenn sie in einer Falle gesessen hätte, wäre sie möglicherweise ein Opfer geworden. Hauptsächlich erwartet hätte der Ripper schwache, ganz schwache Opfer.

Im Falle Chase, traf ihn eine ehemalige Klassenkameradin. Es dauerte eine Weile, bis sie ihn erkannte. Als er zu ihr in´s Auto steigen wollte, verriegelte sie die Türen. Das hat ihr mit Sicherheit das Leben gerettet. Natürlich steigen Opfer in die Fahrzeuge ihrer späteren Mörder. Aber ich mutmaße, dass heutzutage nicht allzu viele potentielle Opfer in das Auto von Jack the Ripper steigen würden. Nicht bei diesem Typ von Mörder. Außer, sie sind bereits jenseits von Gut und Böse.

Beste Grüße,

Lestrade.
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Offline Lestrade

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Re: War "Jack" impotent?
« Antwort #13 am: 30.12.2013 15:08 Uhr »
Und wo wir gerade über den Miller´s Court sprachen, richardh informierte gestern im Casebook über seinen youtube- Link:

http://www.youtube.com/watch?v=c_yz_UN43Bc&feature=youtu.be
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