SARAH WISE, „INCONVENIENT PEOPLE – LUNACY, LIBERTY and the Mad-Doctors in Victorian England“
474 Seiten , The Bodley Head London, ISBN 9781 847921123
Dieses Buch könnte, obwohl es mit den Whitechapel-Morden nichts zu tun hat, doch den einen oder anderen aus der Ripper-Gemeinde interessieren. Das Thema „Irrenhäuser“ wird im Zusammenhang mit der Suche nach JTR immer wieder zitiert. Unabhängig davon, ob man nun geneigt ist, den Mörder als „verrückt“ zu betrachten oder nicht. Die Autorin schreibt anhand beispielhafter Biografien über ein besonders düsteres Kapitel des englischen Sozialwesens, der „Betreuung“ psychisch und geistig Kranker in staatlichen, vor allen Dingen aber in privaten Kliniken. Insbesondere für wohlhabende Familien war es beinahe schon ein Kinderspiel, in diesen Kliniken unliebsame Familienmitglieder los zu werden. Homosexuelle, selbstbewusste und lebenslustige Frauen, untreue Partner – alle, die an den „Grundfesten der viktorianischen Gesellschaft“ rüttelten. Unzählige verschwanden in der Dunkelheit dieser Kliniken. Zahlreiche Erbschaftsangelegenheiten „regelte“ man gleichfalls auf diese Art. Kontrolle gab es kaum. Das Personal misshandelte die Insassen oftmals zum eigenen Vergnügen. Die letzte Entscheidung über Entlassung und Freiheit des Insassen hatte der Klinikleiter, dessen Befund im Nachhinein nicht immer medizinisch nachvoll-ziehbar war. Wer gibt schon eine sichere Einnahmequelle auf?
Ein Beispiel: 1844 gab es in England und Wales 16821 Insassen in staatlichen und 4072 Insassen in privaten Kliniken. 1890 waren es bereits 77257 in staatlichen und 8095 in privaten Kliniken.
SARAH WISE, „THE BLACKEST STREETS - The Life and Death of a Victorian Slum“
334 Seiten , Vintage Books London 2009, ISBN 9781 844133314
Das Buch der Autorin ist als vor allen Dingen eine hervorragende Ergänzung zu dem bereits rezensierten Buch über die Dorset Street („ The Worst Street“). Es geht um den „Old Nichol“, eine Armensiedlung an der Grenze zu Bethnal Green. Sehr eindringlich und detailliert wird das Leben der Menschen in diesem Distrikt geschildert, oftmals auch in Form kurzer Biografien. Der Leser erfährt viel über die Entstehungsgeschichte des „Old Nichol“, eines über lange Zeit hinweg „gewachsenen“ Slums, bis hin zu seinem Ende, als das Gebiet für Spekulanten interessant wurde. Kommt einem irgendwie bekannt vor.... Viele Fotografien aus dieser Zeit und zeitgenössische Zeichnungen und Karikaturen vertiefen die Eindrücke beim Lesen. Ein doch recht bedrückender Eindruck über Elend und Ausweglosigkeit der ärmsten Menschen im Herzen der Metropole des Empires. Nichts über den „Ripper“ in diesem Buch, der genauso gut im „Old Nichol“ London hätte terrorisieren können.
JERRY WHITE, „LONDON IN THE 19th CENTURY – A Human awful wonder of God“
624 Seiten , Vintage Books London 2008, ISBN 9780 712600309
Das Buch wird bereits auf den Umschlagseiten von der Presse als „Schatzkästchen“ und als ein „Must Have“ gepriesen. Nichts weniger als das ist es denn auch tatsächlich. Das Buch ist unterteilt in Kapiteln über das Wachstum der City, Arbeits- und Kulturleben, Regierung, Polizei, Kriminalität und anderes mehr. So kann man sich unabhängig in verschiedenen Bereichen informieren, ohne gleich alles von A-Z durcharbeiten zu müssen. In kurzen Kapiteln (von ca.10 Seiten) werden vom Autor auch einige Schwerpunkte gesetzt, wie der Trafalgar Square, die Flower and Dean Street, Charing Cross oder den damaligen Strafvollzug. Ein interessanter Bildteil, vor allem aber eine riesige Bibliografie und die vielen Hinweise machen das Buch zu einer Art „Schweizer Taschenmesser“ für den, der sich näher für das viktorianische London interessiert. Obwohl jetzt 6 Jahre alt, ist es leider immer noch nicht in deutscher Sprache erhältlich.
Der Autor schrieb auch zwei Bücher über das London des 18. und 20.Jahrhunderts.